6,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 6,99 €
Als die Journalistin Mina für eine Reportage über ein Tierheim in Cornwall recherchiert, kann sie ihren Augen nicht trauen: Ausgerechnet Christopher leitet das Tierheim - der Mann, mit dem Mina vor zwölf Jahren für immer abgeschlossen hat und den sie nie wiedersehen wollte.
Doch auch wenn Mina und Christopher die Wunden der Vergangenheit nicht ignorieren können, schlagen ihre Herzen noch immer füreinander. Das scheinen auch die Tiere des Heims zu spüren, allen voran der liebenswerte, blinde Dackelwelpe Lilly. Dank der Arbeit mit den Vierbeinern näheren sich die Mina und Christopher einander vorsichtig an. Doch als alte Geheimnisse ans Licht kommen, werden ihre neu entflammten Gefühle auf eine harte Probe gestellt ...
Ein wunderschöner Second-Chance-Liebesroman mit viel Gefühl und Herz. Weil die Liebe sich manchmal einfach auf ganz leisen Pfoten anschleicht.
Alle Romane dieser Reihe sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden. Wir haben die Geschichten sorgsam für dich ausgewählt. Für alle Tierfreunde und Leserinnen und Leser von wunderschönen Liebesromanen mit Herz und Pfote.
eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 377
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Grußwort des Verlags
Über dieses Buch
Titel
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
32. Kapitel
Über die Autorin
Impressum
Liebe Leserin, lieber Leser,
herzlichen Dank, dass du dich für ein Buch von beHEARTBEAT entschieden hast. Die Bücher in unserem Programm haben wir mit viel Liebe ausgewählt und mit Leidenschaft lektoriert. Denn wir möchten, dass du bei jedem beHEARTBEAT-Buch dieses unbeschreibliche Herzklopfen verspürst.
Wir freuen uns, wenn du Teil der beHEARTBEAT-Community werden möchtest und deine Liebe fürs Lesen mit uns und anderen Leserinnen und Lesern teilst. Du findest uns unter be-heartbeat.de oder auf Instagram und Facebook.
Du möchtest nie wieder neue Bücher aus unserem Programm, Gewinnspiele und Preis-Aktionen verpassen? Dann melde dich für unseren kostenlosen Newsletter an:be-heartbeat.de/newsletter
Viel Freude beim Lesen und Verlieben!
Dein beHEARTBEAT-Team
Melde dich hier für unseren Newsletter an:
Zwölf Jahre ist es her, dass Mina und Christopher eine magische Nacht miteinander verbracht haben. Doch am nächsten Tag erfährt sie ein Geheimnis über ihre Eltern, das alles verändert. Sofort bricht sie den Kontakt zu Christopher ab. Heute lebt Mina als Journalistin in London und hat die Liebe längst hinter sich gelassen. Aber als sie für eine Reportage über ein Tierheim in Cornwall recherchiert, holt sie die Vergangenheit ein: Der Leiter des Tierheims ist kein anderer als Christopher, der Mann, den sie nie wiedersehen wollte.
Die Wiedersehensfreude hält sich auf beiden Seiten in Grenzen. Mina und Christopher können die Wunden der Vergangenheit nicht ignorieren, aber ihre Herzen schlagen noch immer füreinander. Dank Lilly, einem liebenswerten, blinden Dackelwelpen, und anderen Tieren im Heim nähern sie sich vorsichtig an. Doch als alte Geheimnisse ans Licht kommen, werden ihre neu entflammten Gefühle auf eine harte Probe gestellt. Hat ihre Liebe eine zweite Chance verdient?
Molly Blum
Große Träumeauf kleinen Pfoten
Roman
Die Beats von Adeles Send my Love rissen mich unsanft aus meinen Träumen. Im halb wachen Zustand tastete ich nach dem Smartphone auf dem Nachttisch, schaltete den Wecker aus und ließ mich stöhnend zurück ins Kissen fallen. Es war genau sieben Uhr, und ich hasste es, um diese Zeit aufzustehen.
Am liebsten würde ich jeden Morgen bis mindestens neun Uhr schlafen, dann ganz in Ruhe mehrere Tassen starken, schwarzen Kaffee trinken, dabei durch Instagram scrollen und danach, gegen elf Uhr, zur Arbeit gehen. Aber leider fand unsere Redaktionskonferenz bei The Weekly, dem Magazin, für das mein Freund Tom und ich arbeiteten – er als Fotograf, ich als Redakteurin –, schon um Punkt neun statt.
Tom, der mich normalerweise kurz nach dem Klingeln des Weckers aus dem Bett jagte, war seit zwei Tagen für eine Fotostrecke unterwegs. Also beschloss ich, noch ein bisschen liegen zu bleiben und rollte mich auf »seine« Seite, die so herrlich vertraut nach ihm roch.
Am kommenden Samstag waren wir auf den Tag genau fünf Jahre zusammen. Um unseren Jahrestag zu feiern, hatte ich einen Tisch im Clarke's reserviert, einem meiner Lieblingslokale. Seit dem Tag, an dem Tom und ich uns kennengelernt hatten, war ich Vegetarierin. Das hatte allerdings nichts mit ihm zu tun.
Damals hatten wir gemeinsam über eine Filmpremiere und die Pressekonferenz dazu berichten sollen. Ich war zu diesem Zeitpunkt noch ganz neu bei The Weekly gewesen. Die Geschichte des Films – es ging um ein Mädchen, das sein Leben riskiert, um ein niedliches Schwein vor dem Schlachter zu retten –, nahm mich so mit, dass ich in Tränen aufgelöst war und weder dem Regisseur noch der berühmten Hauptdarstellerin auch nur eine vernünftige Frage stellen konnte. Tom übernahm – und zum Dank lud ich ihn abends zum Essen ein, in einen kleinen Pub auf der Colebroke Row. Das war der Anfang unserer Geschichte ...
Meinen fünfundzwanzigsten Geburtstag verbrachten wir in Polperro in Cornwall, dem allerromantischsten Ort der Welt. Drei Monate später zogen wir gemeinsam in die Wohnung meiner Tante Liz, der Schwester meiner Mutter, in Shoreditch.
Allerdings stellten wir schon bald fest, dass wir doch ziemlich unterschiedliche Vorstellungen vom täglichen Leben hatten. Ich war ein Hundemensch – Tom mochte Katzen. Er joggte jeden Morgen und ging dreimal die Woche ins Fitnessstudio. Für mich war eine Stunde Pilates pro Woche die Höchstleistung. Tom aß keinen Zucker, ich war regelrecht süchtig nach Kuchen. Er war sparsam, ich wäre gerne sparsam. Aber man musste ja nicht unbedingt seelenverwandt sein, um eine glückliche Beziehung zu führen, oder?
Ich konnte kaum erwarten, dass es endlich Samstag wurde. Wir brauchten dringend Zeit für uns allein. Tom war so viel unterwegs, und in den letzten Monaten war es häufig vorgekommen, dass Tara, unsere Chefredakteurin, mich ausgerechnet an den Tagen, an denen er zu Hause in London war, mit Artikeln beauftrage, für die ich verreisen musste.
Ich öffnete meine Instagram-App. In erster Linie folgte ich Reise- und Back-Accounts. Eine Foodbloggerin empfahl ein köstliches Rezept für den »saftigsten Zitronenkuchen der Welt«: Das würde ich am Wochenende ganz bestimmt ausprobieren!
Immer noch nicht ganz wach, checkte ich, ob Charly eine neue Story gepostet hatte. Meine beste Freundin nahm gerade an einem Astrologiekurs auf Mallorca teil, weil sie vorhatte, in ihrem kleinen Café auf der Golborne Road demnächst auch Horoskope für ihre Gäste zu erstellen.
Eine Benachrichtigung verriet mir, dass mich jemand auf einem Bild getagged hatte. Der Account sagte mir nichts: Cupcake2022. Wahrscheinlich ein Backfan, so wie ich. Doch der Account bestand nur aus einem einzigen Bild. Dem Foto, auf dem ich markiert worden war. Und das zeigte keinen Kuchen und keinen Cupcake. Auf dem Bild war mein Freund Tom zu sehen, wie er Tara küsste. Meine – und auch seine Chefin. Und zwar nicht freundschaftlich flüchtig auf die Wange. Sondern leidenschaftlich, mit geschlossenen Augen.
Mein Blick verschwamm, und ich blinzelte. Wer hatte das aufgenommen? War das ... ein Scherz? Ich zoomte das Bild heran und bemerkte Toms Arme um Taras Taille. Das konnte nicht sein.
Ich tippte mit zitternden Fingern auf seine Nummer, mein Herzschlag beschleunigte sich. Doch ich landete sofort auf seiner Mailbox. Schnell schrieb ich ihm eine Nachricht.
Ruf mich bitte sofort zurück!
Ich sprang aus dem Bett und rannte in die Küche; ich brauchte dringend einen Kaffee, um klar denken zu können. Mit der dampfenden Tasse lief ich unruhig auf und ab. Dann wählte ich noch einmal Toms Nummer. Jetzt klingelte es zwar, aber er ging nicht ran. Ich schickte ihm eine weitere Nachricht, während sich mein Magen anfühlte, als wäre er mit riesigen Steinen gefüllt:
Es ist dringend!
Pling! Tom hatte zurückgeschrieben:
Schatz, was ist denn los, ich bin schon bei der Arbeit.
Kannst du kurz sprechen?
Schlecht. Ist etwas passiert?
Ja. Ich habe gerade ein sehr merkwürdiges Foto gesehen, warte ... Ich schicke es dir.
Ich machte einen Screenshot des Instagram-Posts und leitete ihn an Tom weiter. Nach zehn Sekunden klingelte mein Handy.
»Was ist denn das für ein Quatsch?« Toms Stimme klang ärgerlich. »Wo hast du das her?«
»Von Instagram. So ein merkwürdiger Privat-Account hat mich getaggt.«
»Ach, Mina.« Jetzt lachte er, aber es klang falsch. »Irgendjemand will dich ärgern. Hast du dir in letzter Zeit Feindinnen gemacht?«
»Was meinst du damit?«, fragte ich, während ich mich aufs Bett setzte.
»Dass das eine Fotomontage ist. Gerade du als Journalistin müsstest doch wissen, wie leicht man mithilfe von KI Bilder faken kann. Da hat sich jemand einen schlechten Scherz erlaubt.«
Ich atmete tief durch. Vor Erleichterung schossen mir Tränen in die Augen. »Puh, du kannst dir gar nicht vorstellen ...«
»Mina, ich muss jetzt zurück ans Set, wir sprechen nachher, okay?«
Gerade als ich antworten wollte, hörte ich durchs Telefon, wie jemand nach Tom rief. »Schatz?«
Welche Frau nannte Tom »Schatz«? Ich presste den Hörer dicht an mein Ohr – und mir wurde schlecht. Ich kannte die weibliche Stimme im Hintergrund. Sie gehörte Tara.
»Tom? Das glaube ich nicht! Warum hast du ... « Meine Tonlage sprang zwei Oktaven höher.
Die Verbindung wurde unterbrochen.
Hatte Tom etwa aufgelegt? Ich tippte sofort wieder auf seine Nummer ...
Mailbox.
Das Handy rutschte mir aus den Fingern und schlug mit einem scharfen Knall auf dem Boden auf. Das durfte nicht wahr sein. Mein Freund und unsere Chefredakteurin hatten ... eine Affäre? Ein scheußlicher Schmerz breitete sich in meiner Brust aus, und ich fing hemmungslos an zu weinen. Ich musste mit Charly sprechen. Mühsam hob ich das Telefon auf.
Auch bei ihr sprang die Mailbox an. Hektisch versuchte ich es immer wieder. Erst nach dem zwölften Anruf gab ich auf. Ich sank in die Kissen und schloss die Augen. Eine eiserne Klaue schloss sich um mein Herz.
Als Charly nach zwanzig Minuten zurückrief und ich ihr schluchzend schilderte, was passiert war, schäumte sie vor Wut. »Dieses Arschloch, ich mach ihn fertig! Und, Mina, das war kein einmaliger Ausrutscher. Irgendjemand hat das Foto mit Absicht an dich geschickt und wollte, dass du von der Affäre erfährst, entweder Tara selbst oder einer eurer Kollegen, der den ganzen Mist mitbekommen hat. Ich buche mir den nächsten Flug. Spätestens heute Abend bin ich bei dir.«
»Wie konntest du nur, Tom?«, flüsterte ich tonlos. War ich denn so blind gewesen? Die Frage drehte sich in Endlosschleife in meinem Kopf.
Ich ließ noch einmal unsere letzten Office-Partys Revue passieren: Weihnachtscocktail, Sommerfest, Geburtstag des Verlegers, Abschied der Fotochefin ... Kein einziges Mal waren mir verstohlene Blicke zwischen Tara und Tom aufgefallen oder kleine vertraute Bemerkungen. Sie gingen völlig unauffällig miteinander um, wie Kollegen eben. Wahrscheinlich hatten sie ihre Lügen und Heimlichkeiten bis ins kleinste Detail geplant und sich währenddessen köstlich über meine Naivität amüsiert.
Ich hatte Tom vertraut. Und mich in ihm getäuscht.
Charly, die wie ich nach der Schule von Plymouth nach London gezogen war, hatte von Anfang Probleme mit ihm gehabt. »Ein Mann, der mehr Cremes besitzt als du, hat ein zu großes Ego.« Ihr Urteil, nachdem sie unser gemeinsames Bad inspiziert hatte. »Und dass er zu jedem Thema irgendwas Spektakuläres beitragen muss, nervt: Jugendmeister im Rückenschwimmen, den Einzug ins olympische Team nur verpasst, weil er den Trainer mal auf den Pott gesetzt hat, fünf Kriminelle ganz allein in einer dunklen Gasse in Manchester fertiggemacht ... Ich kann die Leier echt nicht mehr hören, Mina.«
Jeder Mann hatte nun mal seine Macken, sagte ich mir – und konnte mit Toms gut leben.
Es läutete an der Haustür, und ich zog mir die Decke über den Kopf. Mein Körper schmerzte schon bei der kleinsten Bewegung, das Gefühl von Hoffnungslosigkeit erfüllte mich. Das Allerschlimmste an Toms Betrug war nämlich, dass ich mir einen neuen Job suchen musste, und zwar umgehend. Keinen Tag länger wollte ich für diese widerwärtige Person arbeiten, die mit meinem Freund schlief.
Dabei hasste ich Abschiede. Denn wenn einem etwas Vertrautes verloren ging, ob das ein Mensch war, eine Gewohnheit oder ein Ort, dann ging auch ein Stück von einem selbst mit verloren. Heute stand mir so ein Verlust also gleich doppelt bevor, im Job und in der Liebe. Ich hatte das Gefühl, dass es nichts gab, an dem ich mich festhalten konnte.
Ich dämmerte vor mich hin, bis Charly am frühen Abend direkt vom Flughafen zu mir kam und Sturm klingelte. Mühsam schleppte ich mich zur Tür. Sie hatte einen riesigen Schokoladenkuchen dabei, hielt mich minutenlang fest in den Armen und bot mir an, für eine Weile bei mir einzuziehen. Doch ich wollte einfach nur allein sein.
Die nächsten drei Tage verbrachte ich mit Schlafen und schnulzigen Filmen und Serien. Nachdem ich Das Schicksal ist ein mieser Verräter und die Serie Zwei an einem Tag gesehen hatte, war ich mir sicher: Die glücklichste Liebe ist die, die am Ende unerfüllt bleibt.
Sechs Wochen später
»Können Sie mal aus dem Weg gehen?« Der Mann, der sich ächzend die zwei letzten Umzugskisten aufgeladen hatte, sah mich genervt an. »Ja, klar ... Entschuldigung.«
Ich bewegte mich ein paar Schritte rückwärts und stieß gegen die Elefantenvase auf der Fensterbank, die krachend zu Boden fiel.
Der Typ verdrehte die Augen. »Aber nicht, dass Sie nachher behaupten, das wäre ich gewesen«, brummte er und schleppte seine Last durch die Wohnungstür.
Ich schlug sie laut hinter ihm zu und spürte, wie Tränen in mir aufstiegen. Reiß dich zusammen, Mina! Die Vase hatten Tom und ich vor zwei Jahren auf dem Flohmarkt in Hackney gekauft, weil ich mich unsterblich in sie verliebt hatte. Unsere erste gemeinsame Investition ...
Ich schluckte den Kloß in meinem Hals herunter, ging in die Küche und schnappte mir Schaufel und Besen, um die Scherben aufzukehren. Ich wusste genau, was Charly nachher sagen würde, wenn ich ihr davon erzählte. Das sei ein Zeichen des Universums. Weg mit allem, was mich an Tom erinnerte. Auch, wenn dabei eines meiner geliebten Rüsseltiere daran glauben musste.
Ein Umzug war für mich nicht infrage gekommen, auch wenn ich ganz kurz darüber nachgedacht hatte, weil mich tausend Kleinigkeiten hier an Tom erinnerten. Die knarrenden Dielenböden im Schlafzimmer, über die er sich gleich am Anfang beschwert hatte, sodass ich schnell einen weichen, blau-weiß getupften Teppich gekauft hatte. Der alte Kamin im winzigen Wohnzimmer, an dem er sich vorletztes Weihnachten verbrannt hatte. Die geblümten Vorhänge, die er eigentlich zu kitschig gefunden hatte ... Charly hatte die Wohnung zwar stundenlang mit weißem Salbei »ausgeräuchert«, aber die Erinnerungen waren hartnäckig geblieben.
Ich beobachtete durchs Fenster den Transporteur, der die Kartons schwerfällig in den Van einlud, und verzog das Gesicht. Eigentlich mochte ich den Blick aus meinem Wohnzimmerfenster: Ich sah direkt auf die Weinhandlung eines Freundes auf der gegenüberliegenden Straßenseite und auf ein niedriges rotes Backsteinhaus, auf dessen Fassaden sich Graffiti-Künstler verewigt haben.
Ich hätte doch ein paar alte Fischreste vom Markt zwischen Toms Klamotten verstecken sollen, wie Charly es vorgeschlagen hatte, dachte ich, nachdem sich der Van mit Toms Hab und Gut in Bewegung gesetzt hatte. Jetzt verschwand der Van gerade mit Toms Sachen um die Ecke und aus meinem Blickfeld.
Es war meine dritte Woche als freie Redakteurin für das Country & Life-Magazin, das sich in erster Linie mit Geschichten über das britische Landleben beschäftigte. Die Stelle war zwar nicht mit meinem alten Job zu vergleichen, für den ich durch halb Europa gereist war und auch den ein oder anderen bekannten Schauspieler interviewt hatte. Aber nach meiner Kündigung wollte ich auf gar keinen Fall in ein noch tieferes Loch fallen und nahm den Job vor allem deshalb an, weil ich den Chefredakteur so sympathisch fand.
Mittwochs um fünfzehn Uhr hatten wir Konferenz, und dazu waren auch alle freien Mitarbeiter eingeladen. Heute wollte ich eine Serie über ausgefallene kleine Weinläden vorschlagen, um meinem Freund Harry von Gegenüber einen Gefallen zu tun. Sein Laden befand sich zwar nicht auf dem Land, aber irgendwie würde ich ihn schon in die Geschichte reinschummeln. In den letzten Wochen war er viel für mich da gewesen.
Ich war wie immer etwas zu spät dran. Es war bereits zwanzig vor drei Uhr, und mein Anblick im Badezimmerspiegel trug nicht gerade dazu bei, meine Stimmung zu heben. Unter meinen großen blauen Augen hatten sich tiefe Schatten eingegraben, meine Haut war blass und fahl, sodass die Sommersprossen herausstachen, meine dunklen Locken, die mir über die Schultern fielen, sahen stumpf und zerzaust aus und konnten dringend mal wieder einen Friseurbesuch gebrauchen.
Schnell trug ich etwas Lipgloss und Rouge auf, fuhr mir mit der Bürste durchs Haar, zog meine Jeansjacke über mein Kleid und verließ die nun halb leere Wohnung.
In dem Moment, in dem ich aufs Fahrrad stieg, fing es an zu tröpfeln. Aber das störte mich nicht. Ich mochte den Geruch von Shoreditch im Regen, vor allem jetzt, im Mai, wenn überall die Bäume blühten: eine Mischung aus feuchtem Asphalt, Curry, Abgasen und exotischen Blumen.
Während ich durch die kleinen Straßen radelte, an den mit Streetart geschmückten Häuserfronten vorbei, an Coffeeshops und Vintage-Läden, schlug mein Herz höher. Ich liebte diese Gegend im Osten Londons, auch wenn sie sich in den fünf Jahren, die ich hier nun schon lebte, stark verändert hatte.
Viele der alten Lager- und Fabrikhallen waren in stylishe Co-Working-Places oder Galerien verwandelt worden, die Tische in den cool designten Restaurants und Bars, die sich zwischen heruntergekommenen Backsteinhäusern angesiedelt hatten, heiß begehrt.
Ich winkte Mrs. Taylor zu, die auf einem alten Klappstuhl inmitten von Rosen, Freesien und Lilien vor ihrem Blumengeschäft saß, und nahm mir vor, sie in den nächsten Tagen zu besuchen. Seit ihr Mann vor fast einem Jahr gestorben war, fühlte sie sich sehr allein. Meistens brachte ich ihr das Kreuzworträtsel aus der Times mit, das wir dann gemeinsam lösten. Dazu servierte sie köstliche selbst gebackene Vanillekekse.
Die Redaktion von Country & Life befand sich in einer alten Druckerei, direkt am London Fields Park – und gleich um die Ecke von einer meiner liebsten Bäckereien. Das Sauerteigbrot dort war berühmt für seine knusprige, dicke Kruste. Hoffentlich war nach der Konferenz noch eines für mich übrig!
Leicht durchnässt hastete ich an Mrs. Miller am Empfang vorbei. Über den Rand ihrer Brille hinweg warf sie mir einen tadelnden Blick zu – meine Haare standen bei Regen immer wild in alle Richtungen, aber ich hatte keine Zeit, sie vor dem Spiegel in der Damentoilette wieder in Form zu bringen: Es war eine Minute vor fünfzehn Uhr, und ich wollte auf gar keinen Fall zu spät kommen. Die Tür zum Konferenzraum stand Gott sei Dank noch offen. Ich ließ mich auf einen freien Stuhl fallen und zog meine tropfende Jacke aus.
»Brauchen Sie vielleicht ein Handtuch, Miss Marlowe?«, fragte mich Edward Tucker, der Chefredakteur, mit gerunzelter Stirn. Er war Anfang sechzig, rauchte Kette, und seine tiefe Stimme klang immer ein bisschen heiser. Ich hatte ihn noch nie ohne Jackett und Fliege gesehen.
»Nein, danke«, antwortete ich etwas außer Atem, »alles gut.« Ich lächelte entschuldigend in die Runde.
»Na, dann starten wir. Mrs White, was steht diese Woche an?«
Violet White, die schon seit über zwanzig Jahren im Team und mittlerweile Textchefin war, referierte über ein Jubiläumspicknick im Park von Guildford Castle und Neuigkeiten vom Glyndebourne Festival. Mit ihrem strengen Haarknoten, den weit auseinanderstehenden Augen, dem blauen Hosenanzug und dem großen Muttermal auf der Wange erinnerte sie mich an Mrs. Knüppelkuh, die fiese Lehrerin aus dem Film Matilda – zumal sie ziemlich gemein werden konnte, wenn ihr ein Text nicht gefiel. Das hatte ich bisher zum Glück noch nicht am eigenen Leib erfahren.
Mein Blick schweifte zu Fred, dem Fotoredakteur, der neben Tucker saß. Er war etwa so alt wie ich, um die dreißig, hatte eine Glatze und ein Schlangen-Tattoo am Hals. Am Sonntag hatte ich ihn mit seinem Freund zufällig auf dem Columbia Flower Market getroffen. Wir hatten uns in einer Bäckerei Schokotörtchen und Kaffee geholt. Und in der vergangenen Woche hatte er mich zu Leona Mills, einer Gemüsehändlerin in Lavenham, begleitet und Fotos für meine Reportage über sie gemacht.
Ihr Laden, den sie in vierter Generation führte, sollte abgerissen werden, um neuen Luxus-Wohnungen Platz zu machen – eine himmelschreiende Ungerechtigkeit! Und eine Geschichte, die mir sehr am Herzen lag, weil ich hoffte, dass mein Artikel dazu beitrug, diesen Immobilien-Hai auszubremsen. Das war das Schöne an meiner Arbeit als Journalistin: dass ich ab und zu jemandem helfen konnte.
»Wäre das nicht etwas für Sie, Miss Marlowe? Sie können diese gefühligen Storys doch ganz gut.« Tuckers Schmirgelpapier-Stimme riss mich aus meinen Gedanken.
»Ähm ...« Er sah mich ungeduldig an. Mist, ich hatte nicht zugehört.
»Mrs. Hackett, dann erzählen Sie bitte noch mal«, sagte er zu einer Frau um die vierzig mit blondem Pagenkopf, die mir gegenübersaß.
Sie lächelte. »Es geht um ein privates Tierheim in Cornwall, in der Nähe von Fowey. Genauer gesagt, um Cranley Manor, ein Farmhaus, das die Mieter in ein Tierheim verwandelt haben, natürlich mit der Genehmigung ihres Vermieters. Es heißt Paula's Paradise, und es leben ungefähr vierzig gerettete Hunde dort. Doch jetzt ist der Besitzer des Anwesens gestorben, und sein Erbe will daraus ein schickes Landhotel machen. Eine Katastrophe für die Mieter und ihre Tiere! Es gibt bereits eine Kampagne auf Facebook, wir sollten unbedingt darüber berichten. Die armen Hunde!«
Alle nickten zustimmend. Und ich beschloss, meinen Vorschlag für die Reportage über Weinläden aufs nächste Meeting zu verschieben.
Ich hatte mir für die Fahrt nach Fowey Charlys altes rotes Käfer Cabrio geliehen und eine Übernachtung in einem einfachen Bed & Breakfast gebucht. Ich hatte riesige Lust, mich nachmittags nach dem Termin auf Cranley Manor in eines der kleinen Cafés in Fowey mit Blick aufs Meer zu setzen, die frische salzige Luft zu genießen, frische Krabben zu essen, Leute zu gucken und zu lesen.
Am nächsten Tag würde ich gemütlich am Vormittag zurückfahren – als der Wecker heute um sechs Uhr in der Frühe geklingelt hatte, hatte ich kurz, aber herzhaft geflucht.
Fred konnte mich leider nicht begleiten. Aber falls die Fotos, die ich mit meinem Smartphone machen würde, nicht gut genug wären, hatte er netterweise angeboten, das Tierheim am kommenden Wochenende zu fotografieren.
Von London aus brauchte man etwa fünf Stunden nach Cornwall, an die Südwestspitze Englands, noch mal eine Stunde länger als in meine Heimat Plymouth.
Mein Kopf dröhnte. Es war keine gute Idee gewesen, gestern Abend vor dem Fernseher allein die Flasche Rotwein zu leeren, die seit einem halben Jahr offen in der Küche gestanden hatte. Der Wein hatte sehr sauer geschmeckt, beinahe wie Essig, trotzdem hatte er ein paar meiner traurigen Gedanken ertränkt.
Ich hatte an meine letzte Reise nach Cornwall denken müssen. Mit Tom. Wir hatten in dem kleinen Dörfchen Polperro ein winziges, heimeliges Cottage mit Blick aufs Meer gemietet, mit knisterndem Feuer im Kamin und einem Schaffell davor. Es war so romantisch gewesen! Wir hatten das Cottage damals kaum verlassen, außer um im Pub an der Ecke, dem Wild Donkey, zu Abend zu essen. Ob es das Lokal noch gab? Ab und zu musste ich an das nette Ehepaar denken, das ihn betrieben hatte. June und Hans.
Ich versuchte, Tom aus meinen Gedanken zu verbannen, als ich im Kreisverkehr kurz vor Lostwithiel die erste Ausfahrt nahm. Die Straße führte an sanftgrünen Hügeln vorbei, auf denen Schafherden grasten, an uralten Kirchen und grauen, schiefergedeckten Cottages, die Namen wie »Lavender House« oder »Mulberry Lodge« trugen. Ich seufzte. Was für eine zauberhafte Gegend! Vor allem, wenn man frisch verliebt war ... Stopp, Mina!, befahl ich mir. Denn eines war klar: Ich würde mich in nächster Zeit auf gar keinen Fall verlieben. Ich war schließlich bald dreißig und musste Prioritäten setzen. Und ganz vorne stand von nun an ohne Frage mein Job.
Für Country & Life zu arbeiten machte mir Spaß, und ich mochte meine Kollegen. Auch wenn ich ursprünglich davon geträumt hatte, Reportagen zu schreiben, die die Welt veränderten. Schon mit vierzehn hatte ich Martha Gellhorn bewundert, die schöne, mutige Kriegsreporterin und Ehefrau von Ernest Hemingway. Eine glänzende Journalistin, die an viele Orte des Grauens gereist war, über den Spanischen Bürgerkrieg berichtet hatte und über den Zweiten Weltkrieg.
Ihre bewegenden Geschichten darüber, was Tod, Hunger, Armut und Verlust mit den Menschen machte, hatten mich schwer beeindruckt. Vielleicht war jetzt der richtige Zeitpunkt, um mein Leben noch einmal komplett auf den Kopf zu stellen. Auch wenn das bedeutete, Vertrautes hinter mir zu lassen. Für irgendetwas musste Toms scheußlicher Betrug doch auch gut gewesen sein, oder?
Laut Google Maps lag Cranley Manor zwischen Lostwithiel und Fowey. Als Kontaktperson hatte ich auf der Website eine Catherine Burton gefunden. Nachdem ich sie telefonisch nicht erreichen konnte, hatte sie schließlich vorgestern auf meine Mail geantwortet, dass ich gerne heute gegen dreizehn Uhr vorbeikommen könne.
Beinahe wäre ich am Wegweiser vorbeigefahren, der von der Hauptstraße nach rechts in Richtung Cranley Manor zeigte. Ein gewundenes Sträßchen schlängelte sich durch grüne Wiesen und niedrige Mauern, bis es vor einem hoch eingezäunten, weiß getünchten Farmhaus mit Sprossenfenstern und Reetdach endete.
Die Fassade war über und über mit wilden Blumen und Efeu bewachsen. Das Anwesen sah aus wie ein verwunschener Ort in einer Jane-Austen-Verfilmung. Nachdem ich den Motor ausgeschaltet hatte und die Autotür öffnete, setzte ein ohrenbetäubendes Gebell ein.
Ich mochte Hunde sehr. Als meine Eltern noch zusammengelebt hatten, hatte zu unserer Familie auch ein schwarzer Cockerspaniel namens Lucy gehört. Eine fröhliche Hundedame, die jeden liebte, alles fraß, sich fast täglich in fürchterlich stinkendem Gänsemist oder Hasenköttel wälzte und am Fußende meines Bettes schlief.
Als mein Vater uns verließ, ich war gerade sechzehn geworden, nahm er Lucy mit. Ich habe sie nie wiedergesehen.
Paula's Paradise stand in roten Buchstaben auf dem braunen Holzschild am Tor. Und: Bitte klingeln – unbefugtes Betreten verboten. Ich läutete mehrfach die altmodische Glocke. Doch niemand kam. Da entdeckte ich ein weiteres Schild am Zaun, das hinter das Haus wies. Burton & Burton, Tierarztpraxis. Sprechstunde nach Vereinbarung, stand da. Außerdem eine Telefonnummer. In der Praxis würde ich doch wohl jemanden vorfinden, dachte ich.
Ich ging dem Schild nach, an einem schmalen Bachlauf entlang, der von Weiden gesäumt war. Überall blühten Maiglöckchen. Es roch nach Frühling und Meer. Die Tür zu einem kleinen Steinhaus hinter der Farm stand offen, und ich hörte zwei Männer miteinander reden.
»Wäre es besser für ihn, wenn ich ... ihn einschläfern lasse? Ich will nicht, dass er leidet«, sagte eine ältere, brüchig klingende Stimme, knarzig, mit schottischem Akzent.
»Ich habe ihm jetzt erst mal ein starkes Schmerzmittel gegeben. Ich glaube, er kämpft. Komm am besten morgen wieder, Alwin, dann sehen wir weiter.«
Ich verharrte in Schockstarre. Diese Stimme, rau und dunkel, fuhr mir sofort unter die Haut. Von einer Sekunde auf die nächste wurde ich in die Vergangenheit zurückkatapultiert. In eine Nacht, die ich in den tiefsten Tiefen meines Herzens begraben hatte. Die Nacht meiner Schulabschlussparty. Die Nacht, in der ich mit Christopher Burton geschlafen hatte.
Die Aufschrift auf dem Schild fiel mir wieder ein, und mir wurde heiß.
»Was tun Sie hier?« Plötzlich stand er direkt vor mir: groß, breitschultrig, das braune, dichte Haar etwas länger als früher, die prägnante Narbe über der linken Augenbraue. Ein Vier-Tage-Bart, der ihn verwegener aussehen ließ, als ich es in Erinnerung hatte. Die Gesichtszüge waren markanter, härter geworden. Und dann diese grünen Augen, die so unergründlich waren und einem tief in die Seele blickten ...
Jetzt lag allerdings ein kühler, distanzierter Ausdruck in ihnen, und er runzelte die Stirn. »Mina? Mina Marlowe?«
»Ähm, ja«, antwortete ich. Meine Stimme hörte sich ungewohnt krächzend an. Mein Hals war plötzlich sehr trocken. Ich starrte ihn an, und meine Knie wurden weich.
»Was machst du denn hier? Warte ...« Er wandte sich dem älteren Herrn zu, der jetzt neben ihn getreten war und einen riesigen zotteligen braunen Hund an der Leine hielt. »Alwin, wenn irgendwas ist, bitte ruf an. Ich komme auch nachts vorbei.«
»Christopher, ich danke dir von Herzen. Du weißt, dass Teddy mein ein und alles ist.« Die beiden umarmten sich.
»Mach dir nicht so viele Sorgen, Alwin. Lass uns erst mal abwarten.«
Der ältere Mann nickte und ging mit seinem Hund langsam davon.
»Ich bin mit Catherine Burton verabredet«, erklärte ich, nachdem ich die erste Schockstarre überwunden hatte. »Ist das deine ...?« Aus unerfindlichen Gründen brachte ich das Wort »Frau« nicht über die Lippen.
»Meine Schwester, ja. Warum?«
»Ich arbeite für Country & Life und möchte eine Geschichte über Paula's Paradise schreiben und über diesen Typen, der euch von hier vertreiben will.«
»Ah.« Er musterte mich prüfend. Seine Muskeln zeichneten sich unter dem weißen Baumwollshirt ab. »Sie ist nicht da. Du kannst hier warten.« Er zeigte auf eine rote Gartenbank vor der Praxis und drehte sich um.
»Wann kommt sie denn wieder?«
»Das kann eine Weile dauern, sie musste zu einer Kuh, ein Notfall.«
Während ich auf der Bank wartete, brachen die Erinnerungen mit der Wucht einer Flutwelle über mich herein. Ein lauer Sommerabend im Juli vor zwölf Jahren: lange Tafeln unter freiem Himmel bei Kerzenlicht, die Bäume mit Lampions und Girlanden geschmückt. Ich trug ein grünes knöchellanges Kleid mit tiefem Rückenausschnitt und hohe Schuhe, auf denen ich kaum laufen konnte. Charly war aus Protest gegen den Dresscode in einem Hosenanzug erschienen.
Gegen zweiundzwanzig Uhr, nach der Rede unseres Direktors, verabschiedeten sich die Erwachsenen, und die Party ging los. Der DJ begann mit seinem ersten Set, alle stürmten auf die Tanzfläche, auch ich – allerdings barfuß, nachdem ich meine unbequemen Pumps losgeworden war. Ich tanzte mit Emma, Luise, Charly und Liz zu Rihanna, Beyonce, Miley Cyrus und Justin Timberlake. Dann kamen die Jungs dazu, Ben, in den ich mit fünfzehn sehr verliebt gewesen war. Und Carl, unser Brain, der nach Oxford gehen würde.
Wir waren ausgelassen und ein bisschen betrunken, auch von dem Gefühl, dass uns jetzt gerade, und wenn es nur in diesem einen Moment war, die ganze Welt offen stand. Ob wohl jeder von uns den Job finden würde, der ihn glücklich machte? Den einen Menschen, der zu einem gehörte?
Plötzlich liefen mir Tränen über die Wangen. Denn dieser Abend war auch ein Abschied – von meiner behüteten Schulzeit und von meinen Freunden, die mich aufgefangen hatten, als mein Vater vor einem Jahr von einem Tag auf den anderen verschwunden war. Gott sei Dank würde Charly mit mir nach London ziehen. Der Gedanke tröstete mich. Sie hatte einen Platz an der SOAS ergattert und würde dort Politik studieren.
Auf einmal packte mich jemand von hinten und hob mich mühelos wie eine Feder hoch.
»Hey, was zum Teufel...?« Ich drehte mich um, so gut es mir möglich war. Und blickte in faszinierende smaragdgrüne Augen.
»Da liegen Scherben auf dem Boden. Ich wollte nicht, dass du dich verletzt.« Seine Stimme klang dunkel und warm.
»Danke! Aber du kannst mich jetzt wieder runterlassen.«
Langsam setzte er mich vor sich ab. Er war groß, mindestens einen Meter neunzig, und auch etwas älter als die meisten Jungs hier. Ich hatte ihn noch nie gesehen. Sein halblanges dunkles Haar fiel ihm ins Gesicht, verdeckte aber die auffällige Narbe über der linken Augenbraue nicht.
»Ich bin Christopher.«
»Mina«, sagte ich, während er mich eindringlich ansah und mir dabei ganz warm wurde.
»Mina. Das ist ein ... interessanter Name.«
»Danke. Und danke, dass du mich vor den Scherben gerettet hast.«
»Gern geschehen.« Er lächelte.
Ich drehte mich weg, meine Tränen waren mir peinlich. Ich wollte schnell zu unseren Plätzen, um meine Sneakers anzuziehen, die ich extra zum Wechseln mitgebracht hatte – und um in meinem Taschenspiegel zu kontrollieren, ob ich verheult aussah. Was für ein guter Typ! Mit wem er wohl hier war?
Plötzlich stand er wieder neben mir. »Ich habe dir einen Wodka Soda mitgebracht.«
»Willst du mich abfüllen?«, fragte ich schon leicht beschwipst.
»Das ist das Letzte, was ich möchte.« Diese Stimme ...
Ich wurde von hinten angerempelt und landete an seiner Brust. Er roch holzig, herb und ein bisschen nach Salzwasser. Schnell trat ich einen Schritt zurück.
»Warum hast du vorhin geweint?«, fragte er und blickte mich an.
»Ich habe nicht geweint.«
»Ich habe es doch gesehen. Aber ... lass ... Wenn du nicht darüber reden willst, verstehe ich das natürlich.«
Wir schwiegen einen Moment.
»Weißt du, ich bin nicht so gut in Abschieden«, sagte ich leise.
»Wie meinst du das?« Er sah mir in die Augen.
»Ich tu mich einfach schwer damit, mich zu trennen. Von Menschen, von Orten ... von meinen Freunden und von meinem Zuhause. Ich vermisse unseren Hund ... das letzte Jahr war die Hölle. Ich denke ständig an sie.«
Heute war ich offenbar nah am Wasser gebaut, denn mir stiegen schon wieder Tränen in die Augen. Christopher nahm meine Hand und drückte sie. »Wie ist sie gestorben?«
Ich schluckte. »Lucy ist nicht tot. Mein Vater ist weggegangen. Er hat sie mitgenommen, einfach so. Ohne mir ein Wort zu sagen.«
»Oh ... Und wo sind sie jetzt, dein Vater und Lucy?«
»Meine Mutter und ich haben von ihm nur eine kurze Abschiedsnotiz bekommen, und danach nie wieder etwas gehört. Er hat seine Handynummer gewechselt. Angeblich ist er in Griechenland, aber wir wissen es nicht genau.« Er drückte meine Hand jetzt ganz fest, und ich fühlte, wie mein Herz gegen meine Rippen pochte.
»Das tut mir so leid, Mina.«
»Weißt du, wenn er es mir erklärt hätte, dann wäre ich auch furchtbar traurig gewesen. Aber einfach zu verschwinden, an einem stinknormalen Mittwoch, ohne ...« Ich brach ab. Was tat ich hier eigentlich? Erzählte einem Fremden unsere Familiengeschichte ... Schluss damit!
»Hilft ja nichts«, seufzte ich. »Jetzt fliege ich mit Charly, sie ist da drüben«, ich deutete auf meine beste Freundin, die gerade eine Art Breakdance aufs Parkett legte, »erst mal für sechs Wochen nach Südafrika. Wir arbeiten in einer Auffangstation für verletzte Wildtiere. Übermorgen geht's los. Und danach ziehen wir nach London. Ich werde Journalismus am King's College studieren.«
Er zog eine Augenbraue hoch. »Wow. Ganz schön mutig.« Seine grünen Augen blitzten. »Ich habe nach der Schule auch ein Jahr lang in Afrika gearbeitet, in Botswana. Jetzt studiere ich Tiermedizin in Cambridge. Wenn alles gut läuft, bin ich in zwei Jahren fertig.«
»Wie kommst du auf unsere Abschlussparty?«, fragte ich neugierig.
Er lächelte etwas schief. »Mein Freund Dave hat mich mitgeschleppt. Seine kleine Schwester Emily muss in deiner Stufe sein.«
»Emily Thompson?«
Er nickte. Sie war ein echtes Biest, die Schwächere piesackte und Charly, seit sie sich geoutet hatte, das Leben zur Hölle machte.
»Oh«, sagte ich und verzog das Gesicht.
»Ich kenne sie nicht besonders gut«, sagte er und strich sich die Haare aus dem Gesicht. Er sah sich kurz um. »Hör mal, hier ist es so laut. Wollen wir ein paar Schritte gehen?« Er griff ganz selbstverständlich nach meiner Hand und zog mich hinter sich her. »Das heißt, wir haben nur achtundvierzig Stunden?«, fragte er nach einer Weile, und seine grünen Augen hypnotisierten mich.
»Wie meinst du das?«, flüsterte ich heiser.
»Achtundvierzig Stunden, um uns ... kennenzulernen.« Er legte einen Arm um meine Hüfte.
Mein ganzer Körper begann zu kribbeln. Was tat ich hier? Ich kannte diesen Typen doch gar nicht!
»Warte! Ich ... Ich ... ich glaube, ich brauche noch einen Drink.« Mir war schwindlig, und ich hatte das Gefühl, dass der Boden sich bewegte.
Mit einem Mal wirkte er zerknirscht. »Tut mir leid, ich bin sonst nicht so, wirklich, aber als ich dich eben gesehen habe ... Ich hab so etwas noch nie erlebt.«
Er brach ab, und unsere Blicke versanken ineinander. Christopher zog mich mit einer schnellen Bewegung zu sich heran und küsste mich hingebungsvoll. Mein Herz hämmerte wie wild. Ich erwiderte den Kuss so leidenschaftlich, dass wir beide kaum noch Luft bekamen.
»Soll ich aufhören?«, raunte er.
»Nein«, flüsterte ich atemlos. »Nicht aufhören ...«
»Lass uns gehen«, sagte er leise und schlang seine Arme fest um mich.
Ich nickte wie ferngesteuert, und der Rest der Welt verschwamm. Ich wusste nicht, ob ich einen riesigen Fehler machte. Aber das war mir in diesem Augenblick egal. Das Gefühl, dass uns beide etwas Einmaliges, Großes, Unaussprechliches verband, über alle Grenzen von Zeit und Raum hinweg, ließ alle Zweifel verschwinden. Es fühlte sich an, als wären unsere Schicksale miteinander verknüpft wie ein kunstvoller Teppich, ein kostbarer Schatz.
Am nächsten Morgen erfuhr ich, dass unsere Schicksale wirklich verbunden waren. Und meine Welt geriet ins Wanken.
»Mina? Hallo? Bist du in einer Art Trance, oder was?« Christophers Stimme klang ungeduldig.
Ich war tatsächlich ganz in meine Erinnerungen versunken gewesen und hatte nicht bemerkt, dass er zurückgekommen war.
»Kannst du mir vielleicht schon einmal die Geschichte von Paula's Paradise und dem Streit mit dem Eigentümer erzählen? Ich muss nämlich bald wieder zurück nach London ...« Zum Glück hatte ich meine Fassung wiedergefunden. Ja, ich hatte mich damals unfair ihm gegenüber verhalten, aber heute kannte er ganz bestimmt den Grund dafür. Und deswegen war sein unfreundliches Verhalten überhaupt nicht gerechtfertigt.
Er seufzte. »Gut, ich zeige dir den Hof. Catherine ist bestimmt bald wieder da.«
»Das ist wirklich nett von dir, wir wollen euch ja auch helfen.«
Er blickte mich spöttisch an. »Du meinst also, eine Geschichte in Country & Life wird uns retten und Mr. Ashbury junior dazu bringen, seine soziale Ader und seine Tierliebe zu entdecken?«
»Das wäre doch schön, oder? Ansonsten ... Gäbe es für euch irgendeine andere Möglichkeit? Vielleicht einen Umzug?« Langsam ärgerte mich sein ruppiges Benehmen wirklich!
Er schnaubte verächtlich. »Einen Umzug? Mit dreißig Hunden? Mal eben so? Wer, glaubst du, nimmt uns da?«
Ich ging auf seine rhetorische Frage nicht ein und folgte ihm. Der riesige Garten des Landhauses war in mehrere Auslaufflächen unterteilt. Auf dem gepflasterten Weg kam uns ein kleiner schwarzer Hund entgegengeflitzt, der einen Rollwagen umgeschnallt hatte. Es duftete nach frischem Gras und Lavendel.
»Oh! Ein Hunderollstuhl! So was habe ich ja noch nie gesehen!« Ich ging in die Knie, um den Hund zu streicheln.
»Das ist Goofy, wir haben ihn aus Griechenland geholt. Er wurde von einem Auto angefahren; seitdem sind seine Hinterbeine gelähmt. Aber er kommt wunderbar zurecht. Ist ein totaler Spaßvogel. Das hier links«, Christopher zeigte auf einen eingezäunten Teil des Gartens, in dem ein paar Hunde spielen, »sind Neuankömmlinge aus Rumänien. Sie sind noch in Quarantäne.«
»Aus Rumänien?«
»Ja, wir nehmen regelmäßig Tiere aus den überfüllten Tierheimen dort auf. Aber die meisten unserer Schützlinge stammen hier aus der Gegend.«
Ich folgte ihm durch eine Tür in den Seitentrakt des Landhauses, eine flache Scheune mit Strohdach, die innen hochmodern wirkte und in verschiedene Zimmer aufgeteilt war. An jeder Zimmertür hing ein Schild mit Fotografien und Namen von Hunden, denen der Bewohner, wie ich vermutete.
»Das ist das Herzstück von Paula's Paradise«, erklärte Christopher.
Aus einer Ecke fiepte es in mehreren Tonlagen.
»Da drüben sind unsere Jüngsten. Fünf Dackelwelpen von einem illegalen Züchter. Sind letzte Woche in Bath beschlagnahmt worden.«
»Oh, darf ich sie mir ansehen, bitte? Und ich müsste für meine Geschichte auch ein paar Fotos machen. Das ist okay, oder?«
Er musterte mich misstrauisch mit zusammengezogenen Brauen. »Ja, aber nicht zu viele. Die Welpen sind in einem dunklen Verschlag gehalten worden und gewöhnen sich erst langsam an uns Menschen.«
Verschüchtert wirkten die Hündchen allerdings nicht, als Christopher behutsam das Zimmer öffnete. Sofort sausten sie auf uns zu und schlängelten sich winselnd um meine Beine. Bis auf ein winziges Dackelchen mit grau-weiß gestromtem Fell, das sich in der Ecke des Zimmers verkrochen hatte.
Christopher nahm es vorsichtig hoch. Ängstlich schmiegte es sich an seine Brust. Mein Herz schlug sofort höher, und ich schoss schnell ein paar Fotos von den beiden.
»Das ist Lilly, sie ist blind und taub«, erklärte er grimmig. »Wahrscheinlich waren beide Eltern Träger des Merle-Gens. Das führt zu vererbbaren Augenproblemen, schlimmstenfalls zu Blindheit wie bei Lilly. Aber diesen widerwärtigen Züchtern ist das egal! Hauptsache, viele Welpen, die sie teuer verkaufen können, und Lillys Farbe ist gerade sehr beliebt.« Er sah wütend aus.
»Konntet ihr die Mutter der Welpen auch retten?«, fragte ich ehrlich betroffen. Lillys Schicksal und das ihrer Wurfgeschwister berührte mich tief.
Er schüttelte den Kopf. »Ich hab sie natürlich mitgenommen. Ich hätte den Besitzer am liebsten verprügelt, das kannst du mir glauben! Die Hündin war in einem schlimmen Zustand. Tumore an der Gesäugeleiste, zwei alte, nicht geheilte Brüche. Sie konnte sich vor Schmerzen kaum auf den Beinen halten. Ich ... musste sie erlösen.« Sanft setzte Christopher Lilly zurück auf den Boden.
Um meine Tränen in den Augen zu verbergen, drehte ich mich schnell weg. Durch das Fenster des nächsten Zimmers sah ich drei große braune Hunde.
Christopher war meinem Blick gefolgt. »Darf ich vorstellen?«, fragte er. »Unsere Oldies: Luise, Max und Mike. Luises Besitzerin musste ins Pflegeheim, und keiner aus der Familie wollte sie nehmen. Max ist unser Langzeitinsasse. Und Mike hat Krebs. Seine Familie konnte die Tierarztkosten nicht mehr stemmen und hat ihn deswegen bei uns abgegeben. Diese drei werden nicht mehr vermittelt. Sie sollen bei uns bleiben.«
Er öffnete die Tür, und der größte der drei kam schwanzwedelnd auf uns zu.
»Mike, guter Junge. Gleich dürft ihr raus. Wenn du möchtest ...« Christopher sah mich auffordernd an. »Er freut sich über Streicheleinheiten.«
Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Ich machte einen Schritt auf Mike zu und ließ ihn an meiner Hand schnuppern. Er schleckte sie liebevoll ab, und ich kraulte ihn ausgiebig am Hals. Dann machte ich ein paar Fotos von Mike und den anderen beiden.
Eine hochgewachsene Frau mit kurzen braunen Haaren in Jeans und Parka kam durch die Tür gehetzt. »Christopher, danke, dass du dich um unseren Gast gekümmert hast!« Dann wandte sie sich mir zu. »Mina Marlowe? Hi. Ich bin Catherine. Entschuldige bitte, ich musste kurz zu einem Notfall.« Catherine Burton hatte die gleichen grünen Augen wie ihr Bruder. Sie sah mich einen Moment verwirrt an und blieb verdutzt stehen. »Haben wir uns schon mal gesehen?«
»Könnte sein. Ich komme auch aus Plymouth, ich war auf der Devonport High.«
»Ah, wie mein Bruder. Kennt ihr zwei euch?«
»Flüchtig«, antwortete Christopher knapp. »Gut, dass du da bist, ich muss wieder in die Praxis. Also dann ...« Er nickte mir zu, drehte sich um und ging, wieder so distanziert und kühl wie zu Anfang. Nur in Gegenwart der Hunde war er einen Moment zugänglich und offen gewesen.
»Lass uns Tee trinken, und ich beantworte dir alle Fragen, die du noch hast, ja?«, schlug Catherine vor, die sich über das Verhalten ihres Bruders nicht zu wundern schien.
Ich folgte Christophers Schwester, die eine warme Herzlichkeit ausstrahlte, in die Küche. Die hölzernen Dielen waren beinahe vollständig von einem riesigen himbeerfarbenen Teppich verborgen. In den Regalen aus hellem Holz stapelte sich blau-weißes Geschirr. Auf den Stühlen lagen Kissen mit buntem Ikatmuster. Über dem Gasherd hingen kupferne Töpfe und Pfannen. Und es duftete himmlisch nach Kuchen.
Catherine schien meine Gedanken gelesen zu haben. »Die Millers haben mir zum Dank für die Rettung ihres Kalbs einen Crumble mitgegeben. Willst du ein bisschen?«
»Sehr gerne, ich liebe Crumble!«, antwortete ich erfreut.
»Am besten schmeckt er mit Clotted Cream, finde ich. Magst du?«
Ich lächelte. »Das klingt wunderbar!« Mein Magen knurrte bereits seit einer halben Stunde.
Catherine brachte Wasser zum Kochen, goss den Tee auf und stellte zwei Teller mit Crumble und Clotted Cream auf den langen Holztisch vor dem Kamin. »Setz dich doch. Schön, dass du gekommen bist, Mina. Ich hoffe so sehr, dass uns dein Artikel helfen kann!« Ihre Fröhlichkeit war jetzt verschwunden. Sie sah angespannt aus.
»Ja, das hoffe ich auch. Wobei Christopher nicht unbedingt begeistert wirkte ...«, sagte ich. Ich probierte ein Stück der dampfenden Köstlichkeit. »Der Crumble schmeckt übrigens fantastisch.«
»Sei ein bisschen nachsichtig mit meinem Bruder.« Sie lächelte entschuldigend. »Er ist völlig mitgenommen. Er hängt so sehr an den Hunden. Ich auch, klar. So ein Hundeflüsterer wie mein kleiner Bruder bin allerdings ich nicht. Doch auch ich hänge sehr an unseren Schützlingen ... an allem hier.« Sie seufzte leise. Aber jetzt zu unserer Geschichte. Sicher interessiert dich das ...«
Ich nickte. Das war ein guter Einstieg.
»Wir haben Cranley Manor vor fünf Jahren vom alten Mr. Ashbury gepachtet. Er war eine Seele von Mensch, wirklich. Er hat in unseren Vertrag sogar eine Passage eingesetzt, in der steht, dass wir Cranley Manor, solange wir wollen, auch auf Lebenszeit, als Tierheim nutzen können. Er liebte Tiere über alles und unterstützte Paula's Paradise, wo er nur konnte. In den letzten Jahren kam er fast täglich vorbei, oft nur, um Zeit mit den Tieren zu verbringen. Doch im letzten März ist er leider an einem Herzinfarkt verstorben ...«
Man sah ihr an, dass der Tod des alten Mannes sie immer noch mitnahm. »Wer ist eigentlich die Namensgeberin des Tierheims?«, fragte ich, um Catherine abzulenken und weitere Eckdaten für meinen Artikel abzustecken.
»Paula war Christophers erster Hund. Er hat sie aus dem Tierheim geholt, kurz nach dem Tod unseres Vaters.« Sie lachte liebevoll auf. »Die wildeste Mischung, die ich je gesehen habe: Labrador, Dackel, Collie – alles drin ... Sie sah wirklich ungewöhnlich aus und war irrsinnig schlau. Erst im vergangenen Jahr ist sie gestorben.«
Catherine schluckte und sagte dann: »Aber zurück zu den Ashburys. Nach Mr. Ashburys Tod hat sein Sohn alles geerbt, also Cranley Manor und auch die beiden anderen Landhäuser. Er lebt eigentlich in New York. Eine Woche nach dem Tod seines Vaters hat sein Anwalt uns einen Brief geschrieben, dass der Pachtvertrag wegen des neuen Eigentümers hinfällig geworden sei. Und wir das Anwesen gefälligst bis zum ersten Oktober räumen sollen.«
Catherine sah sie ernst an. Ihre grünen Augen, die denen ihres Bruders so ähnelten, waren ganz dunkel geworden. »Wir sind wirklich verzweifelt, Mina. Ich wohne sowieso die meiste Zeit bei meinem Freund in St. Austell, und Christopher findet bestimmt eine andere Wohnung. Mit der Praxis umzuziehen würde auch kein größeres Problem darstellen. Aber wo sollen unsere Schützlinge hin? Wir haben uns natürlich schon mal umgehört – bisher ohne den kleinsten Erfolg.«
Ich dachte an Lilly, die kleine blinde und taube Dackeline, und daran, wie sie sich schutzsuchend an Christopher gekuschelt hatte.
Catherine schnaubte. »Der Sohn will unbedingt ein schickes Country-Hotel aus Cranley Manor machen. Er hat wohl einen Freund in der Nähe von St Ives, der Zimmer vermietet und ihm eingeredet hat, das sei eine absolute Goldgrube.«
»Aber er hat doch noch die anderen Häuser geerbt ...«
»Tja. Manche Menschen können den Hals nicht voll genug bekommen«, sagte Catherine nicht ohne Bitterkeit.