The Brooklyn Years - Wenn wir es wagen - Sarina Bowen - E-Book

The Brooklyn Years - Wenn wir es wagen E-Book

Sarina Bowen

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Beschreibung

Regeln sind dazu da, um gebrochen zu werden ...

Jeder weiß, dass da mehr zwischen Eishockeyspieler Jason Castro und Praktikantin Heidi ist, als sie zugeben wollen. Wenn sie ihn auf dem Eis beobachtet, fliegen die Funken, aber Jason kann sich keinen Fehltritt erlauben - schon gar nicht mit der Tochter des Ligapräsidenten der NHL! Doch so sehr er sich von ihr fernhalten will, die Anziehungskraft zwischen ihnen ist stärker - und als ein Foto, das die beiden in einer scheinbar eindeutigen Situation zeigt, in den Schlagzeilen landet, ist der Skandal perfekt!

"Jeder Band von THE BROOKLYN YEARS ist heiß, witzig und aufregend - auf dem Eis und außerhalb. Ich kann den nächsten Teil kaum erwarten!" FAIREST OF ALL BOOK REVIEWS

Band 5 der Sports-Romance-Reihe THE BROOKLYN YEARS von USA-TODAY-Bestseller-Autorin Sarina Bowen

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Seitenzahl: 461

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INHALT

Titel

Zu diesem Buch

Leser:innenhinweis

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Die Autorin

Die Romane von Sarina Bowen bei LYX

Impressum

SARINA BOWEN

The Brooklyn Years

WENN WIR ES WAGEN

Roman

Ins Deutsche übertragen von Wiebke Pilz und Nina Restemeier

ZU DIESEM BUCH

Jason Castros Weg an die Spitze der Eishockeyliga war noch nie leicht gewesen. Doch nachdem er bei der letzten Meisterschaft den entscheidenden Torschuss verpatzt hat, kann sich der Stürmer der Brooklyn Bruisers erst recht keinen Fehltritt mehr erlauben. Deshalb versucht er um jeden Preis, die intensive Anziehungskraft zwischen sich und Team-Praktikantin Heidi Pepper zu ignorieren. Insbesondere, als er erfährt, dass sie die Tochter des Ligapräsidenten der NHL ist! Aber Jason hat die Rechnung ohne die temperamentvolle Südstaatenschönheit gemacht, denn Heidi würde mit dem heißen Hockeyspieler nur zu gerne ein paar Regeln brechen. Da hilft es nicht gerade, dass ein skandalöses Foto in der Presse auftaucht, das die beiden in einer scheinbar eindeutigen Situation zeigt. Das setzt eine Reihe von Ereignissen in Gang, die Heidi unweigerlich in Jasons Arme treiben und es ihm immer schwerer machen, der Versuchung zu widerstehen …

Liebe Leser:innen,

dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte.

Deshalb findet ihr hier eine Triggerwarnung.

Achtung: Diese enthält Spoiler für das gesamte Buch!

Wir wünschen uns für euch alle das bestmögliche Leseerlebnis.

Euer LYX-Verlag

1

Jason

»Sie sollen wissen, dass Sie der letzte Traum meiner Seele gewesen sind.«

Charles Dickens, Eine Geschichte aus zwei Städten

»Meine Herren.« Ich hebe meine Bierflasche, um den Beginn einer Rede anzukündigen. »Es war das beste aller Trainingsspiele, es war das schlimmste aller Trainingsspiele …«

Als ich meine Version von Dickens’ berühmtester Anfangszeile zum Besten gebe, stöhnen einige, andere lachen.

»Oh Mann«, beschwert sich mein Teamkollege Bayer. »Nicht schon wieder.«

»Es war ein Nachmittag des Sieges, es war ein Nachmittag fehlender Torschüsse. Es war eine Epoche des Glaubens, es war eine Epoche des ›Oh Mist, ich muss wohl doch mehr Sprints trainieren!‹«

O’Doul, unser Kapitän, schnaubt, und die anderen Teammitglieder schütteln den Kopf. Sie kennen meine Macken.

»Eine Saison der Tore«, fahre ich fort. »Eine Saison der Erschöpfung, es war der Herbst der Hoffnung nach dem Sommer der Verzweiflung. Wir haben zweiundachtzig Spiele vor uns, nichts kann uns aufhalten, wir steuern unmittelbar dem Himmel zu, außer der Arsch, der mir im zweiten Drittel ein Bein gestellt hat …«

Um den langen Tisch wird wieder gelacht, und ich trinke einen Schluck Bier.

»Zitiert er nach jedem Trainingsspiel Dickens?«, fragt Heidi, auf die ich schon den ganzen Abend ein Auge geworfen habe. Eigentlich ziehe ich die Show nur für sie ab. Wobei ich nicht genau weiß, ob ich sie lieber einwickeln oder abschrecken sollte.

»Normalerweise zitiert er Shakespeare«, antwortet Silas, mein neuer Mitbewohner. »Aber heute ist wohl eher ein Dickens-Abend.«

»Kurz«, ich leite zum starken Finale über, »das Trainingsspiel war die absolute Katastrophe wie im letzten Jahr. Und die Experten prophezeien – im Guten wie im Schlechten –, dass auch jeder beschissene Tag der neuen Saison ein Kampf wird!«

Jemand jubelt, weil ich eine glatte Landung hingelegt habe. Ich lehne mich an die getäfelte Wand des Lokals und kippe den Rest Bier hinunter, wobei ich etwas auf mein Team-T-Shirt verschütte.

»Stilvoll«, prustet Silas, einer unserer Torhüter.

»Ach ja?« Ich knalle die Flasche auf den Tisch, der mit leeren Flaschen und Gläsern übersät ist. »Wo ist denn deine Rede? Ich warte.«

»Ich meinte, dass du dich bekleckert hast.« Er haut mir mit einer Serviette aufs Shirt, und ich nehme ihn schnell in den Schwitzkasten.

»Scheiße«, sagt der Goalie unter meiner Achselhöhle. »Lass mich los.«

»Kannst froh sein, dass ich geduscht habe«, sage ich und halte ihn weiter fest.

Silas lacht, aber es ist eine Finte. Kaum lasse ich locker, da reißt er sich los und versucht, mir das Knie in die Eier zu rammen. Doch dank meiner blitzschnellen Reflexe kann ich meine Weichteile aus der Gefahrenzone bringen.

»Schluss jetzt, Kinder«, sagt Bayer und seufzt. »Schmeißt nicht die Flaschen um, sonst bringt uns Pete erst wieder etwas, wenn wir aufgeräumt haben.«

Grinsend lassen Silas und ich voneinander ab. Wir müssen ein bisschen überschüssiges Adrenalin loswerden. Das ginge jedem so.

Ich hatte vergessen, wie es zu Saisonbeginn ist. Nach dem Trainingslager bin ich innerlich unruhig und heiß darauf, endlich loszulegen. Dickens hatte recht. Es ist die beste aller Zeiten und auch die schlimmste aller Zeiten. Sechzig Typen kämpfen um dreiundzwanzig Plätze in der Startaufstellung. Jeder Spieler, der behauptet, er sei heute entspannt, ist ein verdammter Lügner.

Wir haben gerade das große Gerangel beendet, bei dem die Neuanwärter gegen die Altgedienten antreten. Das ist wie Hungerspiele auf Eis – eine Horde Jungspunde will uns vorführen und uns die Kaderplätze wegnehmen. Und wir müssen sie dahin zurückschicken, wo sie hingehören: in die Minors, also die unteren Ligen.

Das kenne ich nur allzu gut. Ich habe drei Anläufe gebraucht, um es in den Kader der Bruisers zu schaffen. Letztes Jahr war meine erste komplette Saison in der Major League. Ein fantastisches Jahr, und ich hatte großartige Statistiken.

Bis am Ende alles schiefging. Klar hätte ich ein paar Sachen anders machen sollen. Mein größter Fehler war – und dafür gibt es ziemlich viel Konkurrenz –, zu glauben, in den oberen Ligen würde es einfacher.

Stimmt nicht. Kein bisschen.

Natürlich hat es so seine Vorteile. Ein mondäner Charterjet ist viel komfortabler als die Busfahrten in den Minors. Und heutzutage trägt mir jemand meine Schutzausrüstung ins Stadion und hängt sie mir an den Spind.

Trotzdem ist dieses Leben alles andere als locker. Bei jedem Spiel wird meine Ausdauer brutal auf die Probe gestellt. Sollte ich schlappmachen, warten schon hundert andere Jungs darauf, meinen Platz einzunehmen. Und nach dem unrühmlichen Ende meiner letzten Saison befürchte ich an manchen Tagen, es könnte bald so weit sein.

Heute war ein echter Dickens-Tag. Das sind sie alle.

Doch jetzt wird gefeiert. Dieses Bier habe ich mir verdient. Nächste Woche wird die Spielerliste ausgehängt, und mein Name wird draufstehen. Ich bin gesund, ich bin schnell, und im heutigen Trainingsspiel war ich genau der Spielmacher, den das Team braucht.

»Ich finde, wir sollten zu Shots übergehen«, sage ich, um noch einen draufzusetzen. »Silas, du hast die Wahl – Tequila oder Wodka.«

Mein Mitbewohner stöhnt. »Du weißt schon, dass wir morgen früh rausmüssen, oder?«

»Das ist mir bewusst. Rookie!« Ich schnippe mit den Fingern. »Wie heißt du noch mal?«

»Drake«, sagt der Junge.

»Genau.« Ich habe dem jungen Drake heute mindestens zweimal den Puck abgeluchst. Aber er hat sich wie wild gewehrt, und ich tippe, dass seine Chance, in den Kader aufgenommen zu werden, bei fünfzig-fünfzig liegt. Ich gebe ihm meine Kreditkarte. »Bitte Pete um eine Flasche guten Tequila und ein paar Schnapsgläser.«

»Und Limetten!«, ruft Silas, als Drake losgeht.

»Okay«, sagt der Junge tapfer und wendet seine breiten Schultern zur Bar.

»Okay?« Ich schnappe nach Luft. »Wie wär’s mit: ›Jawohl, Sir!‹?«

Einige kichern, aber es war nur halb im Scherz gemeint. Ich habe den ganzen Sommer in der Hängematte gelesen, um zu vergessen, dass wir wegenmeinesverpatzten Torschusses in Spiel sieben der Finalrunde in die Verlängerung mussten. Hätte ich meinen Schläger vor dem Schuss um zwei Grad mehr gedreht, hätten wir am Ende des Drittels den Cup über den Köpfen getragen. Es hätte einen Umzug durch Brooklyn gegeben und alles, was dazugehört, wenn man der King ist.

Doch der Puck traf die Latte und prallte ab. Und ich werde nie den Anblick der schwarzen Scheibe auf dem weißen Eis oder das vernichtende Summen des Buzzers vergessen, der das Ende des Schlussdrittels verkündete.

Keine halbe Stunde später verloren wir in der Verlängerung die Meisterschaft.

Hätte ich getroffen, hätte ich die verdammte Parade angeführt. Ich hätte den Cup zuerst hochgereckt. Das Video von dem Tor wäre jedes Mal gelaufen, wenn im Fernsehen über die Bruisers berichtet worden wäre. Wahrscheinlich für immer.

Her mit dem Tequila.

Der Rookie kommt mit einem Tablett und einer Nachricht zurück. »Pete sagt, die braucht er nicht.« Der Junge wirft meine Kreditkarte auf den Tisch. »Er kennt die Nummer auswendig. Und ich soll dir sagen, du sollst es langsam angehen lassen.«

»Genau«, schnaube ich. »Denn das klingt ganz sicher nach mir.«

»Oh, Castro lässt nichts anbrennen«, sagt Bayer. »Frag mal die Ladys.«

»Du hältst besser die Klappe«, spotte ich, nehme die Schnapsgläser vom Tablett und reihe sie auf. Ich zähle die Köpfe am Tisch. »Du auch? Wer will?«

Da trifft mein Blick auf den von Heidi. Das passiert eindeutig zu oft.

»Tequila?«, frage ich fast schon ruppig und weiß noch nicht einmal, warum.

Sie haut auf den Tisch. »Jawohl, Sir.«

Und sofort kommen mir schmutzige Gedanken. Ich würde sie später gern dazu bringen, das noch einmal zu sagen. Wenn wir allein sind.

»Nenn ihn bloß nicht Sir«, bittet Silas. »Das steigt ihm direkt zu Kopfe.«

Oder in andere Regionen. Verdammt. Ich gieße Tequila in die Gläser. »Ladys first«, sage ich und reiche Heidi eins.

Als ich allen eingeschenkt habe, bringt O’Doul einen Toast aus. »Auf alte Freunde und neue Herausforderungen«, sagt er.

Auf weniger Enttäuschungen in letzter Minute, füge ich im Stillen hinzu, als ich mein Glas hebe.

Der Klang von sechs oder acht Schnapsgläsern beim Anstoßen ist das Hintergrundgeräusch meines Lebens. Es ist ein guter Klang. Wir alle kippen den Tequila hinunter, und ich beobachte, wie Heidis Augen beim Schlucken rot werden.

»Du brauchst wohl das hier«, sage ich und schiebe die Schüssel mit Limettenspalten in ihre Richtung.

»Danke«, keucht sie, nimmt eine und steckt sie sich zwischen die pinkfarbenen Lippen.

In mir regt sich etwas. Dann also heute Abend. Ich werde sie mit nach Hause nehmen. Endlich.

Heidi ist im Frühling während eines Personalengpasses zum Team gestoßen, und seitdem schleichen wir umeinander herum. Eines Tages hörte ich schallendes Gelächter im Trainingsgebäude. Und als ich um die Ecke bog, stand sie da – mit all ihren Locken und Kurven und einem breiten Lächeln. Sie ist nur knapp über einen Meter fünfzig, aber ein echtes Temperamentsbündel.

Und seit dem ersten Moment sehne ich mich danach, ihr näherzukommen. Sie scheint ebenfalls für diese Idee offen zu sein. Das sehe ich jedes Mal, wenn sich unsere Blicke kreuzen. Und das passiert ziemlich oft.

Aus verschiedenen Gründen ist bisher jedoch noch nichts gelaufen. Erstens lasse ich mich nur mit Zufallsbekanntschaften ein. Eishockey ist mein Leben, und darin ist kein Platz für emotionale Verwicklungen.

Außerdem ist sie die Praktikantin. Das könnte unangenehme Folgen haben. Sie wirkt zwar nicht, als wäre sie verzweifelt auf der Suche. Aber danach kann ich schlecht Distanz zu ihr wahren. Im schlimmsten Fall muss ich den Bürotrakt unseres Stammsitzes ein Semester meiden oder so lange, wie ihr Praktikum eben dauert.

Allerdings habe ich schon dämlichere Sachen gemacht. Und ich glaube nicht, dass ich ihr heute Abend widerstehen kann. Jedes Mal, wenn sie mich mit diesen großen blauen Augen ansieht, bin ich etwas näher dran, nachzugeben.

So sehr lenkt sie mich ab. Und nicht nur mir geht es so. Der Spitzname, den ihr meine Kollegen verpasst haben, spiegelt perfekt ihre Persönlichkeit wider: Hot Pepper. Denn sie ist attraktiv und lebendig.

Wenn ich ehrlich bin, erinnert sie mich ein wenig an das Mädchen, in das ich mit sechzehn verliebt war. Es gibt nicht viel, was ich in diesem Leben bereue. Eine verflossene Liebe und ein verschossenes Tor. Heute Abend spuken mir beide im Kopf herum, verdammt. Doch ich werde mich von Heidi ablenken lassen.

Problem gelöst.

»Pst!«, sagt Silas plötzlich.

Wir verstummen, ohne zu wissen, warum. Silas sieht aus, als würden Engel von einer höheren Ebene zu ihm sprechen.

»Äh, warum sollen wir denn leise sein?«, fragt der Rookie.

»Neuer Song«, sagt Silas. »Der ist gestern erst rausgekommen.«

Am Tisch wird gestöhnt. Silas ist ergebener Fan der Sängerin Delilah Spark. Er spielt ihre Lieder von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang und scheint immun gegen all unsere Sticheleien.

»Ich soll leise sein, damit du dir schon wieder diese Sängerin anhören kannst?«, fragt Bayer. »Reicht es nicht, dass wir sie im Jet aus deinen Kopfhörern mitkriegen?«

»Versuch mal, mit ihm zusammenzuwohnen«, gebe ich zu bedenken. »Es ist erst ein Monat, und ich kenne schon alle Texte auswendig. Ich habe überhaupt keine Wahl.«

»Hast du schon mal diese geräuschunterdrückenden Kopfhörer ausprobiert?«, fragt Drake. »Wie wär’s damit?«

Silas beachtet uns gar nicht. Er schlüpft an mir vorbei und geht zur Bar, wo das Video zum neuen Song auf einem der Fernseher läuft.

Mit einem Kichern zieht Bayer los, um ihn zu nerven, und O’Doul folgt ihm.

Unsere kleine Gruppe lichtet sich, und ich bleibe allein mit Heidi zurück. Ich sollte wahrscheinlich eine Ausrede finden, um mich weiter mit meinen Teamkollegen zu unterhalten. Ich sollte gehen. Aber ich tue es nicht, weil ich mich bei Heidi genauso fühle wie beim letzten Keks in der Keksdose – ich sollte widerstehen, aber eigentlich will ich nicht.

»Bist du kein Tequila-Fan?«, frage ich. Das ist mein Eröffnungssatz. Er ist nicht besonders elegant, aber sie schaut mich schon mit diesen großen babyblauen Augen an.

»Ich bin Schnaps nicht gewöhnt«, sagt sie. »Meine Mama wäre entsetzt.«

»Warum? Bis jetzt hältst du dich doch ganz gut.«

»Es ist nicht ladylike, schnell zu trinken, zu viel zu essen oder nach dem Labour Day weiße Schuhe zu tragen.«

»Gott.« Ich lache. »Warum das?«

»Es gehört sich einfach nicht.«

Heidi hat einen leichten Südstaatenakzent, und das letzte Wort klingt etwas gedehnt. Die sanfte Art, wie es von ihrer Zunge rollt, löst etwas in meiner Leistengegend aus. Etwas ganz und gar Ungehöriges. Ich bin entschlossen, sie heute Nacht in mein Bett zu kriegen.

»Wie war dein Sommer?«, frage ich, weil ich ein Gentleman bin. Oder zumindest tue ich so.

»Ziemlich lahm, wenn du’s genau wissen willst.« Sie presst kurz die perfekten Lippen zusammen, dann entspannen sie sich wieder. »Ich habe sechs Wochen lang versucht, nicht mit meinem Vater aneinanderzugeraten. Ich habe gehofft, er würde nicht durchdrehen, als ich ihm eröffnete, dass ich nicht zurück nach Bryn Mawr gehe.«

»Aber er ist durchgedreht?«, rate ich.

»So was von. Amtlicher Wutanfall.«

»Oh, Mann.« Mit elterlicher Enttäuschung kenne ich mich aus. »Hat er rumgebrüllt?«

»Er hat gebrüllt und gedroht. Mein Fehler, zu glauben, wir könnten vernünftig darüber reden. Mit diesem Mann kann man nicht diskutieren, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat. Und das Praktikum ist ihm ein Dorn im Auge.«

Autsch. »Dein Vater will nicht, dass du für den Verein arbeitest?«

»Nein, Sir, das will er nicht.«

Sir. Ich möchte, dass sie mich so nennt, wenn sie nackt ist. Aber dazu kommen wir später. »Vielleicht mag dein Vater kein Eishockey.«

Ein komischer Ausdruck huscht über ihr Gesicht, verschwindet aber sofort wieder. »Ich glaube, er mag mich nicht. Ich habe die ersten zwanzig Jahre meines Lebens versucht, Daddys liebes kleines Mädchen zu sein. Aber es ist unmöglich, es diesem Mann recht zu machen, und ich werde es nicht länger versuchen.«

Ich wäre nie darauf gekommen, dass Heidi und ich so viel gemeinsam haben. »Das ist lustig, denn meine Eltern sind auch nicht gerade begeistert davon, dass ich bei den Bruisers bin.«

»Warum denn nicht? Das Team braucht dich.«

Auf ihrem Gesicht spiegelt sich Verwunderung. Gott segne die Mädchen mit einer Schwäche für Hockeyspieler. »Meine Familie ist ein Haufen Streber. Ihrer Meinung nach vergeude ich mein Leben mit einem brutalen Sport und sollte besser einen Doktor machen.«

»Oh«, sagt Heidi leise. »Das kommt mir bekannt vor.«

Tatsächlich ist es noch ein bisschen komplizierter. Ihrer Meinung nach ist mein ganzer Lebensstil selbstzerstörerisch. Ist das nicht lächerlich? Wo ich doch nur acht Prozent Körperfett und einen niedrigen Ruhepuls habe.

»Der Schnaps und die Frauen«, sagt mein Dad, wenn er mir einen Vortrag hält. »Sie bringen dich noch ins Grab.« Das sagt er mit ernstem Gesicht und der Wampe eines Mannes, der den ganzen Tag am Schreibtisch sitzt.

»Aber die Sache ist doch«, sagt Heidi und tätschelt meine Hand, um meine Aufmerksamkeit wiederzubekommen. »Wer hat das Recht zu beurteilen, wer sein Leben vergeudet? Warum glauben Eltern, sie hätten dieses Recht?«

»Ganz genau.« Mit meinem Daumen halte ich ihre Hand fest. Dann beuge ich mich vor und schaue ihr in die blauen Augen. Mein Interesse ist nicht zu übersehen.

»Stimmt’s?«, quietscht sie, und zwei pinke Flecken erscheinen auf ihren Wangen. Aber ihre Hand zieht sie nicht weg.

»Ich habe Glück«, sage ich. »Meine Schwester ist Akademikerin. Damit folgt wenigstens eine dem Familienplan.«

Heidi blinzelt. Ihr Blick fällt auf unsere verschränkten Hände, bevor er zu mir zurückkehrt. »Ich habe auch eine Schwester«, gesteht sie. »Aber sie macht, was sie will, und meine Eltern lieben sie trotzdem. Und mich behandeln sie wie eine Straffällige, nur weil ich mein Kunststudium nicht beenden will.«

»Ist dein Vater auch Akademiker?«, frage ich. Wäre das nicht ein witziger Zufall?

»Äh, nein«, sagt sie langsam. »Aber meine Mutter war an der Bryn Mawr. Jetzt ist sie Vollzeithausfrau und das eifrigste Country-Club-Mitglied der Welt.« Sie verdreht die schönen Augen. »Das nervt mich noch mehr. ›Beende dein Studium, Heidi Jo. Mach deinen Abschluss und fang nichts damit an.‹ Sie wären begeistert, wenn ich einen netten Anwalt heiraten und mit der Enkelproduktion beginnen würde.«

»Ich habe so viele Fragen.« Ich lache leise. »Heidi Jo?«

»So nennt mich meine Familie. Aber ich nenne mich Heidi, das klingt nicht so nach …«

»Vom Winde verweht?«, rate ich.

»Genau.«

»Und deine Eltern wollen unbedingt, dass du heiratest? Warum?«

Sie zuckt mit den Schultern. »Die Vorstellungskraft meiner Mutter reicht wohl nicht weiter. Außerdem könnte sie dann eine Hochzeit planen. Mich in irgendeinem Festsaal mit einem Anwalt zu verheiraten, das wäre ihr Traum.«

»Aber du bist mit diesem Plan nicht einverstanden?« Ich streiche ihr mit dem Daumen über die Hand, und Heidi erschauert beinahe unmerklich.

Ihr Blick fällt wieder auf unsere verschränkten Hände. »Hochzeiten sind stinklangweilig. Genau wie Anwälte. Zumindest die, die ich kenne.«

»Eishockeyspieler sind mehr nach deinem Geschmack, oder?«

Jetzt stehen ihre Wangen in Flammen. »Wenn ich in der Stimmung bin«, sagt sie steif und zieht ihre Hand weg. »Noch einen Tequila?«

Wenn ich in der Stimmung bin. Himmel. Ich werde mich also anstrengen müssen. Und damit bin ich voll und ganz einverstanden.

Dieses Mädchen reizt mich auf die bestmögliche Art. Sie schiebt mir ihr Schnapsglas zu, dann hebt sie ihr küssenswertes Gesicht und sieht mich an. Und in ihren Augen sehe ich die Herausforderung, die ich mit viel mehr als nur ein paar Drinks annehmen werde.

Jetzt schnappe ich mir aber erst einmal die Flasche und schenke ein.

2

Heidi

Seit Jahren führe ich eine Wunschliste. In der Grundschule schrieb ich sie in so ein Tagebuch mit winzigem Schloss und passendem Schlüssel. Inzwischen habe ich sie auf meinem Smartphone und aktualisiere sie, wann immer es mir in den Sinn kommt.

Die Liste ist ziemlich lang. Manche Wünsche sind schrecklich materialistisch, zum Beispiel Designerschuhe oder luxuriöse Kosmetikartikel. Ich könnte wirklich einen Lippenstift gebrauchen, der einen Hauch pinker ist als Sassy Petal, aber nicht zu blass.

Andere dagegen kann man nicht für Geld kaufen. Zum Beispiel muss ich endlich herausfinden, ob ich irgendwelche vermarktbaren Fähigkeiten habe. Das steht ziemlich weit oben auf der Liste. Und wo wir gerade dabei sind, ich möchte unbedingt auch so ein Katt-Phone, das alle bei den Bruisers haben. Die sind supercool. Aber Nate Kattenberger, der bisherige Teameigner, stellt sie nur den offiziellen Mitarbeitern zur Verfügung. Mein Praktikum zählt da nicht.

Und außerdem wünsche ich mir so sehr, was mit Jason Castro anzufangen. Heute Abend scheint es möglich. Kann mich bitte jemand kneifen? Am besten er.

Während ich ihn dabei beobachte, wie er Tequila in mein Schnapsglas gießt, kann ich mein Glück kaum fassen. Warum heute Abend? Ich habe schon ein paarmal vorsichtige Annäherungsversuche unternommen, aber er ist nie darauf eingegangen. Und vielleicht sollte ich nicht über ungelegte Eier reden. Die Sache ist noch nicht besiegelt.

»Bitte schön«, sagt Castro und reicht mir das Glas.

Ein kleiner Tropfen rinnt daran hinunter. Ich wische ihn ab und lecke mir den Schnaps vom Finger.

Und – Herr im Himmel! – Castros Augen werden noch eine Nuance dunkler, als sie ohnehin schon sind. Sein Blick bleibt an meinen Lippen hängen. Nur um ganz sicherzugehen, dass ich mir das nicht einbilde, ziehe ich den Moment in die Länge und fahre mir mit der Zunge über die Fingerspitze.

Er stößt einen dunklen Laut aus, den ich nicht beschreiben kann, ich weiß nur, dass er etwas in mir auslöst. Mir läuft ein Schauer über alle möglichen und unmöglichen Stellen. Kein Mann hat mich je so durchdringend angesehen wie er in diesem Moment. Und es ist berauschend. Tequila ist nichts dagegen. Ich habe eine brandneue Droge: Courage.

»Prost«, sage ich vorlaut, und wir stoßen an. Ich stürze den zweiten Kurzen hinunter und nehme mir eine Limettenspalte. Diesmal bin ich auf das Brennen des Alkohols vorbereitet. Ich bin schließlich schnell von Begriff. Wenn ich wollte, hätte ich ruckzuck einen Uniabschluss in der Tasche.

Will ich aber nicht. Stattdessen bin ich hier und schaue meinem Lieblingsspieler dabei zu, wie er den hübschen Kopf in den Nacken legt und den Schnaps hinunterkippt.

Bis gerade eben war der Tag ein absolutes Desaster. Daddy hat meine Mailbox mit wütenden Nachrichten zum Explodieren gebracht, bis ich mein Handy ganz ausschalten musste. Er ist außer sich, dass ich nicht für mein Abschlussjahr nach Bryn Mawr zurückgehe. Ich glaube nicht, dass er jemals darüber hinwegkommen wird.

Und damit werde ich leben müssen.

Das wird nicht einfach. Bis jetzt war ich ein braves Mädchen. Ich habe noch nie Daddys Anrufe ignoriert, und ich habe auch noch nie mit der Mannschaft in einer Bar Schnaps getrunken.

Aber es wird langsam Zeit für eine Veränderung. Nimm das, Daddy. Und wer hätte gedacht, dass ich Tequila kippen kann wie ein echtes Partygirl?

Das Problem ist nur, ich weiß nicht, was ich als Nächstes machen soll. Ich hatte noch nie einen One-Night-Stand. Und jedes Mal, wenn Jason mich von oben bis unten mit diesem verruchten Blick mustert, spüre ich einen kleinen Kick der Erregung.

Und – na gut – Nervosität. Aber da kann der Alkohol Abhilfe schaffen.

Außerdem, wenn man möchte, dass etwas gut wird, muss man jemanden anheuern, der sich damit auskennt. Also brauche ich Jason Castro. Er ist der berüchtigtste Frauenheld im ganzen Team. Er ist glühend heiß und ein echter Süßholzraspler. Ich mag alles an ihm, von seiner bronzefarbenen Haut bis zu seinen hypnotischen braunen Augen.

Er kann es mir beibringen. Ich bin schnell von Begriff.

Und ich bin keine Jungfrau mehr. Ich hatte schon ein paar Freunde – vier, um genau zu sein. Aber keinem ist es gelungen … Das kann man nicht sittsam ausdrücken. Brave Südstaatenmädchen reden normalerweise nicht über Sex. Aber sagen wir so, meine bisherigen Erfahrungen waren nicht sonderlich befriedigend.

Das soll sich heute Nacht ändern. Diese Gelegenheit darf ich nicht ungenutzt verstreichen lassen. Tatsächlich ist es an der Zeit, den Einsatz zu erhöhen. Nur weil ich nicht weiß, wie man einen Mann verführt, heißt das nicht, dass ich generell keine Ahnung vom Leben hätte.

Vorsichtig schiebe ich mich näher an ihn heran. Vielleicht fünf Zentimeter. Dann lächle ich ihn an.

Und – Bingo! – der Effekt tritt unmittelbar ein. Seine Augen schweifen über meinen Körper. Und es fühlt sich beinahe an, als berührte er mich auch mit den Händen. Überall, wo sein Blick mich trifft, spüre ich, wie er mich versengt. Dann schaut er wieder auf und schenkt mir ein umwerfendes Lächeln. Wir führen eine komplette Unterhaltung ganz ohne Worte.

Es ist eine Offenbarung. Ich fühle mich mutig und ein bisschen wild.

»Also, was jetzt, Hot Pepper?«, fragt er.

Auweia. Dieses pochende Geräusch ist mein Herz, das losspringt wie ein Hase bei einem Fünfzig-Meter-Sprint. Ich hatte gedacht, ich hätte noch etwas mehr Zeit, um mich an den Gedanken zu gewöhnen, bevor es tatsächlich zur Sache geht.

»Bleibst du in Brooklyn und beendest dein Praktikum, auch wenn es zu einem Familienstreit führt?«

»Oh«, sage ich lahm, denn, uuups, da sind wohl meine Gedanken etwas vorausgaloppiert. »Ich bleibe beim Praktikum. Ja, klar. Ich kann doch sonst nichts.« Das Praktikum ist nicht besonders gut bezahlt. Aber ich wohne bei Daddy in Manhattan und kann mit der Subway zur Arbeit fahren.

Bald werde ich einundzwanzig und erbe ein bisschen Geld. Dabei könnte mir mein Vater wirklich das Leben schwer machen, wenn er wollte. Die kaum verhüllte Drohung habe ich diese Woche oft genug zu hören bekommen.

»Gute Entscheidung«, sagt Jason.

»Das war nicht schwer«, bestätige ich. »Ich muss endlich mein Leben ändern, sonst versuche ich bis ans Ende meiner Tage, es anderen recht zu machen.«

»Das ist nicht gut«, stimmt er zu. Wir stehen immer noch viel zu dicht beieinander, und wir flirten immer noch. Und trotzdem hört er mir wirklich zu.

»Letztes Jahr an der Uni war ich wirklich unglücklich. Und meinen Eltern war es egal. Weißt du, was komisch ist?« Ich merke, dass ich viel zu viel quassele, aber seine Aufmerksamkeit ermutigt mich. »Als Teenager habe ich tatsächlich Kurse besucht, wie man anderen Leuten gefällt. Das nennt man Benimmkurs.«

Sein tiefes Lachen vibriert in meinem Bauch. »Wie man gefällt? Ich wette, du hast eine Eins plus bekommen.«

»Das ist ein angeborenes Talent«, ziehe ich ihn auf. »Aber sie haben uns Benimmregeln beigebracht. Welche Gabel man zuerst benutzt und wie man den Tisch für ein Sechs-Gänge-Menü deckt. Wie man zwei Menschen einander vorstellt, wenn es ein Machtgefälle gibt.«

»Und wie macht man das?«, fragt er und beugt sich ein paar Millimeter näher zu mir.

»Man spricht den Höherrangigen zuerst an. Mister Wichtig, darf ich Ihnen Mister Nichtganzsowichtig vorstellen? Und dann fügt man weitere Informationen hinzu, die der Situation angemessen sind.« Ich kann sein Aftershave riechen. Es ist frisch und würzig. Ich verspüre den seltsamen Drang, mich vorzubeugen und sein kantiges Kinn zu küssen.

»Wer hätte das gedacht?« Er kommt unmerklich näher. »Und jetzt frage ich mich, wie oft ich schon auf diese Weise gedemütigt worden bin, ohne es überhaupt zu bemerken.«

»Also bitte«, ziehe ich ihn auf. »Tausch mal einen Tag mit der Teampraktikantin. Ich könnte auch ein Namensschild tragen, auf dem steht: Hallo, mein Name ist Nichtganzsowichtig.«

»Was hast du im Benimmkurs noch gelernt?«

»Foxtrott tanzen. Wie man eine korrekte Hochzeitseinladung verfasst. Schönschrift. Wie man mit einem Jungen, den man nicht mag, tanzt, um seine Gefühle nicht zu verletzen. Mit anderen Worten, wie man ein braves Mädchen ist, auch wenn man das gar nicht sein möchte.« Je länger ich darüber nachdenke, umso mehr hört es sich nach Gehirnwäsche an.

»Hmm«, flüstert Jason. Wir stehen inzwischen so nah beieinander, dass seine Stimme an meiner Wange vibriert. Und dann beugt er sich vor und streift meine Schläfe mit den Lippen. Es ist so flüchtig, dass man es kaum einen Kuss nennen kann. Aber trotzdem läuft mir ein Schauer über den Rücken.

Kein Wunder, dass er jede Frau herumkriegt. Ich erbebe förmlich, dabei hat er mich noch gar nicht geküsst.

Seine Stimme wird noch einen Ton tiefer, und er fragt: »Wärst du denn lieber ein böses Mädchen, Heidi?«

Ich glaub, mich knutscht ein Elch! Das ist der schmierigste Anmachspruch aller Zeiten, aber seine Wirkung verfehlt er trotzdem nicht.

Und dann streift sein Mund mein Ohr. »Willst du etwa«, seine Stimme wird zu einem Flüstern, »auch noch nach dem Labour Day Weiß tragen?«

Mit einem Witz habe ich nicht gerechnet, das macht es doppelt so lustig. Die ganze Anspannung, die in meinem Bauch herumgeflattert ist, bricht sich auf einmal Bahn. Ich grunze vor Lachen, was ich seit der vierten Klasse nicht mehr getan habe. Im Benimmkurs wird nicht gegrunzt.

Aber ich habe einen langen Tag hinter mir, und ich kann nicht aufhören. Ich lache so heftig, dass mir die Tränen kommen.

»Also? Hast du das vor?«, fragt er und legt mir eine Hand auf die Hüfte.

Die Berührung ernüchtert mich schlagartig, und ich lasse mich in sie hineinfallen. »Wahrscheinlich nicht.« Ich wische mir über die Augen. »Und das ist eine Schande, weil ich mir gerade eine hübsche weiße Jeans im Schlussverkauf gekauft habe und Labor Day vorbei ist.«

Jason wirft den Kopf zurück und grinst. »Du hattest recht, du brauchst wirklich mehr Tequila.« Schon schenkt er mir nach. »Aufs Regelbrechen.«

Ein aufregendes Kribbeln läuft mir über den Rücken, als ich mein Glas hebe und wir darauf trinken. Seine dunklen Augen mustern mich, als ich das Gläschen ansetze und trinke. So kann es also auch sein. Eric, mein Ex-Freund, würde mich nicht wiedererkennen. Auch wenn er mich nie so angesehen hat wie Jason gerade.

Aber, autsch, der Tequila ist stark. Mit tränenden Augen nehme ich mir einen Limettenschnitz vom Teller und beiße so vornehm hinein, wie ich nur kann.

Nimm das, Daddy. Mein Vater möchte nicht, dass ich Alkohol trinke, und das macht es umso lustiger.

Castro kippt seinen Schnaps mit einem lässigen Schluck hinunter und stellt sein Glas auf den Tisch. Die Limetten braucht er gar nicht. »Weißt du, es ist ganz normal, darauf zu achten, was andere von uns halten«, sagt er, als könnte er meine Gedanken lesen. »So funktioniert Zivilisation.«

»Klar«, stimme ich seufzend zu. »Aber manchmal ist das nicht besonders praktisch. Vielleicht muss ich lernen, es mir nicht so sehr zu Herzen zu nehmen.«

»Meine Mom hat ein besticktes Kissen auf dem Wohnzimmersofa. Darauf steht: Tu jeden Tag etwas, das dir Angst macht.«

»Oh Gott«, quietsche ich. »So eins hat meine Mutter auch. Ist es khakifarben mit rotem Rand?« Seine Hand liegt immer noch warm auf meiner Taille. Ich lege meine darauf und spüre seinen rauen Knöchel.

Dann überrascht er mich, indem er seine Hand umdreht und meine festhält. Als sich seine langen Finger um meine schließen, muss ich gegen einen weiteren Schauer ankämpfen.

»Ich lasse mir von Kissen ungern etwas vorschreiben«, sagt er leise. »Aber ich breche gern mal eine Regel.« Mit der freien Hand dreht er mich zu sich um. Und dann streicht er mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und schiebt sie mir hinters Ohr. Es ist keine offensichtlich erotische Geste, trotzdem spüre ich alle Nervenenden in meinem Körper. Ich kann nicht wegsehen. In dem Moment, wo er mich berührt hatte, war ich von seiner Aufmerksamkeit gefesselt.

»In deinem Fall«, er legt mir eine Hand unters Kinn und hebt es ein wenig an, sodass wir uns in die Augen sehen, »hat das Kissen es ein bisschen falsch verstanden. Anstatt jeden Tag etwas zu tun, das dir Angst macht, versuch es mal jeden Tag mit etwas, das deinem Vater Angst macht. Er wird sich daran gewöhnen.«

»So eine Art Konfrontationstherapie.« Meine Stimme klingt ganz atemlos und seltsam. Als hätte ich gesagt: Nimm mich gleich hier an der Wand.

»Genau.« Er lächelt flüchtig und sexy. »So ähnlich.«

»Also, das hier würde ihm überhaupt nicht gefallen.« Und damit meine ich, dass Jason mich anfasst.

Obwohl – und das ist faszinierend – mir inzwischen dämmert, dass Jason keine Ahnung hat, wer mein Vater ist. Und ich werde es ihm bestimmt nicht verraten. Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass Eishockeyspieler nicht die Tochter des Ligapräsidenten abschleppen. In der Regel machen sie einen großen Bogen um mich.

»Das hier?«, flüstert er. »Was jetzt genau?«

»Alles. Der Tequila. Die …« Heißen Berührungen.

»Vielleicht hat er recht«, sagt Castro langsam. »Ich glaube, deinem Daddy würde nicht gefallen, was ich gerade denke.«

Ich lächle zu ihm auf, weil ich so glücklich bin, dass ich kreischen könnte wie ein kleines Mädchen, das gerade ein Pony geschenkt bekommen hat. Männer wie Jason wollen normalerweise nichts mit mir zu tun haben. Dabei wünsche ich es mir so sehr. Ich möchte, dass er mich mit nach Hause nimmt und mir zeigt, wie ein Mann es macht, der keine Angst vor meinem Daddy hat.

»Möchtest du ’ne Limo oder so?«, fragt er. »Vielleicht sollten wir zu etwas Alkoholfreiem übergehen.«

»Nein, erst noch einen Schnaps«, beharre ich. Wenn heute Nacht die Regeln gebrochen werden, dann nehme ich am besten alles mit.

Außerdem bin ich ein bisschen nervös. Und der Alkohol legt sich über mich wie eine kuschelige Decke. Wenn alles so läuft, wie ich mir das vorstelle, dann bin ich bald nackt mit dem heißesten Eishockeyspieler, den ich je kennengelernt habe.

»Na gut, einen kleinen. Was die Dame will, soll sie bekommen«, sagt er grinsend. Dann greift er nach der Flasche. Ich sehe, wie sich seine Finger darum schließen, und frage mich, wie sie sich wohl auf meinem Körper anfühlen werden.

Bestimmt umwerfend.

Silas kommt zurück an den Tisch gesprungen. »Die Dartscheibe ist frei«, verkündet er. »Wer ist dabei?«

»Ach, ich weiß nicht.« Castro wirft mir einen Blick zu. »Darts erinnert mich zu sehr an meinen Hauptjob.«

Er bietet mir einen Ausweg, aber den nehme ich nicht an. »Ich glaube, heute ist mein Glückstag«, erkläre ich. »Einen Dollar pro Punkt. Auf geht’s.«

»Sie ist in meinem Team«, sagt Castro sofort.

Und es gefällt mir, wie sich das anhört.

3

Jason

An der Dartscheibe macht Heidi ihrem Spitznamen alle Ehre. Hot Pepper ist en fuego. Und auch wenn ich ihren süßen Po begutachten muss, entgeht mir nicht, wie gut sie spielt.

Sie und ich treten gegen Silas und Bayer an. Ich dachte, wir würden verlieren, weil Heidi nicht so wirkt, als hätte sie in ihrem Leben schon viel Darts gespielt. Doch wann immer sie zum Wurf ansetzt, scheint ein Magnet unter dem Bullseye zu sein. Wir gewinnen und gewinnen.

»Du solltest Eishockey spielen«, sage ich, nachdem sie die Bar mit einem weiteren Treffer ins Schwarze beeindruckt hat.

»Brave Mädchen tun das nicht«, sagt sie und seufzt. »Silas, du bist dran, Sir. Zeit für deine Abreibung.«

Das letzte Spiel verlieren wir, weil Heidi am Ende ein paar unglückliche Würfe landet.

»Vielleicht hast du das Bullseye kaputt gemacht«, sagt Bayer. »Hab noch nie jemanden so oft treffen gesehen.«

»Oder es liegt am letzten Tequila«, sagt Silas leise. Er legt einen Arm um Hot Pepper, und ich verspüre einen Stich der Eifersucht. »Ganz vorsichtig«, meint er. Und da bemerke ich, dass er sie nur stützt. Denn sie schwankt.

Auweia.

»Wir sollten wohl für heute Schluss machen«, sagt Bayer mit einem Lachen. »Es ist eh schon spät.«

Heidi sieht zu mir auf und lächelt mich breit und betrunken an. »Zeit fürs Bett!«, sagt sie.

Ach, verdammt. Das war’s dann mit meinen Plänen. Ich hätte aufpassen sollen, dass sie nicht so viel trinkt. Aber sie war so enthusiastisch. »Soll ich dich nach Hause bringen?«, frage ich. »Wo wohnst du denn?«

»Manhattan«, lallt sie. »Aber da können wir nicht hin. Wir können keinen Sex in Daddys Wohnung haben.«

Silas und Bayer können ihre Belustigung kaum verbergen. »Brauchst du Hilfe?«, fragt Silas.

Ich winke ab. »Warte nicht auf mich. Mir steht wohl eine lange Taxifahrt bevor.«

Silas parkt Heidis schlaffen Körper irgendwie an meinem, so wie man ein Fahrrad an einen Baum lehnen würde. »Nachti, Kinder.« Er und Bayer gehen kichernd los.

»Gut«, sage ich. »Sie haben ein bisschen zu viel getrunken, Miss. Wo darf ich Sie hinbringen?«

Sie hebt den Kopf und streift mit den Lippen die Unterseite meines Kinns. »Dahin, wo du hingehst.«

»Das klingt nach Spaß«, gebe ich seufzend zu. »Aber wir sollten uns unterhalten.« Ich bugsiere sie auf einen Stuhl und setze mich neben sie. »Und jetzt verrate mir deine Adresse in Manhattan.«

»Nö!« Sie unterstreicht die Aussage mit einem Rülpsen. »Ich dachte, du machst mich an. Ehrlich.«

»Oh, das habe ich auch«, sage ich und reibe ihr kreisend über den Rücken. Ich würde sie gern langsam ausziehen und jeden Zentimeter von ihr verwöhnen. Aber nicht heute. »Wir müssen es verschieben.«

»Aber so kann ich nicht zu Hause aufkreuzen. Das gibt nur wieder Ärger.«

»Warum?«

»Daddy.« Sie verzieht das Gesicht. »Ich könnte mir auch einfach ein Schild umhängen, auf dem steht: Ich bin genau die Scheiß-Versagerin, für die du mich hältst.« Schnell bedeckt sie den Mund mit der Hand. »Normalerweise fluche ich nicht. Aber das war ziemlich lustig.« Sie kichert. »Scheiße. Scheiße, Scheiße, Scheiße …« Hicks.

Sie wird von Sekunde zu Sekunde betrunkener. Es ist beunruhigend. Aber ich will mich auch nicht von ihrem Vater anbrüllen lassen. Er scheint ein echter Kotzbrocken zu sein. »Okay, wir machen Folgendes. Ich denke, du passt perfekt auf mein Schlafsofa.« Ich stehe auf und strecke ihr die Hand entgegen.

»Oh!«, sagt sie. »Netflixen und abhängen. Und dann schmutziger Sex.«

Pete, der Barkeeper, prustet hinter der Theke vor Lachen. »Wie ich sehe, hast du alle Hände voll zu tun.«

»Im wahrsten Sinne des Wortes.« Heidi steht wieder, aber nur mühsam. Ich balanciere sie an meiner Brust und entsperre mein Katt-Phone. »Kannst du mir ein Taxi rufen?«

»Darf ich dein Handy anfassen?«, fragt Heidi plötzlich. »Ich möchte es streicheln. Als Praktikantin kriegt man kein Katt-Phone.«

»Später«, verspreche ich.

Pete öffnet lachend die Taxi-App und bestellt mir einen Wagen. »Zwei Minuten.« Er reicht mir das Handy. »Ich mach dir noch eben die Rechnung für den Abend fertig.«

Ich brauche beide Hände, um Heidi aufrecht zu halten. »Kannst du die auch unterschreiben? Wir gehen dann mal. Nacht, Kumpel.«

»Pass auf dich auf.« Pete murmelt etwas, das klingt wie: »Und beim nächsten Mal mehr Glück.«

Immerhin kommt der Wagen pünktlich. Ich verfrachte Heidi neben mir auf den Rücksitz. »Letzte Chance, dich nach Hause zu bringen.«

Sie schüttelt vehement den Kopf.

Na gut.

»Okay, dann Water Street, Ecke Bridge Street, bitte.«

»Was ist da?«, fragte Heidi mit geschlossenen Augen.

»Meine Wohnung.«

Heidi hebt den Kopf und macht mit der Faust eine komische Siegesgeste. »Wow. Yes!«

Das scheint mir etwas viel Begeisterung dafür, dass sie auf meinem Sofa schläft. Aber egal.

Dann überlege ich, ob lieber ich die Klappcouch nehmen soll. Schließlich bin ich ein Gentleman. Aber ich bin auch über einen Meter neunzig, und sie ist mehr als einen Kopf kleiner. Sie würde perfekt auf das Sofa passen …

Bei diesem Gedanken rührt sich Heidi neben mir. Obwohl sie sich ziemlich ungeschickt anstellt, gelingt es ihr, auf meinen Schoß zu klettern. Und dann verpasst sie mir einen nassen Kuss auf den Mundwinkel.

»Was war das denn?« Ich ziehe den Kopf weg. »Bitte nicht.«

»Aber ich kann es nicht erwarten«, haucht sie. »Endlich …« Sie beugt sich wieder vor.

Ich weiche ihr aus wie ein Preisboxer, der nicht getroffen werden will. »Äh, als ich gesagt habe, dass wir zu mir fahren, meinte ich …«

»Sex!«, sagt Heidi, und ihr warmer Körper schmiegt sich noch enger an mich. »Schmutziger, versauter Sex. Schwitziger, hitziger, heftiger, welterschütternder Sex!«

Ich stöhne frustriert.

Aber meine betrunkene Begleitung versteht mich falsch. »Du wirst mich richtig hart rannehmen, oder?«, fragt sie aus nächster Nähe und blinzelt mich an.

Ein Körperteil erhebt sich jubelnd. »Vielleicht. Aber nicht heute Abend.«

»Bitte«, sagt sie atemlos. »Die meisten Jungs sind viel zu höflich zu mir. Die, die mit mir ausgehen wollen, haben Angst vor Daddy. Langsam befürchte ich, dass höflicher Sex schlimmer ist als überhaupt kein Sex.«

Ich frage mich, wer zur Hölle wohl ihr Vater ist. Vielleicht ist Heidi eine Mafia-Prinzessin. Vielleicht kontrolliert ihr Vater das Glücksspiel in Brooklyn und den illegalen Waffenhandel in New Jersey.

»Wie ist denn höflicher Sex?«, fragt der Fahrer. »Nur interessehalber.«

»Zu sanft«, sagt Heidi und lehnt sich an meine Brust. »Zu vorsichtig. Vielleicht ziehe ich einfach die falschen Männer an. Ich will wissen, ob es wirklich so weit kommen kann, dass das Kopfteil des Bettes gegen die Wand bumst.«

»Oh ja, das kann bumsen«, sage ich und seufze.

Eine schmale Hand wandert mir die Brust hinauf und wieder hinunter. Dann schieben sich Finger unter den Saum meines T-Shirts. »Du bist so … hart«, sagt sie träumerisch.

Wenn du wüsstest …

»Wann sind wir endlich da?«, fragt sie, und ihre Lippen streifen über meine Wange. »In der Damentoilette steht an der Wand, dass du Frauen beim Sex gerne fesselst. Zeigst du es mir?«

»Verdammt«, sagt der Fahrer vom Fahrersitz aus. »Kann ich mitmachen?«

Wie viel schlimmer kann diese Nacht noch werden? »Hör mal, Heidi. Als ich gesagt habe, dass wir zu mir fahren, meinte ich nur, dass du einen Platz brauchst …«

»Da wären wir!«, verkündet der Fahrer fröhlich.

»Ich bin bereit«, flüstert sie.

Ich frage mich, ob sie das im Benimmkurs gelernt hat.

Heidi öffnet die Tür und steigt aus. Und dann? Stolpert sie über den Bordstein.

Ich fluche, als der Portier rausgerannt kommt, aber ich bin zuerst bei ihr. Ich hebe sie hoch und nehme sie in die Arme. Sie sackt gegen mich.

»Alles in Ordnung, Mr Castro?«, fragt Miguel.

»Das wird schon wieder. Sie hat ein bisschen zu viel getrunken und muss sich erst mal ausschlafen.«

»Du riechst gut«, sagt Heidi und schlingt die Arme um mich wie ein Oktopus.

Miguel lacht. »Brauchen Sie Hilfe?«

»Nö. Das schaffe ich«, sage ich und ziehe sie zum Haus rüber. Er rennt los, um uns die Tür aufzuhalten.

»Gibt es eine Treppe?«, murmelt Heidi. »Ich glaube, ich kann keine Treppen.«

Ach was. Sie schafft noch nicht mal ebenes Pflaster. Es sind höchstens zehn Schritte, aber ich trage sie praktisch zur Tür. Als wir ankommen, drehe ich mich um und sehe, wie der Fahrer mich durch das offene Autofenster angrinst.

Lach du nur, Kumpel.

Wir schaffen es irgendwie durch die Lobby, und Miguel hat bereits den Aufzug geholt. Als dieser ankommt, blockiert Miguel die Tür für mich. »Gute Nacht, Mr Castro.«

»Nacht«, knurre ich. »Und danke für Ihre Hilfe.«

»Immer gern.« Er tippt sich an den Hut, als sich die glänzenden Türen schließen.

Den Knopf für meine Etage hat er allerdings noch nicht gedrückt, also muss ich das jetzt machen. »Schauen wir mal«, sage ich und stütze mich mit dem Ellenbogen an der Verkleidung des Aufzugs ab, um mich und Heidi zu stabilisieren. Ihr Körper ist mir im Weg, und ich verfehle den Knopf.

»Meine Güte«, gluckst Heidi. »Du bist wie mein Ex-Freund bei der Suche nach meiner Klitoris.« Sie haut auf die Konsole und trifft den Knopf – sowie zwei weitere.

Das sollte wohl reichen.

»Dein Ex-Freund?«, frage ich, nur um etwas zu sagen. »Lass mich raten. Er war Eishockeyspieler.«

»Jau«, sagt sie und vergräbt das Gesicht an meinem Hals. Der Aufzug fährt nach oben. »Du bist genau mein Typ. Ich liebe deinen Körper. Er ist so …« Sie beendet den Satz nicht. Aber eine ihrer Hände wandert um mich herum, um meinen Hintern zu erkunden. »Wow.« Ihre Hand gleitet über meinen gesamten Hintern und dann genau zwischen meine …

Ich entwinde mich ihrem Griff. »Jetzt werden wir ein wenig übermütig, was?«

Sie küsst meinen Hals. Und ich werde nicht lügen – sie riecht auch gut. Nach Zitrusparfum und schlechten Entscheidungen. Ich bin nicht immun gegen die weichen Lippen auf meiner Haut. Aber sie ist besoffen, also werden wir es nicht tun. Vielleicht nie. Mit einer Arbeitskollegin zu schlafen war von Anfang an eine schlechte Idee, oder? Auf diese Weise verpasst mir das Schicksal eine Ohrfeige.

Ping!, macht es, als wir auf meiner Etage ankommen.

»Na los. Alle aussteigen«, sage ich, während die Türen zur Seite gleiten.

»Müde.« Heidi legt den Kopf auf meine Schulter. Wieder geben ihre Knie nach.

Aber diesmal bin ich vorbereitet und fange sie mühelos auf. »War ja klar. Fräulein Frech wird ohnmächtig?« Na toll. Ich spreche mit einer Schlafenden.

Mit einem Seufzer halte ich ihren Kopf an meine Brust und hebe mit der anderen Hand ihren süßen Hintern hoch. Ich taumele in den Flur und auf meine Wohnungstür zu.

Ich würde jede Summe darauf verwetten, dass Miguel das Spektakel über die Überwachungskameras beobachtet und sich gerade schlapplacht.

Vor meiner Tür angekommen, habe ich ein Problem. Ich habe beide Hände voll und muss die Tür aufschließen. Es ist ein Schlüsselkarten-System, aber die Karte ist in meiner Brieftasche.

»Komm schon, Heidi«, beschwöre ich sie. »Du könntest mal ein bisschen mithelfen.« Behutsam setze ich ihre Füße auf den Boden und stupse ihre Arme an, damit sie sich an mir festhält.

Dankbar umarmt sie mich, und ich greife nach meiner Brieftasche.

»Ist das deine Wohnung?«, flüstert sie mir ins Ohr. »Bring mich ins Bett.«

Mein Kleinhirn hört nur das Wort Bett, und für einen Augenblick kann ich es mir vorstellen. Uns auszuziehen und dann richtig zur Sache zu kommen klingt verlockender, als ein betrunkenes Mädchen ins Bett zu bringen und zu hoffen, dass es nicht alles vollkotzt.

Aber man kriegt nicht immer, was man will.

Ich fummele die Tür auf, schnappe mir Heidi und trage sie in die Wohnung. Sie sagt kein Wort, und ich habe das seltsame Gefühl, die Hauptrolle in dem Film zu spielen, wo sie ständig diesen toten Typen mit sich herumschleppen: Immer Ärger mit Bernie.

Mein Leben. So glamourös. Ein Blick auf Silas’ Zimmertür verrät mir, dass er schon schlafen gegangen ist. Der Glückliche.

Heidi ist völlig schlaff, als ich sie zum Sofa trage und darauf absetze. »Au«, sagt sie, obwohl ich darauf achte, dass sie sich nicht den Kopf stößt.

»Was tut weh?«

»Mein Bauch.«

Oh, Scheiße. Schnell setzt sie sich auf und schaut alarmiert. »Ich glaube, ich muss …«

Sie springt auf und wendet sich zum rückwärtigen Teil meiner Wohnung.

»Linke Seite«, rufe ich, als sie losrennt. Für jemanden, der gerade noch ein nasser Sack war, ist das ziemlich erstaunlich. Aber jeder Eishockeyspieler weiß, dass Adrenalin Superkräfte mobilisiert.

Es vergehen kaum vier Sekunden, dann höre ich, wie sie die Tür zuschlägt und anfängt zu würgen.

Ich setze mich aufs Sofa und vergrabe das Gesicht in den Händen. Ich erlaube mir ein Kichern. Immerhin habe ich nicht darauf bestanden, sie nach Manhattan zu bringen. Sie könnte mich jetzt auch auf dem Rücksitz im Wagen vollkotzen.

Schlimmer geht immer.

Ein paar Minuten später kommt Heidi blass und verlegen zurück. Sie setzt sich neben mich aufs Sofa und seufzt betrunken.

»Alles in Ordnung?«, frage ich.

Sie räuspert sich. »Ja. Normalerweise trinke ich nicht.« Sie lallt ein wenig.

»Weil es sich nicht gehört?«

Sie kichert. »Mach dich nicht lustig! Es ist schon peinlich genug. Immerhin habe ich keine Sauerei gemacht. Ich kotze sehr damenhaft.«

Das bringt uns beide zum Lachen.

»Ich habe dein Mundwasser benutzt«, gesteht sie. »Tut mir leid.«

»Du hast Silas’ benutzt, denn das ist sein Badezimmer. Aber ich hab noch ein besseres. Komm mit.« Ein Blick auf mein Handy sagt mir, dass es Mitternacht ist. In sechs Stunden muss ich wach und auf dem Weg nach Long Island sein, wo der nächste Teil des Trainingslagers stattfinden wird.

Ich muss schlafen, aber das geht erst, wenn ich sichergestellt habe, dass unser unerwarteter Gast es bequem hat. Heidi folgt mir in mein riesiges Schlafzimmer und dann in das große angeschlossene Badezimmer. »Wow. Schöne Wohnung.«

»Danke.« Die Wohnung ist wirklich schön. Silas und ich zahlen eine exorbitante Miete. Einige unserer Teamkollegen haben hier sogar Eigentumswohnungen. Wir nennen das Gebäude – eine luxussanierte hundert Jahre alte Fabrik – »das Millionärswohnheim«. Es ist teuer, aber die Nähe zum Trainingsgelände ist unwiderstehlich. Deshalb wohnt ein Großteil der Mannschaft hier.

Ich habe noch nicht versucht, meine Wohnung zu kaufen, weil ich das Schicksal nicht herausfordern will, indem ich davon ausgehe, dass die Bruisers mich behalten werden. Besonders nach dem beschissenen Ende der letzten Spielzeit.

»Hier«, sage ich und fische eine neue Zahnbürste aus dem Badezimmerschrank. »Ich hole dir noch ein T-Shirt und Shorts.«

Zehn Minuten später decke ich Heidi auf der einen Seite meines Kingsize-Bettes zu. Und dann klettere ich auf der anderen Seite hinein. Ich schlafe nicht auf der Couch – nicht, wenn ich morgen unter den wachsamen Augen der Trainer, die immer noch überlegen, wer nächste Saison einen Platz im Kader bekommt, aufs Eis muss.

Wenn Heidi hier bei mir ist, kann ich sie außerdem besser im Auge behalten. Und – Pluspunkt – die Toilette ist nicht weit weg.

Das funktioniert aber nur, wenn sie nicht wieder zudringlich wird, so wie im Taxi. Ich schalte die Lampe aus, und der Raum versinkt in Dunkelheit. Einen Moment lang ist alles still, und sie bleibt auf ihrer Seite des Bettes. Dann höre ich sie seufzen. »Das Zimmer, irgendwie …«

»Dreht es sich?«, rate ich.

»Yes, Sir. Woher wusstest du das?«

»Das ist normal, wenn man zu viel Alkohol getrunken hat.«

Es war wohl kein Scherz, als sie meinte, dass sie nicht oft trinkt. Wem war noch nie nach zu viel Alkohol schwindelig? »Soll ich dir einen Eimer ans Bett stellen?«

»Nein.« Sie stöhnt. »Schlecht ist mir nicht mehr. Jetzt ist es nur noch mein Kopf. Aber ich hasse es. Es ist, als würde ich durchs All trudeln.«

»Dazu kommt es nicht, versprochen.« Ich strecke den Arm aus und nehme ihre Hand. »Siehst du? Ich hab dich.«

Mit ihrer weichen Hand drückt sie meine, und dann rutscht sie rüber. Plötzlich habe ich ein warmes, kurviges Mädchen im Arm. Mit dem Rücken an meiner Brust zieht sie meinen Arm über sich und hält sich daran fest, als wäre er das Einzige, was sie an die Erde bindet. »Schon besser«, flüstert sie.

Ihre Haare riechen nach Blumen. Und sie ist genauso weich und warm, wie ich es mir ausgemalt habe, verdammt.

»Wir werden keinen schmutzigen, versauten Sex haben«, stellt sie fest.

»Richtig, werden wir nicht«, sage ich bestimmt.

»Weil ich gekotzt habe.«

»Weil es notwendig war«, verbessere ich.

»Und das ist abstoßend. Es ist nicht ladylike. Vielleicht hatte Mama die ganze Zeit recht.«

»Nee.« Ich lächle in ihre Haare. »Das ist nicht der Grund.«

»Nein?«

»Nö. Wir haben keinen schmutzigen, heißen Sex …«

»Schmutzigen, versauten Sex.«

»… keinen schmutzigen, versauten Sex, denn ein Gentleman nutzt es nicht aus, wenn ein Mädchen betrunken ist. Auch ich halte mich an ein paar Regeln.«

»Oh, ich dachte, ich würde heute Abend endlich mal wild sein. Die Chance habe ich wohl verpasst.«

»Ja, hast du. Aber ich finde dich trotzdem ziemlich wild. Es kommt nicht oft vor, dass ich Bayer und Silas dreimal hintereinander beim Darts schlage.«

»Im Tontaubenschießen bin ich auch gut.«

»Ach ja?« Die Vorstellung, wie Heidi mit einer Schrotflinte Tontafeln vom Himmel schießt, hat etwas sehr Anziehendes.

»Ohne Scheiß«, sagt sie, und wieder reagiert mein Körper auf ihren Südstaatenakzent. Aber vielleicht liegt es auch daran, dass sie meine Hand streichelt. Dann seufzt sie und bewegt sich ein wenig in meinen Armen.

Verdammt, jetzt bin ich hart. Natürlich bin ich hart. Ich liege mit einem schönen Mädchen im Bett, das ich anschmachte, seitdem es letzten Frühling in unserem Teamjet aufgetaucht ist. Und mit ihren perfekten Lippen wiederholt sie ständig Worte wie »schmutziger, versauter Sex«.

Um darauf nicht zu reagieren, müsste man schon tot sein. Und ich bin sehr lebendig. Ich müsste meine Hüften nur ein winziges Stück verlagern, dann könnten wir …

Ich unterdrücke ein ungeduldiges Stöhnen. So viel zu einer ruhigen Nacht.

»Gute Nacht, Jason Castro«, flüstert Heidi. »Danke, dass du so ein lieber Kerl bist.«

»Bin ich nicht«, widerspreche ich.

»Bist du wohl. Du hast mir zugehört. Vorhin, als ich sauer war.«

»Oh.« Sie ist wirklich betrunken. »Das war doch gar nichts.« Sie war verdammt unterhaltsam.

»Nein, das war nicht nichts. Du hast mich zum Lachen gebracht und mir gesagt, ich soll mutig sein.«

»Ich wollte dich bloß ins Bett kriegen«, gebe ich zu.

Sie seufzt in mein Kissen. »Aber auch das ist schön. Das versucht sonst niemand.«

Ich drücke ihre Hand und frage mich, wie das möglich ist. Sie ist nicht die Einzige, die ein wenig verwirrt ist. Normalerweise kuschle ich nicht gern. Normalerweise schmiege ich mich nicht an meine Eroberungen, weil ich ihnen keinen falschen Eindruck vermitteln will. Aber es ist unerwartet angenehm, Heidis weiche Haut an meiner zu spüren.

Ich werde nie wieder eine Beziehung eingehen. Das habe ich beschlossen. Aber ich hatte vergessen, wie es sich anfühlt, jemanden im Arm zu halten, der mich braucht. Vor langer Zeit bin ich immer bei meiner Highschool-Freundin durchs Fenster geklettert, damit ich sie die ganze Nacht im Arm halten konnte.

Und jetzt bin ich sowohl angetörnt als auch wehmütig. Was für eine seltsame Nacht. Ich bin innerlich aufgewühlt, liege aber still, weil ich die schlafende Prinzessin neben mir nicht stören will. Mir fallen die Augen zu, und ich ertappe mich bei der Frage, wie es wohl wäre, jede Nacht jemanden so im Arm zu halten.

Über so etwas nachzudenken sieht mir gar nicht ähnlich. Während mein Körper immer schnell heiß ist, bleibt mein Herz ziemlich kalt. Aber Heidi hat etwas an sich, das mich bis ins Innerste erwärmt. Sie zeigt mir bereitwillig ihre Schwächen. Und sie hat keine Angst zuzugeben, dass sie nicht auf alles eine Antwort hat.

Und mir geht es ganz genauso.

Mit diesem schönen Gedanken schlafe ich ein.

4

Jason

Als am nächsten Morgen um sechs mein Wecker klingelt, bin ich nicht allein.

Dummerweise ist die andere Person in meinem Zimmer nicht die heiße blonde Frau mit den langen, glatten Beinen, die mich letzte Nacht gequält hat. Stattdessen steht Silas am Fußende und stupst mich mit dem Knie an.

»Willst du nicht mal aufstehen?«, fragt er und nimmt einen großen Schluck aus der Delilah-Spark-Fantasse, die ihm die Jungs aus dem Team zum Geburtstag geschenkt haben. Es war als Witz gemeint, aber Silas benutzt sie jeden Morgen.

»Ja, ich komm ja schon. Meine Güte.« Leider habe ich nicht besonders gut geschlafen. Zu viel Hin- und Hergewälze an Heidis Körper. Zu viele ungezogene Träume.

»Der Bus fährt in einer halben Stunde«, erinnert mich Silas.

»Weißt du was?« Ich blinzele zu ihm hoch. »Wir fahren einfach selbst. Scheiß auf den Bus.«

»Mit deinem neuen Auto?«, fragt er strahlend. »Ich bin so was von dabei!«

»Klar, ich fahre dich – falls es noch Kaffee gibt.« Ich hebe den Kopf und schaue zum Bad. »Hast du Heidi hier irgendwo gesehen?«

»Himmel, du hast sie echt gevögelt?« Silas macht große Augen.

»Natürlich nicht! Hast du nicht gesehen, wie betrunken sie war?« Ich hätte wissen müssen, dass sie keinen Schnaps verträgt.

»Zum Glück.« Er schüttelt den Kopf. »Die Tochter des Ligapräsidenten zu knallen ist nicht gut für die Karriere.«

Ich lasse mir diesen Satz noch einmal durch den Kopf gehen, aber er ergibt immer noch keinen Sinn. »Warte – wessen Tochter?«

Die Frage erwischt Silas mit der Tasse am Mund, und er muss schnell schlucken, damit er den Kaffee nicht in den falschen Hals bekommt. »Dein Ernst? Du weißt nicht, wer Heidi ist? Und ihr Spitzname hat es dir auch nicht verraten?«

»Hot Pepper.« Die Erkenntnis trifft mich wie ein Schlag in den Magen. »Wie in … Tobias Pepper?«

Silas lacht. »Unter welchem Stein bist du denn hervorgekrochen?«

»Muss wohl ziemlich groß gewesen sein.« Himmel. Meine Stimmung ist im Keller. Fast hätte ich einen Riesenfehler begangen. »Hast du sie heute Morgen gehen gehört?« Es ist erst kurz nach sechs, und sie ist nirgendwo zu sehen.

»Nein, und ich bin schon seit einer halben Stunde wach und habe Kaffee gekocht.«

Hmm. »Bringst du mir welchen? Dann bin ich auch dein bester Freund.«

»Bist du eh schon.« Silas geht hinaus.

Ich setze mich auf und stelle die Füße auf den Boden. Ich prüfe jeden einzelnen Muskel und stelle fest, dass die Hälfte verspannt ist. In der Saison ist das immer so.

Ich schnappe mir mein Handy vom Nachttisch und scrolle durch meine Kontakte. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich Heidis Nummer habe; im Frühling war sie bei einem unserer Auswärtsspiele für den Transport zuständig. Und – Bingo. Ich schreibe ihr eine Nachricht.

Guten Morgen, Sonnenschein. Ich hoffe, es geht dir heute etwas besser.

Es ist eine nette, freundliche kleine Nachricht. Und etwas anderes werde ich ihr auch nicht mehr schicken.

Ich hätte fast die Tochter des Ligapräsidenten gevögelt. Wer hätte das gedacht?

»Hast du schon gepackt?«, fragt Silas von der Küche aus. »Wir könnten in einer halben Stunde fahren.«

»Ja, schon erledigt«, knurre ich. Mein Kleidersack hängt an der Schranktür, und meine Golfschläger stehen in der Ecke. Sogar an eine Badehose habe ich gedacht.