Goden - Árpád Baron von Nahodyl Neményi - E-Book

Beschreibung

Viel ist heute bekannt über die Druiden, die heidnischen Priester der Kelten, aber wie sieht es mit den Goden aus, den Priestern der vorchristlichen Germanen? Auf diesem Gebiet besteht viel Unklarheit und Unwissen. Dieses Buch widmet sich erstmalig allein den Priestern der Germanen, zeichnet anhand der Primärquellen ein wissenschaftlich korrektes Bild über die Goden und hilft mit, unsere diesbezüglichen Wissenslücken zu schließen. Die bekannte Priesterin Veleda wird vorgestellt, in zwei Kapiteln werden darüber hinaus auch die späteren Hexen und Hexenbünde behandelt.

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Die vorgermanische Zeit

Die germanischen Priester

Aufgaben der Goden

Einsetzung der Goden

Der Eidring

Priesterränge

Stammespriester

Reinheit, Lebenswandel

Die Stammespriesterin Veleda

Hexen und Zauberer

Hexenbünde

Literatur,

Abbildungsnachweis,

Anmerkungen

Vorwort

»Die Germanen haben ganz andere Bräuche.

Denn sie haben weder Druiden,

die den kultischen Dingen vorstehen,

noch legen sie großen Wert auf Opfer«.

(Gajus Julius Caesar)1

Dieses Zitat von Julius Caesar ist mit dafür verantwortlich, daß die Forschung jahrzehntelang davon ausging, daß es ein mit dem keltischen Druidentum oder den christlichen Geistlichen vergleichbares germanisches Priestertum nicht gegeben hat. Zwar erwähnt der Römer Cornelius Tacitus Priester der Germanen, sogar Stammespriester, aber diese wurden immer unter der Prämisse des Caesar-Zitates betrachtet. Die von Tacitus erwähnten Priester waren demnach also keine spirituellen Priester, sondern höchstens relativ weltliche „Kultleiter“ ohne eine besondere Ausbildung oder spirituelle Qualifikation. Da auch die isländischen Sagas ein Jahrtausend später die Priester der Nordgermanen oft wie weltliche Häuptlinge darstellten, schien das Caesar-Zitat bestätigt.

Ich werde mit diesem Buch aufzeigen, daß wir Caesar mißdeuten oder daß er sich irrte und daß auch die Germanen ein differenziertes spirituelles Priestertum kannten. Die Quellen dazu werde ich in diesem Buche anführen und ein Bild dieses Priestertums herausarbeiten, das uns diesen Teil der altheidnischen Religion neu erschließen wird.

Genaugenommen ist Caesars Aussage sogar richtig, denn die Germanen hatten unbestreitbar keine Druiden, aber sie hatten dafür Goden, die den kultischen Dingen vorstanden. Die Schlußfolgerung, die Germanen hätten überhaupt keine Priester gehabt, ist genaugenommen mit Caesars Aussage nicht zu begründen.

Dabei dürfen wir nicht vergessen, daß es bei den Germanen auch ein sogenanntes „Volkspriestertum“ gegeben hat; dies bedeutet, im eigenen Hause kann z. B. der Hausvater die nötigen Zeremonien durchführen, auch Ehen wurden hier geschlossen, ohne daß es eines Priesters bedurft hätte. In meinem Buch geht es allein um den Priesterstand und seine Funktion in der Gesellschaft, also bei den öffentlichen Kultfesten und den Thingen (Volks- und Gerichtsversammlungen).

Am Rande als Ergänzung werde ich auch auf die vom Priestertum getrennte Funktion der Magie eingehen, also den Bereich der Zauberer und Zauberinnen oder Hexen mit erwähnen. Oft ist eine deutliche Trennung zwischen der Priesterfunktion und der Zauberfunktion gar nicht möglich, das kultische Priestertum beinhaltete auch magische Bereiche und die ausgeübte Magie der Zauberer ist ohne das Opfer an die Götter nicht denkbar.

Mein Buch will dabei allen wissenschaftlichen Ansprüchen genügen, d. h. die Schlußfolgerungen sollen sich auf die Quellen beziehen und auch die Quellen werden kritisch betrachtet und können nicht immer ohne weiteres als absolute Wahrheit angesehen werden, wie das obige Beispiel von Caesar zeigt. Aber umgekehrt darf auch keine Hyperkritik geäußert werden, wenn in den Quellen etwas zu finden ist, was dem Deuter nicht in sein vorgefertigtes Bild paßt.

Ich gehe dabei den Weg, den die Quellen selbst vorgeben, ich stelle Quellen nur dann in Frage, wenn sie sich mit anderen Quellen widersprechen; wenn aber mehrere Quellen gleiche oder ähnliche Aussagen treffen, dann ist das eine Bestätigung und diese Quellen gelten mir dann als glaubwürdig. Spekulationen über die vermeintliche Intention eines Autoren wie etwa Tacitus, vermeide ich. Es ist für unsere Frage des Priestertums völlig ohne Relevanz, ob Tacitus den Römern nur ein germanisches Idealbild aufzeigen wollte, oder die Frage, ob er selbst Germanien bereist hat oder seine Informationen von Germanen in Rom gehört hatte. Immerhin war eine seiner Quellen Plinius, der selbst in Germanien gewesen ist.

Daß es im antiken Rom lebensgefährlich war, wenn ein Schreiber etwas absichtlich falsch darstellte oder gar frei erfand, habe ich bereits in meinem Buch „Der Slawen-Mythos“ ausgeführt2, so daß im Falle des Tacitus nicht davon ausgegangen werden kann.

Ich selbst befasse mich seit 34 Jahren mit der germanischen Mythologie und Religion und bin seit 1991 Allsherjargode. Das bedeutet aber nicht, daß deswegen meine Darstellung unwissenschaftlich ist oder eigenen Wunschvorstellungen folgt. Gerade weil ich die altheidnische Religion aus der Praxis her kenne und lebe kann ich viele in den Quellen nur angedeutete Einzelheiten gut verstehen und entschlüsseln. Reden nicht alle, die über die germanische Religion schreiben ohne sie selbst zu praktizieren, wie Blinde über die Farbe? Kann sich ein Mensch in die Gedanken- und Geisteswelt eines germanischen Priesters vor 2000 Jahren hineinversetzen, wenn ihm doch alle Glaubensvorstellungen dieses Priesters unglaubwürdig erscheinen? Wenn es ihm nicht mehr als finsterster Aberglaube, entstanden aus dem Unwissen der damaligen Zeit ist? Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die vielen Erkenntnisse, die die Wissenschaft durch die „experimentelle Archäologie“ gewonnen hat. Wenn man praktisch nachvollzieht, was bis dato nur in der Theorie bekannt war, dann findet man schnell heraus, wo die Schwachstellen der Theorie liegen, welche Vorstellungen richtig und welche unpraktizierbar sind.

Wir dürfen auch nicht vergessen, daß die antiken Autoren sich mit ihren Werken an Leser richteten, die selbst aus heidnischen Gesellschaften stammten und die daher ein Priestertum von Hause aus kannten. Ihnen mußte also nichts darüber gesagt werden, außer den Einzelheiten, die sich unterschieden, die den damaligen Lesern also unbekannt waren.

Trotz meines Anspruches, ein Buch vorzulegen, das wissenschaftlichen Vorgaben genügt, soll sich das Buch von einem reinen Fachbuch unterscheiden und allgemeinverständlich sein. So zitiere ich die Quellen nicht in ihren Originalsprachen, sondern in annehmbaren Übersetzungen und erspare es mir, alle wissenschaftlichen Theorien zu einzelnen Quellen anzuführen. Jeder Wissenschaftler hat seine eigene Meinung zu diesen Fragen und äußert sie in seinen Büchern. Ich habe gleichfalls meine Meinung und äußere sie hier. Ich hoffe, daß meine Leser die Schlußfolgerungen nachvollziehen können, ich liefere ihnen jedenfalls mit den zitierten Quellen die Grundlagen für eine Beurteilung und wenn jemand zu andern Schlußfolgerungen kommen mag als ich, dann ist das auch in Ordnung, denn niemand kann genau wissen, ob eine Schlußfolgerung richtig ist, oder nicht.

Es geht hier allerdings allein um die Priester, die einzelnden Dinge, die sie taten, kann ich nicht erläutern. Wenn ich also schreibe, daß die Goden ein Fest leiteten, dann beschreibe ich hier nicht die Einzelheiten, wie so ein Fest ablief. Ich verweise dafür auf meine weiteren Bücher, allen voran mein Buch „Götter, Mythen, Jahresfeste“3.

Außerdem bin ich mir bewußt, daß die Bezeichnung „Gode“ frühestens bei Caesar überliefert ist, so daß es unkorrekt wäre, etwa bei bronzezeitlichen Priestern von „Goden“ zu sprechen. Wir wissen nicht, ob diese Bezeichnung damals schon in der entsprechenden sprachlichen Form – wie etwa das indische „Hotar“ – üblich war, oder noch nicht. Richtiger müßte man also allgemein von „Priestern“ sprechen, nur kommt eben der Begriff „Priester“ vom kirchenlateinischen „Presbyter“ („Gemeindeältester“, griechisch „présbys“, „alt, ehrwürdig“)4 und ist also mit Sicherheit auch falsch und sogar noch jünger, als die Bezeichnung „Gode“. Somit ist es egal, welche Bezeichnung man wählt, man begibt sich immer in das Gebiet der Spekulation. Wichtig ist aber vor allem, daß der heutige Leser die Aussagen versteht, deswegen muß ich die Bezeichnung „Priester“ verwenden, obwohl sie geschichtlich gesehen unpassend ist.

Da zum Thema bisher wenig Literatur vorhanden ist, will dieses Buch auch eine Lücke schließen und der Forschung neue Denkimpulse liefern.

Bad Belzig 2016

1.

Die vorgermanische Zeit

Auch das Priestertum der Germanen ist nicht isoliert zu betrachten, sondern entwickelte sich aus dem Priestertum der Bronzezeit und der Indogermanen heraus.

Leider sind auf Grund der spärlichen Quellen unsere Kenntnisse hier sehr beschränkt; wir können nur einzelne Fundstücke als Indizien heranziehen und von ihnen auf das damalige Priestertum schließen.

Über die Urheimat der Indogermanen gibt es bisher nur verschiedene Theorien. Nach der Kurgan-Hypothese befand sich die Urheimat der Indogermanen im 5. Jahrtausend in Südrußland, zwischen 4400 und 2200 vor unserer Zeit zogen Teile west-, süd- und ostwärts. Dieser Theorie widersprechen aber Tier- und Baumnamen, die sich in den indogermanischen Sprachen finden und die also in der Urheimat vorgekommen sein müssen. Wegen des Vorhandenseins oder Fehlens bestimmter Pflanzen- und Tiernamen muß die indogermanische Urheimat in einer Zone gemäßigten bis kühlen Klimas gelegen haben.

Die Alteuropa-Hypothese hingegen ist ganz ähnlich zu der Mitteleuropa-Hypothese, nach der die Indogermanen urspünglich im Raum zwischen Weser, Ostsee, Ostpolen und den Karpaten saßen und um 4000 v. Zt. die Trichterbecherkultur ausbildeten. Man schließt dies aus dem Fehlen nichtindogermanischer Eigennamen im mittleren und östlichen Europa in Verbindung mit dem Vorhandensein altindogermanischer Gewässernamen. Hier sind besonders die Forschungen der Gewässernamen von Prof. Jürgen Udolph zu erwähnen5. Etwa um 2500 v. u. Zt. begannen die Wanderungen in Richtung Balkan, Vorderasien und Indien. Manche Forscher lokalisierten die Urheimat zwischen Thüringen und Mecklenburg.

Die Abbildung 1 zeigt gestrichelt die vermutete Urheimat der Indogermanen um 3000 v. u. Zt. zwischen Nordsee und Schwarzem Meer nach Lothar Kilian6.

Abb. 1: Urheimat der Indogermanen nach Lothar Kilian.

Uns soll hier die Frage der Urheimat nicht beschäftigen, es geht uns allein um das Priestertum des vermuteten indogermanischen Urvolkes. Über dieses wissen wir nur sehr wenig. Der Forscher George Dumézil (18981986) schreibt7:

»Es kann sein, daß die Gesellschaft vollständig unter Priester, Krieger und Hirten aufgeteilt wurde. Man kann ebenso annehmen, daß die Unterscheidung lediglich dazu geführt hatte, einige Sippen oder einige ,spezialisierte’ Familien hervorzuheben, weil die ersten wirksame Geheimnisse, die zweiten kriegerische Initiationsriten und Techniken, die dritten zuletzt Zuchtrezepte und -magien bewahrten«.

Um wenigstens eine gewisse Vorstellung des indogermanischen Priestertums zu erhalten, können wir uns das vedische indische Priestertum ansehen, das ja in der direkten Nachfolge des indogermanischen Priestertums steht. Es ist die Zeit um 1500 v. Ztw. Der Rigveda, der bedeutenste und älteste indische Veda, wird in die 2. Hälfte des 2. Jahrtausends vor der Ztw. datiert.

Schon die vedischen Inder als direkte Nachkommen der Indogermanen kannten ein Priestertum. Es waren die Brahmanen, und dort einzelne Brahmanengeschlechter wie die Vasisthras, Visvamitras oder Bharadvajas. Das Wissen der drei Priesterklassen ist im Rigveda, Yajurveda und Samaveda niedergelegt. Der Brahmane gehörte damals auch kaum einem Stamm an, sondern zog ohne Rücksicht auf die Volksgrenzen umher, seine Kunst hier oder dort gegen Bezahlung ausübend. Der Priester ist also ein vom eigentlichen Opferer beauftragter Fachmann, der dessen Opfer den Traditionen gemäß darbringt. Es heißt8:

»Jede Bitte die beim Opfer die Priester tun, gehört allein dem Opferer«.

Die Priester unterlagen aber der Vorschrift, daß sie aus dem Brahmanenstand kommen sollten, der die heiligste Kaste ist. Das erinnert nicht nur an die hebräischen Priester, die aus dem Stamme Levi sein mußten, sondern auch an die Germanen, bei denen die Priester aus dem Stand des Adels kommen mußten. Es heißt im Gebet des Adhvaryu9:

»In Heiligkeit werde der Brahmane geboren, voll Glanzes der Heiligkeit«.

Die Brahmanen befinden sich also schon von Geburt her im Zustande der Heiligkeit.

Das vedische Heidentum der alten Inder war priesterdominiert, es kannte die sog. „Volkspriesterschaft“ nicht, bei der jeder selbst zum Priester werden konnte. Der Forscher Hermann Oldenberg (1854-1920) schreibt10:

»Demgegenüber tritt aber auf der anderen Seite ebenso entschieden hervor, daß der Hauptsache nach für das Opferwerk, das manuelle wie das liturgische, der Opferer bis auf einen recht geringen Anteil, der ihm und seiner Gattin gehört, auf die Priester angewiesen ist. Das vedische Indien ist eben weit entfernt von einem Idealzustand der Freiheit, wo jeder als sein eigener Priester der Gottheit ohne fremde Vermittlung zu nahen sich fähig und berufen gefühlt hätte. Inhaber der Kunst und Kraft rechten Opferns und Betens, als die technisch geschulten Sachverständigen, sind allein die Vasisthas, Visvamitras, Bharadvajas – überhaupt jene Familien, aus denen sich der Brahmanenstand aufbaut. Gliedern dieser Familien überträgt, wer opfern will, im Gefühl gläubigen Vertrauens (sraddha) die Priesterfunktionen (...)

Hier ist nun zunächst auf die naheliegende Konsequenz des eben erörterten Satzes hinzuweisen, daß das vedische Indien keine sacra publica [Volksriten] kannte: natürlich gab es auch keine sacerdotes publici [Volkspriester]«.

Im vedischen Indien war der Priester entweder Hauspriester („Purohita“) im Dienste eines Königs und von diesem beschäftigt, oder er war Opferpriester („Rtvij“) für bestimmte Opfer.

Schon in dieser Zeit herrschte der Glaube, daß ein Opfer ohne einen Priester wirkungslos ist und die Götter erst gar nicht erreicht. So sagt ein Brahmane11:

»Die Götter essen nicht die Speise eines Königs, der keinen Purohita hat. Will also ein König opfern, soll er einen Brahmanen zum Purohita machen, damit die Götter seine Speise essen«.

Das Amt des Purohita war zuweilen erblich, ging auf den Sohn über, und der Purohita galt als Guru des Königs. Im alten Handbuch der Staatskunst (Arthashastra) des Kautalya und des Vishnugupta aus der Zeit zwischen 300 v. u. Zt. und 200 u. Zt. heißt es12:

»Er [der König] soll ihm folgen wie dem Lehrer der Schüler, dem Vater der Sohn, dem Herrn der Diener«.

Und ähnlich ist es im Rigveda formuliert, wo der Priester – wohl der Purohita – dem König vorangeht13:

»Vor dem König beugen sich selbst die Untertanen, bei dem der Hohepriester den Vortritt hat«.

Auch die Götter selbst haben so einen Hohenpriester, nämlich den Gott Brhaspati. Als es ihnen im Kampfe gegen die Dämonen schlecht geht, forderten sie von Brhaspati, er solle ihnen eine Opferhandlung finden, durch die sie den Sieg über die Dämonen gewinnen.

Im vedischen Indien sollte der Purohita nach den Quellen (Rechtstexte und Erzählungen) gesetzes- und regierungskundig sein, bei allen Staatsgeschäften voranstehen, den König beraten und belehren, im Namen des Königs richten, Bußen verhängen und Eigentumsfragen entscheiden. Wenn Schwierigkeiten beim Regierungswechsel entstehen, kann er eingreifen und die notwendigen Maßregeln treffen. Im Rigveda (X, 98) wendet der Purohita für seinen König ein regenspendendes Zaubergebet an, im Atharvaveda (III, 19) führt der Purohita einen Schlachtzauber aus und im Mahavagga (Vinaya Pitaka X, 2, 6) meldet und deutet der Purohita dem König Vorzeichen. Das macht deutlich, daß die magische Funktion mit der priesterlichen Funktion verbunden war.

Abb. 2: Brahmane bei einer Opferung. 19. Jh.

Wie hoch ein Brahmane angesehen war, macht das indische Gesetzbuch des Manu (Manusmirti) deutlich, das man zwischen 200 v. Ztw. und 200 nach Ztw. ansetzt. Wer einen Brahmanen verachtet, der verdirbt, d. h. wird dafür sein Seelenheil verlieren14:

»Ein Brahmane kann vergnügt schlafen und vergnügt aufwachen, ob er gleich verachtet wird, vergnügt kann er durch dieses Leben wandeln, aber der Verächter verdirbt gänzlich«.

In der ältesten Zeit aber war der „Hotar“ der eigentliche Priester, bis eben der brahmanische Purohita dies übernahm und der Hotar nur noch ein die alten Vedagebete rezitierender Opferpriester wurde. Die Gesänge wurden vom Udgatar (Sänger) vorgetragen.

Schon im Rigveda werden vom Gott Agni sieben Hotarklassen (Priesterklassen) aufgezählt, zu denen sich im Vers der Opferer selbst, nämlich der Hausherr, noch hinzugesellt. Diese Priesterklassen sind der Hotar, Potar, Nestar, Agnidh, Prasastar, Adhvaryu und Brahman (Purohita). Es heißt im Rigveda15:

»Dir, Agni, kommt das Amt des Hotar zu, dir das Amt des Potar zu seiner Zeit, dir das Amt des Nestar; du bist der Agnidh des Gesetzestreuen. Dir kommt das Amt des Prasastar zu, du wirkst als Adhvaryu. Du bist sowohl der Brahman als der Hausherr in unserem Hause«.

Wie alt diese Priesterklassen sind, daß sie indogermanische Wurzeln haben, erweist schon allein die Tatsache, daß der vedische Priester „Hotar“ („Rufer“ oder „Gießer“) dem avestischen „Zaotar“ entspricht, der vedische „Agnith“ („Feuerentflammer“) entspricht dem avestischen „Atrevakhs“ („Feuerpfleger“) und der vedische „Potar“ („Reiniger“) scheint dem avestischen „Asnatar“ („Wäscher“) zu entsprechen.

Der ursprüngliche Priester war also der „Hotar“, dessen Name zu sanskrit „hu-“ bzw. indogermanisch „*gheu-“, „[den Opferguß] gießen“ oder vielleicht zu indogerm. „*ghau-“, „rufen“ in der Bedeutung „Anrufen“ zu deuten ist. Der ursprüngliche indogermanische Priester rief danach die Götter an und bzw-. oder spendete das Trank- bzw. Somaopfer. Er rezitierte heilige Verse und in dieser Funktion allein hat sich diese Priesterklasse in der vedischen Religion erhalten. Nun war der Hotar kein Anrufer oder Trankopfer spendender allgemeiner Opferpriester mehr, sondern allein ein Rezitator der kultischen Verse. Erwähnenswert ist dabei, daß auch der germanische Begriff „Gott“ von Sprachwissenschaftlern16 auf dieselben indogermanischen Begriffe zurückgeführt wird und vom Begriff „Gott“ auch die germanische Priesterbezeichnung „Gode“ abgeleitet ist. Somit wäre der germanische Begriff „Gode“ mit dem indogermanischen Priesterbegriff „Hotar“ stammverwandt.

Die andere alte Priesterklasse ist der „Adhvaryu“ („diensttuender Priester“), der außer seine Handlungen begleitende Sprüche nichts sagen braucht. Er führt die Opferhandlungen aus.

Der „Agnidh“ („Feuerschürer“) ist der Gehilfe des Adhvaryu, er unterhält das Opferfeuer, sorgt für das Brennholz usw.

Der „Prasastar“ („Befehlserteiler“) heißt auch „Upavaktar“ („Zusprecher“) oder „Maitravaruna“ („Priester des Mitra und Varuna“) und kommt nur bei größeren Opferfesten vor, er gibt die Befehle an andere Priester, hat eine Reihe von Rezitationen vorzunehmen und ist beim Soma-Opfer Gehilfe des Hotar, wo er Gebete für Mitra und Varuna rezitiert, beim Tieropfer ist er gleichberechtigter Priester mit dem Hotar.

Der „Potar“ („Reiniger“) war der ursprüngliche Gehilfe des Hotar beim Soma-Opfer, der den Soma, das kultische Rauschgetränk, reinigen mußte. Später ist dieser Rang zu einem der unwichtigeren herabgesunken.

Der „Nestar“ („Führer“) war der Priester, der die Gemahlin des Opferherren herbeiführen mußte und bei der Spende an die Göttinnen seine Funktion hatte.

In der spätvedischen Zeit galt der Brahman-Priester als Gehilfe des Hotar und er war beim Soma-Opfer mit der Rezitation an Indra beschäftigt, später wurde er zum Überwacher des ganzen Opfers.

Neben diesen sieben Priesterklassen gab es drei Klassen von Sängern (Udgatar), die aber in der ältesten Zeit noch nicht vorhanden waren. Man vermutet, daß die Priester selbst das Singen der heiligen Gesänge vorgenommen hatten.

Doch kommen wir nun nach Europa zurück. Die Bronzezeit datiert man von 1800 v. u. Zt. bis 800 v. u. Zt. Wir kennen diese Zeit nur durch die archäologischen Fundstücke und Denkmäler, da uns schriftliche Quellen fehlen. Deswegen kann über das damalige Priestertum nicht viel gesagt werden. Sicher ist, daß ein Steinkreis wie Stonehenge, dessen Hauptphase noch vor der Bronzezeit, um 2000 v. u. Zt. datiert, ohne in der Gestirnsbeobachtung ausgebildete Fachleute nicht entstanden wäre; bestimmte Peillinien in Richtung auf- oder untergehender Gestirne sind dort vorhanden und die Anlage diente natürlich auch als Heiligtum.

Die Himmelsscheibe von Nebra (Abb. 3) hat einen Durchmesser von 32 cm, sie wird in die Zeit zwischen 2100 v. Ztw. und 1700 v. Ztw. datiert. Sie diente dazu, Gestirne zu beobachten und die Sonnenwenden zu bestimmen – auch dies ist ohne ein spezialisiertes Priestertum kaum denkbar. Erwähnt werden müssen hier auch die Kreisheiligtümer (z. B. Goseck, Pömmelte, Woodhenge) oder das Heiligtum der Externsteine (Abb. 40, S. →), in denen sowohl die Sonnenwenden, wie auch das Mondextrem angepeilt werden konnte.

Abb. 3: Himmelsscheibe von Nebra, Sachsen-Anhalt, Bronzezeit. Photo: Wikimedia.

Auf den jungsteinzeitlich-bronzezeitlichen Felsbildern von Schweden finden wir Lurenbläser dargestellt. Luren sind große gewundene Bronzetrompeten, die zu kultischen Anlässen geblasen wurden. Möglicherweise geschah das durch Priester. Die Abb. 4 zeigt ein Felsbild von Tanum mit vier Lurenbläsern, darunter ein Schiff mit einem Baum; es handelt sich um ein Prozessionsschiff, mit dessen Hilfe der Kultbaum befördert wird.

Abb. 4: Schwedisches Felsbild von Tanum mit vier Lurenbläsern, frühe Bronzezeit.

Ob es sich bei den Lurenbläsern um Priester handelt, oder Musiker die keine priesterlichen Funktionen hatten, ist unklar. Zumindest um am Kult beteiligte Personen handelt es sich aber in jedem Falle.

Ein anderes Felsbild hingegen zeigt einen kompletten Kultumzug mit einer Götterfigur (siehe Abb. 5). Die 5. Figur von rechts ist übergroß, es wurde vermutet, daß es sich um ein Götterbild handelt17. Dieses Götterbild wird von der Figur direkt hinter ihm geführt. Insgesamt folgen 12 Figuren diesem Götterbild, vier gehen ihm voran. Wir können mit Sicherheit davon ausgehen, daß bei diesem kultischen Umzug zwischen zwei Schiffen Priester zugegen sind. Ob die das Götterbild führende Figur der Priester ist, oder eine andere oder sogar alle, ist dabei natürlich nicht mehr feststellbar.

Abb. 5: Kultumzug der Bronzezeit, schwedisches Felsbild.

Leider liefern uns auch die Felszeichnungen des Steingrabes von Kivik (Bronzezeit, um 1000 v. u. Zt.) nicht viel mehr Informationen. Immerhin finden wir hier Kulte dargestellt, aber die Bilder lassen sich sehr unterschiedlich interpretieren.

Auf einer Tafel (Abb. 6) ist ein Opferkult dargestellt. In der oberen Reihe sieht man links zwei Personen, die offenbar Feuer quirlen, dann zwei weitere Personen, eine davon hält einen Becher hoch zu dem oben angedeuteten großen Gefäß oder Gestirn, rechts zwei Lurenbläser. Die kultische Feuerzeugung wurde vielleicht von Priestern bewerkstelligt. In der mittleren Reihe stehen acht Figuren mit Vogelmaske und langem Gewand um einen Kessel herum, der als Opferkessel gedeutet wird.

In der unteren Reihe scheint das seitlich geöffnete runde Zeichen eine liegende Urform der othala-Rune zu sein und einen eingehegten oder geschützten Ort zu bedeuten, also z. B. ein Heiligtum. Ein Mann mit Stab oder Schwert bewacht es, hinter ihm folgen drei weitere Personen. Rechts unten scheint dieser Mann zwei der Personen durchgelassen zu haben. Der Wächter eines Heiligtums muß aber kein Priester gewesen sein und kann es auch nicht, sollte der Stab tatsächlich ein Schwert sein, denn Priester durften (wie spätere Quellen überliefern) keine Schwerter tragen.

Abb 6: Steinplatte des Kivik-Grabes mit Opferzeremonie. Bronzezeit.

Die andere Platte (Abb. 7) zeigt rechts und links eine Axt, zwei Speerblätter und unten ein Schiff. Nur das Gebilde in der Mitte scheint unklar. Man hat es als Goldhut gedeutet. Die Äxte deuten auf den Gewittergott Donar (Thórr) hin, die Speerspitzen auf den Gott Wodan (Óðinn). Auch derartige Bilder sind Belege für eine Kontinuität der Göttervorstellungen sowie auch einer Kontinuität der Bevölkerung.

Und damit sind wir nun bei anderen bronzezeitlichen Fundstücken, den „Goldhüten“. Es handelt sich um hut- oder helmartige Kopfbedeckungen aus Gold, reich mit Ornamentik voll symbolischer Bedeutung versehen, und diese Hüte haben eine hohe Spitze (siehe Abb. 8). Es sind vier derartige Goldhüte gefunden worden, der Berliner Goldhut stammt aus der

Abb. 7: Steinplatte des Kivik-Grabes mit Goldhut-Darstellung. Bronzezeit.