Gott im Kommen? - Antje Vollmer - E-Book

Gott im Kommen? E-Book

Antje Vollmer

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Beschreibung

Gott als heilsame Korrektur des Alltags - Gelassener leben, weil tief verankert

Mit dem unbekannten Gott zu rechnen verändert privates und gesellschaftliches Leben. Unruhe und heilsame Störung unterbrechen den Alltag. Menschen werden befreit vom Machbarkeitswahn und humorlosem Selbstverwirklichungsdruck. Eine Unruhestiftung für wache Geister, die einem profilierten Christentum etwas zutrauen.

Provokationen einer der bekanntesten Frauen der deutschen Politik.

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Inhaltsverzeichnis
 
Einleitung
 
Teil 1 - ÜBER RELIGIONEN UND GOTTESBILDER
Religionen gab es immer
 
Copyright
»Wir wissen ja nicht, weißt du, wir wissen ja nicht, was gilt«
 
Paul Celan zu Nelly Sachs
Dem Andenken an Kurt Scharf gewidmet.
Einleitung
Wer sich auf das Gottesthema einläßt, gerät in Turbulenzen. Da sind einmal die eigenen inneren Fragen und Zweifel: Über was und über wen wird hier eigentlich geredet? Dann sind da die beunruhigenden Gegenwartszeichen: Allzu viele reden - mit deutlicher oder undeutlicher Absicht - von Gott, von Gottes Kommen, von Gottes Willen, von Gottes Kriegen. Gerät man dabei nicht unwillkürlich mitten hinein in ein beunruhigendes Welt-Palaver über falsche Bilder, Machtambitionen, Geisterverwirrungen, in denen keine Klarheit in Sicht ist? Und blickt man schließlich in die Geschichte, so scheinen die Zeiten, in denen besonders viel nach Gott gefragt und besonders viel um Gott gestritten wurde, keineswegs glückliche Zeiten der Menschheitsgeschichte gewesen zu sein. Heiße Zeiten waren das, unruhige Zeiten, fanatische Zeiten.
Für uns, im heutigen Europa, scheint das alles weit weg und glücklich überstanden. Dieser Kontinent hatte sich einmal im 30-jährigen Krieg, der letztlich circa 100 Jahre dauerte, so sehr um den rechten Glauben erhitzt, daß am Ende überall zerstörte Städte und Kulturen, verwüstete Landstriche zurückblieben, während fast die Hälfte aller Einwohner tot, die andere aber eingeschüchtert, verarmt, brutalisiert dahinvegetierte. Dieses Europa hat mit dem Westfälischen Frieden und seinen vielen Vertragsnachfolgern scheinbar Abschied genommen von jenen hitzigen Kämpfen um den rechten Glauben und die richtigen Gottesbilder und das einzig mögliche Gottesverständnis. Europa ist säkular geworden und hält das für einen ganz großen Vorzug. Es hat Kirche und Staat, jedenfalls weitgehend, voneinander getrennt und damit beiden zu einer neuen Freiheit verholfen. Die Kirche hat mit dem Verzicht auf weltliche Macht einen neuen Zugang zu dem Bereich der Seelen, der Werte, des ethischen Verhaltens im zivilen Miteinander gefunden. Der Staat hat mit dem Verzicht auf religiöse oder göttliche Weihen den Weg offen gemacht für die Meinungsfreiheit, die Möglichkeit, auch mächtige staatliche Instanzen zu kritisieren und zu reformieren. Die Freiheit der Presse gilt in einer zivilen Gesellschaft vor Thronen wie Altären. Monarchien und heilige Reiche haben ihre Ewigkeitsansprüche reduziert zugunsten der Entfaltung der bürgerlichen Freiheiten und der Menschenrechte.
Gern würde Europa dieses Modell der übrigen Welt empfehlen. Mit Erstaunen muß es aber feststellen, daß religiöse Fragen die Menschen fast überall sonst in der Welt brennend interessieren. Auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion, bekanntermaßen ein bekennend atheistischer Staat, nimmt der Zulauf zu allen religiösen Institutionen zu. Die traditionsreiche orthodoxe Kirche profitiert davon ebenso wie die oft vom Ausland finanzierten verschiedenen missionarischen Gruppen: insbesondere die weltweit wachsenden Pfingstgemeinden, aber auch diverse Sekten und manche esoterische Kleingruppe. Selbst in China wachsen in gleicher Weise buddhistische Zentren, katholische Kirchen, protestantische und freikirchliche Gemeinden. In Lateinamerika ist ein regelrechter religiöser Machtkampf zwischen der seit Jahrhunderten verwurzelten katholischen Kirche und den zahlenmä ßig dramatisch ansteigenden fundamentalistischen Pfingstgemeinden zu verzeichnen. In Indien, traditionell ein Kontinent der vielen Völker und vielen Religionen, die weitgehend in religiöser Toleranz miteinander existierten, radikalisieren sich fundamentalistische Gruppen der Hindus und der Moslems. Die ganze islamische Welt ist abgrundtief zerrissen. Neben einer grundsätzlich für die moderne Welt offenstehenden Interpretation des Korans wächst jene ideologische, islamistische Bewegung, die mit dem Ziel des schriftgemä ßen Glaubens und der rechtgläubigen Lebenspraxis gleichzeitig die Idee eines weltweiten politischen Zusammenschlusses der islamischen Länder verbindet, der die Konfrontation mit dem »verderbten« Westen sucht. Gleichzeitig stoßen im Inneren der islamischen Welt die schiitische und sunnitische Interpretation von Koran und Glaubensgeschichte aufeinander und eröffnen eine zweite Front möglicher militanter Konflikte. Selbst auf dem afrikanischen Kontinent verschieben sich die Einflußbereiche christlicher, islamischer und traditioneller Religionen und ihrer unterschiedlichen Gottesverständnisse. In den USA gibt es, von Europa lange unbeachtet, tiefgreifende Differenzen in der Auslegung dessen, wieviel politischen Einfluß religiöse Gruppierungen auf die Strategien und Kriegsziele der Weltmacht haben dürfen, mit dem Effekt, im Weißen Haus sogar den Tagesablauf und das Tagesgebet zu beeinflussen. Das Judentum, immer noch traumatisiert von den Jahrhunderten der Unterdrückung im Exil und der von den Nationalsozialisten betriebenen völligen Vernichtung, sieht sich nicht nur in einer existenzbedrohenden Konfrontation zu der arabisch-islamischen Umwelt, sondern auch unter strenggläubigen Anforderungen seiner eigenen fundamentalistischen Rechten in und außerhalb des Landes, denen ein säkularer Staat kaum auf Dauer folgen kann.
Es sieht also nicht ganz so erfolgsträchtig aus, jenes europäische Modell der Besänftigung der Religionen durch säkulare Zivilisierung, durch Erschöpfung, Verzicht und Verbürgerlichung. Und selbst in diesem säkular gewordenen Mitteleuropa scheint es nicht wenige Menschen zu geben, die fragen, ob ein Leben ohne religiöse Traditionen, ohne Kirchen, Kirchenmusik, ohne Messe und Ritus überhaupt denkbar und gar erstrebenswert ist. Zeitungsartikel zum Thema nehmen zu - selbst in den politischen Magazinen und sogar in der Regenbogen-Presse. Auch hier, wo die Bevölkerung weitgehend den religiösen Traditionen entfremdet und ihrer Riten und Rituale unkundig ist, gibt es ein Suchen nach religiösen Essenzen, nach Lebensorientierung, nach ethischer Begründung menschlicher Verhaltensweisen, nach Antworten auf die Fragen nach dem Sinn der eigenen Existenz, manchmal sogar nach Spiritualität. Diese anwachsenden Sehnsüchte und Fragen bekommen eine ganze Fülle von Antworten, die teils aus den traditionsreichen großen Religionen kommen, teils aus einem riesigen Markt mit religiösen Angeboten, von exotischen Sekten, Esoterikgruppen und Wellness-Angeboten.
Daß die religiösen Gruppen und Bewegungen weltweit und europäisch im Anwachsen sind, das scheint keine Frage zu sein. Es ist also etwas im Kommen. Ob aber in dem, was da im Kommen ist, wirklich »Gott im Kommen« ist, das ist eine ernstzunehmende Frage. Um sie zu beantworten, muß man darüber nachdenken, was alles unter dem Begriff »Gott« gemeint und interpretiert wird. Hat Gott überhaupt mit dem, was man so allgemein Religion nennt, hat er mit religiösen Bedürfnissen zu tun? Wieviel von dem, was seit alters her »Gott« genannt wird, steckt heute noch in den Religionen, in den Gottesbildern, in den Ritualen und Mysterien, die sich diesem Begriff subsumieren?
Die Frage: Wer ist Gott?, ist so groß, daß sie selbstverständlich so gar nicht zu beantworten ist. Dieses Buch wird nicht den Versuch machen, etwas zu beantworten, an dem sich die größten Geister der Menschheit fruchtbar und doch im Kern vergeblich abgemüht haben. Unser Ziel ist etwas kleiner, aber immer noch groß genug: Es fragt nach der Frage nach Gott. Wenn es gelingt, ein wenig Verständnis für das immerwährende Fragen nach diesem Gott, für die immer von neuem hoffnungsvolle Erstellung von Gottesbildern und Gottesvorstellungen, für den Sinn und Unsinn, den Nutzen und den Nachteil, die Gefahren und die Zukunftshoffnungen dieses Versuches zu vermitteln, dann kann das vielleicht dazu beitragen, etwas Klarheit und Übersicht in dem weltweiten Religionschaos, etwas Ruhe in dem lauten Geschrei der Unruhestifter im Namen Gottes zu schaffen. Dieses Buch richtet sich damit an alle, denen das Reden von Gott nicht von vorneherein gleichgültig ist, die aber die Beunruhigung darüber teilen, wieviel Unordnung und Gewalt gelegentlich aus diesem Reden entstehen konnte. Es ist kein theologisches Buch, es ist auch kein philosophisches oder wissenschaftliches Buch und setzt weder theologische noch philosophische Vorbildung oder eigene große religiöse Erfahrung voraus. Es verzichtet weitgehend auf Anmerkungsapparate und innerwissenschaftliche Debatten.
Es ist ein Buch, das versucht, der Rolle dieses Fragens nach Gott im Alltagsleben und in der Sprache der Menschen den Platz einzuräumen, den sie Jahrtausende lang gehabt hat. Ob »Gott im Kommen« ist und wer das ist: »Gott«, wird diese kleine Schrift also nicht beantworten können. Aber sie wird versuchen, dem nachzugehen, warum die Menschen immer weiter danach fragen und warum eine Leerstelle, ein existentielles Nichts, an der Stelle, wo für frühere Jahrtausende einmal der Begriff »Gott« stand, auch keine Lösung ist für eine unsicher gewordene Menschheit.
Die Frage nach Gott macht eben auch dann Sinn, wenn sie nicht oder nicht zureichend beantwortet wird. Was ja wiederum nicht heißt, daß es gar keine Antwort gäbe.
1
ÜBER RELIGIONEN UND GOTTESBILDER
Religionen gab es immer
Soweit unsere Kenntnisse aus der frühen Geschichte der Menschheit reichen, gab es viele und sehr unterschiedliche Gottesbilder und Gottesvorstellungen. Es gab aber nie ein Volk, einen Stamm, ein Gemeinwesen ohne Religion oder religiöse Vorstellungen. Wobei »Religion« hier im allgemeinen Sinne zu verstehen ist: Der Mensch begreift sich in einem Zusammenhang, der die irdische Existenz übersteigt. Er fragt nach dem Ursprung seiner Existenz in einer Schöpfungsmacht oder einem ewigen Sein. Er fragt nach dem Ziel seiner Existenz nach dem natürlichen Tode, indem er ein Aufgehobensein in einer anderen Dimension erwartet, sei es nun eine Art Paradies, eine Auferstehung, eine Läuterung für die ewige Wiederkehr des Seins oder auch eine karmische Erlösung von den Qualen des Seins im Nirwana. Er unterstellt das irdische menschliche Leben und das Leben in Gemeinschaften bestimmten ethischen Regeln, die er als göttlichen Ursprungs versteht oder in göttlicher Gesetzgebung begründet sieht. Und er bedient sich im Kontakt zu diesem Anfang und Ziel seiner menschlichen Existenz bestimmter Mythen, Riten und der Hilfe von Priestern, Lamas, Schamanen oder anderer kundiger Interpreten und Schriftgelehrter.
Dabei tauchen erstaunlich häufig in den religiösen Praktiken völlig unterschiedlicher Religionen gleiche Momente auf, die für den heutigen religionsunerfahrenen Beobachter erstaunlich sind, da sich ja in den frühesten Anfängen kaum eine gegenseitige globale oder mediale Beeinflussung vermuten läßt. Ähnlich ist beispielsweise in fast allen Religionen, daß sie heilige Orte kennen, Tempel, Kultstätten, magische Orte, an denen sich die Gemeinschaften versammeln und die sie als Zentrum ihrer religiösen Verrichtungen verstehen. Ähnlich ist, daß in allen Religionen Opfervorstellungen verkörpert und praktiziert werden, sei es in realen materiellen Opfern, die sich von frühen Menschenopfern zu Tieropfern und sonstiger materieller Spendenpraxis bis hin zu geistigen Opferverständnissen (Verzicht auf Sexualität, Verzicht auf bestimmte Speisen, Gelübde, Zölibat, Verzicht auf Machtausübung, Verzicht auf Rache) ausdrücken können. Gerade diese überall stattfindende Opferpraxis ist ein erstaunliches Phänomen, das den Ungebildeten unter den Religionsverächtern und -kritikern ein besonderes Ärgernis ist - halten sie es doch oft für eine Art von religiös verbrämtem Sadismus. Ähnlich ist in allen Religionen die Sonderstellung der Personen, die von der Gemeinschaft für die kultischen Handlungen vorgesehen werden oder sich selbst durch einen Akt der ekstatischen Berufung dazu auserwählt empfinden, die Priester, Mönche und Nonnen, die Schamanen, Medizinmänner, Päpste, Dalai Lamas, Mullahs, Ayatollahs und Pastoren. Ähnlich ist bei allen, daß ein höchstes Wesen, das meistens »Gott« genannt wird, nur durch vermittelnde Instanzen erfahrbar ist, sei es durch eine Offenbarung, sei es durch eine Schrift, sei es durch Gesetze, die es heilbringend erlassen hat, sei es durch Propheten, sei es durch meditative Praktiken, wie besonders im Hinduismus und Buddhismus. (Wobei der Buddhismus am weitesten von jeder personalen Gottesvorstellung entfernt ist, so daß man ihn in gleicher Weise als ethisch-meditativen Atheismus verstehen könnte. Aber auch er verzichtet nicht auf Tempel, Altäre, religiöse Praktiken, Opfer, Mönche, Heilige und Lamas.) Ähnlich ist in allen Religionen, daß es ein bestimmtes Verhältnis zwischen der Interpretation des weltlichen Gemeinwesens und dem religiösen Ursprung dieses Gemeinwesens gibt. Sehr oft bildet die Religion den Hintergrund, um sich als auserwähltes Volk zu verstehen, als Volk Gottes, als gesegnete kultivierte Polis. Gelegentlich wird auch eine gottgewollte Einheit von politischer und weltlicher Macht vertreten, wie häufig im Islam, aber auch noch im tibetischen Buddhismus.
Und schließlich ist ähnlich, daß traditionell in allen Völkern ein sehr enger Zusammenhang der Entwicklung von Kultur und Religion gesehen und gepflegt wurde. In den vergangenen Hochkulturen waren
Zert.-Nr.SGS-COC-1940 www.Jsc.org© 1996 Forest Sterwardship Council
 
Copyright © 2007 Kösel-Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH Umschlag/Umschlagmotiv: 2005 Werbung
eISBN : 978-3-641-03400-9
 
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Leseprobe
 

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