7,99 €
Ein One-Night-Stand. Eine Hochzeit. Und ein verdammt hartnäckiger Eishockeyspieler. Jess Canning will endlich beweisen, dass sie mehr ist als das schwarze Schaf der Familie. Und auch wenn die Organisation der Hochzeit ihres Bruders ihre bisher größte Herausforderung ist, kommt Versagen für Jess nicht infrage. Ungünstig nur, dass ausgerechnet Blake Riley, der nervtötend charmante Hockeyspieler mit dem losesten Mundwerk der Liga, der Trauzeuge ist. Schlimmer noch: Die beiden haben im letzten Frühling eine Nacht miteinander verbracht – von der absolut niemand erfahren darf. Blake sieht die Hochzeit als ein Geschenk des Schicksals. Jess ist die Trauzeugin und er der Trauzeuge? Lasset die Spiele beginnen. Leider lässt sich Jess nicht ganz so schnell davon überzeugen, dass er eigentlich ein braver Junge mit ungerechtfertigt schlechtem Ruf ist. Doch glücklicherweise weiß Blake, der Eishockeyprofi, dass man sich anstrengen muss, wenn man punkten will …
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 395
Veröffentlichungsjahr: 2025
SARINA BOWENELLE KENNEDY
GOOD BOY
WAG-REIHE 1
Aus dem Englischen von Nina Restemeier
Über das Buch
Jess Canning will endlich beweisen, dass sie mehr ist als das schwarze Schaf der Familie. Und auch wenn die Organisation der Hochzeit ihres Bruders ihre bisher größte Herausforderung ist, kommt Versagen für Jess nicht infrage. Ungünstig nur, dass ausgerechnet Blake Riley, der nervtötend charmante Hockeyspieler mit dem losesten Mundwerk der Liga, der Trauzeuge ist. Schlimmer noch: Die beiden haben im letzten Frühling eine Nacht miteinander verbracht – von der absolut niemand erfahren darf.
Blake sieht die Hochzeit als ein Geschenk des Schicksals. Jess ist die Trauzeugin und er der Trauzeuge? Lasset die Spiele beginnen. Leider lässt sich Jess nicht ganz so schnell davon überzeugen, dass er eigentlich ein braver Junge mit ungerechtfertigt schlechtem Ruf ist. Doch glücklicherweise weiß Blake, der Eishockeyprofi, dass man sich anstrengen muss, wenn man punkten will ….
Über die Autorinnen
Sarina Bowen hat einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften von der Yale University und arbeitete früher an der Wall Street. Ihre Contemporary-Romance-Geschichten landeten zahlreiche Male auf Bestsellerlisten.
Als Nachfahrin von Holzfällern und Farmern im Vermont der 1760er ist sie dankbar für die Erfindung von Sanitäranlagen und WLAN während der vergangenen 250 Jahre. Sie lebt mit ihrer Familie auf einem bewaldeten Grundstück in New Hampshire.
Elle Kennedy wuchs in der Vorstadt von Toronto in Kanada auf und schloss ihr Studium an der York University mit einem B.A. in Englisch ab. Schon von Kindheit an wusste sie, dass sie Schriftstellerin werden wollte, und hat bereits in ihrer Jugend damit begonnen, diesen Traum zu verwirklichen.
Elle schreibt Romantic Suspense und Contemporary Romance für mehrere Verlage. Ihre Bücher haben es auf die Bestsellerlisten der New York Times, der USA Today und des Wall Street Journal geschafft. Sie liebt starke Heldinnen und sexy Alpha-Helden und verpasst ihren Geschichten gerade genug »spice« und Gefahr, um die Dinge interessant zu halten.
Die überarbeitete englische Ausgabe erschien 2024 unter dem Titel »Good Boy«.
Deutsche Erstausgabe Oktober 2025
© der Originalausgabe 2017, 2024: Sarina Bowen, Elle Kennedy
The moral rights of the authors have been asserted.
© für die deutschsprachige Ausgabe 2025:
Second Chances Verlag, Inh. Jeannette Bauroth,
Hammergasse 7–9, 98587 Steinbach-Hallenberg
Bei Fragen zur Produktsicherheit wenden Sie sich an
Alle Rechte, einschließlich des Rechts zur vollständigen oder
auszugsweisen Wiedergabe in jeglicher Form, sind vorbehalten.
Alle handelnden Personen sind frei erfunden, Ähnlichkeiten
mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Die Nutzung des Inhalts für Text und Data Mining
im Sinne von § 44b UrhG ist ausdrücklich verboten.
Umschlaggestaltung und Illustration: Elizabeth Turner Stokes
Lektorat: Klarissa Klein
Satz & Layout: Second Chances Verlag
ISBN Taschenbuch: 978-3-98906-104-0
ISBN E-Book: 978-3-98906-103-3
www.second-chances-verlag.de
Titel
Über die Autorinnen
Impressum
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
DER TRAUZEUGINNENJOB
JESS
Juni
Das Restaurantpersonal hat zwar schon längst ganze Arbeit geleistet, trotzdem fummle ich an der Tischdeko herum. Jedes einzelne Blumenarrangement wird in letzter Minute noch einmal zurechtgezupft, damit alles auch wirklich perfekt aussieht. Ein Blick aus dem Fenster verrät mir, dass sich der wolkenlose Himmel bereits verdunkelt. Ich habe das Probedinner für die Hochzeit meines Bruders exakt so getimt, dass die ersten Farbstreifen genau zur Vorspeise über dem Pazifik auftauchen.
Auch die Vorhersage für morgen ist perfekt – sonnig, bei einer Höchsttemperatur von vierundzwanzig Grad. Nicht einmal das Wetter wagt es, die größte Hochzeit aller Zeiten zu vermiesen.
Wie aufs Stichwort ertönt jenseits des bogenförmigen Durchgangs zu unserem privaten Speisesaal das Knallen einer Champagnerflasche. Die Gäste treffen ein. Gleich um die Ecke – im Bereich der Bar – höre ich meine Schwester lachen. Einen Augenblick später steckt meine Mutter den Kopf zu mir herein.
»Ach, Liebling, das hast du großartig gemacht!«, ruft sie mir zu. »Das ist alles so wunderschön! Es wird bestimmt ein voller Erfolg!«
»Danke«, flüstere ich und rücke ein Buttermesser zurecht, das ich schon vor zwei Minuten zurechtgerückt habe.
»Du überraschst uns immer wieder, Miss Jessica.« Mom strahlt mich an und nippt an ihrem Champagner.
Anstatt zurückzustrahlen und mich zu freuen, ertappe ich mich dabei, dass ich mich ärgere. Denn die Komplimente höre ich gar nicht. Die Worte »großartig« oder »voller Erfolg« oder »Miss Jessica«, Dads Spitzname für mich, seit ich drei Jahre alt war, dringen nicht zu mir durch.
Ich höre nur: »Du überraschst uns.«
Soll heißen: Meine Familie ist überrascht, dass ich es geschafft habe, dieses Probedinner zu organisieren, ohne alles zu vermasseln.
»Danke, Mom.« Ich ringe mir ein Lächeln ab, und sie verschwindet wieder, vermutlich, um ein weiteres meiner fünf Geschwister zu begrüßen.
Ich sollte auch da draußen sein, ein Glas Wein trinken und mich auf meinen Lorbeeren ausruhen. Stattdessen hole ich mein Notizbuch aus der Tasche und gehe ein letztes Mal die Seite mit der Überschrift Probedinner durch. Platzkärtchen: check. Weißwein bestellt und kaltgestellt: check.
Alles ist perfekt. Nur nicht für mich. Ich bin ein Nervenbündel. Denn erstens ist es verdammt stressig, die perfekte Hochzeit zu planen. Und zweitens …
»Wesley! J-Bomb!«, dröhnt es in dem Moment aus dem Nebenraum. »Da bin ich!«
Das tiefe Timbre seiner Stimme hallt in meiner Brust nach, und mein Blutdruck schnellt in die Höhe.
Ich fummele noch mal am Tafelsilber herum und lausche.
»Heute Abend fülle ich euch ab!«, verkündet Blake, und ich höre, wie er kumpelhafte Umarmungen austauscht, Rückklopfer inklusive. »Und wer ist diese Schönheit?«
Meine Mutter kichert bei Blakes Bemerkung, und ich spüre, wie mir ein kalter Schauer über den Rücken läuft. Als wäre die Hochzeit nicht schon anstrengend genug, muss ich mich auch noch mit dem lautesten, frechsten und nervigsten Mann herumschlagen, den ich je kennengelernt habe. Ein großer Kerl mit einem großen Herzen und …
Na schön, er hat auch den größten Schwanz, den ich je im Leben gesehen habe. Aber ich bemühe mich, nicht an diesen speziellen Körperteil zu denken.
Meine Familie darf auf keinen Fall von dem gewaltigen Fehler erfahren, den ich dieses Frühjahr gemacht habe. Ich darf ihnen nicht noch einen Beweis für mein mangelndes Urteilsvermögen liefern, nicht, wenn ich kurz davorstehe, den nächsten Jobwechsel zu verkünden. Ich bin ohnehin schon die Unstete. Die Versagerin.
Und so richtig verbockt habe ich es, als ich zugelassen habe, dass Blake mir die Klamotten vom Leib riss. Es wird nicht wieder vorkommen. Aber jetzt ist er hier, und das macht alles nur komplizierter. Morgen werde ich eine Hochzeit mit dreihundert Gästen schmeißen, darunter zwei Dutzend berühmte Eishockeyspieler. Den letzten Monat über hat Blake mir ununterbrochen Nachrichten mit unangebrachten Ideen und Scherzen für die Hochzeit geschrieben.
Und als ich darauf nicht reagiert habe, schickte er mir ein Bild von seiner Hand an seinem besten Stück.
Ich: Hör auf. Das könnte jemand sehen.
Blake: Ha! Ich wusste doch, dass du meine Nachrichten bekommst.
Der Kerl ist unverbesserlich. Und langsam gehen mir die Gegenstände aus, die ich noch geraderücken und zurechtzupfen könnte. Ich verstecke mich einfach hier in einem privaten Speisesaal, verdammt.
Ich schüttle meine Haare auf und lecke mir über die Lippen. Dann hole ich tief Luft und betrete mit hocherhobenem Kopf die Bar. Meine Schwester Tammy hat eine Champagnerflasche in der Hand, also steuere ich auf sie zu, ohne Blake eines Blickes zu würdigen. Aber ich kann seine Anwesenheit am anderen Ende der Bar spüren, denn sobald ich einen Raum mit ihm betrete, nehme ich ihn überdeutlich wahr. Wie einen Juckreiz, an dem ich nicht kratzen darf.
Wie bei Giftefeu.
»Hier, Jessie.« Tammy reicht mir ein Glas vom edlen Zeug. »Ich bin so beeindruckt, wie du Jamies großen Tag organisiert hast.«
»Danke«, murmele ich und kippe einen großen Schluck Schampus hinunter. Tammy überhäuft mich mit Lob, und dann kommt Mom dazu und häuft noch mehr dazu. Ganz offensichtlich sind sie davon ausgegangen, dass ich mit wehenden Fahnen untergehen oder den Job mittendrin hinschmeißen würde. Aber zu wissen, dass die Hochzeit morgen wunderbar werden wird, verschafft mir keine Befriedigung. Denn kurz darauf werde ich allen mitteilen, dass ich dem Partybusiness den Rücken kehre. Noch bevor Jamie und Wes aus den Flitterwochen zurück sind, werden alle den Kopf über mich schütteln.
»Was ist los, Miss Jessica?«, fragt meine Mutter.
Mist. Cindy Canning hätte Polizistin werden sollen. Sie entdeckt jede Lüge, kann an jeder Miene ablesen, ob sie verarscht wird. Doch so feinfühlig sie auch ist, ich werde meinem kleinen Bruder nicht seinen großen Tag vermiesen, indem ich meine Zweifel laut ausspreche.
»Nichts ist los«, behaupte ich. »Guck dir Jamester doch mal an. Was soll los sein, wenn er so glücklich aussieht?«
Die Ablenkung ist geglückt, und als Mom zu ihrem jüngsten Sohn hinüberschaut, wird ihr Blick milder. Jamie steht neben seinem Bräutigam, eine Hand liegt in Wes’ Nacken. Gerade zeigen sie Pat, der das Eishockey-Camp leitet, in dem sie sich kennengelernt haben, Fotos von ihrem letzten Angelausflug. Alle drei wirken entspannt und lächeln.
Jamie ist zufriedener und ausgeglichener, als ich ihn jemals erlebt habe, und das will was heißen, denn er ist immer zufrieden und ausgeglichen. Ryan Wesley, sein supererfolgreicher, semiprominenter Verlobter, wirkt dagegen ein wenig angespannt. Aber dafür hat er seine Gründe.
Und das ist die eigentliche Ursache dafür, weshalb diese Hochzeitsplanung eine kleine Herausforderung dargestellt hat. Ein Zelt mieten und eine Band engagieren – das kann jeder. Die Schwierigkeit war es, eine Feier für einen Mann zu planen, dessen Familie kein Wort mit ihm redet. Die Presse verfolgt ihn auf Schritt und Tritt, also musste ich bei allen Reservierungen einen Decknamen angeben. Aber die beiden Menschen, die heute Abend hier sein und den Überfluss an canningscher Liebe und Unterstützung ausgleichen sollten – Wes’ Eltern – werden sich nicht blicken lassen.
Also habe ich dieses Dinner – genauso wie die Verlobungsparty vor ein paar Monaten sowie die Trauung und den Empfang morgen – sorgfältig so geplant, dass ihr Fehlen nicht allzu offensichtlich wird. Es wird keine Gastgeschenke mit Babyfotos der Bräutigame geben, weil es solche Fotos vielleicht gar nicht mehr gibt. Stattdessen habe ich mich für Pralinen in Form von Eishockeypucks entschieden.
Ein Großteil von Wes’ Teamkameraden wird morgen zur Trauung kommen, aber dieses Essen heute Abend ist nur für Angehörige, enge Freunde und alle, die bei der Trauung eine Aufgabe übernehmen. Ich erfülle gleich mehrere dieser Rollen, denn ich bin außerdem Jamies Trauzeugin.
Ich habe den Trauzeuginnenjob schon öfter übernommen. Normalerweise liebe ich die Verantwortung, die damit einhergeht. Und wenn der Trauzeuge des Bräutigams süß ist, ist das ein zusätzlicher Pluspunkt. Letzten Sommer, bei der Hochzeit meiner Freundin Wendy, haben der heiße Trauzeuge und ich uns mittendrin von der Feier geschlichen und zwei Tage lang in seinem Hotelzimmer eingeschlossen.
Das wird dieses Mal nicht passieren. Ganz sicher nicht. Denn Wes’ Trauzeuge ist zufällig …
»J-Babe, was soll das? Du hast keinen von meinen Vorschlägen umgesetzt!«
Jepp. Er. Blake drängt sich in all seiner muskelbepackten Pracht durch die Menge, um mich anzusprechen.
»Wie immer habe ich keine Ahnung, wovon du sprichst«, erwidere ich kühl. Doch dann mache ich den Fehler, den Kopf zu heben und ihn anzusehen. Warum muss diese Nervensäge nur so verdammt attraktiv sein? Hellgrüne, von dichten Wimpern umrahmte Augen blicken mich an. Sie zieren ein markantes, gut aussehendes Gesicht, ganz zu schweigen von seinem traumhaften Körper. Für einen Moment fällt mir kein einziger Grund ein, warum ich diesen Mann nicht mögen sollte.
Blake richtet seine schönen Augen auf mich. »Du weißt ganz genau, wovon ich spreche.« Er deutet mit einer Armbewegung durch den von Kerzen erhellten Raum, und ich kann nicht übersehen, dass sein maßgeschneiderter Anzug wie angegossen an seinem statuengleichen Körper sitzt. »Wo ist der Glitter? Und was ist mit dem Banner, das ich vorgeschlagen habe? Das mit ›Wesmie 4ever‹!«
Ach ja, jetzt fällt’s mir wieder ein.
»Sorry, Kumpel, aber Glitter hat auf einer Hochzeit nichts verloren. Wesmie ist ein alberner Pärchenname. Und Banner sind was für Abschlussbälle und Ruhestandsfeiern.« Seit Monaten arbeite ich daran, dass diese Hochzeit stilvoll und makellos wird. Er würde es im Handumdrehen in eine schlüpfrige Kitschveranstaltung verwandeln. Mit der Betonung auf schlüpfrig.
Ein freches Grinsen zupft an seinen Mundwinkeln. »Sag das noch mal.«
»Was?«
»Nenn mich noch mal Kumpel. Das find ich gut. Erinnert mich an meine Verbindungszeiten.«
Blake war in einer Studentenverbindung? Unfassbar.
»Damals«, fährt er fort, »als sich mir alle heißen Mädels dir nichts, mir nichts an den Hals geworfen haben.«
»Mir nichts, dir nichts«, berichtige ich.
»Hm?«
»Es heißt ›mir nichts, dir nichts‹, du kommt zuerst.«
Er zwinkert mir zu.
»Okay, vielleicht hast du recht, aber du weißt ja, bei mir kommst du zuerst.«
Ich knirsche mit den Zähnen. Der Mann ist unmöglich. Ich weiß wirklich nicht, was mich geritten hat, was mit ihm anzufangen.
Die Einsamkeit, ruft mir eine strenge Stimme in Erinnerung.
Genau. Die Einsamkeit. Und dieser elende Ich-will-mich-wieder-begehrenswert-fühlen-Fluch nach einer Trennung. Zwar war ich diejenige, die Raven verlassen hatte, trotzdem habe ich mich verletzlich gefühlt. Blake und sein großer Schwanz waren einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
Die Nacht mit ihm war ein Fehler, den ich nicht noch einmal machen werde. Dabei spielt es keine Rolle, dass er mir drei Orgasmen in dreißig Minuten beschert hat. Das wird sich nicht wiederholen.
»Eigentlich ist es heute gar nicht so anders als in meinen Collegetagen«, überlegt er. »Die Mädels stehen immer noch Schlange.« Er grinst mich an. »Manchmal stehen sie im Trenchcoat vor der Tür, ohne irgendetwas drunter.«
»Oooh, das klingt ja scharf.« Meine Stimme trieft vor Sarkasmus.
»Ist es auch«, erwidert er völlig ernst. »Genauso scharf, wie es auf einem Massagesessel zu treiben.«
Ich werfe ihm einen finsteren Blick zu. Er lacht einfach – sein lautes, wildes Lachen, das direkt aus den Tiefen seiner Seele zu kommen scheint, denn Blake macht keine halben Sachen. Er lacht, wie er lebt: laut und stürmisch und furchtlos.
Und genauso ist er im Bett.
Argh! Verdammt. Daran wollte ich doch nicht denken. Ich will überhaupt nicht an ihn denken. Punkt.
»Ich muss mich ums Catering kümmern«, sage ich steif. »Geh irgendwen anders nerven.«
»Erst, wenn du mir verrätst, was du gegen meine Idee von den lebensgroßen Pappaufstellern der Bräutigame hattest.«
»Das ist kindisch«, platze ich heraus. Langsam werde ich echt sauer. »Genau wie alle deine anderen Vorschläge. Das ist eine Hochzeit, aber du wolltest einen Kindergeburtstag planen.«
Er grinst. »Entschuldige bitte, dass ich die Hochzeit deines Bruders ein bisschen auflockern wollte.« Er deutet in den Raum hinein, auf die raffinierte Tischdeko und die flackernden Kerzen, die auf dem Mauervorsprung um den ganzen Raum herum aufgereiht stehen. »Wenn du ein paar von meinen Vorschlägen angenommen hättest, wäre die Veranstaltung vielleicht nicht so spießig.«
»Das ist nicht spießig, das ist elegant. Wenn du mich jetzt bitte entschuldigen würdest …« Ich muss mich zusammenreißen, damit ich nicht mit dem Fuß aufstampfe, denn das wäre wirklich kindisch. Blake hat keine Ahnung, was es bedeutet, die einzige Versagerin in einer Familie mit lauter Überfliegern zu sein. Und außerdem ist überhaupt nichts spießig an meiner liebevollen Planung dieser Hochzeit. Sie wird perfekt, und wenn es das Letzte ist, was ich tue.
Jetzt ist es zu spät, meinen So-gut-wie-Schwager zu überreden, sich einen anderen Trauzeugen zu suchen. Also löse ich das Problem auf die einzige Weise, die mir einfällt: Ich trinke einen großen Schluck Schampus und wende mich von dem Vollpfosten ab.
***
BLAKE
Ich blicke Jess Canning nach – ihre langen, gebräunten Beine verhöhnen mich, sie wiegt ihren perfekten Hintern. Wenn man uns so ansieht, könnte man meinen, Jess würde mich nicht mögen. Aber so ist es immer. Wenn wir zusammen sind, brennt die Luft. Dieser kleine Schlagabtausch hat mir mindestens eine Stunde Spaß mit ihr eingebracht. Aber irgendwann werde ich aufhören müssen, sie zu provozieren, damit ihr wieder einfällt, wie gern sie mit mir ins Bett geht.
Timing ist alles. Und Timing ist meine Stärke. Deshalb habe ich letzte Saison auch einundzwanzig Tore geschossen.
Und Scheiße, ich kann einfach nicht aufhören, sie zu reizen. Wenn sie sauer ist, erscheint diese süße kleine Furche auf ihrer glatten, küssenswerten Stirn. Dann funkeln ihre großen braunen Augen, als wäre Bambi von einem Dämon besessen. Einem echt heißen Dämon mit tollen Brüsten.
Bei meinem derzeitigen Tempo werden wir uns nicht vor dem Dessert in den Laken wälzen, aber ich kann warten. Ich bin geduldig. Und bis es so weit ist, werde ich mich mit meinen besten Freunden an den Meeresfrüchten satt essen.
Ein paar Minuten später bittet Jess alle in den Speisesaal, von dem aus man die Bucht überblicken kann. Er ist von Kerzen erleuchtet, und die Aussicht ist spektakulär. Von hier wirken die Boote in der Ferne wie Spielzeug. Es ist wunderschön.
»Wie langweilig«, sage ich zu Jess, die an mir vorbeihastet, um noch irgendein Detail zu richten. »Ich wollte das Probeessen ja lieber in einer Muschel-Bar am Strand abhalten.«
Sie wirft mir einen hasserfüllten Blick zu.
Yessss. Mein Schwanz zuckt erwartungsvoll.
Es gibt kleine Namensschilder auf den Tischen, damit alle ihren Platz finden. Meiner ist am anderen Ende der langen Tafel, so weit von Jess entfernt wie nur möglich. Das hat sie doch absichtlich gemacht, damit wir uns über die Distanz sehnsüchtige Blicke zuwerfen können.
Ich sitze neben ihrem Bruder Scott. »Hey Kumpel, hast du deine Knarre dabei?«, frage ich ihn.
»Äh, nein«, sagt Scott. »Auf der Hochzeit meines Bruders brauche ich nicht schwer bewaffnet aufzutauchen.«
»Schade. Darf ich dann mal in deinem Streifenwagen mit der Sirene spielen?« Das wollte ich schon immer mal.
»Seit ich zum Detective befördert wurde, habe ich keinen Streifenwagen mehr. Also auch keine Sirene.«
»Was für ein Abstieg!« Ich klopfe ihm auf den Rücken. »Wozu ist man denn Cop, wenn man nicht mal den ganzen Schnickschnack bekommt?«
Er greift nach der Menükarte, also mache ich es ihm nach. Da stehen all die leckeren Sachen drauf, die wir heute bekommen werden. Auf der Vorderseite ist eine schwarz-weiße Karte von Lake Placid, New York abgedruckt. Wir sind hier zwar in Marin County in Kalifornien, aber Jamie und mein Teamkamerad Wes haben sich in Lake Placid kennengelernt, deshalb hat Jess es auf die Karte drucken lassen.
Ich kann nicht anders – ich hole mein Smartphone heraus und schreibe ihr eine Nachricht: Ich fand meinen Vorschlag besser. Die beiden vögelnden Hummer hätten schon mal für die richtige Stimmung für den Junggesellenabschied nachher gesorgt.
Ihre Antwort kommt nach einer Minute: Schreib mir nicht mehr, sonst blockier ich dich.
Alles klar. Sie will mich.
Der Service erscheint mit dem Essen, also muss ich mich konzentrieren. Essen ist für mich eine ernste Angelegenheit. Mal ehrlich, man erreicht nicht mein Format, wenn man nicht auf seine Ernährung achtet. Zum Glück erfüllt die Location alle meine Erwartungen. Es gibt einen hervorragenden Shrimpscocktail und einen so köstlichen Ceviche, dass mir die Tränen kommen. Dann geht es weiter mit Hummerschwänzen und Lachs in Kartoffelkruste und Thunfischfilet mit einem Rand aus Pfeffer.
Ich bin im Paradies.
Schließlich werden die Teller abgeräumt, und es ist Zeit fürs Dessert. Aber ich werde meine Mousse au Chocolat aus einem wichtigen Grund noch einen Moment warten lassen. Ich muss meine Rede auf Bräutigam und Bräutigam halten, und ich darf nicht zulassen, dass J-Babe mir zuvorkommt. Tatsächlich sieht es so aus, als wollte sie aufstehen, also beeile ich mich und erhebe mich zuerst. Ich springe so hastig auf, dass mein Stuhl hinter mir auf den Boden kracht, aber das ist in Ordnung, so habe ich wenigstens die volle Aufmerksamkeit.
»Ladys and Gentlebeasts«, setze ich an.
Am anderen Ende der Tafel kneift Jess die schönen braunen Augen zusammen.
»Als Wes’ Trauzeuge ist es heute Abend meine Aufgabe, ihn in Verlegenheit zu bringen.«
Gelächter ertönt, und Wes schüttelt den Kopf.
»Aber das wird nicht einfach«, fahre ich fort. »Denn Ryan Wesley ist ein verdammt guter Freund und ein verdammt guter Teamkamerad. Klar, der Kerl hat nur Unsinn im Kopf. Aber der Kerl, der das alles mitbekommen hat – das Blankziehen in der Öffentlichkeit in Lake Placid, die Besäufnisse, den Hausfriedensbruch – heiratet ihn morgen. Und er wollte mir einfach keine schmutzigen Details verraten.«
Wieder Gelächter.
»Für die vergangene Eishockeysaison braucht er sich auch nicht zu schämen, also finde ich da auch kein Material. Ganz ehrlich, das einzig Peinliche an Wes ist im Moment, wie sehr er Jamie liebt.«
Die ganze Familie seufzt hingerissen.
Wes blickt in seine Kaffeetasse.
»Ich könnte mich jetzt hinstellen und euch von dem ganzen Quatsch berichten, den er so erzählt. Wie neulich nach dem Spiel gegen Philly, als er behauptet hat – und zwar felsenfest – Pinguine seien keine Säugetiere.« Ich lache leise, als ich an die alberne Situation zurückdenke. »Er wollte mir weismachen, es wären Vögel.«
»Das sind sie auch«, murmelt Jess verhalten, weil sie mir gern Kontra gibt.
»Ich fand, es wäre witziger …« Ich winke dem Kellner, der an der Tür wartet, und er trägt das übergroße Tablet herein, das ich extra für diesen Anlass geliehen habe. Ich stelle mich so hin, dass alle mich sehen können, und schalte das Gerät ein. »… wenn Wesley sich einfach selbst blamiert, versteht ihr? Anscheinend war er nicht immer so ein fantastischer Eishockeyspieler und Hengst. Ich finde, das solltet ihr wissen.« Dann starte ich das Video, das ich zusammengeschnitten habe, und halte das Tablet hoch.
Der Sound funktioniert schon mal, das ist gut. Die ersten Töne von »I Still Haven’t Found What I’m Looking For« von U2 dringen aus den Lautsprechern des Geräts. Die Einleitung, die ich eingefügt habe, erscheint auf dem Display. Meine Damen und Herren: Ryan Wesley. Dann verwischen die Buchstaben zu Superhengst. Das erste Bild zeigt den zweijährigen Wesley mit einem Hockeyschläger in seinen Patschehändchen, und er sieht ziemlich derangiert aus.
Am anderen Ende der Tafel holt jemand scharf Luft. Jess’ Augen sind so groß wie mein Dessertteller.
»Wie süüüß«, sagt Cindy Canning und drückt sich die Hand aufs Herz.
»Wie du aussiehst«, krächzt Jamie und reibt seinem Verlobten über den Rücken. Wes beugt sich einfach vor und starrt verwirrt auf den Bildschirm.
»Zum Glück hatte das Management in Toronto keinen Zugriff auf diese Schätzchen.« Ich lache in mich hinein, als das nächste Foto auf dem Display erscheint. Wesley in einem Schneeanzug, ich schätze, er ist ungefähr fünf, aber der feurige Blick ist schon erkennbar. Er ist irgendwo auf einem zugefrorenen Teich und liefert sich ein Eislaufwettrennen mit zwei Kindern, die ungefähr doppelt so groß sind wie er. Er hat natürlich keine Chance. Es ist das Lustigste, was ich je gesehen habe.
Aber niemand lacht. Jamie hat einen Arm um seinen Bräutigam gelegt, seine Augen glänzen. Cindy Canning steht hinter ihnen und hat beiden eine Hand auf die Schultern gelegt. Und alle anderen lächeln.
»Woher hast du die?«, murmelt irgendwer.
Und dann kommen die richtig guten Sachen. Ein Clip von Wesley mit acht, in voller Eishockey-Montur, einen entschlossenen Ausdruck in den Augen. Er feuert einen Schlagschuss aufs Tor ab … und verfehlt. Und weil ich so ein lustiger Typ bin, folgen noch drei weitere Clips von Wesley in unterschiedlichem Alter, in denen er danebenschießt. Es gibt auch einen, wo er noch ganz klein ist und mit dem Gesicht voran in eine Schneewehe fährt.
Endlich ernte ich einen Lacher. Ganz schön anspruchsvolles Publikum hier.
Weitere Fotos flimmern über den Bildschirm. Wesley mit zwölf, der einen Pokal entgegennimmt. Wesley mit Zahnspange und verstrubbelten Haaren. Die Musik schwillt an, weil sich mein Video dem Ende nähert.
»Jetzt kommt’s«, warne ich mein Publikum.
Als Nächstes sehen wir Wesley – mit vierzehn –, einen dicken Pickel auf der Nase.
Das letzte Bild ist das Herzstück der Präsentation. Es ist das einzige Foto, das ich klauen musste. Ich habe es an einem Abend in Washington während der Play-offs aus Wesleys Portemonnaie gezogen. Wir waren nach der Verlängerung unseres Spiels alle so erschöpft, dass uns ein Glas Whisky betrunken und albern gemacht hatte. Ich habe das Foto an mich gebracht und vom Hotelconcierge einscannen lassen. (Dafür gab es zwanzig Dollar Trinkgeld.) Eine halbe Stunde später steckte es wieder in Wesleys Geldbörse.
Ein kollektives Seufzen ertönt, als ein Foto des sechzehnjährigen Jamie zusammen mit Wes erscheint. Sie stehen am höchsten Punkt eines Wanderwegs irgendwo in der Nähe von Lake Placid. Jamie zieht eine alberne Grimasse, aber Wes sieht ihn so voller Liebe an, dass mir allein beim Anblick das Herz wehtut.
Ich werfe meinem Teamkameraden einen Blick zu und sehe rote Flecken auf seinen Wangen. Vielleicht ist es ihm peinlich, dass ich dieses Bild zeige, weil es so viel verrät. Aber das muss es gar nicht. Es ist nur peinlich, jemandem deine Liebe zu gestehen, der dich dann hintergeht.
Aber so etwas passiert nur mir. Meine beiden Freunde hier sind anständig.
Die Präsentation ist zu Ende, also schalte ich das Tablet aus und gebe es dem Kellner, der es für mich aufbewahrt. (Zwanzig Dollar Trinkgeld.) Meine Mousse au Chocolat wartet noch auf mich, Gott sei Dank. Als ich reinhaue, brummt mein Handy.Ich hoffe, es ist eine Nachricht meiner Begleitung für morgen, deshalb werfe ich einen Blick darauf.
Aber sie ist von Jess. Woher um alles in der Welt hast du die Bilder und das Video???
Hör auf, mir zu schreiben, antworte ich. Ich will dich nicht blockieren müssen.
Vom anderen Ende des Tisches wirft sie mir einen bösen Blick zu.
Ja, da geht was.
WAS HABEN NUR ALLE GEGEN GLITTER?
BLAKE
Ich war schon bei zig Junggesellenabschieden. Die meisten waren nicht jugendfrei. Ich rede hier von Stripperinnen, die nicht nur oben, sondern auch unten ohne auftreten. Lapdance. Einer endete in einer Orgie. Ein anderer mit einer Menge Schlagsahne.
Heute Abend habe ich beileibe keine Ab-18-Veranstaltung erwartet, aber ich würde einen der Bräutigame dafür umbringen, dass es wenigstens ab 16 wäre.
Ab 12 ist nichts für mich. Das macht mich kribbelig.
Aber Wesley und Jamie haben mich an die Leine gelegt, einen Haufen Regeln aufgestellt und verlangt, dass ich mich daran halte. Also keine überdimensionierte Torte, aus der ein nackter Mann springt. Keine Tequila-Shots vom Hintern des anderen trinken. Und kein Glitter.
Was haben bloß alle gegen Glitter?
»Diese Location ist krass«, stellt mein Teamkamerad Eriksson fest.
»Echt der Hammer«, stimmt Wes’ Collegefreund Cassell zu, führt seine Zigarre an die Lippen und pafft daran. Rauch steigt auf, färbt die Luft grau. Jamie hustet.
»Wer hatte noch mal die Idee, in einer Zigarrenbar zu feiern?«, grummelt Jamie, aber ich weiß nicht, wieso er überhaupt fragt, denn er richtet seine braunen Augen fest auf meine Wenigkeit.
Ich werfe Bräutigam Nummer zwei einen Blick zu. Für mich ist Wesley Bräutigam Nummer eins, weil ich ihn länger kenne. »Meine, du Vollpfosten. Weil irgendjemand all meine anderen Vorschläge abgelehnt hat.«
Wesley beugt sich vor und drückt Bräutigam Nummer zwei einen Kuss auf die glattrasierte Wange. Mit neun Leuten haben wir die hintere Ecke des dunklen, holzvertäfelten Raums eingenommen, die Musik ist dezent genug, dass niemand schreien muss, um gehört zu werden. Jamies Dad und Coach Pat sehen so aus, als wären sie im Himmel. Sie sitzen nebeneinander in dick gepolsterten Ledersesseln und nippen an ihrem Bourbon.
»Die Bar war das kleinste von einer Million Übeln, Schatz«, sagt Wes zu seinem Mann. »Freu dich einfach, dass niemand mit einer Limbostange wedelt.«
»Die Nacht ist noch jung«, werfe ich ein und wackle mit den Augenbrauen. Aber eigentlich gefällt mir die zurückhaltende Atmosphäre in diesem Laden inzwischen ganz gut.
Sie wäre nur noch besser, wenn J-Babe jetzt ebenfalls an einer Zigarre paffend auf meinem Schoß säße. Aber die Frauen haben alle abgesagt, was vermutlich keine so schlechte Idee war.
»Wehe, ihr seid morgen verkatert«, hat Jess mich auf dem Parkplatz vor dem Restaurant gewarnt, kurz bevor sie abgefahren sind. »Ich möchte nicht, dass ihr auf den Hochzeitsfotos grün im Gesicht seid.«
»Keine Sorge«, habe ich sie beruhigt. »Die Jungs sind alle erwachsen und vernünftig, so wie ich.«
»Genau das macht mir Sorgen«, hat sie gegrummelt.
Mein süßer blonder Engel zieht mich ständig auf. Sie liebt unser verbales Vorspiel genauso wie ich, sie ist bloß zu stur, es zuzugeben.
Außerdem nimmt sie mir immer noch übel, dass Jamie schwer krank geworden ist, als wir uns gemeinsam um ihn kümmern sollten. Das war der Tag, an dem ich sie kennengelernt habe. Und zwar sehr, sehr gut …
Dabei war das mit Jamies heftigem Fieber ein totaler Zufall. Und es ist ja auch alles gut gegangen – immerhin heiratet er morgen, oder nicht? Aber Jess wird es mir ewig vorhalten, ganz egal, wie gut es ihrem kleinen Bruder geht.
Uns allen geht es gut. Es ist Sommer, wir trinken teuren Whisky und rauchen erstklassige Zigarren. Morgen ziehen wir unsere besten Klamotten an und sehen Wes und Jamie dabei zu, wie sie den Bund fürs Leben schließen.
Mann, das Leben ist schön.
Die ganze Situation macht mich ein bisschen sentimental, also lasse ich die Eiswürfel in meinem Glas klimpern und setze mich neben Eriksson, denn er sieht als Einziger ein wenig deprimiert aus. »Warum so trübselig? Wir sind hier bei einer Hochzeit.«
Er schlägt die Augen nieder und wirkt schuldbewusst. »Weiß ich doch. Ich reiß mich schon zusammen. Aber bei Hochzeiten muss ich immer an meine eigene denken. Als ich ›Ich will‹ gesagt habe, war es mir wirklich ernst.«
Autsch. Kurz vor den Play-offs ist Eriksson von seiner Frau verlassen worden. »Tut mir leid, Mann. Aber du wirst es überleben. Das ist wie jeder andere Schmerz. Wie ein Bodycheck. Tut ’ne Weile weh, aber irgendwann lässt es nach.«
»Was verstehst du denn davon?«, grummelt Eriksson.
Mehr als er glaubt. »Kennst du die Geschichte, wie ich einmal fast geheiratet hätte?«
Er sieht mich an und lächelt. »Lass mich raten. War es mit einem Showgirl in Las Vegas? Ich sehe es förmlich vor mir.«
»Völlig falsch.« Ich ziehe an meiner Zigarre und denke zurück. »Es ist fast fünf Jahre her, während meiner Rookie-Saison. Da waren meine Collegefreundin und ich fast drei Jahre zusammen. Ich habe sie mehr geliebt, als ich je für möglich gehalten hätte.«
Eriksson zieht überrascht eine Augenbraue hoch.
»Ernsthaft, ich hätte alles für sie getan. Der Termin für die Hochzeit stand fest. Dreihundert Leute waren zu der Feier im Zoo von Toronto eingeladen …«
»Oh Mann.« Er schnaubt. »Das passt echt zu dir. Im Gorillakäfig, stimmt’s?«
»Tatsächlich beim Löwengehege. Aber zwei Monate vorher habe ich es abgeblasen.«
»Was ist passiert?« Diesen Twist hat er nicht kommen sehen.
Ich trinke einen Schluck Scotch und überlege, wie viel ich meinem Teamkameraden anvertrauen will. »Sie hat etwas Unverzeihliches getan. Ein echter Verrat, so richtig seifenopermäßig. Und da wusste ich, es ist vorbei. Eine Frau, die mir ins Gesicht lügt, brauche ich nicht zu heiraten.«
Neben uns verzieht Jamies Bruder Scott das Gesicht. Wenn ich das richtig verstanden habe, ist er auch frisch getrennt. »Das tut mir leid«, wirft er ein. »Aber besser ein Ende mit Schrecken als Schrecken ohne Ende.«
»Eben. Aber ich will hier nicht die Stimmung verderben, denn diese beiden«, ich deute mit meinem Glas auf Bräutigam eins und zwei, »bringen alles mit, was es zum Glücklichsein braucht.«
»Genau!« Scotts Zwillingsbruder Brady hebt sein Glas.
Ihr älterer Bruder Joe pfeift auf zwei Fingern.
Köpfe drehen sich zu uns um, weil wir die Lauten in diesem Lokal sind. Aber scheiß drauf. Wir feiern hier die wahre Liebe.
»Küssen!«, brülle ich und klopfe mit meinem Glas auf den Tisch. »Na los, zeigt uns einen Probekuss.«
Wes verdreht die Augen, aber Jamie lacht. Er steht auf, setzt sich auf Wes’ Schoß, legt ihm die Hände auf die Wangen und drückt ihm einen dicken Schmatzer auf den Mund.
Wir johlen alle begeistert, da ist es ein Wunder, dass ich bei diesem Lärm überhaupt mein Handy klingeln höre. Ich fische es aus der Tasche meines Jacketts, das ich über die Sessellehne gehängt habe. Ich weiß, es ist nicht die feine Art, ans Telefon zu gehen, wenn du gerade die ewige Liebe von zwei deiner besten Freunde feierst, aber auf diesen Anruf warte ich schon den ganzen Tag.
»Entschuldigt, Jungs, aber mein Date meldet sich gerade.«
Ich verziehe mich in eine Ecke und wische über das Display. Ich muss ein paarmal wischen, denn ich habe dicke Finger, die nicht immer das anklicken, was ich will. »Angie, meine Liebe!«, sage ich, als das Smartphone endlich entsperrt ist. »Bist du gut angekommen? Alles in Ordnung?«
Ihre zögerliche Stimme dringt an mein Ohr. »Ich bin gerade beim Hotel angekommen.« Pause. »Und es ist wirklich kein Problem, dass ich dein Zimmer nehme?«
»Alles gut. Ich habe einen anderen Schlafplatz.« Und das stimmt, dank eines Engels namens Cindy Canning. Jamies Mom ist einfach die Coolste.
»Ich bin nervös«, gesteht sie mir. »Ich kenne dort doch niemanden.«
Ich grinse ins Handy, auch wenn sie das nicht sehen kann. »Doch, du kennst den wichtigsten Menschen dort, Ang.«
»Wie oft habe ich dir schon gesagt, du sollst mich nicht so nennen?« Sie klingt genervt.
»Und wie oft habe ich dir schon gesagt, dass ich nicht zuhöre?«, kontere ich. »Na ja, check erst mal ein und schlaf dich aus. Mach dir einen schönen, entspannten Morgen. Ich hole dich dann nach dem Mittagessen ab.«
Bevor sie widersprechen kann, habe ich aufgelegt, denn es hat mich schon einiges an Überredungskunst gekostet, dass sie mich überhaupt begleitet. Jess wird das vermutlich nicht gefallen, aber hey: Jess hat mir gar nichts zu sagen.
***
JESS
Ich balanciere mein Handy, meinen Kalender und eine dampfende Tasse koffeinfreien Tee aus meiner Miniküche in mein Miniwohnzimmer. Mein Freund Dyson labert mir ins Ohr, liefert mir einen ausführlichen Bericht über alles vom Wetter bis hin zur Farbe seiner Krawatte, dabei habe ich ihn doch nur gefragt, ob er früher kommen und mir helfen kann.
Ich stelle die Tasse auf den Couchtisch und schneide ihm das Wort ab. »Schatz, ich hab’ dich wirklich lieb, das weißt du auch. Aber um Himmels willen, kannst du einfach mal mit einem schlichten Ja oder Nein antworten?«
»Was war noch mal die Frage?«
Ich schmeiße fast das Handy gegen die Wand, kann mich aber gerade noch davon abhalten. »Ob du früher kommst und mir bei der Vorbereitung hilfst oder erst um drei?«, frage ich mit zusammengebissenen Zähnen.
»Ach, ich komme früher«, entscheidet er. »Dann sehen wir, wie alle ankommen, und können über die Outfits lästern. Ohh, meinst du, deiner Cousine Brandy unterläuft wieder ein Mode-Patzer?«
Oh Gott, wie der Unfall mit dem trägerlosen BH letztes Jahr? Ich hoffe nicht. Meine Schwester Tammy hat immer noch Albträume davon. Es war an ihrem Hochzeitstag, und das hat sie unserer Cousine nie verziehen.
»Ich habe Brandy gezwungen, mir vorab Fotos von ihrem kompletten Outfit zu schicken«, versichere ich ihm. »Wir sollten auf der sicheren Seite sein.«
»Du zerstörst meine Träume.«
Ich kichere. »Wozu willst du überhaupt Titten sehen? Wäre es dir nicht lieber, wenn Andys Anzughose reißen und tief blicken lassen würde?« Andy ist Brandys Zwillingsbruder. Kein Witz. Tante Val, Moms Schwester, war nicht besonders kreativ bei der Namensgebung. Andys und Brandys jüngerer Bruder heißt Chuck. Nicht kurz für Charles. Wirklich Chuck.
»Oooh, Andy kommt auch? Er ist fast so schnuckelig wie Jamie.«
»Bah! Dyse, ich verbiete dir, meinen kleinen Bruder anzusabbern.«
»Ja, du hast recht. Jetzt darf ich nicht mehr. Ich hab meine Chance verpasst. Ich glaub’s einfach nicht, dass Jamie einen Mann heiratet. Es ist, als ob das Universum mich verhöhnt. Wenn ich auch nur eine Sekunde lang geahnt hätte, dass Jamie bi sein könnte, dann hätte ich ihm bei der erstbesten Gelegenheit in der Schulumkleide einen geblasen.«
»Oh Gott, bitte keine Bilder!«
»Ernsthaft, es bricht mir das Herz, Jess. Das ist schlimmer, als wenn ich Tinder aufmache und da die Typen sehe, die mich früher in den Spind gesperrt haben. Jamie war einer von den Guten. Und jetzt heiratet er einen berühmten Sportler. Dabei hätte er mich heiraten sollen.«
Ich trinke einen Schluck Tee und atme tief durch. »Kannst du deine Enttäuschung morgen für dich behalten? Ich brauche nämlich wirklich deine Hilfe.«
»Klar.« Er schnieft. »Vielleicht fange ich den Bräutigamstrauß.«
Es wird keinen Strauß geben, aber das braucht er noch nicht zu wissen. Ich schlage die letzte Seite meines Planers auf und mache mir einige Last-Minute-Notizen. »Ach, du sitzt übrigens morgen auf der Seite von Wes’ Angehörigen. Es kommen zwar all seine Teamkameraden, aber ich weiß nicht, ob das ausreicht, um die Canning-Großfamilie auszugleichen.«
»Süße, ich war schon bei Teamkameraden überzeugt. Bitte sag mir, dass es zu wenig Plätze gibt und ich bei einem auf dem Schoß sitzen muss.« Dyson kichert. »Es war schon immer mein Lebenstraum, einmal Puckbunny zu sein.«
Glaub mir, das ist total überschätzt, will ich ihm sagen.
»Außerdem«, fügt er hinzu, »wenn es einen queeren Eishockeyspieler gibt, muss es noch mehr geben.«
Dyson kann das Flirten einfach nicht lassen. Ich wette, wenn er allein zu Hause ist, flirtet er sogar mit seinem Spiegelbild. »Pass auf, ich möchte einfach, dass es eine stilvolle Veranstaltung wird«, sage ich. »Bitte flirte nicht, zumindest nicht bis zum Empfang.«
»Ich werde mich benehmen«, verspricht er.
»Danke.«
Nach dem Gespräch gehe ich noch einmal meine Liste durch. Solange die Pfarrerin und das Catering mit den Tischen und Stühlen auftauchen, kann die Veranstaltung stattfinden. Aber es würde mir nicht reichen, es einfach nur durchzuziehen. Es muss perfekt werden. Es muss eine so spektakuläre Hochzeit werden, dass die Leute noch Wochen später davon erzählen.
Sobald ich überzeugt bin, dass ich an alle Details gedacht habe, trinke ich meinen Tee aus, stelle die Tasse ins Spülbecken und gehe durch die Wohnung, um die Lichter auszuschalten. Ich habe die schlechte Angewohnheit, überall das Licht anzulassen. Als ich noch in der Highschool war, hat Dad einen Anteil von dem Geld eingefordert, das ich als Eisverkäuferin verdiente. Seiner Meinung nach war ich für unsere hohe Stromrechnung verantwortlich. Völlig übertrieben, aber es stimmt schon, ich vergesse einfach ständig, das Licht auszumachen.
Barfuß tappe ich übers Parkett ins Schlafzimmer. Ich bin nervös wegen morgen, aber ich freue mich auch. Jamie und Wes werden so ein tolles gemeinsames Leben haben. Ich habe noch nie zwei Menschen kennengelernt, die so gut zueinanderpassen. Nicht einmal Tammy und ihr Mann John, die wirklich ekelhaft verliebt sind, haben eine so enge Bindung wie mein Bruder und Wes.
Wie sich das wohl anfühlt, einen anderen Menschen so sehr zu lieben, dass er ein Teil von dir wird? Ich dachte, ich wäre schon einmal verliebt gewesen, aber wenn ich meinen Bruder und Wes zusammen sehe, dann zweifle ich an allem, was ich bisher empfunden habe.
Seufzend schlüpfe ich unter die Decke und schiebe die schweren Gedanken beiseite. Ich muss schlafen. Morgen wird ein anstrengender Tag.
Kaum habe ich die Augen geschlossen, ertönt ein lautes Rumsen.
Es dauert einen Augenblick, bis mir klar wird, dass jemand an die Wohnungstür hämmert. Ruckartig setze ich mich auf und knipse die Nachttischlampe an. Es ist fast ein Uhr. Wer um alles in der Welt …
»Hey! J-Babe! Mach auf!«
Was zum Teufel macht Blake vor meiner Tür?
Ich schlage die Decke zurück und renne in den Flur. Wenn er mir jetzt erzählt, dass Jamie und Wes im Gefängnis sitzen, weil beim Junggesellenabschied irgendetwas passiert ist, ich schwöre, dann bringe ich ihn um.
Wieder wummert er gegen die Tür. »Na los, Jess. Ich bin müde. Wenn ich nicht genug Schönheitsschlaf bekomme …«
Er unterbricht sich, als ich die Tür aufreiße. Ein zufriedenes Lächeln erscheint auf seinen Lippen, aber sobald er meinen Pyjama bemerkt, verwandelt es sich in ein Grinsen. »Wie süß – ich liebe Bananen. Bananen sind mein Lieblingsobst, wusstest du das? Und Aprikosen. Die mag ich auch.«
Ich bin so kurz davor, ihn zu erwürgen. Ja, meine neonrosa Schlafanzughose und das dazugehörige Tanktop sind mit gelben Cartoon-Bananen bedruckt. Aber es ist ein Uhr nachts, seinen glänzenden grünen Augen nach zu urteilen, ist er eindeutig betrunken, und er steht vor meiner Tür und will über Obst reden?
»Was. Machst. Du. Hier?« Ich unterstreiche jedes Wort mit einem Schlag gegen den Türrahmen.
Als Blake näher kommt, sehe ich die schwarze Reisetasche über seiner Schulter.
»Hat deine Mutter dir nichts gesagt? Ich übernachte heute hier.«
Mir bleibt der Mund offen stehen. »Ganz sicher nicht.«
»Ganz sicher doch.« Er lässt die Tasche lautstark zu Boden plumpsen. »Mein Kumpel Cindy hat gesagt, sie hat es mit dir abgesprochen.«
»Meine Mutter ist kein Mann«, stoße ich hervor.
Er winkt ab. »Ist bloß ’ne Redensart. Also meine Freundin Cindy. Besser? Sie hat gesagt, sie hätte dir eine Nachricht geschrieben.«
Ich zögere. Okay, das kann tatsächlich sein. Nach dem Probeessen hatte ich etwa zwei Dutzend Nachrichten auf meinem Handy, die meisten vom Catering oder Hochzeitsgästen mit irgendwelchen letzten Fragen. Ich bin kaum hinterhergekommen, also kann es gut sein, dass ich eine Nachricht von Mom übersehen habe.
Trotzdem.
»Wes meinte, du wohnst mit deinen Teamkameraden im Hotel«, sage ich argwöhnisch.
Blake fährt sich durch die strubbeligen dunklen Haare. »Hatte ich vor. Aber ich musste mein Zimmer abtreten.«
»Wer?«, frage ich.
»Ich glaube, es heißt an wen.«
Kommt er mir jetzt ernsthaft mit grammatikalischen Spitzfindigkeiten?
»Ich habe das Zimmer meiner Begleitung gegeben.«
Ich weiß nicht genau, wieso sich mir bei diesen Worten die Brust zusammenzieht – Eifersucht ist es jedenfalls nicht. Ich wusste schon, dass Blake nicht allein kommt. Auf der Einladung stand ausdrücklich und Begleitung. Und ich bringe ja auch jemanden mit. Schon allein, um mir Blakes nervige Kommentare zu ersparen, falls ich allein aufgetaucht wäre.
»Und sie kann sich das Zimmer nicht mit dir teilen? Will sie etwa bis zur Ehe warten?« Ich mache mir nicht die Mühe, meinen Sarkasmus zu zügeln.
Blake zuckt mit den Schultern. »Sie ist schon verheiratet.«
Wie bitte?
Ich weiß nicht, ob ich entsetzt sein soll oder … na ja, entsetzt. Er bringt eine verheiratete Frau zur Hochzeit meines kleinen Bruders mit?
»Hast du nicht mehr alle Tassen im Schrank?«
Er überlegt. »Ich bin ein bisschen angetrunken, aber noch durchaus zurechnungsfähig. Dafür wäre mehr Whisky nötig. Hast du welchen da?«
»Nein!« Meine Stimme überschlägt sich, mein Blutdruck schnellt gefährlich nach oben. Es ist ein Uhr nachts, ich sollte längst schlafen.
Wenn man mit fünf Geschwistern aufwächst, lernt man, wie man den Drang, jemanden zu ermorden, im Zaum hält. Ich atme drei Sekunden lang tief durch. Einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig …
Als ich mich einigermaßen gefangen habe, tue ich, was nötig ist. »Dann komm halt rein.« Ich trete zur Seite, und Blake marschiert herein. »Du schläfst auf der Couch.«
»Ist die ausziehbar?«
»Nein. Aber du wirst es überleben.«
Er betrachtet die Couch zweifelnd, aber das ist mir egal. Aus dem Schrank hole ich zwei saubere Laken. Es ist Sommer in Kalifornien, mehr wird er nicht brauchen.
Ich drücke sie ihm in die Hand. »Gute Nacht.«
Er blickt auf die Laken, dann wieder auf mich. »Warte«, sagt er, als ich mich meiner Schlafzimmertür nähere. »Willst du mich nicht zudecken?«
»Du bist schon groß.«
Er grinst frech. »Allerdings. Du erinnerst dich wahrscheinlich, ich bin nämlich unvergesslich. Aber ich könnte deiner Erinnerung auch auf die Sprünge helfen.« Seine Hand wandert zu seinem Reißverschluss.
Nichts wie weg hier. Ich stampfe ins Schlafzimmer und schlage die Tür hinter mir zu.
***
Ich träume die seltsamen, von Stress ausgelösten Träume einer Partyplanerin. In einem ist die Hochzeitstorte nicht rechtzeitig da, und meine Mutter bietet an, auf den letzten Drücker eine zu backen. Wir geraten in Streit darüber, ob Vollkornmehl das Richtige für eine Hochzeitstorte ist. (Meine Mutter backt gern gesund, mit wechselhaftem Erfolg.) In einem anderen Traum regnet es, und das Zelt, das wir gemietet haben, schrumpft zu weißen Klumpen zusammen, so wie nasses Klopapier.
Und dann wird es richtig schräg. Ich träume, in meinem Bett liegt ein Grizzly, und es stört mich überhaupt nicht. Und dann wird der Traum sexy. Der Bär hat einen warmen und festen Körper, ich spüre ihn an meinem Rücken …
Ich erwache ruckartig und reiße die Augen auf. Da ist tatsächlich ein Grizzly in meinem Bett. Er schmiegt sich an meinen Rücken, hat einen starken Arm um meine Hüfte geschlungen, seine Hand liegt auf meiner rechten Brust.
Himmel, Blake Riley kuschelt sich an mich. Wo kommt der denn her?
Ich stoße einen absolut lautlosen Seufzer aus und schmiede einen Plan. Er schläft tief und fest, das ist schon mal gut. Das Schnarchen an meinem Ohr verrät es. Also schiebe ich die Füße Richtung Bettkante und lasse mich in einer fließenden Bewegung aus seinen Armen gleiten. Meine Yogalehrerin wäre stolz auf mich. Wir könnten die Position »Flucht vor dem Grizzly« nennen.
Als ich neben dem Bett auf die Beine komme, schnarcht er immer noch lautstark, sein unfassbar attraktives Gesicht entspannt im Schlaf, die braunen Haare verstrubbelt auf meinem Kissen.
Ich schleiche ins Bad und ziehe die Tür so leise hinter mir zu, dass es nicht einmal klickt. Dann stehe ich einfach ein paar Sekunden lang da und versuche, mich zusammenzureißen. Heute heiratet mein Bruder, und ich habe die Feier von den Einladungen über die Gästeliste bis hin zum Kaffee nach dem Dessert heute Abend geplant. Das alles muss reibungslos verlaufen. Meine Familie wartet nur darauf, dass ich es verbocke.
Und ich hatte gerade einen tierisch heißen Traum von dem fürchterlich attraktiven Mann, der in meinem Bett liegt und schläft.
Dagegen hilft bestimmt eine Dusche. Ich schäle mich aus meinem Bananenpyjama und springe unter den Strahl. Ich wasche mir die Haare und benutze meinen besten Conditioner, damit ich auf den Fotos (die ich auch organisiert habe) nicht aussehe, als wäre auf meinem Kopf eine Bombe explodiert. Als ich das Wasser abdrehe und mich in ein Handtuch wickele, geht es mir schon besser.
Vollkommen lautlos drücke ich die Badezimmertür auf …
Und kreische vor Schreck auf, denn davor steht Blake. Splitterfasernackt.
»Aaahh!«, macht er und drückt sich die Pranken auf die Ohren. »Mein Kopf.«
Ich würde gern irgendetwas Schlagfertiges antworten, zum Beispiel: Meine Augen! Aber ich kann nicht, denn meine Zunge ist auf einmal drei Nummern zu groß für meinen Mund, als ich den nackten Blake Riley in all seiner Pracht anstarre. Seine Schultern sind muskelbepackte Berge, seine Brust perfekt geformte Dünen. Ich möchte sie mit meiner Zunge erkunden.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich das sogar schon einmal gemacht habe.
»Süße, ich muss mal. Würdest du die Kinnlade hochklappen und mich vorbeilassen?«
Da komme ich wieder zu Verstand. »Schon mal was von Klamotten gehört?«
»Das kennst du doch alles schon.« Er legt mir eine Hand auf den Oberarm und schiebt mich zur Seite. »Ernsthaft, Süße. Ich weiß, du genießt die Aussicht, aber die Blase verlangt ihr Recht.«
Ich habe keine Kontrolle mehr über meine Augen, denn die folgen der Bewegung seiner Hand nach unten, wo sie seinen großen …
Waaah!
Ich stürze ins Schlafzimmer, reiße den Bademantel vom Haken und ziehe ihn an. Dann verschließe ich ihn mit einem Doppelknoten. Nur zur Sicherheit.
»Wieso warst du in meinem Bett?«, knurre ich die Badezimmertür an.
»Die Couch war zu kurz«, ruft er zurück.
»Das gibt dir noch lange nicht die Erlaubnis, zu mir ins Bett zu hüpfen.«
»Als ich gefragt habe, ob ich bei dir schlafen darf, hast du ›Okay‹ gesagt«, verteidigt er sich. »Und du bist wirklich kuschlig, J-Babe. Als ob man neben einem Oktopus liegt.«
Hmpf. Vom eigenen Unterbewusstsein ausgetrickst.
Ich schnappe mir die Bürste und fahre mir damit durch die Haare. Ich muss mich noch föhnen und stylen, schminken und anziehen, mit dem Catering absprechen und um die Hochzeitstorte kümmern. Und tausend andere Sachen.
Ich habe gerade nach dem Föhn gegriffen, da drückt sich ein warmer, fester Körper an mich. »Weißt du«, raunt mir eine leise Stimme ins Ohr, während sich eine warme Hand auf meine Schulter legt, »es ist noch genug Zeit, das Kätzchen zum Schnurren zu bringen, bevor wir uns für den großen Tag schick machen.«