Grenzenlos leben - Geraldine Schüle - E-Book

Grenzenlos leben E-Book

Geraldine Schüle

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Beschreibung

Sieben Reisen, sieben Lehren, ein Ziel • Ein so packender wie inspirierender Reisebericht • Sieben Reisen lehren die Autorin, das Leben mit anderen Augen zu sehen • Eine junge Frau wagt sich an Orte, an die sich nur wenige trauen Geraldine Schüle erzählt von sieben Reisen, die sie an unterschiedliche Enden der Welt und dabei zugleich zu sich selbst geführt haben. Es sind Reisen, die sie an ihre Grenzen bringen und ihr gerade deshalb zeigen, wer sie ist, wer sie sein will. Ob in Kairo im Arabischen Frühling, im Südlibanon bei der Hisbollah oder in Palästina in einer Zirkusschule: Immer wieder stellen Menschen und Orte infrage, was sie zu wissen glaubt. Unterwegs stößt sie auf eine unerwartete Lebensphilosophie: Den Clown. Als Sinnbild einer inneren Haltung lehrt er sie, dass in jedem Scheitern eine Chance auf Veränderung liegt und lässt sie das Leben mit anderen Augen sehen. So verbindet sie jede ihrer sieben Reisen mit einem clownesken Prinzip: • Annehmen können • Neugier erhalten • Absolute Freiheit • Veränderung zulassen • Scheitern als Chance erkennen • Leben im Jetzt-Moment • Der Intuition vertrauen Packend, inspirierend und anschaulich berichtet Geraldine Schüle davon, was es heißt, ins Ungewisse aufzubrechen, um bei sich selbst anzukommen.

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Seitenzahl: 258

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Geraldine Schüle

Grenzenlos leben

Meine sieben Reisen in die Welt und zu mir selbst

Knaur e-books

Über dieses Buch

Unterwegs erkennst du, wer du bist

Geraldine Schüle erzählt von sieben Reisen, die zugleich echte Grenzerfahrungen sind. Ob in Kairo im Arabischen Frühling, im Südlibanon bei der Hisbollah oder in Palästina, wo ein Zirkus versucht, zwischen Krieg und Gewalt etwas Normalität zu vermitteln – immer wieder stellen Menschen und Orte infrage, was sie zu wissen glaubt. Ihre Erfahrungen regen sie schließlich zu einer unerwarteten Lebensphilosophie an: Der Clownerie, die als innere Haltung in jedem Scheitern eine Chance auf Veränderung erkennt.

Packend, inspirierend und anschaulich berichtet Geraldine Schüle davon, was es heißt, ins Ungewisse aufzubrechen, um bei sich selbst anzukommen.

Inhaltsübersicht

WidmungPrologKinderzimmer im PappkartonSchaustellerkindDie grandiose Einfachheit des LebensIndien: Sehen, was wir zu wissen glaubenFokus ist das ZauberwortDer Weg nach IndienVon Eiern und ElefantenSchlangen in der DunkelheitVollbremsungBerg aus grauer faltiger HautWie im FilmDas Ende vom AnfangSchiffsblindÄgypten: Land voller SandNarrenfreiheit und VerantwortungEsel in Tel AvivDer Bann der WüsteEilat: Nacht unterm SternenhimmelKairo: Im Raum der MöglichkeitenRahmen der FreiheitIsrael und Palästina: Mit Steinen wirft man nichtSpieglein, SpiegleinEin Lächeln der HoffnungDie andere SeiteEin Zirkus in PalästinaBilder einer ÜberwachungskameraZahnrädchen und UhrmacherLibanon: Herzlich willkommen bei der HisbollahDie Vereinbarkeit von GegensätzenIm Haus des KriegsreportersFrau sein hin oder herDie Partei GottesDie Kategorie GastfreundschaftHaram oder HaremDas Potenzial einer saftigen OhrfeigeVon Österreich nach Istanbul: Banalitäten zum FrühstückTausende winzige UmdrehungenDieses Mal oder nieBellende BestienBergquell und MeerCosta Rica: Bikinis im BananenlandDie Einfachheit der DingeEin tapferes SchneiderleinDer bürokratische DschungelFlucht und SuchtEin naheliegender KernGrenzenlos lebenUnterwegs erkennst du, wer du bistInnere WeiteDank
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Dem liebenswerten Tollpatsch in jedem von uns

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Prolog

Lange war ich auf der Suche, weit hat diese Suche mich getragen. Eine Weile dachte ich, die Antwort im Abenteuer gefunden zu haben, denn was ist realer, authentischer und intensiver, was lebendiger als ein Abenteuer? Es ist der Moment, in dem du nicht mehr gefangen bist in gesellschaftlichen Normen und Werten unserer Zeit. Ein Abenteuer ist ein Erlebnis, das alle Konstrukte und Grenzen einreißt, die wir Menschen uns über die Jahrtausende gebaut haben. Bei einem Abenteuer zählen lediglich das Jetzt und die Menschen, die an diesem Jetzt beteiligt sind. Es ist das pure Leben.

Auf meiner Suche habe ich das Leben oft herausgefordert. Ich habe mich in Situationen begeben und bin in Länder gereist, von denen ich vermutete, dass sie eine Chance auf Abenteuer bergen würden. Ich war auf der Suche nach dem authentischen und lebendigen Anteil des Menschseins. So ist es nicht verwunderlich, dass ich manches Mal gescheitert bin und gegen Wände rennen musste, um im Aufprall eine neue Richtung zu finden. Ich bin mit jedem Fiasko einen Schritt weitergekommen, und im Grunde kreiste meine Suche all die Jahre um das, was ohnehin vorhanden ist. Das, was ich nicht suchen, sondern nur ergreifen kann.

Das ganze Leben ist ein Abenteuer. Solange du lebst, ist die Reise noch nicht zu Ende. Solange du lebst, kannst du deine persönlichen Grenzen immer weiter ausdehnen. Jeden Tag kannst du mehr über dich, deine Umwelt und deine Mitmenschen erfahren. Das größte Abenteuer dieser Welt ist das Leben. Das größte Abenteuer bist du selbst.

Eines habe ich auf meiner Suche entdeckt: Es ist nicht schwer, auch ohne lebensgefährliche Risiken und Nebenwirkungen in der eigenen Lebendigkeit zu baden. Ich habe lange geglaubt, dass Risikofreude lebendig macht. So ist es aber nicht. Das Gefühl von Lebendigkeit ist ein innerer Zustand voller Übermut und Lebensmut. Es ist der Mut, der Mensch zu sein, der du bist. Es ist deine Freude daran, die Grenzen zu weiten, die nur in deinem Kopf existieren. Freude und Humor sind gute Begleiter, um das Leben wirklich zu erleben.

Über den Zirkus, der mir von Kindheit an vertraut ist, und das Reisen, das ich ebenso lange kenne, habe ich zur Clownerie gefunden.

Die Clownerie ist mehr als eine einfache Zirkusdisziplin. Sie ist eine Weltanschauung, die mich nicht mehr losgelassen hat. Als ich begonnen habe, die Prinzipien der Clownerie für mich zu erkunden und auf das Leben zu übertragen, habe ich entdeckt, dass sie eine tiefe und dennoch leichte Weisheit in sich trägt. Eine Weisheit voller Lebensfreude, Tollpatschigkeit und Mut zum einfachen Sein. Was die Clownerie uns schenkt, ist keine Anleitung zum Clownsein, vielmehr sind es die inspirierenden Ansichten dieser Kunst, die uns auch im Leben weiterbringen, wenn wir genauer hinsehen.

Jede und jeder von uns ist im Herzen eine Clownin und ein Clown. Dein innerer Clown ist ein Zustand und eine fabelhafte Art des Umgangs mit deinen Schwächen und Unzulänglichkeiten. Deine Schwächen nämlich sind dein eigentliches Potenzial. Sie sind es nicht, die dir Grenzen setzen und dich davon abhalten, das zu tun, nach dem du dich sehnst. Vielmehr ist es die Angst vor deinen Schwächen und die gleichzeitige Identifikation mit ihnen. Die Clownerie spielt offen mit dem verborgenen Potenzial menschlicher Schwächen, Fehler und Unzulänglichkeiten, anstatt sie zu verstecken.

Grenzenlos zu leben bedeutet also nicht, dass es keine Grenzen für dich und andere Menschen gibt oder gar geben sollte. Jeder Mensch hat persönliche Grenzen, die wir wahren müssen. Grenzenlos zu leben bedeutet, dass du dich selbst immer weiterentwickeln kannst, solange du lebst. Deine eigene innere Grenzenlosigkeit kennenzulernen ist das größte Abenteuer und die längste Reise deines Lebens.

 

In den letzten Jahren wurde Clowninnen und Clowns neue Aufmerksamkeit zuteil. Sie sind nicht nur Pausenclowns im Zirkus oder auf Kindergeburtstagen, heute arbeiten sie vielmehr im Krankenhaus, im Krisengebiet oder auf Demonstrationen. Sie tauchen am Puls der Zeit auf, dort, wo die Gesellschaft sie braucht.

Das war genau genommen schon immer so. In vergangenen Jahrhunderten haben Hofnarren, Gaukler und andere humorvolle Gestalten die Menschen auf ihre eigene Skurrilität aufmerksam gemacht, ohne dabei den erhobenen Zeigefinger zu gebrauchen. Ihr Mittel war einfach: Sie hielten den Menschen den Spiegel vor. In beinahe jeder Gesellschaft existieren Kunstfiguren, die diese Aufgabe übernehmen. Im Spiegel des clownesken Spiels lachen wir über die Unvollkommenheit des Menschseins, die der Clown zum Ausdruck bringt. So lachen wir auch über uns selbst. Selbsthumor ist selbstwirksam und somit »heilsam«, da er den Menschen einen Perspektivwechsel und darüber neue Handlungsmöglichkeiten beschert.

Clowns übertreten genau die Grenzen, die nur in unseren Köpfen existieren. Sie spiegeln unsere eigene Merkwürdigkeit auf wundersame, aber doch klare Weise. So bekommen wir Abstand zu uns selbst und sind in der Lage, die eigene Verbissenheit beiseitezulegen, leise zu schmunzeln oder laut und herzlich über unsere eigene Unvollkommenheit zu lachen.

Solange wir nicht perfekt sind, sind wir einzigartig und lebendig. Lebendig sein heißt, Fehler zu machen. Lebendig sein heißt, die selbst ernannten Grenzen mit Freude anzunehmen und immer wieder auszutesten. Lebendig sein heißt, Zerrissenheit als einen willkommenen Aspekt von Ganzheit zu erkennen. Das ist kein Widerspruch. Das ist das Leben. Es besteht aus Widersprüchen, die sich gegenseitig anziehen.

Wir Menschen der Gegenwart wollen lösungsorientiert durchs Leben gehen und finden uns bald in völliger Orientierungslosigkeit wieder. Die Clownerie aber versteht es, mit dem aktuellsten Problem unserer Generation zu spielen. Sie spielt mit der inneren Zerrissenheit, anstatt sie als Belastung wahrzunehmen. Das Leben ist ein Abenteuer, ein Weg, der immer wieder über die eigenen Grenzen hinausführt und einen größer werden lässt.

Intuition baut auf Lebenserfahrung auf, und sie ist das, was ich als persönliche Realität im Gegensatz zu allgegenwärtiger Wahrheit bezeichne. Jede Summe aus Realitäten ergibt eine persönliche Wahrheit. Der Clown mag eine Kunstfigur sein, aber die Kunst, die er betreibt, baut auf der Lebenserfahrung auf, die der Mensch im Clownskostüm als Individuum gesammelt hat. Narrenfreiheit in der Clownerie oder Selbsthumor und Intuition im Leben verleihen den Mut dazu, die eigene Lebenserfahrung auf besonnene und humorvolle Weise aktiv zu nutzen. Sie verleihen den Mut, das Leben selbst zu gestalten und persönliche Grenzen immer weiter auszudehnen. Auf deinem Lebensweg begegnest du immer wieder zwei Arten von Grenzen: den sichtbaren und den unsichtbaren. Es gibt die Grenzen, die nur in deinem eigenen Kopf existieren und die jeder Mensch für sich mit viel Zeit und bewusster Erfahrung Stück für Stück ausweiten kann. Und es gibt die physischen Grenzen und bürokratischen Hindernisse unserer Zeit. Beide können uns manchmal in den Wahnsinn treiben. Mich zumindest. Was mir dann hilft, das ist der innere Clown. Den Clown strengt das Leben nicht an. Er nimmt es einfach nicht so ernst. Ebenso helfen mir die unterschiedlichen Erfahrungen der letzten Jahre, die ich an den verschiedensten Orten dieser Welt sammeln durfte.

Heute bin ich mir sicher, dass jedes Stückchen Lebenserfahrung ein eigenes Abenteuer ist und dass du nichts auf dieser Welt suchen musst. Alles ist schon da, wenn du deiner Intuition folgst und dir und deinem eigenen Abenteuer des Lebens mutig vertraust.

 

Dieses Buch handelt vom Reisen, von der Clownerie, von Vagabundenjahren, von Fehlern und Tollpatschigkeit, vom Austesten der Grenzen und von Lebenserfahrung. Meine Reisen, Abenteuer und Erfahrungen sind ein winziger Teil dieses riesigen Universums. Mein Leben ist meine ganz eigene Perspektive der Realität, und mit ihr bin ich ein Teil der Ganzheit dieser Welt. Jede Realität ist ein weiterer Mosaikstein der Wahrheit, nach der wir Menschen streben und die nur in ihrer eigenen Fragmentiertheit vollkommen ist. Nicht Wahrheit macht uns ganz, sondern die Akzeptanz von verschiedenen Realitäten.

Das Leben ist ein Abenteuer in jedem einzelnen Moment. Wir haben niemals ausgelernt – das ist unser größtes Geschenk der Lebendigkeit.

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Kinderzimmer im Pappkarton

Eine Geschichte über das Annehmen

Schaustellerkind

Das erste Clownsprinzip ist das Annehmen, und es ist für mich unumgänglich. Es mag daher widersprüchlich erscheinen, dass es als Clown genau genommen wenig Sinn ergibt, sich allzu starr an Prinzipien zu klammern. Kreativität, Humor und Komik entstehen im Spiel, im Loslassen und nicht im Festhalten am Regelwerk. Gerade darum aber ist das Prinzip des Annehmens essenziell. Mit diesem einen Prinzip lassen wir all unsere Prinzipien und Urteile los, ob auf der Bühne, in der Improvisation oder im Leben. So ist das Annehmen viel mehr eine Einstellung als ein Prinzip. Es ist eine Grundhaltung gegenüber allem, was uns widerfährt, auf der Bühne und im Leben.

Die Reise des inneren Clowns und die Reise des Menschseins beginnt mit einem Wort, mit einem einfachen Ja zu dieser verworrenen und schönen Welt.

 

Die Reise meines Lebens und somit meine Kindheit begann womöglich etwas chaotisch. Ich bin die zweitgeborene Tochter von Eltern, die in unserer Kindheit alles andere konnten, als ein normales Leben zu führen. Ich verdanke ihnen mein Leben, auch wenn ich einiges darin mit Sicherheit nicht freiwillig gewählt hätte. Ich bin tollpatschig, leichtsinnig, vergesslich, kann nicht mit Zahlen umgehen und leide unter einer Rechts-links-Schwäche. Diese Attribute wirkten auf andere Menschen zuweilen seltsam, und ich fühlte mich in jungen Jahren oft unverstanden oder schämte mich gar. Ich sei ganz einfach zu faul, so hieß es manchmal. Es sei doch nun wirklich nicht zu viel verlangt, eine einzige Uhrzeit im Kopf zu behalten! So begann ich, alles zu notieren, was um mich herum passierte, um nicht doch wieder irgendwelche Termine zu verpassen oder in den Bus mit der falschen Nummer einzusteigen. Auf lange Sicht war diese Angewohnheit ein riesiges Geschenk, denn so übte ich das Beobachten und Schreiben.

Unsere Kindheit war die erste lange Reise meines Lebens. Meine Schwester und ich wuchsen in einem elf Meter langen Wohnwagengespann auf, das kreuz und quer durch Deutschland fuhr. Dieses Gespann war von oben bis unten – nein, andersherum – vollgestopft mit allerlei Krimskrams: Clownpüppchen, Leucht-Jo-Jos, wackelnde Mobilepapageien und ein riesiger Stapel eines halb fertigen Kinderbuches. Unser Vater hatte dieses Skript gezeichnet und geschrieben. Es war eines der ersten Bücher der Kategorie »personalisiertes Kinderbuch«. Jeder Anton, Hannes oder Phillip konnte so als kleiner Lausbengel eine bunte Abenteuergeschichte über sich selbst lesen und die Illustrationen dabei auch noch eigenhändig ausmalen. Nicht dass nur Anton, Hannes, Phillip, oder wie man seine Sprösslinge zu dieser Zeit sonst noch nannte, in der Handlung des Buches eine wichtige Rolle gespielt hätte. Nein, auch Lisa, Hanna oder Marie als beste Freundin war die Heldin dieser Geschichte. Dazu kam noch Bärbel, Birgitt oder Beatrix, die Mutter von Anton, Hannes oder Phillip, und als wäre das noch nicht genug, meldete sich Peter, Michael oder Gunner, der Vater, ebenfalls zu Wort. Wenn Anton, Hannes oder Phillip, aber selbst Lisa, Hanna oder Marie hießen, war das natürlich auch kein Problem.

Um es abzukürzen: Unser Vater vervollständigte jedes Kinderbuch erst dann, wenn sich ein Kind gefunden hatte, dessen Eltern für ein personalisiertes Kinderbuch die Geldbörse zückten. Davon fand er damals einige. So kam es, dass wir in einem noch weitgehend internetfreien Zeitalter zu Märkten und auf Messen dieses Landes fuhren und jeden Tag versuchten, Anton, Lisa, Bärbel und Peter ein kleines bisschen glücklicher zu machen.

Der eigentliche Star des Buches war aber nicht ein auswechselbares Kind oder seine genauso auswechselbaren Freunde und Eltern, sondern Papapillo der Clown. Papapillo war ein großer schlaksiger Kerl mit einem roten Hut, von dem eine noch rötere Blume herabhing. Er trug ein blau-weiß gestreiftes Hemd, gefühlte vier Kilo Clownsschminke im Gesicht und – welch eine Überraschung – viel zu große Schuhe. Natürlich war diese Aufmachung gleichzeitig die Arbeitsuniform unseres Vaters. Unsere Mutter als Mitinitiatorin der ganzen Sache hüpfte, ebenfalls in blau-weiß gestreifter Fanmontur, hinter dem Stand hin und her. Meine Schwester und ich blieben von dem ganzen Schauspiel natürlich keineswegs verschont und wurden kurzerhand in knallbunte selbst gestrickte Zirkus-Clownsjacken gesteckt. Selbst unsere Omi war ein wichtiger Teil dieses verschrobenen Unterfangens und zog des Öfteren mit uns im Wohnwagen umher, nähte Kostüme und bastelte Messestandkulissen. Sie war ein wahres Wunder, wenn es darum ging, unkonventionelle Lösungen aus dem Nichts hervorzuzaubern.

In unseren viel zu bunten, aber heiß geliebten Strickjacken bezogen meine Schwester und ich an jedem neuen Ort tagelang Quartier in einem großen, leeren, mit Decken und Kissen gefüllten Pappkarton unter dem Verkaufstresen. All meine Kinderträume von einem Leben als Indianerin, Archäologin, Alchemistin oder Geheimagentin malte ich mit Wasserfarben auf die Wände der Kartonhöhlen. Mit jedem Markt konnte ich ein anderes Leben führen. Was hätte ich bloß mit einem fertig eingerichteten und immer gleichen Zimmer angefangen, das obendrein so viel gekostet haben musste, dass ich es nicht einmal mit meinen kühnsten Abenteuerträumen hätte besudeln dürfen? Womöglich hätte ich tagein, tagaus vom Leben einer rosa Prinzessin träumen müssen. Ich war froh, ein Kartonkind zu sein.

Wir hatten aber trotz der Widrigkeiten unseres modernen Nomadenlebens, genauso wie Anton, Hannes und Phillip, Freunde. Vor allem mir war das wichtig. Meine Schwester lebte viel in ihrer eigenen Welt und hatte einen imaginären Freund namens Hänschen. Meist besetzte Hänschen genau den Stuhl, auf den ich mich setzen wollte. Der Gepäckträger unseres Kinderfahrrades war ebenfalls stundenlang von ihm besetzt, und so musste ich meist auf dem Lenker fahren, oder mich ganz dicht an den Sattel quetschen, damit wir beide, Hänschen und ich, hinten Platz hatten. Wehe, ich machte es mir zu bequem und Hänschen fiel herunter. Ich konnte ihn ja weder sehen noch spüren, meine Schwester dafür umso mehr.

Vielleicht stolperte ich schon in dieser ersten Episode meines Lebens unwissentlich wieder und wieder über die Grundhaltung des Annehmens. Wer mit zwei Geschwistern, von denen nur eines sichtbar ist, in einem kleinen Pappkarton aufwächst, lernt Toleranz, Offenheit und Inklusion von der Pike auf.

 

Den meisten anderen Schaustellerkindern erging es in ihrem Alltag nicht viel anders als uns. Sie hatten zwar keine unsichtbaren Geschwister, die sogar von den Eltern ernst genommen wurden, dafür aber genauso grässliche Klamotten wie wir. Hänschen war fein raus, er durfte einfach immer anziehen, was er wollte. Wir beide und die anderen Schaustellerkinder aber wurden Mitte der Neunziger noch in Klamotten gesteckt, bei denen man sich nie sicher sein konnte, ob diese bunten Achtzigerfummel überhaupt noch erlaubt waren. Marktfahrereltern hatten andere Probleme als die neusten Modeentwicklungen der Geschichtsschreibung. So teilten wir bunten, aber glücklichen Kinder der Entwurzelung uns die Pappkartonhöhlen unter den Verkaufstresen unserer Eltern, wann immer wir uns in einer anderen Ecke dieses Landes wiedertrafen.

Irgendwann veränderten sich die Dinge ein wenig. Unsere Mutter tauschte ihr blau-weiß gestreiftes Papapillo-Outfit gegen ein langes dunkelrotes Kleid aus fließendem Baumwollstoff. Die feuerroten, wild gelockten Haare hingen offen über die Schultern, und ihre Handgelenke zierten jetzt eine ganze Menge silberner Armreifen. Sie hatte sich als Handleserin Augura selbstständig gemacht. Neben all dem Krimskrams im Wohnwagen musste nun also auch noch ein mittelalterliches Handlesezelt inklusive Interieur Platz finden. Aus Messen wurden vermehrt Mittelaltermärkte, und Papapillo tauschte einige seiner Leucht-Jo-Jos aus Plastik gegen Holzschwerter, Ritterhelme, Klingelschilder aus Keramik und Frühstücksbrettchen aus Holz.

Unsere Eltern waren Meister darin, sich immer wieder neu zu erfinden. Wo eine neue Herausforderung auftauchte, gab es auch einen neuen Weg, der wiederum unverhoffte Abenteuer bot.

Auch meine Schwester, Hänschen und ich hatten ein paar Dinge in unserem Leben mit den neuen Umständen verändert. Unser Quartier bezogen wir jetzt meist in einem abgetrennten Bereich im Zelt unserer Hexenmutter auf einem großen Schaffell. Hier war es mittelalterlich urig und gemütlich. Unser Kinderzimmer hatte neue Dimensionen angenommen. Allerdings durften wir keinen Mucks von uns geben, solange ein Klient oder eine Klientin bei Augura im vorderen Teil des Zeltes saß. Wir durften auch nicht lauschen, weil die Menschen oftmals sehr persönliche Dinge sagten, die nur für die Ohren unserer Mutter bestimmt waren. So krabbelten wir unter der Rückwand des Hexenzeltes hervor und machten unser eigenes Ding.

Auch wir hatten erkannt, dass uns die Mittelaltermärkte neue Chancen boten. Nicht nur, was den Kleidungsstil anbelangte. Wir waren uns schnell einig und hatten kurzerhand beschlossen, einen Zirkus zu gründen. Vater Clown, Mutter Hexe, Bruder unsichtbar. So war es nur vernünftig, wenn wir Mädchen Zirkusartistinnen wurden. Als Hänschen von den neusten Entwicklungen Wind bekam, war auch er sofort mit dabei. Ich war mir nicht sicher, wie gut wir ihn bei unseren Geschäften gebrauchen konnten, aber ich wusste, dass es nichts nützen würde, ihn einfach auszuschließen. Er würde ohnehin irgendwo auftauchen, wo ich ihn nicht erwartet hatte. Nach einer kurzen und intensiven Strategiebesprechung waren wir so weit.

Meine Schwester hatte schon früh Talent und eine unglaubliche Geduld fürs Nähen. Auch wenn es für sie selbst keine Meisterleistung war, hatte sie uns in annehmbare mittelalterliche Lumpen gewickelt. Uns beiden waren diese selbst designten Fummel allemal lieber als die schrillen Achtzigerklamotten. Während Papapillo fleißig Frühstücksbrettchen verzierte und Augura Hände las, gingen wir selbst hinaus auf die Straßen der Mittelaltermärkte. Bewaffnet waren wir mit einem Hula-Hoop-Reifen, akrobatischen Tricks, die wir in ehrgeiziger Eigenregie erarbeitet hatten, und einer Truhe voller Scherben für unsere berüchtigten und todesgefährlichen Fakirkunststücke. Als Bühne diente eine marokkanische Decke aus Auguras Zelt, und direkt davor fand ein umgedrehter alter Hut von Papapillo seinen Platz. Meine einzige Auflage war, dass Hänschen nicht an der Show teilnahm. Ich hatte Bedenken, dass die Menschen während seiner Solonummer das Interesse an unserer Show verlieren würden. Nach einigem Hin und Her waren alle mit dieser Forderung einverstanden.

Wir hatten nun unseren ersten kleinen Zirkus und ein gut gelauntes Publikum im Mittelalterfieber. Was brauchten wir mehr? Abend für Abend klimperte das Kleingeld in Papapillos Hut auf dem Nachhauseweg zum Wohnwagen. Hänschen erzählte uns vor dem Einschlafen noch einmal, wie sehr die Leute geklatscht hatten.

Wir hatten gelernt, dass jedes neue Problem im Annehmen der Umstände auch immer eine neue Lösung birgt, die zu großartigen Ergebnissen führen kann. Es war meine erste Begegnung mit dem Prinzip des Annehmens.

So wurden wir groß, und dieses etwas andere Leben wurde uns in die Wiege, nein, den Pappkarton gelegt. Hänschen hatte sich irgendwann ebenfalls selbstständig gemacht, und ich hoffe, dass er ein anderes Kind gefunden hat, auf das er achtgeben kann. Er war eines Tages verschwunden.

 

Manche Menschen sagen, dass die Seelen der Kinder sich ihre Eltern aussuchen. Darüber weiß ich nicht viel, aber mit Sicherheit passten diese beiden Lebenskünstler zu uns. Uns Kindern blieb sowieso nichts anderes übrig, als das uns auferlegte Schicksal anzunehmen. Wohin hätten wir auch gehen sollen? Clown und Hexe kümmerten sich um uns und versuchten, uns auf dieses Leben vorzubereiten. Auf ihre eigene Art. Wir mussten die Welt, in die der Storch uns geworfen hatte, erst einmal kennenlernen, bevor wir uns unseren eigenen Weg suchten. Heute würde ich sogar behaupten, dass es ziemlich gut gelaufen ist.

Natürlich hatten wir davon Wind bekommen, dass andere Kinder einen Fernseher hatten oder fleißig Diddl-Sticker tauschten, wir hatten unsere eigene Welt aber so sehr angenommen und geliebt, dass wir nur wenig vermissten. Wir hatten früh gelernt, den Gasherd im Wohnwagen selbst zu bedienen, und Augura war geduldig geblieben, wenn die winzige Küche im Wagen nach unseren ersten Versuchen, eine annehmbare Tomatensoße zu zaubern, einem Schlachtfeld geglichen hatte. Selbstständigkeit war ein hohes Gut in einer Familie voller Individualisten, und so waren wir Kinder früh überlebensfähig und hatten eine bunte Welt voller Abenteuer und Spiel. Andere Menschen bezeichneten Augura und Papapillo als Rabeneltern, weil unsere Kleider manchmal fleckig waren und wir unser Essen schon in jungen Jahren selbst kochten. Die Außenmeinung konnte sogar noch drastischer ausfallen.

Eines warmen Frühlingstages auf dem Markt ereignete sich einer der denkwürdigsten Momente unserer Kindheit. Wir waren gerade damit beschäftigt, unseren Manegenteppich in einiger Entfernung des Hexenzeltes auszubreiten, als ein älterer Herr mit vergilbtem Schnauzbart die Straße hinaufgeeilt kam. Für einen Moment blieb er stehen und starrte uns ausdruckslos an. Dann eilte er schnellen Schrittes zum Zelt unserer Mutter, warf die Arme in die Luft und brüllte: »Eine Hexe! Verbrennt sie, die Ketzerin! Ins Feuer mit ihr, sie soll sterben!«

Meine Schwester und ich drückten uns mit pochendem Herzen an den Menschen auf der Straße vorbei und stürmten durch den Hintereingang ins Zelt. Wir heulten wie die Schlosshunde, während der Mann draußen auf der Straße nicht aufhörte, zu schreien. Augura nahm uns in den Arm, versuchte, uns die Ohren zuzuhalten und uns zu beruhigen.

Nach diesem Vorfall hat es eine Weile gedauert, bis Papapillo und Augura unser kindliches Vertrauen in die Welt wieder aufgebaut hatten. Augura hat uns erklärt, wie die Welt früher gewesen war und dass die Menschen trotz ihren schlimmen Taten im Kern gut seien. Die Hexen der früheren Zeit, genauso wie die Hexen der heutigen Zeit, hatten das erkannt. Es war nicht die Zauberei, die den Menschen Angst machte. Hexen waren nichts weiter als starke Frauen, die der Welt etwas zu geben hatten, und von ihrem großen Mut fühlten sich viele Menschen bedroht.

Durch die Art, wie wir aufwuchsen, haben wir viel über die Vergangenheit, die Gegenwart und das Leben im Allgemeinen gelernt und begriffen, dass es wichtig ist, sich selbst und andere Menschen anzunehmen. Wir konnten den Mann auf der Straße nicht einfach wegzaubern, denn auch er existierte auf dieser Welt. Das galt es zu akzeptieren. Aber wir konnten lernen, uns nicht von unserem eigenen Weg abbringen zu lassen. Egal in welchen Realitäten einige Menschen festhängen mögen. Unsere Mutter hat uns gezeigt, dass andere Menschen niemals ein Grund sein sollten, die eigene Lebensweise und die eigenen Werte fallen zu lassen. Sie hat uns gezeigt, wie gut und wichtig es ist, zu sich selbst zu stehen. Wenn andere Menschen uns verurteilen, dann nur, weil ihnen wichtige Informationen fehlen. Jede neue Situation und jeder Mensch können uns bereichern, wenn wir uns in einer annehmenden Grundhaltung öffnen.

Sicherlich haben wir kein Bilderbuchfamilienleben geführt, dafür hatten wir aber Eltern, die uns liebten, ernst nahmen, frei ließen und für allen Bockmist geradestanden, den wir bauten. Das Anderssein war nicht immer leicht, doch durch das Annehmen unserer eigenen Andersartigkeit erlebten wir Großartiges. Auf den Messen und Märkten verstanden wir immer besser, dass alle Menschen gleich sind und dass dennoch jeder anders ist. Wir erfuhren, dass es keine einzig wahre Wahrheit auf dieser Welt gibt und dass das Leben leichter wird, wenn wir das Schwarze im Weißen und das Weiße im Schwarzen annehmen. Wir müssen nicht versuchen, Schwarz und Weiß voneinander zu trennen, denn sie sind unzertrennlich. Wir dürfen annehmen, beobachten und genießen, wie interessant das Leben ist und bleibt.

Manche Menschen sagen, dass Kinder und Clowns sich ähneln. Beide fühlen sich groß und nehmen sich selbst sehr ernst. Dabei kennen sie die Normen der Gesellschaft und die Physik von Tomatensoßenpackungen nicht gut genug und kleckern oder stolpern. Sie hinterfragen noch nicht alles und folgen ihren Impulsen.

Jedes Problem bietet ein Potenzial, das sich erst zeigt, wenn wir gelernt haben, wirklich hinzusehen. Wenn wir Probleme und Herausforderungen nicht wahrnehmen, sondern gar ablehnen, entscheiden wir uns zum Stillstand. Nur durch das Annehmen, das Einlassen entsteht Entwicklung. Wie solltest du die Gegebenheiten deines Lebens verändern, wenn du nicht akzeptierst, dass sie da sind?

Augura war eine unglaublich gute und geübte Handleserin, aber sie konnte nur die Menschen mit der Handleserei bereichern, die sich bereichern lassen wollten. Schließlich war sie eine Hexe und keine Zauberin.

Die grandiose Einfachheit des Lebens

Ich habe erfahren, dass nicht alles auf dieser Welt gut ist, aber dass wir besser werden können, wenn wir das Schlechte annehmen und darin die guten Aspekte finden, die uns in eine positivere Richtung lenken. Durch Erlebnisse wie das mit dem frauenfeindlichen Mann auf dem Mittelaltermarkt konnten wir auf lange Sicht zu stärkeren Frauen werden. Das bedeutet nicht, dass alle negativen Erlebnisse zu positiven gemacht werden können, dass aber im Schwarzen irgendwo das Weiße verborgen ist und im Weißen das Schwarze. Manchmal müssen wir lange danach suchen. Finden können wir den jeweils anderen Aspekt nur, wenn wir annehmen, dass es beide Seiten gibt. Bereichern können uns die Ereignisse in unserem Leben nur, wenn wir eine Entscheidung dafür treffen, auf welchen Aspekt wir unseren Fokus legen wollen. Fokus ist kein Zufall. Fokus ist eine Entscheidung. Somit ist auch Glück im Leben auf Dauer eine Entscheidung.

Das Leben wirklich anzunehmen und zu lieben ist eine Flamme in uns, ein Feuer, das brennt. Dieses Leuchten besitzt eine noch viel größere und konstantere Anziehungskraft als das Drama. Es ist eine Entscheidung zum »Ja«, die jeder einzelne Mensch für sich selbst trifft – oder eben nicht. Das Leben sagt ständig Ja. Die Natur ist ein Kreislauf, und alles geschieht für ihren eigenen Erhalt. Kinder werden aus diesem lebensbejahenden Kreislauf hervorgebracht, und das Leben schreitet voran, ob wir nun wollen oder nicht. Nur wenn wir den Kreislauf des Lebens annehmen, können wir die Potenziale sehen, die darin verborgen sind.

Kommen wir noch einmal zurück zur annehmenden Grundhaltung in der Clownerie. Clowns spielen auf der Bühne gerne mit alltäglichen Situationen. Je besser ein Clown das Leben beobachtet, desto besser kann er die Einfachheit des Lebens auf der Bühne inszenieren und die Zuschauer durch den Spiegel seiner Inszenierung bereichern. Denn gerade hier, in der Einfachheit der Dinge, die doch so schwer zu finden ist, liegt ein Schlüssel zum Erfolg. So wie in der Clownerie kann auch jeder Mensch die Weisheit der eigenen Einfachheit in sich entdecken. Durch das Annehmen finden wir ein Potenzial im Problem, weil wir bereit sind, das Problem zu erkennen. Solange wir versuchen, das Problem zu ignorieren, oder uns gar damit identifizieren, uns gegen den Kreislauf des Lebens zu wehren versuchen, nehmen wir uns selbst die Chance zur Lösung.

Das Leben ist kunterbunt. Es verändert sich ständig, und Garantien gibt es keine auf dieser Welt. Wenn wir jedoch den Fluss des Lebens annehmen, wird er uns auf wundersame Weise mitreißen.

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Indien Sehen, was wir zu wissen glauben

Eine Geschichte über die Neugier

Fokus ist das Zauberwort

Neuclowns haben manchmal Angst davor, nicht lustig zu sein. Was, wenn keiner lacht? So beginnen manche von ihnen, wild herumzuhampeln, Furzgeräusche von sich zu geben oder Dinge zu reproduzieren, die sie selbst in einer Clownsshow beobachtet haben. Für Clowninnen und Clowns stellt sich somit folgende Frage: Wie gelingt es überhaupt, Menschen zum Lachen zu bringen? Auf unser Leben übertragen, bedeutet das ganz einfach: Wie gelingen Vorhaben?

Ob etwas gelungen ist, ist dabei übrigens Ermessenssache des Betrachters, denn wie wir wissen, kann selbst das Scheitern gut gelingen, wenn wir es annehmen und eine Chance darin erkennen.

Es gibt in der Clownerie einen Weg, die Neugier der Zuschauer zu wecken, und dieser Weg ist noch viel einfacher als sinnloses Hampeln. Dieses Prinzip ist so logisch und klar wie ein Naturgesetz: Willst du Spannung erzeugen, dann sei selbst gespannt. Fokus ist das Zauberwort. Willst du die Menschen also neugierig auf dich machen, dann sei selbst neugierig! Dieses Prinzip lässt sich ganz einfach auf das Leben übertragen: Neugierige Menschen haben eine unglaubliche Anziehungskraft auf andere. Sie sind interessant, denn sie sind selbst interessiert. Somit haben sie anderen Menschen etwas zu geben. Sie fordern keine Aufmerksamkeit, sie fordern kein Lachen, sie eröffnen uns mit ihrem eigenen Interesse lediglich neue Welten, in die wir zuvor nie hineingeschaut haben. Neugierige Menschen öffnen Türen, für sich und andere. So erreichen sie ihre Ziele. Neugierige Menschen sind inspirierend, weil sie selbst inspiriert sind und sich inspirieren lassen. Was du für inspirationswürdig hältst, ist völlig egal. Sobald du deinem Tun und somit deinem Leben einen eigenen Sinn verleihst, wirst du es schaffen, neugierig und inspiriert zu sein.

Wenn du mit Neugier und ehrlichem Interesse an anderen Menschen, an dir selbst, an deiner Umgebung und der Natur durch dein Leben gehst, verleihst du deinem Tun in jedem Moment einen größeren Sinn. Du musst nicht um Anerkennung kämpfen, denn du kannst Anerkennung geben. Neugier ist eine Entscheidung zu innerem Wachstum, Kreativität und Eigensinn.

Triff eine Entscheidung! Mach dir die Welt, wie sie dir gefällt. Es gibt ohnehin keinen objektiven Sinn auf dieser Welt, also ist es an dir, deinem eigenen Tun einen Sinn zu verleihen. Du kannst nur das sehen, was du zu wissen glaubst. Jeder Mensch auf dieser Welt blickt durch eine subjektive Brille aus Lebenserfahrung und Glaubenssätzen. Diese Brille kannst du dir so hinbiegen, dass sie dir passt. Absetzen wirst du sie nicht, solange du lebst. Mach dir also nichts draus, sondern vertraue auf das, was du zu wissen glaubst. Vertraue auf deinen Eigensinn und auf dein Herz, denn wenn dein Sinn dir und der Welt dient, wird er dich immer weitertreiben. Wecke das Interesse anderer, indem du selbst interessiert bist.

Der Weg nach Indien

Soweit ich weiß, war Kolumbus aufgebrochen, um einen schnelleren Seeweg nach Indien zu finden – und bescherte mir als Kind damit ewige Verwirrung rund um die Begriffe »Inder« und »Indianer«. Was um alles in der Welt hatten diese beiden miteinander zu tun? Irgendwann erklärte mir mein Opa, dass Kolumbus quasi aus Versehen in Nordamerika gestrandet war. Er hatte die Menschen dort für Inder gehalten und sie kurzerhand »los indios« genannt. Später versuchte man dann, dieses Missverständnis durch die Unterscheidung von Indern und Indianern aufzuklären. Er hat eben auch nur gesehen, was er zu wissen geglaubt hat. Das hätte schließlich jedem passieren können …