Green Health -  - E-Book

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Beschreibung

Die Gesundheitswirtschaft verursacht einen wesentlichen Teil der Treibhausgasemissionen, allen voran Krankenhäuser als ressourcenintensive Großverbraucher, aber auch Rehakliniken, Pflege-, Gesundheits- und Sozialeinrichtungen. Die Einrichtungen im Gesundheitswesen stehen längst in der Pflicht und in der Verantwortung, ihren CO2-Fußabdruck durch nachhaltiges und umweltbewusstes Wirtschaften zu reduzieren und dadurch einen wesentlichen Beitrag zu Umweltschutz und Verbesserung der Gesundheit zu leisten. Dieses Buch vermittelt umfassend sowohl die Grundlagen als auch die Handlungsfelder, Konzepte und Methoden für nachhaltiges Wirtschaften in Gesundheitseinrichtungen. Außerdem wird Nachhaltigkeit im Kontext von Management und Führung sowie Changemanagement und Unternehmenskultur bis hin zur Mitarbeiterbindung diskutiert. Es kommen Experten aus allen Bereichen (Geschäftsführung, Management, Beschaffung und Facility Management, Nachhaltigkeitsbeauftragte, Techniker, Planer etc.) von Einrichtungen der Gesundheitswirtschaft sowie die Fach- und Wissenschaftsexperten in den Themenfeldern Klima, Nachhaltigkeit und Gesundheit zu Wort. Das Buch versteht sich als Praxisbuch für alle Akteure und Verantwortlichen in Unternehmen der Gesundheitsversorgung, die sich der Herausforderung stellen und den Wandel zu mehr Nachhaltigkeit in ihren Institutionen und Einrichtungen vorantreiben wollen.

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Seitenzahl: 557

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J. Leveringhaus | S. Wibbeling (Hrsg.)

Green Health

Nachhaltiges Wirtschaften im Gesundheitswesen

mit Beiträgen von

C. Abshagen | B. Augurzky | C. Averbeck | J. Baehr | M. Baehr | D. Baltruks | A. Beining | T. Bickel | N. Biedermann | K. Blum | T. von Borstel | S. Brandimarti | U. Bröcker | S. Bustamante | M. Dammann | J. Del Pino Latorre | F. Dzukowski | I. Eggers Del Campo | A.K.S. von Eiff | W. von Eiff | B. Epping | S. Fahl | M. Faltlhauser | M. Filser | M. Fissan | H. Flaskamp | M. Franke | C. Frenz | S. Gepp | M. Gerhardt | J. Graalmann | A. Groenewoud | C.E. Gschwind | I. Gurcke | C. Heitmann | A. Hirsch | W. Hötzer | A. Hofmann | F. Ihle | Y. Jamal | M. Jungmann | C. Jüttner | R. Keller | V. Klassen | S. Kleiner | K. Köhler | T.R. Köhler | J.-P. Kopka | F. Kreßler | M. Lemm | J. Leveringhaus | A. Levsen | M. Loh | S. Lueke | T. Mader | B. Moll | K. Moreth | H. Neumeyer | A. Pelzeter | H. Prüße | B. Quint | A. Raida | A. Reddemann | C. Reiner | H. Richter | S. Richtzenhain | T. Rödiger | N. Schatzl | A. Schleuß | F. Schmitz | M. Schmitz | K. Scholz | J. Schulze | M. Schuster | G. Sommer | R. Stockert | J. Stoll | M. Stucki | H. Träger | M. Visarius | L. Wamprecht | S. Wibbeling | Y. Zwick

Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft

Die Herausgeber

Jens Leveringhaus

P.E.G. Einkaufs- und Betriebsgenossenschaft eG.

Kreillerstraße 24

81673 München

Dr.-Ing. Sebastian Wibbeling

Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML

Joseph-von-Fraunhofer-Str. 2-4

44227 Dortmund

MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG

Unterbaumstraße 4

10117 Berlin

www.mwv-berlin.de

ISBN 978-3-95466-845-8 (eBook: PDF)

ISBN 978-3-95466-846-5 (eBook: ePub)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Informationen sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Berlin, 2023

Dieses Werk ist einschließlich aller seiner Teile urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Im vorliegenden Werk wird zur allgemeinen Bezeichnung von Personen nur die männliche Form verwendet, gemeint sind immer alle Geschlechter, sofern nicht gesondert angegeben. Sofern Beitragende in ihren Texten gendergerechte Formulierungen wünschen, übernehmen wir diese in den entsprechenden Beiträgen oder Werken.

Die Verfasser haben große Mühe darauf verwandt, die fachlichen Inhalte auf den Stand der Wissenschaft bei Drucklegung zu bringen. Dennoch sind Irrtümer oder Druckfehler nie auszuschließen. Der Verlag kann insbesondere bei medizinischen Beiträgen keine Gewähr übernehmen für Empfehlungen zum diagnostischen oder therapeutischen Vorgehen oder für Dosierungsanweisungen, Applikationsformen oder Ähnliches. Derartige Angaben müssen vom Leser im Einzelfall anhand der Produktinformation der jeweiligen Hersteller und anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Eventuelle Errata zum Download finden Sie jederzeit aktuell auf der Verlags-Website.

Produkt-/Projektmanagement: Anja Faulenbach, Berlin

Layout, Satz und Herstellung: zweiband.media, Agentur für Mediengestaltung und -produktion GmbH, Berlin

Cover: © Adobe Stock: tiquitaca

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH, Rudolstadt

Zuschriften und Kritik an:

MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Unterbaumstr. 4, 10117 Berlin, [email protected]

Geleitwort

Wir zerstören unsere eigenen Lebensgrundlagen in atemberaubender Geschwindigkeit. Wir wissen um die Bedrohungslage, wir handeln aber nicht entsprechend. Eine angemessene Reaktion auf diese Bedrohungslage würde das schnelle Ende fossiler Energieträger bedeuten. Dass wir in den Urlaub fliegen, dass wir uns mit Autos bewegen, unser exzessives Konsumverhalten, dass Fleisch billig ist, dass uns hochwertige individuelle Gesundheitsversorgung nur mit einem enormen Ressourcenverbrauch gelingt – all das empfinden wir als normal, zumindest im globalen Norden. Wir glauben, darauf ein Anrecht zu haben. Werbung und fehlgeleitete Subventionen schaffen, dass wir lieber mit metabolischem Syndrom im SUV vorm Lidl stehen als mit dem Fahrrad vorm Dorfmetzger. Diese Fossilität hat sich in überraschend kurzer Zeit kulturell und strukturell tief in unsere Gesellschaft gefressen.

Je stärker Vorschläge, wie auf die Bedrohungslage angemessen reagiert werden könnte, diese fossilen Strukturen bedrohen, desto mehr koppelt sich die Reaktion derjenigen, deren Macht sich auf dem Boden fossiler Strukturen begründet, von der Wissenschaft ab. Besonders gut lässt sich das an den Narrativen beobachten, mit denen sie um den Machterhalt kämpfen. Das Ergebnis ist ganz im Interesse der Mächtigen: Wir sorgen uns um unseren sogenannten Wohlstand, nicht aber um unser Wohlbefinden oder unser Wohlergehen. Der öffentliche Diskurs spitzt sich genauso rasant zu wie die Klimakrise fortschreitet. Das führt zu einer zunehmenden Polarisierung, gesellschaftliche Fliehkräfte nehmen zu. Sowohl die mentale als auch die körperliche Bevölkerungsgesundheit sind dadurch massiv betroffen.

Bis zu 78% der etwa 42 Millionen vorzeitigen Todesfälle durch nicht-übertragbare Krankheiten weltweit lassen sich auf nur vier Industrien zurückführen: Alkohol, Tabak, Nahrungsmittelproduktion und fossile Brennstoffe. In den letzten Jahrzehnten waren diese Sektoren sehr erfolgreich darin, die Gesundheitskosten auf den Einzelnen und die Gesellschaft abzuwälzen. Sie negieren, verzögern und beeinflussen sowohl sichtbar als auch unsichtbar Vorschriften und politische Maßnahmen, um ihre toxischen Geschäftsmodelle aufrecht zu erhalten. Gesundheits- und Umweltkosten externalisieren sie auf die Betroffenen, in Gesellschaften und Gesundheitssysteme.

Mitten drin in dieser Gemengelage steckt der Gesundheitssektor mit seinen vielen Millionen Beschäftigten und kämpft darum, die Versorgungsqualität aufrecht zu erhalten. Fachkräftemangel in den Gesundheitsberufen trifft auf eine schnell alternde Gesellschaft. Diejenigen, die Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen, werden mehr. Diejenigen, die sie erbringen müssen, werden weniger. Die Kosten steigen und der Investitionsstau wird länger, gerade auch im Zusammenhang mit Klimaschutz. Währenddessen erhöhen längere, intensivere und häufigere Hitzewellen die Krankheitslast und führen zu vorzeitigen Todesfällen. Sie sind nur das direkteste Beispiel für die Auswirkung der Klimakrise. Im Wechselspiel mit weiteren Dimensionen erhöht die Klimakrise die Krankheitslast in nahezu jedem Fachgebiet der Medizin. Und nicht zuletzt, und darum dreht sich dieses Buch: der Gesundheitssektor selbst arbeitet ressourcenintensiv und emittiert erhebliche Mengen von Treibhausgasen, überwiegend in den vor- und nachgeschalteten Lieferketten. Das hat schädliche Nebenwirkungen, in Deutschland, in anderen Teilen der Welt und für zukünftige Generationen.

Bis vor kurzem war ich davon überzeugt, dass der Gesundheitssektor aufgrund der Komplexität vergleichsweise lange brauchen würde bis zur Klimaneutralität. Inzwischen ist ein Erwachen im Gesundheitssektor festzustellen. Damit verbunden ist die Bereitschaft, Verantwortung für die erfolgreiche Anpassung und Abschwächung der Krisen zu übernehmen. Da, wo wir an Grenzen stoßen – aufgrund zu geringer Ressourcen, Einengungen und Fehlanreize des Regelungsrahmens – oder wo es aufzuklären und zu warnen gilt, werden wir die hohe Reputation unserer Berufsgruppen in die Waagschale werfen und in Gesellschaft und Politik wirken. Dieses Buch fasst Wissen aus nahezu allen Handlungsfeldern nachhaltiger Gesundheitsversorgung zusammen und liefert damit wichtige Antworten dafür, wie der Gesundheitssektor nebenwirkungsärmer und resilienter im Kontext der Krise werden kann. Damit gelingen wichtige nächste Schritte!

Prof. Dr. Christian Schulz

Geschäftsführer KLUG – Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V.

Im August 2023

Vorwort

Ein Sprichwort sagt: „Was lange währt, wird endlich gut.“ Die Idee zu diesem Buch entstand bereits im September 2020; es war ein später Dienstagvormittag. Bei schönstem Wetter saßen Herausgeber und Verlagsleitung gemeinsam im Innenhof des Berliner Medienhauses – unter freiem Himmel und mit Abstand, denn zu diesem Zeitpunkt steckten wir noch mitten in der Corona-Pandemie. Es gab noch keinen Impfstoff und die Gedanken der meisten Menschen kreisten eher um Hygienevorschriften, Abstandsregeln und den nächsten möglichen Lockdown. Vergessen waren Greta Thunberg und die von ihr initiierten Schulstreiks für das Klima, die zur globalen Bewegung „Fridays for Future“ führten. Die Umwelt und der Schutz des Klimas traten in der öffentlichen Wahrnehmung in den Hintergrund, um einer anderen globalen Krise Platz zu machen. Doch wie man später herausfinden sollte, wurde auch diese Katastrophe durch den Klimawandel begünstigt, wenn nicht sogar verursacht. Bereits im Februar 2021 veröffentlichte die Cambridge University eine Studie, die die Ursachen bzw. Folgen des Klimawandels auf die Biodiversität in Südostasien zeigten. Es stellte sich heraus, dass durch viele dieser Faktoren optimale Bedingungen für die Übertragung des Coronavirus geschaffen wurden. Leider war das durch Corona hervorgerufene Aufatmen der Umwelt nur eine Momentaufnahme. Stießen wir in den Jahren 2020 und 2021 aufgrund des eingeschränkten Verkehrs wesentlich weniger CO2 aus, so liegen wir im Jahr 2023 laut Prognosen bereits wieder über dem Niveau von 2019.

Mittlerweile sind drei Jahre vergangen. In dieser Zeit, trotz Ukraine-Krieg und den damit einhergehenden Auswirkungen wie Energiepreisanstieg, Inflation oder zusätzlichen Problemen in den globalen Lieferketten, ist in Sachen Nachhaltigkeit viel passiert. Der bereits im Dezember 2019 von der EU beschlossene „Green Deal“ führte zum deutschen Klimaschutzgesetz. Der Deutsche Bundestag verabschiedete das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, welches Anfang 2023 rechtsverbindlich wurde. Die Ende 2022 verabschiedete Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU wird nun stufenweise mehr Unternehmen in die Pflicht nehmen, einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen – so auch Gesundheitseinrichtungen.

Die Geschwindigkeit, mit der die EU, aber auch die deutsche Bundesregierung, neue Gesetze und Vorgaben zu nachhaltigem Handeln und verbessertem Klimaschutz beschließt, wird in den nächsten Jahren weiter zunehmen. Der politische Druck auf Unternehmen, sich nachhaltig aufzustellen und CO2-Emissionen zu reduzieren, wird sich weiter erhöhen. Zudem wird es in Form der EU-Taxonomie auch aus dem Finanzwesen Impulse geben, die zu raschem Handeln beitragen könnten. Perspektivisch wird zusätzlicher Druck aus der Breite der Gesellschaft und den Mitarbeitenden der Unternehmen dazukommen, denn gerade jüngere Generationen sehen den Klimawandel als eine echte Bedrohung für ihre persönliche Zukunft.

Dass das Thema „Nachhaltigkeit“ weiter an Bedeutung gewonnen hat, zeigen auch die in den letzten Monaten zahlreich erschienenen Bücher; darunter Titel, die sich mit dem Thema „Nachhaltigkeit und Gesundheit“ beschäftigen. „Green Health – Nachhaltiges Wirtschaften im Gesundheitswesen“ war von Anfang an als Praxisbuch geplant. Es soll wertvolle Beispiele und Tipps für all diejenigen liefern, die sich für Nachhaltigkeit engagieren und die für das Nachhaltigkeitsmanagement in Gesundheitseinrichtungen verantwortlich sind.

Neben konkreten Beispielen aus den verschiedenen Bereichen einer Gesundheitseinrichtung nehmen die Implementierung und das Management von Nachhaltigkeitsbestrebungen in der Praxis einen wichtigen Teil des Buches ein. Bei der Planung und Auswahl der unterschiedlichen Beiträge wurde großer Wert auf Breite und Themenausgewogenheit gelegt. Der Fokus liegt dabei auf der ökonomischen, vor allem aber der ökologischen Nachhaltigkeit. Hier will das Buch konkrete Lösungen für die vielen Bereiche einer Gesundheitseinrichtung aufzuzeigen. Der Bereich der sozialen Nachhaltigkeit konnte demgegenüber nicht detailliert behandelt werden.

Wer sich inhaltlich mit den unterschiedlichen Dimensionen von Nachhaltigkeit auseinandersetzt, merkt schnell, wie komplex dieses Thema ist. Und wer sich darüber hinaus primär mit der ökologischen Dimension von Nachhaltigkeit und somit mit den Ursachen der globalen Klimakrise befasst, der erkennt noch schneller, wie wichtig dieses Thema ist – auch und vor allem im Gesundheitswesen. Zurzeit fehlen hier noch in die Tiefe gehende wissenschaftliche Studien, allerdings zeigen die verfügbaren übergreifenden Studien die Bedeutung und den Impact des Gesundheitswesens auf. Eine geeignete Basis für eine konkrete Umsetzung in der Praxis bilden diese Untersuchungen jedoch nicht. Hinzu kommt, dass es Tag für Tag eine regelrechte Flut an neuen Informationen und aktuellen Erkenntnissen in einzelnen Bereichen gibt. Diese können durchaus zu Verwirrung führen, wenn man sich einen ersten Überblick verschaffen und vielleicht sogar erste Projekte umsetzen möchte. Wir sind überzeugt, Ihnen mit diesem Buch einen wichtigen Helfer in Sachen Nachhaltigkeit an die Hand geben zu können, der neben wichtigen Informationen auch echte Lösungen aus der Praxis enthält.

Wir möchten uns an dieser Stelle noch einmal sehr herzlich bei allen Autorinnen und Autoren für ihren Beitrag zu diesem Buch bedanken. Darüber hinaus gilt unser Dank dem Verlag und vor allem unserer Projektleiterin Frau Anja Faulenbach. Ohne ihre Unterstützung, ihre Geduld und ihr Fingerspitzengefühl wäre dieses Buch wahrscheinlich auch in den nächsten drei Jahren nicht fertig geworden.

Wir wünschen ihnen jetzt viel Spaß bei der Lektüre und hoffentlich zahlreiche neue Erkenntnisse beim Lesen dieses Buches.

Mit nachhaltigen Grüßen

Jens Leveringhaus und Dr. Sebastian Wibbeling

Im August 2023

Inhalt

IKlimakrise und Gesundheit

1Gesundheit, Wohlbefinden und Gerechtigkeit innerhalb planetarer GrenzenDorothea Baltruks und Sophie Gepp

2Wie die Zwanzigerjahre zur Dekade für den Klimaschutz werdenChristiane Averbeck

3Von der Kür zur Pflicht – Regulierung und Nachhaltigkeitsmaßnahmen im GesundheitssektorMaximilian Jungmann

4Das Gesundheitssystem als Treiber des KlimawandelsMelanie Filser und Anna Levsen

Exkurs: Rahmenbedingungen zur Umsetzung von Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen

Dorothea Baltruks

5Vom regulatorischen Impuls zur klimakompatiblen GesamtstrategieYvonne Zwick

IINachhaltigkeit als Management- und Führungsaufgabe

1Nachhaltigkeit als Teil der Strategie- und Innovationsprozesse von GesundheitseinrichtungenFrank Schmitz und Alina Schleuß

2Reduzierung der Emissionen im Gesundheitswesen mithilfe der (europäischen) Gesetz- und NormengebungGabriele Sommer, Alice Beining und Sara Brandimarti

3Betriebliche Ökobilanzierung als Nachhaltigkeitsinstrument für KrankenhäuserMatthias Stucki und Regula Keller

4Von der Strategie zu Maßnahmen – Planung, Umsetzung und Dokumentation von Nachhaltigkeit im KrankenhausChristian Abshagen

5Nachhaltige MedizinstrategieMichaela Lemm und Sven Lueke

6ESG-Risikoanalyse und das entsprechende ESG-RisikomanagementIngo Gurcke

7Nachhaltige Prozessorganisation und BetriebskonzepteMalin Gerhardt, Andrea Raida und Sebastian Wibbeling

8Nachhaltigkeit in der Cyber SecurityBruno Quint

Exkurs: Digitalisierung – Nachhaltigkeitschance oder Klimakiller?

Thomas R. Köhler

9Nachhaltigkeit in der MasterplanungMarcus Fissan und Maibritt Dammann

10Nachhaltigkeit aus der Perspektive der Stakeholder und FinanzierungsfähigkeitChristian Heitmann und Thomas Mader

11Wie Kliniken nachhaltig nachhaltig werden können – Notwendigkeit, Strategie, ReportingClemens Jüttner

12Vom Compliance Management in den Lieferketten hin zu einer ganzheitlich verantwortungsvollen BeschaffungJulia Del Pino Latorre und Isabel Eggers Del Campo

Exkurs: Nachhaltigkeit im Pflegeheim

Burkhard Epping

IIIUmsetzung in der Praxis

1Nachhaltiges Energie- und GebäudemanagementHorst Träger

Exkurs: Energiekosten optimieren mit Sicherheitsstrom aus der Heizung

Stephan Kleiner und Vitalij Klassen

2Nachhaltigkeit in GesundheitsbautenAndrea Pelzeter

Exkurs: Bewertung der Klimarelevanz bei Sekundärprozessen in Krankenhäusern – Vorgehensweise bei der Wesentlichkeitsanalyse

Silke Bustamante, Andrea Pelzeter, Heike Prüße und Franziska Ihle

3Green IT – Nachhaltigkeit in der Krankenhaus-ITJens Schulze

Exkurs: Nachhaltige Transformation des Gesundheitswesens am Beispiel von Versorgungs-/Patientenpfaden

Aylin Groenewoud

4Nachhaltiges und ressourcenschonendes EntsorgungsmanagementMichael Schmitz und Jan-Philip Kopka

5Circular Economy für Kunststoffe im GesundheitswesenMatthias Franke und Alexander Hofmann

6Nachhaltiges Medikamenten managementJulian Baehr und Michael Baehr

Best Practice:Nachhaltigkeits- und Innovationswerkstatt der RKH Gesundheit

Cornelia Frenz und Anabel Hirsch

7Hygiene und Nachhaltigkeit – Ein Widerspruch?Carola Reiner

8Textile Vollversorgung – Ökonomie und Nachhaltigkeit gehen Hand in HandStephan Richtzenhain

Exkurs: Klimaeffekte inhalativer Anästhetika und die Möglichkeiten zur Vermeidung von assoziierten Emissionen

Hannah Richter und Martin Schuster

9Nachhaltiges BeschaffungsmanagementKristin Moreth, Nicole Schatzl und Swantje Fahl

Best Practice:Nachhaltigkeits management am ISAR Klinikum

Tabea Bickel

10Nachhaltiges VerpflegungsmanagementWilfried Hötzer und Martin Faltlhauser

Exkurs: Lebensmittelabfall- und CO2-Management

Torsten von Borstel

11Nachhaltige Personenmobilität im KrankenhaussektorBeate Moll, Katrin Scholz und Nicole Biedermann

Exkurs: Elektromobilität in der ambulanten Pflege

Uwe Bröcker

IVChangemanagement und Kultur

1Motivation durch Kommunikation – Den Wandel zu mehr Nachhaltigkeit im eigenen Unternehmen gestaltenJens Leveringhaus

2Gemeinschaftsaufgabe Nachhaltigkeit – Die Beschäftigten als wichtige Akteure für Nachhaltigkeit im GesundheitswesenMarkus Loh und Amely Reddemann

Best Practice:Organisation der Nachhaltigkeit am Beispiel UKE

Frank Dzukowski

3Über das sprechen, was ist – Nachhaltige Kommunikation und Kommunikation über Nachhaltigkeit im GesundheitswesenHenning Flaskamp und Kerstin Blum

4Konzeption und Umsetzung eines internen Schulungsprogrammes für nachhaltige BeschaffungYvonne Jamal

5Nachhaltiges Personalmanagement im GesundheitswesenClaudia E. Gschwind und Jürgen Stoll

VAusblick

1Nachhaltige Finanzierung im Gesundheitswesen – Die Suche nach dem heiligen GralTim Rödiger, Jürgen Graalmann, Friederike Kreßler und Kerstin Blum

2Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Gesundheitsversorgung gestaltenBoris Augurzky und Sven Lueke

3Nachhaltiger Krankenhausbetrieb der ZukunftHenriette Neumeyer und Maike Visarius

4Nachhaltiger Einkauf der ZukunftAnna K.S. von Eiff und Wilfried von Eiff

5Green Tech Solutions für das GesundheitswesenLaura Wamprecht und Rabea Stockert

6Mediziner:innen auf dem Weg in eine lebenswerte und gesunde Zukunft – Vom EGO-System zum ECO-SystemKristin Köhler

I

Klimakrise und Gesundheit

1

Gesundheit, Wohlbefinden und Gerechtigkeit innerhalb planetarer Grenzen

Dorothea Baltruks und Sophie Gepp

1.1Überschreitung der planetaren Grenzen

Die Überschreitung planetarer Grenzen bedroht Gesundheit und Wohlbefinden bereits heute wie auch in Zukunft. Ökologische Belastungsgrenzen, welche die Grundlage für menschliches Leben und Gesundheit bilden, werden überschritten, sodass wir uns zum Teil bereits außerhalb des sicheren Handlungsrahmens („Safe Operating Space for Humanity”) befinden (Rockström et al. 2009). Zu den Belastungsgrenzen gehört die vom Menschen verursachte Klimakrise, aber auch der Biodiversitätsverlust, die Versauerung der Ozeane, Landnutzungsveränderungen, Süßwasserverbrauch, Luftverschmutzung, der Rückgang der Ozonschicht sowie chemische Umweltverschmutzung (s. Abb. 1).

Abb. 1 Der sichere und gerechte Handlungsspielraum auf einem sozialen Fundament und innerhalb ökologischer Grenzen (in Anlehnung an Schlüter et al. 2022)

Der neueste Bericht des Weltklimarats (IPCC) konstatiert sehr deutlich:

„Der Klimawandel ist eine Bedrohung für das menschliche Wohlbefinden und planetare Gesundheit.” (IPCC 2023, eigene Übersetzung)

Mit der Aussage „Es gibt ein sich schnell schließendes Zeitfenster, um eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft für alle zu sichern” (IPCC 2023, eigene Übersetzung) unterstreicht der neueste Bericht zudem die Dringlichkeit des Handelns. Dabei wird jedes zehntel Grad Erwärmung multiple Gefahren verstärken (IPCC 2023).

Planetare Krisen treffen uns alle, aber nicht alle gleich.

Um gesundes Leben auf einem gesunden Planeten auch in Zukunft möglich zu machen, brauchen wir dabei eine gesellschaftliche Transformation, die sozial und gerecht ist. Denn die planetaren Krisen, einschließlich der Klimakrise, treffen uns alle, aber nicht alle gleich. Gleich mehrere Ungerechtigkeiten sind zentrale Pfeiler, auf denen die Klimakrise gebaut ist (WBGU 2021).

Die Lasten des Globalen Nordens auf den Schultern des Globalen Südens

Deutschland gehört zu den zehn Ländern, die historisch am meisten Treibhausgase emittiert haben. Der Löwenanteil der historischen Emissionen (die durch ihre Langlebigkeit größtenteils noch immer in der Atmosphäre sind und die Klimakrise anheizen) ist auf einige wenige Länder zurückzuführen: die USA (20%), China (11%), Russland (7%), Brasilien (5%), Indonesien (4%), Deutschland (4%), das Vereinigte Königreich (3%), Indien (3%), Japan (3%) und Kanada (3%) (Evans 2021).

Extremwetterereignisse wie die großen Überschwemmungen 2022 in Pakistan treffen auf Gesundheit- und Sozialsysteme, die die enormen physischen, psychischen und sozialen Folgen nicht stemmen und die Menschen, die ihr Zuhause und oft auch Angehörige, Arbeit oder auch die Ernte verloren haben, nicht angemessen beim Wiederaufbau unterstützen können (Romanello et al. 2022).

Benachteiligte und marginalisierte Bevölkerungsgruppen sind in vielfältiger Weise besonders stark von Klimawandelfolgen betroffen. So nimmt in vielen Ländern des Globalen Südens sexualisierte Gewalt gegen Mädchen, Frauen und Menschen mit diversen Geschlechtsidentitäten sowie Menschenhandel durch Klimawandelfolgen – vor allem Migration und Armut – zu (van Daalen et al. 2022).

Die Lasten der großen fossilen Konzerne auf den Schultern aller anderen

Konzerne, deren Kerngeschäft auf fossilen Brennstoffen basiert, sind nicht nur direkt für den Großteil der Emissionen verantwortlich. Inzwischen ist gut dokumentiert, dass sie seit den 1950er-Jahren trotz genauen Wissens über die Klimawandelfolgen von fossiler Verbrennung enorme Anstrengungen unternehmen, um Klimaschutz zu blockieren (The Guardian 2019). Noch immer wird ihr Geschäft von Regierungen mit insgesamt 400 Milliarden US-Dollar pro Jahr subventioniert – in vielen Ländern auf vergleichbarem Niveau mit den gesamten nationalen Gesundheitsausgaben (Romanello et al. 2022).

Die Lasten der Reichsten zehn Prozent auf den Schultern der ärmeren Bevölkerung

Die konsumbezogenen Pro-Kopf-Emissionen des reichsten 1% der Weltbevölkerung betrugen 2015 über 70 Tonnen – das 30-fache von dem, was mit einem mit dem 1,5°-Grad-Limit kompatiblen Durchschnitt von 2,3 Tonnen vereinbar wäre. Die konsumbezogenen Pro-Kopf-Emissionen der reichsten 10% (mit einem Jahreseinkommen über 55.000 $) betrugen das 10-fache des globalen, mit dem 1,5-Grad-Limit kompatiblen, Pro-Kopf-Durchschnitts. Die ärmste Hälfte der Weltbevölkerung (mit einem Jahresdurchschnittseinkommen von weniger als 9.800 $) war dagegen im Durchschnitt für weniger als eine halbe Tonne verantwortlich (Gore 2021). Gleichzeitig sind wohlhabendere Menschen eher in der Lage, sich vor den Auswirkungen der Klimakrise zu schützen bzw. sie zu kompensieren.

Nicht nur global, auch innerhalb von Gesellschaften ist die Verantwortung für die Klimakrise sehr ungleich verteilt. So ist der Energie- und Ressourcenverbrauch von gehobenen Milieus auch in Deutschland deutlich höher als der von Haushalten mit niedrigem Wohlstand (Kleinhückelkotten et al. 2016).

Wenn den Auswirkungen der Klimakrise nicht mit sozialgerechten Politiken begegnet wird, könnte die Zahl der Menschen, die in extremer Armut leben, um 100 Millionen steigen (Pörtner et al. 2022). Auch die Überschreitung anderer ökologischer Belastungsgrenzen hat zum Teil besondere Auswirkungen auf marginalisierte Gruppen. Vor allem Kinder, ältere und vorerkrankte Menschen sowie sozioökonomisch benachteiligte und in Städten lebende Menschen sind von Luftverschmutzung, Hitze und Lärmbelästigung besonders stark betroffen (EEA 2018).

Die Lasten vergangener und gegenwärtiger Generationen auf den Schultern zukünftiger Generationen

Die Handlungen der nächsten Jahre und Jahrzehnte werden darüber entscheiden, ob ein heute geborenes Kind in einer Welt voller herausfordernder, aber beherrschbarer Klimaveränderungen und Extremwetterereignissen und deren sozialen, wirtschaftlichen und politische Folgen bei einer 1,5–2° Grad erwärmten Welt leben wird oder ob es Ende des Jahrhunderts in einer bis zu 4° Grad wärmeren Welt miterleben wird, wie große Teile der Welt quasi für Menschen unbewohnbar werden (IPCC 2023). Dabei geht es nicht einfach um eine erhöhte Außentemperatur. Es geht um die Verfügbarkeit von sauberem Wasser und Nahrung, um die Gefahr des steigenden Meeresspiegels für Küstenregionen und vor allem um menschliche Gesundheit und Wohlergehen.

1.2Gesundheit und soziale Sicherung innerhalb planetarer Grenzen

Um die komplexen und zusammenhängenden ökologischen, sozialen, politischen und ökonomischen Einflussfaktoren auf Wohlbefinden und Gesundheit zusammen zu denken, dient das Konzept der planetaren Gesundheit. Es beschreibt ein breites, transdisziplinäres Verständnis von Gesundheit und betont die günstigen Lebensbedingungen, die notwendig für menschliches Wohlergehen und Gesundheit sind und von politischen, sozialen und ökonomischen Systemen geschützt werden sollten (Baltruks et al. 2022). Gesundheit innerhalb planetarer Grenzen ist eine Zukunftsvision, die den Menschen als integralen Teil seiner Umwelt und soziale und ökologische Dimensionen von Nachhaltigkeit in Verbindung sieht, und kann als Kompass für politisches und gesellschaftliches Handeln dienen.

Das Modell der Donut-Ökonomie nach Kate Raworth (Raworth 2017) (s. Abb. 1) veranschaulicht diesen Kompass. Es stellt dar, was die Wirtschafts- und Sozialsysteme leisten sollten: das Erreichen sozialer Mindeststandards für alle – einschließlich einer hochwertigen Gesundheitsversorgung – ohne ökologische Belastungsgrenzen zu überschreiten (Baltruks et al. 2022).

1.3Klimawandelfolgen für Gesundheit in Deutschland

Ein Fokus dieses Buches ist die ökologische Belastungsgrenze der Klimakrise, welche trotz erheblicher internationaler Anstrengungen und Maßnahmen unter derzeitigen Bedingungen schon in den 2030er-Jahren den kritischen Punkt von 1,5° Grad Erwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu überschreiten droht (IPCC 2023).

Dabei gilt der Klimawandel als die größte Bedrohung für die globale Gesundheit im 21. Jahrhundert (Costello et al. 2009). Die größte bereits spürbare Gesundheitsgefahr durch die Folgen der Klimakrise in Deutschland sind die zunehmenden Hitzeperioden. Laut Robert Koch-Institut starben in den letzten Jahren bis zu 8.700 Menschen vorzeitig aufgrund von Hitze (Winkelmayr et al. 2022). Besonders bei älteren Menschen, Babys und Kleinkindern, Schwangeren und Menschen mit Vorerkrankungen kann eine Hitzewelle verschiedene gesundheitliche Belastungen auslösen – Schwindel, Muskelkrämpfe, erhöhtes Risiko für Frühgeburten – oder verschlechtern – z. B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Nierenerkrankungen, Atemwegserkrankungen, psychische Erkrankungen oder Durchfall- und Stoffwechselerkrankungen (Traidl-Hoffmann et al. 2021).

Auch das Risiko von Infektionskrankheiten (s. Abb. 2), vor allem von zoonotischen Epidemien, und die potenziellen Folgen für Gesundheit, Gesellschaft und Wirtschaft, die bei der COVID-19-Pandemie zu beobachten waren, steigen durch den Klimawandel (Rupasinghe et al. 2022).

Abb. 2 Gesundheitsrisiken durch den Klimawandel, CC BY-ND 4.0 (© Leopoldina 2021, Infografiker.com)

1.4Klimaresilienz und Klimaschutz Hand in Hand

Der beste Schutz vor Klimawandelfolgen ist selbstverständlich die möglichst schnelle und möglichst drastische Reduzierung von Treibhausgasemissionen. Angesichts des bereits jetzt unumkehrbaren Ausmaßes der Klimakrise ist jedoch auch die Klimaanpassung ein wichtiges Thema, um vor allem die vulnerablen Bevölkerungsgruppen vor den gesundheits- und lebensgefährdenden Auswirkungen zu schützen.

Der Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege macht in seinem Anfang 2023 veröffentlichten Gutachten zu Resilienz im Gesundheitswesen deutlich, dass dringend Strategien und Maßnahmen zur Stärkung von Klimaresilienz des Gesundheitssystems entwickelt und implementiert werden müssen (SVR 2023). Dazu gehört auch die Erweiterung des Health-in-All-Policies-Ansatzes hin zu einem Planetary-Health-Ansatz, der u.a. Folgen der dramatischen Umweltveränderungen wie vermehrte Extremwetterereignisse, Hitze- und Dürreperioden oder Pandemien besser antizipieren und einen Umgang damit vorbereiten soll. Hierfür ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Akteuren und Sektoren auf allen Ebenen, z.B. in Form von lokalen Hitzeschutzbündnissen, wichtig. Zur Zeit des Schreibens arbeitet die Bundesregierung an einem Klimaanpassungsgesetz, welches diese Punkte berücksichtigen sollte.

Viele Klimaschutzmaßnahmen haben dabei sogenannte doppelte Gewinne (Co-Benefits) für die Gesundheit, indem sie Gesundheit nicht nur langfristig schützen, sondern auch kurzfristiger Lebenswelten gesünder machen oder gesundes Verhalten fördern. Dies unterstrich die Lancet Commission on Health and Climate Change bereits 2015:

„Tackling climate change could be the greatest global health opportunity of the 21st century.” (Watts et al. 2015)

Beispiele dafür sind eine gesundheitsfördernde und umweltfreundliche Ernährungsweise, die Förderung von aktiver Mobilität, z.B. Fahrradfahren, welche mit reduzierten Emissionen einhergeht, aber auch mit mehr Bewegung, weniger Luftverschmutzung und Lärmreduktion, und somit gesundheitsfördernd und präventiv wirkt.

Transformativer Wandel ist dringend nötig, wenn wir die Gesundheit aller langfristig schützen wollen. Im Rahmen der gesamtgesellschaftlichen Transformation muss auch der Gesundheitssektor seinen eigenen Anteil an den Treibhausgasemissionen reduzieren und Menschen besser vor den Auswirkungen der Klimakrise schützen. Ansätze, wie diese dringend notwendige Transformation gelingen kann, finden sich in den folgenden Kapiteln des Buches.

Literatur

Baltruks D, Gepp S, van de Pas R, Voss M, Wabnitz K (2022) Gesundheit innerhalb Planetarer Grenzen: Offene Fragen an Politik, Wissenschaft und Gesundheitsakteure. Policy Brief 01-2022. URL: https://cphp-berlin.de/wp-content/uploads/2022/06/CPHP_Policy-Brief_01-2022.pdf (abgerufen am 17.05.2023)

Chancel L, Bothe P, Voituriez T (2023) Climate inequality report 2023. World Inequality Lab Study 2023/1. URL: https://wid.world/wp-content/uploads/2023/01/CBV2023-ClimateInequalityReport-3.pdf (abgerufen am 17.05.2023)

Costello A, Abbas M, Allen A et al. (2009) Managing the health effects of climate change. The Lancet 373(9676): P1693–1733

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© Ben Mangelsdorf

Sophie Gepp

Sophie Gepp ist wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Centre for Planetary Health Policy (CPHP) in Berlin. Sie hat Medizin an der Charité – Universitätsmedizin Berlin studiert, sowie einen M.Sc. Public Health von der London School of Hygiene & Tropical Medicine. Derzeit macht sie ihre medizinische Promotion in der Arbeitsgruppe Klimawandel und Gesundheit an der Charité – Universitätsmedizin Berlin und am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Sie ist Co-Vorsitzende des Lenkungskreises des Global Health Hub Germany und hat internationale Organisationen im Bereich Klimawandel und Gesundheit beraten.

 

© Ben Mangelsdorf

Dorothea Baltruks

Im Anschluss an eine Ausbildung zur Ergotherapeutin studierte Dorothea Baltruks internationale Politik im Bachelor am King’s College London und europäische und vergleichende Sozialpolitik im Master an der London School of Economics and Political Science. Sie arbeitete als Referentin in verschiedenen Verbänden in Großbritannien zu sozial- und gesundheitspolitischen Themen auf europäischer und nationaler Ebene bevor sie 2021 nach Deutschland zurückkehrte und zunächst für eine Abgeordnete im Bayerischen Landtag als gesundheitspolitische Referentin tätig war. Seit März 2022 beschäftigt sie ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Denkfabrik Centre for Planetary Health Policy vor allem mit der Transformation des deutschen Gesundheitswesens hin zur Klimaneutralität und Klimaresilienz.

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Wie die Zwanzigerjahre zur Dekade für den Klimaschutz werden

Christiane Averbeck

„Die Menschheit steht auf dünnem Eis – und dieses Eis schmilzt“, fasste António Guterres, UN-Generalsekretär, die Ergebnisse des im März 2023 veröffentlichten 6. Sachstandsberichts des Weltklimarats (IPCC) zusammen (UN 2023). Die führenden Klimawissenschaftler:innen hatten einmal mehr unmissverständlich klargemacht, dass die Treibhausgasemissionen weiter ansteigen und dass eine ungebremste Erderhitzung mit unschätzbaren Folgen für Mensch und Tier verbunden sein wird. Dennoch ist nicht alles verloren: Die Wissenschaftler:innen weisen nämlich auch darauf hin, dass wir es noch in der Hand haben, eine unkontrollierbare Klimakatastrophe abzuwenden. Voraussetzung dafür ist eine konsequente und schnelle Reduktion der Emissionen bis Ende dieses Jahrzehnts. Die Industrienationen müssen jetzt alle, wirklich alle Weichen auf Klimaneutralität stellen. Es kommt auf jedes Zehntelgrad an. Je eher wir die Erderhitzung stoppen, desto besser können wir uns an die unvermeidbaren Folgen anpassen und die schlimmsten sozialen Folgen abwenden (IPCC 2023).

Wenige Tage nach Veröffentlichung des IPCC-Berichts rangen SPD, Grüne und FDP in einer Marathonsitzung in Berlin um die zentralen Klimaschutzvorhaben der Ampelregierung. Letztlich brachten sie ein Ergebnis zustande, welches offenbart, dass Klimaschutz zu einer reinen Verhandlungsmasse degradiert wurde. Anstatt Maßnahmen vorzulegen, mit denen die Klimaziele eingehalten werden können, verständigte sich die Koalition sogar auf eine Aufweichung des Klimaschutzgesetzes. Weit weg erscheinen nun die Bekenntnisse zum 1,5-Grad-Limit aus dem Koalitionsvertrag. Diese Entwicklung überrascht, hatte doch die Ampelregierung als „Fortschrittskoalition” die Erwartung geweckt, dass ihr der Klimaschutz ein zentrales Anliegen sein würde, und allen Klimabewegten große Hoffnungen auf einen Aufbruch nach der Großen Koalition gemacht. Die Grünen schufen ein eigenes Ministerium für Klimaschutz und die FDP versprach, für die Modernisierung des Landes zu sorgen. Mit Olaf Scholz (SPD) führt ein selbst ernannter „Kanzler für Klimaschutz” die Regierung an.

Doch diesem Wahlkampfversprechen mangelt es bisher an Substanz. Die anfängliche Aufbruchstimmung beim Klimaschutz, geprägt von wichtigen Fortschritten beim Ausbau der Erneuerbaren Energien und einer engagierten Klimaaußenpolitik, mündeten schnell in klimapolitischen Rückschritten wie der Aussetzung des CO2-Preises. Auch im Umgang mit der Energiekrise in Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine wurde eine Chance vertan. Anstatt in die konsequente Reduktion der fossilen Abhängigkeit zu investieren, stellte die Bundesregierung Milliardensummen bereit, um die Strom-, Gas- und Wärmekosten für Haushalte und Unternehmen zu senken und erschließt neue fossile Energiequellen im Ausland.

Die selbsternannte „Fortschrittskoalition“ hält ihre klimapolitischen Versprechen nicht ein.

Die Ampel ist in zentralen Handlungsfeldern der Klimapolitik uneins. Verkehrsminister Wissing (FDP) ignoriert das Klimaschutzgesetz und legte bisher kein Sofortprogramm vor. Zur Begründung behaupten FDP und SPD eine mangelnde Akzeptanz der Bevölkerung für Maßnahmen zur Emissionsreduktion im Verkehrsbereich und schieben das Problem vor sich her. Auch im Gebäudesektor konnte sich die Koalition nur unter großen Anstrengungen auf ein gemeinsames Vorgehen einigen. Die Debatten zum Gebäudeenergiegesetz, welches den Einbau von klimaneutralen Heizungen regeln soll, sind geprägt von Konflikten innerhalb der Ampel und werden von polarisierenden gesellschaftlichen Debatten begleitet. Der Ausgang ist nach aktuellem Stand offen.

Die Konflikte innerhalb der Bundesregierung im Umgang mit der Klimapolitik stehen sinnbildlich für eine neue Phase der Klimaschutzpolitik. Diese ist einerseits dadurch gekennzeichnet, dass endlich Schwung in die konkrete Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen gekommen ist. Auf nationaler wie internationaler Ebene wurden in den vergangenen Jahren und Monaten wichtige Grundsteine für den Aufbau einer klimaneutralen Wirtschaft und Gesellschaft gelegt: Der Einstieg in den Kohleausstieg, die Beschleunigung des Ausbaus erneuerbarer Energien, das Verbot von Verbrennungsmotoren bei Neufahrzeugen ab 2035, der Einstieg in eine klimaneutrale Wärmeversorgung oder die Einführung eines CO2-Preises sind einige wegweisende Beispiele. Oftmals ist dabei aber nicht die deutsche Bundesregierung der klimapolitische Treiber, sondern die Europäische Union.

Jahrzehntelange Versäumnisse in der Klimapolitik machen Änderungen jetzt umso schneller nötig.

Andererseits steckt die Klimapolitik in einem Dilemma. Aufgrund jahrzehntelanger Versäumnisse bleibt die Umsetzungslücke in vielen Bereichen enorm. Die notwendigen Änderungen müssen nun umso schneller, bis Ende dieses Jahrzehnts, umgesetzt werden. Die erhöhte Geschwindigkeit bei der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen verschiebt die politischen, sozialen und kulturellen Koordinaten, in denen Klimapolitik verhandelt wird. Klimaschutzmaßnahmen werden zunehmend im Kontext sozialer Entwicklungen wie der wachsenden sozialen Ungleichheit, des demografischen Wandels, des wirtschaftlichen Strukturwandels oder der Energiesicherheit besprochen. Dies ist grundsätzlich zu begrüßen, macht aber politische und gesellschaftlich tragfähige Lösungen für die ökologisch notwendigen Klimaschutzmaßnahmen komplexer und erhöht die Gefahr von politischen Blockaden, Wertekonflikten und explosiven gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen. Bereits jetzt lässt sich eine Zunahme öffentlicher Hetzkampagnen gegen Klimaschutzmaßnahmen beobachten.

Damit die Zwanzigerjahre zur Dekade der Umsetzung werden, müssen Politik und Zivilgesellschaft sich diesen neuen Herausforderungen für die Gestaltung einer ambitionierten, effektiven und gerechten Klimapolitik stellen. Dazu müssen wir

1. das Verständnis von Klimaschutz als staatstragende Aufgabe neu beleben,

2. Klimapolitik stärker in sozialen Zusammenhängen denken und eine sozial gerechte Ausgestaltung von Klimapolitik vorantreiben,

3. unser Finanz- und Steuersystem der Klimakrise anpassen

4. die Kommunen als Akteur für den Klimaschutz stärken.

2.1Klimaschutz als parteiübergreifendes Ziel verstehen

Klimaschutz darf nicht im parteipolitischen Klein-Klein stecken bleiben, sondern muss mit der gleichen staatspolitischen Verantwortung betrieben werden, wie wir sie etwa bei der Coronakrise von allen demokratischen Partien erleben konnten. Die wiederkehrenden Konflikte innerhalb der Ampel um Richtung und Tempo in der Klimapolitik verdeutlichen, dass das Verständnis von Klimaschutz als parteiübergreifendes Ziel gelitten hat. Offenbar folgen große Teile der Koalition der These, dass Erfolge beim Klimaschutz nur auf das Konto der Grünen gehen und SPD und FDP nur dann an Profil gewinnen, wenn sie Gegenpositionen formulieren oder Einschränkungen geltend machen können. Anstatt gemeinsam Konzepte zu entwickeln, wird eine ambitionierte Klimapolitik zwischen diesen parteitaktischen Logiken zerrieben. Das ist eine gefährliche Entwicklung, der wir als Zivilgesellschaft entgegenwirken müssen. Es gilt, das Verständnis von Klimaschutz als parteiübergreifende, gesamtgesellschaftliche und staatstragende Aufgabe neu zu schärfen und die politisch Verantwortlichen daran zu erinnern:

Klimaschutz ist kein politisches Anliegen wie jedes andere, sondern eine historisch beispiellose politische Herausforderung, der sich alle in Verantwortung gewählten Politiker:innen stellen müssen.

Dies gilt insbesondere, seit das Bundesverfassungsgericht im April 2021 die 1,5-Grad-Grenze des Pariser Klimaabkommens verfassungsrechtlich bestätigt hat. Das höchste deutsche Gericht bewertete die Freiheit und das Wohlergehen künftiger Generationen als staatlich zu schützendes Gut und verpflichtete den Gesetzgeber dazu, das Tempo beim Klimaschutz bis 2030 zu beschleunigen (BVerfG 2021). Es bleibt die Hoffnung, dass die Verfassungsrichter:innen die nun geplante Abschwächung des Klimaschutzgesetzes – sofern die Bundestagsfraktionen sie nicht verhindern – mit dem Hinweis auf dieses Grundsatzurteil noch aufhalten können. Dennoch dürfen wir als Zivilgesellschaft nicht zulassen, dass sich einzelne Minister:innen oder Parteien aus dieser staatspolitischen Verantwortung stehlen. Dafür müssen wir den gesamtgesellschaftlichen Rückhalt für ambitionierten Klimaschutz mobilisieren und der Bundesregierung aus allen politischen, kulturellen und religiösen Richtungen der Gesellschaft einfordern, ihrer staatspolitischen Verantwortung für den Klimaschutz gerecht zu werden.

Zu einer glaubwürdigen Klimapolitik im Sinne der verfassungsrechtlichen Verantwortung gehört auch, dass die Bundesregierung die Menschen über die Vor- und Nachteile klimaneutraler Konzepte informiert und die Möglichkeiten zur Beteiligung an klimapolitischen Aushandlungsprozessen stärkt. Mangelnde Akzeptanz ist auch immer ein Auftrag für die Politik, diese durch eine kluge Gestaltung von Klimapolitik und Kommunikation auf Augenhöhe zu erhöhen, anstatt sich hinter möglichen Bedenken zu verstecken oder gar die Unterstützung von Klimaschutzmaßnahmen durch irreführende Kampagnen gezielt zu untergraben.

2.2Klimaschutz sozial gerecht gestalten

Die Frage der Akzeptanz leitet über zum zweiten Punkt: Die konkrete Umsetzung von Klimapolitik macht es erforderlich, das Verständnis von Klimaschutz als sozialer Frage in Politik und Gesellschaft weiterzuentwickeln. Klimapolitik ist nun nicht mehr reine Theorie oder ein fernes Ziel. Sie ist endlich konkret und muss sich daher auch im Alltag der Menschen bewähren. Dies macht klimapolitische Instrumente erforderlich, die bestehende soziale Ungleichheiten berücksichtigen, die das gesellschaftliche Gerechtigkeitsempfinden im Blick behalten und die Vorteile einer klimaneutralen Wirtschaft und Gesellschaft deutlichmachen. So kann eine sozial gerechte Klimapolitik die Angriffsfläche von Klimaschutzmaßnahmen reduzieren und damit politische Mehrheiten für Klimaschutz langfristig sichern. Ein aktuelles Beispiel dafür ist die polarisierte Debatte um die Wärmewende. Der notwendige Umstieg auf klimaneutrale Heizsysteme ab 2024 und die energetische Sanierung von Gebäuden muss mit einer entsprechenden Förderkulisse verknüpft werden, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse berücksichtigt, soziale Härten ausreichend abfedert sowie Eigentümer:innen und Mieter:innen effektiv vor höheren Kosten schützt.

Die Klimakrise ist Ausdruck einer tiefen Gerechtigkeitskrise.

Neben einer sozial gerechten Klimaschutzpolitik müssen wir als Zivilgesellschaft deutlich machen, dass die Klimakrise Ausdruck einer tiefen Gerechtigkeitskrise ist. Das medial oft erzählte und politisch weiterhin sehr wirksame „Märchen vom unsozialen Klimaschutz” (Spiegel 2022) dürfen wir nicht weiter tolerieren. Die Gegensätze zwischen Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit sind häufig konstruiert und dienen jenen als politische Verzögerungstaktik, die ihre ökonomischen Interessen bedroht sehen. Umwelt- und Sozialverbände, Gewerkschaften und Kirchen müssen noch stärker als bisher darauf aufmerksam machen, dass unzureichender oder zu langsamer Klimaschutz immer zuerst zulasten der Schwächsten in der Gesellschaft geht (Umweltbundesamt 2020). Auch in Deutschland sind zuerst jene Bevölkerungsgruppen von den Folgen der Erderhitzung betroffen, die nichts oder nur sehr wenig dazu beigetragen haben (Oxfam 2020). Es wird den sozialen Folgen der Klimakrise also nicht gerecht, wenn bestehende sozialpolitische Versäumnisse herangezogen werden, um ambitionierte Klimaschutzmaßnahmen aufzuschieben oder zu blockieren. Wir müssen Klimaschutz als eine Form der präventiven Sozialpolitik verstehen und gleichzeitig den Sozialstaat so anpassen, dass er die Menschen wirksam vor den sozialen Risiken der Klimakrise absichert (Bohnenberger 2022).

Auch hier ist die Debatte um die Wärmewende ein gutes Beispiel. Der Umstieg auf klimaneutrale Heizungen ist für den Klimaschutz zentral und senkt die Heizkosten für alle. Davon profitieren insbesondere Menschen mit wenig Einkommen. Auch gesamtgesellschaftlich sichern wir Wertschöpfung und Wohlstand bei uns, anstatt weiter für fossile Rohstoffe Geld an Autokratien zu überweisen. Hingegen ist ein Festhalten an Gas und Öl als Wärmequelle mit enormen finanziellen und sozialen Risiken verbunden. Das hat der vergangene Winter mehr als deutlich gezeigt. Ein Konflikt zwischen Klimaschutz und sozialen Zielen ist also langfristig nicht gegeben, sondern die Reduktion der fossilen Abhängigkeit geht Hand in Hand mit einer Stärkung der sozialen Absicherung. Entscheidend ist also, dass die Politik die ordnungspolitischen Leitplanken für den klimaneutralen Umbau richtig setzt und diese mit einer sozial gerechten Förderstruktur kombiniert.

Das Klimageld würde auch bei hohen CO2-Preisen einen wirkungsvollen sozialen Ausgleich garantieren.

Eine weitere Möglichkeit, Klimapolitik sozial gerecht zu gestalten, ist das Klimageld. Die steigenden Kosten für die Verbrennung fossiler Brennstoffe sind klimapolitisch unabdingbar, führen aber zu einer unverhältnismäßigen Belastung von unteren Einkommensgruppen. Die aktuelle CO2-Bepreisung verstärkt bestehende soziale Ungleichheiten und stößt bei Sozialverbänden zu Recht auf Bedenken. Dies wiederum lässt die Politik davor zurückschrecken, den CO2-Preis so anzuheben, dass er eine klimapolitische Wirkung entfalten kann. Zuletzt hat die Bundesregierung die geplante Erhöhung des CO2-Preises aufgeschoben, als im Zuge des russischen Angriffskrieges die Preise für fossile Brennstoffe explodierten. Um die CO2-Bepreisung zu einem wirksamen und sozial gerechten Klimaschutzinstrument weiterzuentwickeln, ist daher zwingend erforderlich, einen sozialen Ausgleichsmechanismus zu etablieren: das Klimageld. Wir als Klima-Allianz Deutschland schlagen ein Modell vor, in dem die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung an die Haushalte zurückgegeben werden. Jede Person erhält denselben Betrag, unabhängig von Einkommen und Höhe der durch Heizen und Autofahren verursachten CO2-Emissionen. Mit steigenden Preisen erhöhen sich die Einnahmen und damit auch die Summe, die an die Bevölkerung ausgeschüttet wird. Das würde insbesondere untere und mittlere Einkommensgruppen sowie Familien stärker entlasten. Das Klimageld würde also auch bei hohen CO2-Preisen einen wirkungsvollen sozialen Ausgleich garantieren. Es ist ein Fehler der Ampel, dass sie die Umsetzung des Klimageldes trotz entsprechender Beschlüsse aus dem Koalitionsvertrag in dieser Legislaturperiode nicht umsetzen will.

Zu einer sozial gerechten Gestaltung von Klimapolitik gehört es auch, die Zusammenhänge von Klima und Gesundheit in den Blick zu nehmen. Es ist ein großes Glück, dass in den vergangenen Jahren die Klimabewegung auch hier erstarkt ist. Immer mehr in diesen Bereichen tätige Menschen haben die Klimakrise als größte Bedrohung unserer Gesundheit im 21. Jahrhundert erkannt und zeigen die vielfältigen Verbindungen von Klima und Gesundheit auf. Ihre Botschaft an die Welt lautet:

Klimaschutz ist Gesundheitsschutz! Gegenüber der Politik können wir dies als Zivilgesellschaft gar nicht deutlich genug machen.

2.3Klimaschutz sozial gerecht finanzieren

Der Reformstau beim Klimaschutz ist enorm und das Zeitfenster, das uns noch bleibt, um die schlimmsten Folgen der Klimakrise abzuwenden, schließt sich. Es zeichnet sich zunehmend ab, dass die aktuell verfügbaren Mittel für den Klimaschutz in keinem Verhältnis zum Investitionsbedarf stehen. Daher brauchen wir dringend eine gesamtgesellschaftliche Debatte über die Finanzierung des sozial-ökologischen Umbaus.

Energetische Sanierungen, die Umstellung auf klimaneutrale Produktionsprozesse in der Industrie sowie der Ausbau der Bahninfrastruktur sind nur drei der zahlreichen Handlungsfelder, in denen der nötige Umbau nur mit zusätzlichen Investitionen des Staates im notwendigen Tempo vorangetrieben werden kann. Neben dem Aufbau einer klimaneutralen Infrastruktur werden auch zusätzliche Mittel für die Bewältigung der Klimawandelfolgen sowie für Anpassungsmaßnahmen notwendig sein. Allein seit 2018 summierten sich die erfassbaren Schäden durch extreme Wetterereignisse auf mindestens 90 Milliarden Euro. Allein 40 Milliarden Euro kostete die Bewältigung der Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 (Trenczek et al. 2022).

Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung werden nicht ansatzweise ausreichen, um diesen Finanzbedarf decken zu können. Zumal – wie oben dargestellt – eine Rückverteilung der Einnahmen ein zentraler Bestandteil einer sozial-gerechten Klimaschutzpolitik ist. Mühsam ausgehandelte Sondervermögen stellen ebenfalls keine verlässliche und dauerhafte Finanzierung der klimaneutralen Transformation sicher. Vielmehr müssen wir über eine grundsätzliche Änderung der aktuellen Finanz- und Haushaltspolitik nachdenken. Angesichts der drohenden Klimakatastrophe erscheinen das dogmatische Festhalten an der Schuldenbremse oder der kategorische Ausschluss von Steuererhöhungen nicht angemessen.

Wir müssen auch große Vermögen und Erbschaften stärker zur Bewältigung der Klimakrise heranziehen. Dies könnte beispielsweise in Form einer auf zehn Jahre befristeten „Zukunftsabgabe” zum Aufbau einer klimaneutralen Infrastruktur gelingen. Dieses Vorgehen wäre nicht neu. Auch in der Vergangenheit wurden Vermögende und Einkommensstarke zur Lösung gesamtgesellschaftlicher Herausforderungen stärker in die Verantwortung genommen. Die Deutsche Einheit ist ein gutes Beispiel dafür. Zudem kann eine höhere Besteuerung von hohen Einkommen und Vermögen mit dem Verursacherprinzip begründet werden. Die ärmere Bevölkerungshälfte emittiert im Durchschnitt rund sechs Tonnen CO2 pro Person und Jahr. Dies entspricht nahezu dem im Klimaschutzgesetz festgelegten Emissionsziel für das Jahr 2030. Die einkommensstärksten zehn Prozent überschreiten das Emissionsziel für 2030 um das Sechsfache und konterkarieren damit die Erfolge der ärmeren Hälfte der Bevölkerung. Eine stärkere Beteiligung großer Einkommen und Vermögen kann eine planbare Finanzierung der klimaneutralen Infrastruktur sicherstellen, ist im Einklang mit der Generationengerechtigkeit und würde einen wichtigen Schritt für eine faire Lastenverteilung bei der Bewältigung der Klimakrise darstellen.

2.4Kommunalen Klimaschutz stärken

Klimaschutz muss auf allen politischen Ebenen stattfinden. Dazu müssen vordringlich die Städte und Gemeinden in die Lage versetzt werden, die klimaneutrale Transformation von unten voranzutreiben. Obwohl die Kommunen bei der Eindämmung der Klimakrise, der Klimaanpassung und bei der Akzeptanz von Klimaschutz eine entscheidende Rolle spielen können, fehlen bisher weitgehend die rechtlichen Rahmenbedingungen und finanziellen Mittel, damit die Kommunen ihr Potenzial für den Klimaschutz voll ausschöpfen können. Die klimaneutrale Energieversorgung über die Stadtwerke, der klimafreundliche Umbau unserer Versorgungs- und Verkehrsinfrastrukturen, der Städtebau, die Sanierung des kommunalen Wohnungsbestandes und die Berücksichtigung der Klimawirkungen bei Planungs- und Regulierungsaufgaben sind nur einige der kommunalen Handlungsfelder.

Noch deutlicher wird die Bedeutung der Kommunen, wenn wir über Klimaanpassung nachdenken. Es ist bereits jetzt absehbar, dass einige Klimafolgen unvermeidbar und mit Einschränkungen von Gesundheit, Wohlstand und Lebensqualität verbunden sind. Auch in Deutschland müssen wir uns auf häufigere und längere Hitze- und Dürreperioden, Überschwemmungen und andere Folgen der globalen Erhitzung einstellen. Kommunen spielen dabei eine zentrale Rolle, da ihnen größtenteils die Aufgaben der Daseinsvorsorge obliegen. Dazu gehören etwa die Trinkwasserversorgung, der Hochwasserschutz und die Bereitstellung von zentralen Infrastrukturen – nicht zuletzt im Gesundheitswesen. Kommunen sind insofern besonders mit den Folgen der Klimakrise konfrontiert. Es liegt in ihrer Verantwortung, die nötigen Klimaanpassungsmaßnahmen zu planen und umzusetzen.

Die Möglichkeiten und Herausforderungen der Kommunen stehen allerdings im Widerspruch zu ihren finanziellen und personellen Ressourcen. Bisher schaffen es nur einige wenige Kommunen, sich den Herausforderungen der Klimakrise zu stellen. Damit in den Zwanzigerjahren auch auf kommunaler Ebene ein Aufbruch stattfinden kann, muss Klimaschutz zur kommunalen Pflichtaufgabe werden. Die Klima-Allianz Deutschland fordert auf Grundlage eines Rechtsgutachtens, das Grundgesetz dahingehend zu ändern. Denn nur, wenn Klimaschutz und Klimaanpassung zur Pflichtaufgabe für Kommunen werden, kann der Bund eine verlässliche und flächendeckende Finanzierung sicherstellen.

Die Klimakrise zu bewältigen und ihre schlimmen Folgen abzumildern, ist eine nie da gewesene Herausforderung für die Menschheit. Die gute Nachricht ist: Das Wissen, die technischen Mittel, die politischen Konzepte und das nötige Geld sind vorhanden. Wir müssen die Klimawende nur noch umsetzen. Gleichzeitig haben wir die Chance, eine bessere, gerechtere und lebenswerte Welt für uns alle zu schaffen. Welch ein froher Ausblick auf die Dreißigerjahre!

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Trenczek J, Lühr O, Eiserbeck L, Leuschner V (2022) Schäden der Sturzfluten und Überschwemmungen im Juli 2021 in Deutschland. Eine ex-post-Analyse. URL: https://www.prognos.com/sites/default/files/2022-07/Prognos_KlimawandelfolgenDeutschland_Detailuntersuchung%20Flut_AP2_3b_.pdf (abgerufen am 12.06.2023)

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Dieser Beitrag entstand unter Mitarbeit von Julia Dittmann und Daniel Eggstein.

© Simone M. Neumann

Dr. Christiane Averbeck

Christiane Averbeck ist Geschäftsführende Vorständin der Klima-Allianz Deutschland, dem breiten zivilgesellschaftlichen Bündnis für den Klimaschutz. Zuvor arbeitete Dr. Averbeck in Projekten der Entwicklungszusammenarbeit in Ghana, Uganda und Simbabwe, forschte zur Umweltverschmutzung in der Nordsee, unterstützte den Rat für Nachhaltige Entwicklung und engagierte sich in einem bundesweiten Bildungsprogramm namens Bildung für nachhaltige Entwicklung. Sie ist promovierte Biologin.

 

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Von der Kür zur Pflicht – Regulierung und Nachhaltigkeitsmaßnahmen im Gesundheitssektor

Maximilian Jungmann

Die Zeit zur Erreichung internationaler Nachhaltigkeitsziele wie den Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen und dem Pariser Abkommen von 2015 wird immer kürzer. Aufgrund hoher Emissionen und wichtiger Systemleistungen spielt der Gesundheitssektor dabei eine zentrale Rolle. Entsprechend nimmt die Regulierung seit Jahren zu. Gleichzeitig birgt die Notwendigkeit der Transformation des Gesundheitswesens enorme Chancen, dieses zukunftsfähiger aufzustellen. Ziel dieses Kapitels ist es, einen kurzen Überblick über die Hintergründe und aktuelle Trends bezüglich Nachhaltigkeitsmaßnahmen im Gesundheitssektor aufzuzeigen.

3.1Internationale Ebene

3.1.1Vereinte Nationen

Während Nachhaltigkeit ein sehr simples Konzept ist, das im Kern dem Brundtland-Bericht zufolge bedeutet, dass wir heutige Ressourcen so verwenden, dass zukünftige Generationen die gleichen Entwicklungschancen haben wie wir heute, wird dies in der Praxis alles andere als umgesetzt (Brundtland 1987). Am Beispiel der Entwicklungen mit Blick auf aktuelle Klimafolgen wie Hitzewellen oder Überflutungen und insbesondere Trends bezüglich planetarer Leitplanken oder sogenannter Kipppunkte unseres Klimasystems lässt sich erahnen, welche gewaltigen Herausforderungen auf die internationale Gemeinschaft zukommen werden (Rockström et al. 2009; Lenton et al. 2019). Neben gravierenden Umweltveränderungen wie dem Klimawandel und dem massenhaften Artensterben sehen sich Entscheidungsträger auch vermehrt sozialen, wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen konfrontiert, wie die Corona-Pandemie, innerstaatliche und globale Gerechtigkeitsfragen, Sicherheitsherausforderungen oder die Bekämpfung der Inflation infolge der Ukraine-Krise eindrucksvoll verdeutlichen.

Sustainable Development Goals (SDGs)

Um einen globalen Kompass für die zentralen Herausforderungen des frühen 21. Jahrhunderts zu etablieren, der die internationale Gemeinschaft befähigen soll, international zusammenzuarbeiten, um die Lebensbedingungen auf unserem Planeten gemeinsam zu schützen, hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen (VN) 2015 die 17 Ziele für Nachhaltige Entwicklung, auf Englisch Sustainable Development Goals (SDGs), verabschiedet (United Nations 2015). Die Ziele haben 169 Unterziele (sog. Targets) und 248 Indikatoren, um den Fortschritt zur Umsetzung zu messen. Die Vorgänger der SDGs, die Millennium Development Goals (MDGs), wurden von den Vereinten Nationen im Jahr 2000 verabschiedet und sollten bis zum Jahr 2015 erreicht werden. Trotz einiger Fortschritte in verschiedenen Regionen der Welt, insbesondere mit Blick auf die Bekämpfung extremer Armut, wurden die MDGs insgesamt nicht erreicht und in einzelnen Bereichen, zum Beispiel mit Blick auf MDG 7 (ökologische Nachhaltigkeit), hat die Weltgemeinschaft sogar massive Rückschritte verzeichnet (Hulme 2009). Entsprechend wichtig war es bei der Verabschiedung der SDGs, aus den Erfahrungen der MDGs zu lernen und die Weichen so zu stellen, dass diese nicht nur Wunschvorstellungen bleiben, sondern auch konkret umgesetzt werden können.

Die SDGs sind sehr breit angelegt und lassen sich auf nahezu jede politische und gesellschaftliche Herausforderung des 21. Jahrhunderts anwenden (https://sdgs.un.org/goals). So ist beispielsweise Ziel 16 (Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen) eng mit der Entstehungsgeschichte der VN verbunden und angesichts der Ukrainekrise so aktuell wie selten zuvor. Wie der ehemalige VN-Generalsekretär Dag Hammarskjöld 1954 präzise festhielt, wurden die Vereinten Nationen nach dem 2. Weltkrieg „Nicht gegründet, um die Menschheit in den Himmel zu führen, sondern vor der Hölle zu beschützen“.

Die 5P der VN

Im Laufe der Zeit hat sich diese negative Definition von Frieden, also die Abwesenheit von Krieg, im Sinne von Johan Galtung hin zu einem positiven Friedensverständnis entwickelt (Galtung 1969). Entsprechend wichtig ist es, nachhaltige Entwicklungsmöglichkeiten in allen Regionen der Welt zu schaffen, die positive Effekte für die Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt mit sich bringen. Dabei fokussiert sich die VN oft auf die sogenannten 5P:

1. People (Menschen)

2. Planet (Planet)

3. Prosperity (Wohlstand)

4. Peace (Frieden)

5. Partnership (Zusammenarbeit)

Dies spiegelt sich in internationalen Rahmenwerken und dem Auftrag internationaler Organisationen wie beispielsweise dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) wider. Folgt man also der Entstehungsgeschichte der VN und daraus folgender Abkommen, ist zentral für den Erfolg der Ziele, dass diese ganzheitlich betrachtet werden, um idealerweise mit den jeweiligen Maßnahmen möglichst viele Synergien zu fördern und Trade-Offs zu verhindern. Angewandt auf zunehmende Gesundheitsherausforderungen können zum Beispiel Maßnahmen zum Klimaschutz (SDG 13) gleichzeitig auch einen Beitrag zu SDG 3 (Gesundheit und Wohlbefinden) leisten. Einfache Beispiele sind Initiativen, um die Anreise zur Arbeit per Fahrrad oder zu Fuß zu erleichtern, bessere Angebote zur pflanzenbasierten Ernährung oder die Begrünung von Städten, weil so gleichzeitig Emissionen gespart und das Risiko für kardiovaskuläre oder respiratorische Erkrankungen reduziert werden. Wichtig ist, dass die SDGs weder für sich allein betrachtet noch als reines Marketinginstrument genutzt werden, um am Status quo festzuhalten und lediglich einen grünen Anstrich zu geben (Greenwashing).

Das Hohe Politische Forum für Nachhaltige Entwicklung

Die Umsetzung der Ziele wird durch das Hohe Politische Forum für Nachhaltige Entwicklung (HLPF) der VN überwacht. Jedes Jahr berichten Staaten, welchen Fort- oder Rückschritt sie mit Blick auf die Umsetzung zu den Zielen gemacht haben und diskutieren, wie im Sinne von SDG 17 die internationale Zusammenarbeit zur Erreichung der Ziele effektiver gestaltet werden kann. Dabei fällt das Resümee bislang mehr als nüchtern aus. Der Sustainable Development Goals Report 2022 zeigt, dass die SDGs durch mehrere gleichzeitig stattfindende und miteinander verbundene Krisen, allen voran COVID-19, den Klimawandel und internationale Konflikte bedroht sind (United Nations 2022). Zunehmende Hitzewellen, Dürren und Überschwemmungen betreffen bereits Milliarden von Menschen rund um die Welt und verursachen potenziell irreversible Schäden an den Ökosystemen der Erde. Um die schlimmsten Auswirkungen abzuwenden, müssen die globalen Treibhausgasemissionen vor 2025 – in nur zwei Jahren – ihren Höhepunkt erreichen, dann bis 2030 um 43% zurückgehen und bis 2050 auf null sinken. Aber die derzeitigen nationalen Verpflichtungen (Voluntary National Contributions) werden dieser Anforderung nicht gerecht und deuten eher auf einen starken Anstieg der Emissionen hin (United Nations 2022).

Weltgesundheitsorganisation

Für das Thema Nachhaltigkeit im Gesundheitssektor spielt auf VN-Ebene zudem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine wichtige Rolle. Insbesondere die Abteilung Klimawandel und Gesundheit veröffentlicht regelmäßig Studien, Leitlinien, Werkzeuge und Übersichtspapiere zu den gesundheitsrelevanten Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen von Staaten. Darüber hinaus organisiert die Einrichtung zahlreiche Veranstaltungsformate und bringt das Thema so verstärkt auf die politische Agenda, was sich insbesondere auf den letzten beiden Weltklimakonferenzen in Glasgow (2021) und Sharm El Sheikh (2022) zeigte.

Durch den hohen Anteil des Gesundheitssektors an den Treibhausgasemissionen eines Landes ist dieser sowohl ein wesentlicher Faktor, um Klimaschutzmaßnahmen auszubauen als auch einer der Sektoren, der am stärksten von Klimafolgen betroffen ist und entsprechend Widerstands- und Anpassungsfähigkeit ausbauen muss.

3.1.2Europäische Union

Um, angesichts des schleppenden Fortschritts zur Erreichung der 17 Ziele und insbesondere der Umsetzung des Pariser Abkommens, den Klimaschutz und Nachhaltigkeitsmaßnahmen innerhalb der Europäischen Union anzutreiben, hat die Europäische Kommission unter der Leitung von Ursula von der Leyen im Dezember 2019 den European Green Deal beschlossen.

European Green Deal

Das vorrangige Ziel des Green Deal ist es, Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent der Welt zu machen (European Commission 2023a). Dabei soll das Wirtschaftswachstum innerhalb der Union von zunehmendem Ressourceneinsatz entkoppelt werden und die Transformation soll so gestaltet werden, dass keine Person und kein Ort zurückbleiben (European Commission 2023a). Um diese Ziele zur Umsetzung zu bringen, hat die EU eine Reihe von Instrumenten entwickelt, die kontinuierlich ergänzt und überarbeitet werden. Dazu gehören beispielsweise das Fit-for-55-Programm, Aufforstungsprojekte, Subventionen und Regulierungen für Nachhaltigkeitsmaßnahmen in Unternehmen. Dabei ist das Investitionsvolumen auch im internationalen Vergleich beachtlich. Ein Drittel der Investitionen in Höhe von 1,8 Billionen Euro aus dem Konjunkturprogramm NextGenerationEU und dem Siebenjahreshaushalt der EU wird zur Finanzierung des Europäischen Grünen Deals verwendet (European Commission 2023a).

Ziel des Green Deal ist es, Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent der Welt zu machen.

Emissionen senken, Energieeffizienz steigern

Auf dem Weg zur Klimaneutralität im Jahr 2050 soll das Programm „Fit for 55“ dazu führen, dass die europäischen Emissionen bis zum Jahr 2030 um mindestens 55% gesenkt werden. Ein wesentlicher Bestandteil, um dies zu erreichen, ist der europäische Emissionshandel demzufolge nicht nur wie bisher Emissionen im Energiesektor, dem Luftverkehr und der energieintensiven Industrie auf europäischer Ebene Emissionsrechte kaufen müssen, wenn sie bestimmte Obergrenzen überschreiten, sondern ab 2024 auch die Seeschifffahrt und ab 2027 Gebäude, den Verkehrssektor und weitere Industriebereiche (Bundesregierung 2023a). Die Emissionsrechte, die Unternehmen in den jeweiligen Sektoren aktuell noch halten, sollen sukzessive gekürzt werden, bis 2030 im Vergleich zu 2005 schrittweise um 62% (Bundesregierung 2023a). Entsprechend wird der Preis für CO2-Äquivalente immer höher und Geschäftsmodelle, die auf fossilen Brennstoffen beruhen, immer unprofitabler. Neben dem Emissionshandel fokussiert sich die EU insbesondere auf den Ausbau erneuerbarer Energien. Bis 2030 sollen rund 45% des Bruttoendverbrauchs aus erneuerbarer Energie stammen und Autos mit Verbrennungsmotor dürfen ab 2035 nicht mehr in der EU zugelassen werden (Bundesregierung 2023a). Außerdem soll die Energieeffizienz gesteigert werden – bis 2030 sollen der Primär- und Endenergieverbrauch in der EU um 9% reduziert werden (Bundesregierung 2023a).

Regulierung für Unternehmen

Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD): Neben „Fit for 55“, dem Emissionshandel und zahlreichen Subventionen zur Transformation der europäischen Wirtschaft, nimmt die Regulierung für Unternehmen im Nachhaltigkeitsbereich rapide zu. Ein zentrales Instrument ist dabei die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die seit Januar 2023 in Kraft ist. Sie löst die bisherige Non-Financial Reporting Directive (NFRD) von 2014 ab und wird für deutlich mehr und kleinere Unternehmen Berichtspflichten mit sich bringen, als dies bisher der Fall ist (European Commission 2023b). So werden voraussichtlich mindestens 50.000 Unternehmen in der EU direkt von der Berichtspflicht betroffen sein und von ihren Lieferant:innen Informationen benötigen, um ihre Berichte gewissenhaft erstellen zu können, was wiederum dazu führt, dass auch kleine und mittlere Unternehmen stark betroffen sein werden (European Commission 2023b). Ab Januar 2024 müssen Unternehmen, die von der bisherigen NFRD betroffen sind, nach CSRD-Standard über das Jahr 2023 berichten, und ab Januar 2025 müssen auch große Unternehmen berichten, die unter dem NFRD noch nicht betroffen waren (European Commission 2023b). Ab Januar 2026 sind dann sogar börsennotierte KMUs sowie kleine und nicht komplexe Kreditinstitute und firmeneigene Versicherungsunternehmen in der Pflicht, einen Nachhaltigkeitsbericht abzugeben (European Commission 2023b).

European Sustainability Reporting Standards (ESRS): Die Standards, nach denen die Berichte verfasst werden müssen, werden in den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) definiert (EFRAG 2022). Diese orientieren sich an bestehenden internationalen Standards der Nachhaltigkeitsberichterstattung, wie beispielsweise denen der Global Reporting Initiative (GRI), und beinhalten unter anderem die Erfordernisse einer doppelten Wesentlichkeitsanalyse (EFRAG 2022).

EU-Taxonomie

Mit dem CSRD und der ESRS in Verbindung steht die seit Juli 2020 gültige EU-Taxonomie, die insbesondere Investoren ermöglichen soll, nachvollziehen zu können, wie der Beitrag der jeweiligen Unternehmen zum Umwelt- und Klimaschutz aussieht (European Commission 2021). Dabei müssen Unternehmen, die mit der Taxonomie konform gehen wollen, verschiedene Kriterien erfüllen und unter anderem einen positiven Beitrag zum Klimaschutz, der Klimaanpassung, dem nachhaltigen Umgang mit Wasser und marinen Ressourcen, der Kreislaufwirtschaft, der Reduktion von Umweltverschmutzung oder dem Schutz der Artenvielfalt leisten (European Commission 2021). Dabei muss ein positiver Beitrag zu einer der genannten Kategorien nachgewiesen werden und die anderen Dimensionen dürfen nicht negativ beeinflusst werden (European Commission 2021).

Lieferkettenrichtlinie

Neben den Initiativen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung arbeiten die EU-Mitgliedsstaaten an einer europaweiten Lieferkettenrichtlinie (Bundesministerium für internationale Zusammenarbeit 2022). Diese soll unter anderem auf den Inhalten des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (kurz Lieferkettengesetz) beruhen und neben dem Schutz von Menschenrechten entlang der Lieferkette auch verstärkt Umweltaspekte in den Blick nehmen (Europäischer Rat 2022). Auf der Seite des Europäischen Rates (2022) heißt es dazu:

„Die Richtlinie wird der EU beim Übergang zu einer klimaneutraleren und umweltfreundlicheren Wirtschaft behilflich sein, wie im europäischen Grünen Deal und den Zielen der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung beschrieben“.

In der Pflicht werden voraussichtlich zunächst große europäische Unternehmen (ab 1.000 Mitarbeitenden) sein, die einen weltweiten Nettoumsatz von über 300 Millionen Euro verzeichnen, sowie Unternehmen, die nicht in der EU sitzen, dort aber über 300 Millionen Euro Nettoumsatz machen (Europäischer Rat 2022).

Die zunehmende Regulierung auf internationaler und europäischer Ebene wirkt sich auch auf die Mitgliedsstaaten aus. Vermehrt verabschieden sie nationale Gesetze zur ökologischen, sozialen und ökonomischen Dimension von Nachhaltigkeit. Dies betrifft immer mehr auch große und kleine Gesundheitseinrichtungen.

3.2Gesetzgebung in Deutschland

Aufgrund des zunehmenden Zeitdrucks zur Erreichung der SDGs sowie des Pariser Abkommens und des Green Deals der EU steigt der Druck auf Staaten, ihren Beitrag zur Erreichung der Ziele zu steigern. Das drückt sich auch in den Maßnahmen der Bundesregierung, aber auch der Bundesländer, Städte und Kommunen aus.

Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz

Ein aktuelles Beispiel, das auch zahlreiche Gesundheitseinrichtungen direkt betrifft, ist das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, das seit 01. Januar 2023 in Kraft ist. Demzufolge müssen sich ab 2023 Unternehmen mit mindestens 3.000 Beschäftigten und ab dem 1. Januar 2024 Unternehmen ab 1.000 Beschäftigten an die Vorgaben des Gesetzes halten. Das beinhaltet laut Bundesamt für Ausfuhrkontrolle (BAFA) die Einrichtung eines Risikomanagements und Durchführung einer Risikoanalyse, die Verabschiedung einer Grundsatzerklärung der unternehmerischen Menschenrechtsstrategie, die Verankerung von Präventionsmaßnahmen, die sofortige Ergreifung von Abhilfemaßnahmen bei festgestellten Rechtsverstößen, die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens und die Dokumentations- und Berichtspflicht für die Erfüllung der Sorgfaltspflichten (BAFA 2023).

Umweltschädliche Produkte

Darüber hinaus werden umweltschädliche Produkte zunehmend reguliert oder in Teilen, wie beispielsweise in der Gastronomie, verboten (Bundesregierung 2023b). Durch die nationale CO2-Steuer werden fossile Brennstoffe wie Erdöl und Erdgas etc. sukzessive teurer, was sich in erhöhten Strom-, Heiz- und Benzinkosten ausdrückt. Nachhaltigkeitskriterien erhalten vermehrt Einzug in öffentliche Ausschreibungen und Banken erwarten immer stärker die Erfüllung konkreter Nachhaltigkeitskriterien bei der Kreditvergabe.

Förderungen

Neben zunehmendem Druck auf Gesundheitseinrichtungen steigt allerdings auch das Angebot an Förderungen, was stark von Bundesland zu Bundesland und Stadt bzw. Kommune variiert. Insbesondere im Gebäude- und Mobilitätsbereich gibt es zahlreiche Fördertöpfe und KFW-Kredite. Diese reichen von Zuschüssen für Lastenfahrräder und elektrischen Fahrzeugen bis hin zu Kälte- und Klimaanlagen mit nicht halogenierten Kältemitteln, Heizungsoptimierungsmaßnahmen und die Installation von Photovoltaikanlagen.

3.3Chancen und Herausforderungen für den Gesundheitssektor

Der Gesundheitssektor trägt in Deutschland mit mehr als 5,2% einen wesentlichen Teil zu den Gesamtemissionen bei, worauf über 70% der Emissionen in Scope 3 und insbesondere auf die Lieferketten der Gesundheitseinrichtungen zurückzuführen sind (Gießelmann u. Osterloh 2021). Unter anderem deshalb und aufgrund des steigenden Zeitdrucks zur Erreichung der SDGs und des Pariser Abkommens ist davon auszugehen, dass die Regulierung in Deutschland weiter zunehmen wird und selbst Gesundheitseinrichtungen, die bisher noch nicht dazu verpflichtet sind, zeitnah Nachhaltigkeitsmaßnahmen ausbauen, Strategien entwickeln und transparent berichten werden müssen. Gleichzeitig sind Gesundheitseinrichtungen zunehmend von Nachhaltigkeitsherausforderungen wie dem Klimawandel betroffen und müssen sich an die Klimafolgen anpassen und Resilienz aufbauen (McMichael 2013).

Nachhaltigere Unternehmen sind besser vor finanziellen und nicht finanziellen Risiken geschützt.