Winterzauber in der kleinen Stofftierklinik - Molly Blum - E-Book
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Winterzauber in der kleinen Stofftierklinik E-Book

Molly Blum

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Beschreibung

Ein Winter in Cornwall und der Zauber der Weihnacht

Für Ruby läuft alles anders als geplant: Eigentlich arbeitet sie für ein angesagtes Londoner Modelabel, doch als ihre geliebte Granny Jubilee sie bittet, in ihrer kleinen Stofftierklinik im verschneiten Cornwall auszuhelfen, ändert sich alles. Zwischen liebevoll restaurierten Plüschfreunden, knisternden Kaminfeuern und der warmherzigen Dorfgemeinschaft beginnt Ruby, ihr Leben mit anderen Augen zu sehen.

Dann begegnet sie Dylan - attraktiv, aber verschlossen, mit einer Vergangenheit, die tiefe Narben hinterlassen hat. Während die funkelnden Lichter von Mousehole die Straßen erhellen, entwickelt sich eine unerwartete Nähe zwischen den beiden. Doch ein lange gehütetes Geheimnis droht alles zu zerstören ...

Ein herzerwärmender Roman über Neuanfänge, große Gefühle und die Magie der Weihnacht in Cornwall.

Alle Romane dieser Reihe sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden. Wir haben die Geschichten sorgsam für dich ausgewählt, damit sie dir an kalten Wintertagen das Herz erwärmen und dich beim Lesen in Weihnachtsstimmung versetzen.

eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.

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Seitenzahl: 338

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

Über die Autorin

Weitere Titel der Autorin

Impressum

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Über dieses Buch

Für Ruby läuft alles anders als geplant: Eigentlich arbeitet sie für ein angesagtes Londoner Modelabel, doch als ihre geliebte Granny Jubilee sie bittet, in ihrer kleinen Stofftierklinik im verschneiten Cornwall auszuhelfen, ändert sich alles. Zwischen liebevoll restaurierten Plüschfreunden, knisternden Kaminfeuern und der warmherzigen Dorfgemeinschaft beginnt Ruby, ihr Leben mit anderen Augen zu sehen.

Dann begegnet sie Dylan – attraktiv, aber verschlossen, mit einer Vergangenheit, die tiefe Narben hinterlassen hat. Während die funkelnden Lichter von Mousehole die Straßen erhellen, entwickelt sich eine unerwartete Nähe zwischen den beiden. Doch ein lange gehütetes Geheimnis droht alles zu zerstören ...

Molly Blum

Winterzauber in der kleinen Stofftierklinik

 1. Kapitel

»Ruby, verdammt noch mal, wo bleibst du?«

Der Steamer gab ein lautes Zischen von sich, und ich konnte Eleanors Umrisse durch die gewaltige Wolke, die er ausstieß, nur verschwommen erkennen. Ihre Worte klangen dagegen umso schärfer. Schnell steckte ich das Dampfbügeleisen zurück in seine Halterung.

»Ich will nur noch die Knöpfe annähen, gib mir fünf Minuten, dann ist mein Jumpsuit fertig«, antwortete ich.

»Ah, dein Jumpsuit.« Eleanors Stimme triefte vor Ironie, während sie Nicole, Janes Lieblingsmodel, im Spiegel begutachtete. Nicole trug ein langes helles Kleid mit dunkelblauem Ikat-Print und hohem Beinausschnitt. Sie überragte Eleanor um einen Kopf.

»Vergiss es! Diese alten Klunker machen ihn auch nicht besser.« Ich hatte in einem Vintageladen in Hackney Knöpfe aus den Fünfzigerjahren gekauft, die mit mintfarbenem Stoff überzogen waren. Exakt fünfzig Stück. Fünf für den Jumpsuit, der am kommenden Montag auf dem Laufsteg bei der Präsentation der Capsule Collection von Jane & the Gang gezeigt werden würde. Und den Rest für die übrigen Stücke, die später in der limitierten Kollektion zu kaufen sein würden.

»Drei Minuten«, wisperte ich. Während sich draußen am Fenster Eiskristalle gebildet hatten, war die Luft im Studio stickig und vor Anspannung geladen. Am kommenden Montag, in vier Tagen, würde die Präsentation stattfinden.

Zum ersten Mal hatten es auch zwei meiner Entwürfe in die Kollektion geschafft, die eine Hommage an Adrian war, den legendären Kostümbildner, der in den Fünfzigerjahren die Silhouette der Hollywoodfilme mit seinen hypereleganten, körperbetonten Kleidern geprägt hatte: ein bodenlanges Kleid aus cremefarbenem Chiffon mit tiefem Rückenausschnitt und ebendieser fließende, wunderschöne Jumpsuit aus grüner Seide, der sich wie eine zweite Haut an den Körper schmiegte.

Ich hatte mich wochenlang mit Adrians Kreationen beschäftigt, mir fast alles angesehen, was er für Greta Garbo, Jean Harlow, Katharine Hepburn oder Joan Crawford geschneidert hatte. Mich dann Tage und Nächte mit meinen Skizzen und Entwürfen beschäftigt, die Tiefe des V-Ausschnitts am Jumpsuit immer wieder geändert, bis er in meinen Augen perfekt gesessen hatte. Mit den Vintageknöpfen wollte ich eine besondere Verbindung zu Adrian herstellen.

»Schluss, du kannst meinetwegen die ganze Nacht Knöpfe annähen, aber jetzt bewegst du dich sofort hierher. Bei keinem anderen Label der Welt steckt die Atelierleitung selbst ab. Als Nächstes bittest du mich auch noch zu steamen.« Eleanor stieß einen erbosten Laut aus, der wie ein trockener Husten klang, drehte sich um und stapfte in Richtung Tür. Mit einem dramatischen Schnauben öffnete sie diese und knallte sie hinter sich zu. Das energische Klackern ihrer High Heels hallte noch eine Weile nach.

Janes rechte Hand sah mit ihrem strengen dunklen Pagenkopf und der Brille mit den getönten Gläsern ein bisschen aus wie Anna Wintour, die legendäre Chefin der amerikanischen VOGUE – und sie benahm sich in den letzten Monaten auch ähnlich exaltiert. Vergangene Woche hatte Eleanor sogar eine Tasse nach meinem Kollegen Juan geworfen. Sie hatte ihn nur knapp verfehlt. Kurz: Ihr Verhalten uns gegenüber war unterirdisch – auch wenn ich Verständnis dafür hatte, dass ihre Nerven gerade blank lagen. Denn die Präsentation der Capsule Collection war für Jane Carter, Gründerin und Chefdesignerin von Jane & the Gang, immens wichtig.

Die Sommerkollektion war komplett verrissen worden: zu düster, zu schwer, zu einfallslos. Sie hatte weder die Modekritiker der großen Magazine und Zeitungen noch die Einkäufer der Luxusstores begeistern können, nur ein paar Influencer posteten Fotos von sich in den armeegrünen, braunen und schwarzen kastigen Entwürfen, aber denen hatten wir die Kleider auch geschenkt.

Ich seufzte und sah auf die Uhr. 22.31 Uhr. Maria, Carla und Juan, die ebenfalls zum Designteam gehörten, waren bereits nach Hause gegangen. Wir hatten um sieben Uhr morgens mit dem letzten Fitting der Kleider angefangen. Mir tränten die Augen, und ich bemerkte ein leichtes Zittern in meiner linken Hand.

»Alte Hexe«, sagte Nicole, als ich mit einer Dose voller Klammern und Sicherheitsnadeln neben ihr stand. »Jane sollte sie feuern.«

»Das wird nicht passieren, eher fliegen wir alle raus«, antwortete ich mit einem gequälten Lächeln. Bis auf das Kleid, das Nicole trug, und »meinen« Jumpsuit waren alle anderen Teile bereits sorgfältig in Plastikhüllen verpackt, auf eine Stange gehängt und mit Nummern versehen worden.

Vorsichtig steckte ich Nicoles Kleid unter den Achseln je einen halben Zentimeter enger, und wir betrachteten das Ergebnis im Spiegel.

»Was meinst du?«, fragte ich sie. »Fühlt sich das besser an?«

»Ja, definitiv.« Nicole lächelte und kniff mich liebevoll in die Wange. »Du siehst todmüde aus und bleich wie ein Gespenst.«

»Eher wie ein Zwerggespenst – neben dir«, gab ich zurück. Nicole war beinahe zwei Köpfe größer als ich. Sie besaß schier endlos lange Beine. Ein Magazin hatte einmal geschrieben, sie habe die längsten Beine Englands mit ganzen 105 Zentimetern. Ich ging ihr mit meinen 165 Zentimetern gerade mal bis kurz unter die Schulter.

Während ich meine dunklen Locken meistens zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte, damit sie mich bei der Arbeit nicht störten, trug sie ihre Haare raspelkurz und weißblond gefärbt, und ihre Augen, die ein wenig schräg standen, strahlten in einem faszinierenden dunklen Blau.

»Seid ihr fertig?«, keifte plötzlich Eleanors Stimme aus dem Hintergrund.

»Sind wir, Eleanor«, antwortete Nicole ruhig, ohne den Kopf zu wenden. »Jetzt sitzt das Kleid dank Rubys Fingerspitzengefühl perfekt.«

Eleanor trat hinter uns. »Dreh dich mal um.« Mit zusammengekniffenen Augen sah sie an Nicole hinunter. »Gut«, sagte sie knapp und nickte.

»Dann gehen wir jetzt nach Hause«, antwortete Nicole und lächelte sie an.

»Du schon, Ruby ab...«

»Kommt mit. Ich fahre um diese Uhrzeit ungern allein mit der Tube.«

Eleanor öffnete den Mund, als wollte sie etwas sagen. Dann schloss sie ihn wieder. Für einen Moment herrschte Stille.

»Wir sehen uns morgen um acht Uhr, Ruby.« Sie drehte sich ohne ein Wort der Verabschiedung um und ließ mich stehen.

Der Wind blies Nicole und mir eisig ins Gesicht, während wir nebeneinander durch die dunkle Novembernacht zur U-Bahn-Station Notting Hill Gate stapften.

»Ich verstehe nicht, warum du dich von der alten Ziege so herumkommandieren lässt«, sagte Nicole. »Du hast so viel auf dem Kasten, und sie behandelt dich wie eine kleine Praktikantin.«

»Ist das nicht bei den meisten Modelabels so?«, fragte ich. »Von Donatella Versace habe ich echt fiese Geschichten gehört. Und von Phoebe Philo ...«

»Eleanor ist weder Donatella noch Phoebe. Sie ist Janes Atelierleitung. Und niemand, auch nicht das größte Modegenie, hat das Recht, seine Mitarbeiter schlecht zu behandeln oder auszubeuten.«

Ich seufzte. »Weißt du, ich hoffe, dass die Präsentation der Kollektion am Montag gut läuft und vielleicht sogar irgendjemand meine beiden Teile ein bisschen aufregend findet und dann ...«

»Ein bisschen?« Nicole sah mich empört an. »Du bist so talentiert! Du musst groß träumen. ›Ein bisschen‹ ... Wenn ich das schon höre! Weißt du was? Ich spendiere uns ein Taxi. Ich will heute einfach so schnell wie möglich nach Hause.«

Sie winkte ein Black Cab heran und gab dem Fahrer unsere beiden Adressen; wir wohnten nur etwa fünf Autominuten voneinander entfernt in Knightsbrigde. Erschöpft ließ ich mich auf die Rückbank sinken und blickte aus dem Fenster.

Auf der Kensington Church Street waren die Läden und die Fassaden der Häuser bereits festlich dekoriert und beleuchtet; in den Fenstern hingen Sterne, Nikoläuse und bunte Kugeln. London hatte sich wie jedes Jahr im November in eine Art Weihnachtswunderland verwandelt. Und im Radio verkündete Bruce Springsteen mit heiserer Stimme: »Santa Claus is coming to town.«

Langsam entspannte ich mich.

»Können Sie bitte den Sender wechseln?«, fragte Nicole den Taxifahrer.

Er reagierte nicht.

»Entschuldigung?« Ihre Stimme wurde lauter, und sie beugte sich vor.

»Ach, komm, ich mag das Lied.« Ich legte ihr eine Hand auf die Schulter.

»Ja, ich weiß. Und als Nächstes läuft dann Driving Home for Christmas. Der Song ist so ein Scherz! Weiß du, wie viele Menschen es gibt, die in diesen Tagen gar kein Zuhause haben? Ich bin echt froh, wenn Weihnachten vorbei ist. Alle sind genervt und gestresst, man schlägt sich zwei Tage lang den Bauch voll und heuchelt Nächstenliebe und dann? Weitere zwei Monate grauer Himmel und Regen.«

»Ich mag die Weihnachtszeit. Sie ist meine Lieblingszeit im Jahr, wobei ...«

»Ja, weil du aus einer Heile-Welt-Familie kommst«, unterbrach mich Nicole. »Wir haben Weihnachten nie gefeiert. Mein erstes Weihnachtsgeschenk habe ich ehrlicherweise mit zwanzig bekommen. Von Robby.«

»Heile-Welt-Familie? Meine Mutter ist gestorben, als ich vierzehn war«, entgegnete ich.

»Sorry, ich weiß.« Nicole sah mich voller Mitgefühl an. »Trotzdem, dein Verhältnis zu deinem Vater und deinem Bruder ist sehr eng, und dann gibt es noch deine wundervolle Großmutter. Und Bertha.«

»Ja, das stimmt. Aber du hast Theo, der sich freut, wenn du in diesem Jahr zur Abwechslung mal einen Baum besorgst. Er ist jetzt sechs.« Ich sah sie leicht vorwurfsvoll an.

»Okay, okay.« Sie verdrehte die Augen. »Aber du musst mitkommen, zum Baumshoppen. Und mir helfen, irgendwas zum Schmücken zu besorgen. Ich habe so was noch nie gemacht. Und du bist ja eine Art Expertin.« Sie zwinkerte mir liebevoll zu.

Ich dachte an meine Kartons mit Weihnachtsschmuck, die ich auf unseren Keller an den Cadogan Gardens und den meines Vaters in Shaftesbury verteilt hatte. Unzählige Boxen mit Engeln, Sternen, Kugeln und geflügelten Tieren aller Art – von Elchen über Füchse, Hunde und Mäuse bis zu Robben und Elefanten. »Ihr könnt auch gerne mit uns in Shaftesbury feiern; mein Vater würde sich wirklich sehr freuen.«

»Kommt Eddy denn über die Feiertage?«, fragte Nicole.

»Nein, er findet Weihnachten spießig.«

»Oh, ich hätte nicht gedacht, dass dein Freund und ich mal einer Meinung sind. Und was ist mit Ben?«

»Natürlich ist er dabei«, antwortete ich.

Mein Bruder Ben arbeitete als Chirurg in einem Krankenhaus in Bordeaux. Mein Vater träumte davon, dass er irgendwann seine Landarztpraxis in Shaftesbury übernehmen würde, aber im Moment zeigte mein Bruder keine Ambitionen, in die englische Heimat zurückzukehren.

»Ich überleg es mir.«

»Denk an Theo. Für Kinder hat Weihnachten doch einen ganz besonderen Zauber.«

»Ja, ja, ich hab's verstanden.« Nicole sah aus dem Fenster. Gerade, als der Regen nachließ, fuhren wir an Harrods vorbei. Hunderte von Lichterketten erhellten das Kaufhaus, die Schaufenster des siebenstöckigen Hauses waren über und über mit riesigen Lebkuchen, Zuckerstangen, prachtvollen roten Schleifen und ausladenden Tannenbäumen bestückt.

»Wow!« Ich drückte Nicoles Hand. »Sieht das nicht wie im Märchen aus?«

»Hm«, brummte sie. »Doch, ist schon toll.« Sie lächelte. »Vielleicht sollte ich mit Theo morgen Nachmittag wirklich einen kleinen Spaziergang hierher machen, bevor wir zum Eislaufen gehen. Ach, hast du vielleicht Lust, nach der Arbeit mitzukommen? Wir wollen zum Somerset House.«

»Hat die Bahn schon geöffnet?«

Nicole nickte. »Seit letzter Woche.«

»Sehr gerne, wenn die alte Hexe mich früher rauslässt.«

»Sag einfach, dass du einen wichtigen Termin hast. Deine Überstunden gehen sowieso ins Unendliche.«

Das Taxi bog in eine kleine Seitenstraße ein. Bei Cadogan Gardens, Hausnummer zweiundzwanzig, hielt es an. »Wir schreiben noch mal wegen morgen, ja?« Ich umarmte Nicole. »Und danke fürs Mitnehmen.«

Ich stieg vor einem imposanten roten Backsteingebäude aus. Die Pflastersteine glänzten feucht im fahlen Licht der Straßenlaternen. Die majestätische Eingangstür wurde von zwei elegant gestutzten Tannenbäumen eingerahmt. Anscheinend hatte Mr. Finnagan, der Hausmeister, sie heute im Laufe des Tages aufgestellt. Mein Blick wanderte die Fassade hinauf.

Mrs. Hughes im dritten Stock hatte ihre Fensterrahmen bereits mit blinkenden Sternen geschmückt. Hoffentlich hatte Eddy am Wochenende Pläne, sodass ich unsere Wohnung ohne seine doofen Kommentare ganz in Ruhe weihnachtlich dekorieren konnte. Übernächsten Sonntag war schon der erste Dezember.

Als ich aus Shaftesbury nach London gezogen war, hatte ich davon geträumt, eines Tages in einem dieser ehrwürdigen, alten Häuser zu wohnen, die die Seele der Stadt ausmachten. Meine erste WG während des Studiums an der Royal St. Martins hatte ich allerdings in Elephant & Castle bezogen, im Souterrain eines grauen Mehrparteienhauses aus den Sechzigern, in dem es von früh bis spät nach indischem Fast Food roch und die Wände so dünn waren, dass man die nächtlichen Streitereien des Paares aus dem dritten Stock auch am nächsten Morgen noch wortwörtlich wiedergeben konnte.

Danach hatte ich in einer WG mit zwei Studentinnen aus meinem Jahrgang in Islington gewohnt. Eine deutliche Verbesserung. Das Haus war um 1890 gebaut worden; leider mussten wir uns die Toilette mit der Wohnung unter uns teilen. Als sich diese WG vor drei Jahren aufgelöst hatte, meinte Eddy, dass es wirklich Geldverschwendung sei, wenn wir doppelt Miete zahlen würden.

Das beeindruckende Anwesen aus dem Jahr 1904 mit der Hausnummer zweiundzwanzig gehörte Eddys Tante Martha, einer exzentrischen Persönlichkeit, die es von ihrem vierten Ehemann geerbt und die dem Charme ihres einzigen Neffen mal mehr, mal weniger verfallen war.

Ich lebte mit meinem Freund in einer winzigen, etwas heruntergekommenen, aber sehr kuscheligen Zwei-Zimmer-Wohnung unter dem Dach. Natürlich hatte die Heizung ab und zu ihre Launen, doch das Feuer im Kamin wärmte zumindest das Wohnzimmer, und wenn ich mal wieder kalt duschen musste, tröstete ich mich danach mit dem einmaligen Blick aus dem Küchenfenster über die efeubewachsenen Mauern des Nachbargebäudes bis zum Hyde Park.

Leise schloss ich die Wohnungstür auf. Eddy lag wahrscheinlich schon im Bett. Er war an diesem Morgen erst gegen sechs Uhr von einer Vernissage nach Hause gekommen und hatte laut einer Textnachricht vom Mittag bis zehn Uhr abends geschlafen. Ich zog meine dicken Stiefel aus und schaltete die Taschenlampenauf meinem Handy an.

Unser Parkettboden knarzte bei jedem Schritt. So vorsichtig wie möglich schlich ich in die Küche. Sofort fiel mir der Zettel mit Eddies Handschrift auf, der auf meinen Moodboards und Skizzen auf dem Küchentisch lag. War er ausgegangen? Schnell nahm ich das Blatt hoch und las.

Bin mit den Jungs auf die Isle of Barra gefahren, komme wahrscheinlich am Montag wieder. Lieb dich.

Darunter hatte er ein Herz gekritzelt.

Auf die Isle of Barra? Was wollte er denn im November auf den Hebriden? Ich checkte mein Handy. Keine weitere Nachricht von ihm. Dann versuchte ich, ihn anzurufen. Das Telefon klingelte nicht einmal, die Mailbox sprang sofort an.

Ich öffnete den Kühlschrank, goss mir ein halbes Glas Weißwein ein und ließ mich auf unser Sofa im Wohnzimmer fallen, das ich erst vergangenes Wochenende aufgepolstert und mit einem rot-grün gestreiften Vintage-Stoff bezogen hatte. Liebevoll strich ich über die Lehne. Es hatte sich gelohnt.

Eddy war zwar immer für Überraschungen gut, aber diese Aktion war merkwürdig. Wann hatte er denn entschieden zu verreisen? Kurz nach seiner Textnachricht? Er hätte doch schnell mal anrufen können, wobei er natürlich wusste, wie hektisch es gerade im Atelier zuging.

Mit welchen Jungs war er weggefahren? Mit Bo, seinem engsten Freund, Kompagnon und Mitbesitzer von This is not Art, ihrer Galerie in Hackney? Vielleicht war Bos Bruder Richard dabei, obwohl ... Ich erinnerte mich dunkel, dass Richard frisch verliebt war und zu Eddys und Bos großem Verdruss die Abende jetzt mit seiner Freundin verbrachte.

Ich schrieb ihm eine Textnachricht:

Hab gerade den Zettel gefunden. Mit wem bist du denn auf die Isle of Barra gefahren?

Schnell löschte ich den letzten Satz wieder. Eddy hasste jede Form von Kontrolle. Stattdessen textete ich ihm:

Ich hoffe, ihr habt Spaß. Kuss.

Es kostete mich einige Überwindung, auf Senden zu drücken. Zum einen hätte ich gerade emotionale Unterstützung gebrauchen können, so kurz vor der Präsentation der Kollektion. Zum anderen führte mir diese Aktion einmal mehr vor Augen, wie unterschiedlich Eddys und meine Vorstellung von einer Beziehung doch waren.

Aber Eddys Spontan-Trip hatte auch etwas Positives: So konnte ich am Wochenende in Ruhe ein paar Tannenzweige für die Wohnung kaufen und den Weihnachtsschmuck aufhängen – ohne Sticheleien.

Mein Blick wanderte über die Fotos auf der Pinnwand neben dem Kamin und blieb an einem Bild rechts oben hängen. Die Hochzeitseinladung meiner alten Freundin Claire – ein Foto von ihr und ihrem Verlobten Jonathan, strahlend und Arm in Arm in Florenz, wo sie sich verlobt hatten.

»Furchtbar provinziell«, hatte Eddy geurteilt, als ich ihm die Einladung gezeigt hatte. »Ich glaube, da musst du ohne mich hin. Bei so einer Veranstaltung ersticke ich.« Dabei hatte er sich dramatisch an den Hals gegriffen.

Die Hochzeit würde im kommenden Mai in Shaftesbury stattfinden. Dort waren Claire und ich groß geworden. Seit ich denken konnte, waren ihre und meine Familie Nachbarn. Direkt unter der Einladung hing ein Bild von Eddy und mir, das Nicole im vergangenen Juni, an meinem achtundzwanzigsten Geburtstag, bei der Sommerparty der Serpentine Gallery aufgenommen hatte. Er trug einen Camouflage-Anzug mit Sneakern und orangefarbener Fliege, die einen interessanten Kontrast zu seinen rotbraunen Locken bildete. Ich sah neben ihm fast brav aus in meinem kurzen dunkelgrünen Chiffonkleid.

 2. Kapitel

Die Melodie von Feliz Navidad riss mich aus dem Schlaf. Draußen war es stockdunkel. Wer um Himmels willen rief um diese Uhrzeit an? Mein Vater? Eddy? Wie in Trance tastete ich nach meinem Handy und sah aufs Display. Granny Jubilee! Schlagartig war ich hellwach. Ich räusperte mich kurz.

»Hallo?«

»Ruby, hab ich dich etwa aufgeweckt? Es ist doch schon halb sieben.« Die sanfte Stimme meiner Großmutter gab mir immer ein beruhigendes Gefühl.

»Nein, ich wollte gerade aufstehen«, schwindelte ich und schloss die Augen wieder. »Ist alles okay?«

»Na ja, wie man es nimmt«, antwortete Granny.

»Bist du krank?«

»Nein, mein Liebling, ich bin topfit. Bertha auch. Es ist nur, Tim hat gestern gekündigt. Er geht zu Marks & Spencer nach Truro. Und das schon ab Montag.«

»Wieso lässt er dich denn von heute auf morgen im Stich? Das kann er doch nicht machen.«

Sie seufzte. »Ich befürchte, doch. Die zahlen wohl besser als ich. Und er bekommt noch einen Bonus, wenn er das Weihnachtsgeschäft mitnimmt.«

Ich mochte Tim nicht besonders. Als ich Granny im Sommer in Cornwall besucht hatte, hatte er mehrfach abfällige Bemerkungen darüber gemacht, wie sehr es unter seiner Würde sei, Stofftiere zu reparieren. Trotzdem war er natürlich in den letzten acht Jahren eine Stütze für Grannys Kuscheltierklinik, die Cuddle Clinic, gewesen.

»Jedenfalls ist hier Land unter. Ich hab wie eine Wilde herumtelefoniert, um eine Aushilfe zu finden. Niemand hat Zeit, und wenn, erst im Januar.« Granny seufzte. »Und da dachte ich ... Ach, vergiss es, mein Liebling. Ich trinke jetzt erst mal meinen Tee, und dann können wir ja später noch einmal sprechen. Verzeih mir den frühen Anruf.«

»Was dachtest du?«

»Ob du nicht ... einspringen könntest, für eine Weile. Ich weiß, das ist sehr viel verlangt, und ich will dich damit nicht unter Druck setzen.«

»Einspringen?« Meine Stimme klang höher als beabsichtigt.

»Entschuldige, ich hätte dich nicht fragen sollen. Aber ich bin gerade ein wenig überfordert.«

Ich schluckte. Am Montag würde die Capsule Collection gezeigt – mit »meinen« Teilen. Da musste ich dabei sein. Wie würde Eleanor reagieren, wenn ich sie heute um Urlaub bitten würde? Für etwa vier Wochen oder länger? Ich fühlte einen Stich in der Magengrube. Eleanor würde einen schrecklichen Wutanfall bekommen, da war ich mir sicher. Und mehr als eine Kaffeetasse nach mir werfen.

»Wann bräuchtest du mich denn?«, fragte ich zaghaft.

»So schnell wie möglich.«

»Ich ... Ich kläre das, Granny. Ich rufe dich spätestens morgen früh an.«

»Oh, mein Schatz! Aber wenn es nicht klappt, ist es auch überhaupt kein Problem. Dann finde ich eine andere Lösung. Bertha könnte ...«

»Du weißt, wie die letzte Begegnung von Bertha und der Nähmaschine geendet ist. Du musstest dir eine neue kaufen.«

Nachdem wir uns verabschiedet hatten, zog ich mir die Bettdecke über den Kopf. Am liebsten wäre ich den ganzen Tag in dieser dunklen, sicheren Höhle geblieben.

Um Punkt achtzehn Uhr am Freitagabend stand ich an der verabredeten Stelle im Innenhof des Somerset House und wartete auf Nicole und Theo. Die Schlittschuhe für uns drei hatte ich bereits ausgeliehen. Fast alle Fenster des prachtvollen neoklassizistischen Gebäudes waren dunkel, im warmen Licht der Eisbahn spiegelten sich winzige Regentropfen. Es duftete nach Glühwein und Zimt, und an der Kopfseite der Eisfläche erhob sich wie jedes Jahr ein gigantischer Tannenbaum. Doch ich kämpfte zum wiederholten Male an diesem Tag mit den Tränen. Heute würde mich nicht einmal die köstliche heiße Schokolade trösten, die das Chocmobile am Ausgang zum Strand servierte.

»Tante Ruby!« Theo kam mit weit ausgebreiteten Armen auf mich zugerannt. Ich hob ihn hoch und drückte ihn fest an mich.

»Sorry, wir haben die U-Bahn verpasst.« Nicole war außer Atem. Ich stellte ihren Sohn sanft auf den Boden und umarmte Nicole, die in ihrer knallpinken Jacke und der bunt gestreiften Pudelmütze einige Blicke auf sich zog. »Ich habe ehrlicherweise nicht daran geglaubt, dass Eleanor dich mal zu einer normalen Zeit aus dem Atelier lässt«, sagte sie und grinste.

»Na ja, ganz so war es nicht.« Ich schluckte. »Ich glaube, ich habe keinen Job mehr.«

»Wie bitte? Was ist passiert?« Nicoles blaue Augen funkelten mich erschrocken an.

»Ich erzähle es dir, sobald wir auf dem Eis sind.«

Nachdem ich mir die Schlittschuhe angezogen hatte, schob ich meine grüne Mütze etwas tiefer über die Ohren. Der typische Londoner Winterwind blies mir ins Gesicht und dämpfte Mariah Careys Song All I want for Christmas, der aus den Lautsprechern tönte.

»Ich darf doch allein fahren, Mum?« Theo blickte Nicole erwartungsvoll an.

»Meinetwegen, aber du bewegst dich höchstens fünf Meter von uns weg.«

»Wie viel sind fünf Meter?«

»Von hier bis zum Baum.«

Theo schien den Weihnachtsbaum erst jetzt zu bemerken und starrte ihn mit offenem Mund an. »Mum, ist der schööön!«

Nicole verdrehte die Augen. »Jetzt hast du ihn mit deinem Weihnachtswahn angesteckt. Das war zu befürchten.«

»Du spinnst! Alle Kinder lieben Weihnachten.«

»Wie du meinst«, sagte Nicole. Und zu Theo: »Schatz, nicht weiter als fünf Meter. Ist das klar?«

Er nickte.

»Also! Erzähl!«

Ich berichtete ihr kurz vom Anruf meiner Großmutter. Dann folgte der schlimmere Teil des Tages. »Ich habe Eleanor gleich nach der Morgen-Besprechung mit den anderen abgepasst und gefragt, ob sie kurz Zeit für mich hätte. Wie du dir vorstellen kannst, war sie gar nicht erfreut und hat mich in diesem typischen, arrogant-zickigen Eleanor-Ton gefragt, wie ich auf die Idee käme, dass sie auch nur eine freie Sekunde hätte.«

»Das ist ja lächerlich. Es steht doch alles für Montag.« Nicole glitt im gleichen Tempo wie ich übers Eis, Theo hielt sich brav vor uns.

»Erst dachte ich mir, okay, dann frage ich sie eben am Dienstag. Aber was, wenn es nicht gut läuft? Wenn die Kollektion wieder so verrissen wird wie beim letzten Mal? Dann wird Eleanors Laune die Hölle sein.«

»Stimmt. Ich finde die Teile der aktuellen Kollektion zwar wesentlich cooler und moderner, aber man weiß ja nie. Vielleicht ist Jane & the Gang auch in der Loserkiste der Redakteure und Einkäufer gelandet.«

»Und dann habe ich mich wegen Granny schlecht gefühlt. Sie hat mich noch nie um Hilfe gebeten. Und jetzt tut sie es einmal, weil sie wirklich in der Klemme steckt. Und mir ist mein Job wichtiger.«

»Quatsch! Das ist eine Ausnahmesituation. Zum ersten Mal werden deine Kreationen auf dem Laufsteg präsentiert. Vor der gesamten Branche. Das ist doch eine Sensation! Weiß das deine Großmutter überhaupt?«

»Nein. Jedenfalls habe ich Eleanor dann vor allen anderen um vier Wochen Urlaub gebeten. Unbezahlt natürlich.«

»Unbezahlt? Bist du verrückt? Aber ich bin trotzdem stolz auf dich. Konfrontation statt Dauer-Diplomatie.« Nicole verzog die Mundwinkel. »Wie hat sie reagiert?«

»Sie war kurz sprachlos. Und dann hat sie gezischt, ich solle sofort gehen und nie wiederkommen. Eine Mitarbeiterin, die das Unternehmen zu so einem prekären Zeitpunkt um Urlaub bittet, und auch noch wegen familiärer Angelegenheiten, könne sie nicht gebrauchen.«

»Wie bitte?« Nicole packte mich am Arm und starrte mich mit offenem Mund an. »Was bildet sie sich ein?«

»Ich bin ab sofort freigestellt, und auch zur Präsentation der Kollektion am Montag darf ich nicht kommen.« Als ich es aussprach, kamen mir wieder die Tränen. Blinzelnd versuchte ich, sie zu unterdrücken.

»Warum hast du mich denn nicht sofort angerufen? Sorry, aber das ist so was von unter aller Kanone. Dann laufe ich nicht.«

»Nein, bitte.« Meine Stimme klang heiser, und eine Träne lief mir über die Wange.

»Aber sicher. Du reißt dir Tag und Nacht den Arsch für diesen Laden auf, und jetzt so was? Das dürfen wir uns nicht gefallen lassen. Ich rufe Jane an. Theo!«

Sie winkte ihren Sohn heran, fuhr an die Bande und zog ihr Handy heraus. »Kurze Pause, Schätzchen, Mami muss etwas erledigen.«

Ich lächelte unter Tränen. Eine loyalere Freundin als Nicole gab es nicht.

Sie tippte in ihr Telefon und hielt es ans Ohr. Dann schüttelte sie den Kopf. »Jane geht nicht ran.« Dann: »Ah, sie hat geschrieben, sie meldet sich in fünfzehn Minuten.« Nicole sah mich aufmunternd an. »Das kriegen wir schon wieder hin.«

»Ich weiß nicht. Aber je länger ich darüber nachdenke: Granny werde ich auf keinen Fall im Stich lassen, egal, was mit dem Job ist.«

Nicole nickte. »Das verstehe ich.«

Eine Viertelstunde später standen wir jeder mit einer dampfenden Tasse in der Hand vor dem Chocmobile. Ich hatte mir eine extragroße Portion Salted-Caramel-Schokolade bestellt.

»Theo, ich muss kurz telefonieren«, erklärte Nicole, »du bleibst bei Tante Ruby, okay?«

»Klar, Mum.«

Ich atmete tief durch, um meine durcheinanderwirbelnden Gefühle in den Griff zu bekommen. »Theo, Schatz, hast du schon eine Idee, was du dir von mir zu Weihnachten wünschst?«

Der Junge strahlte. »Ja! Kannst du Mum überreden, dass wir Weihnachten mit dir und deiner Familie feiern?«

»Mit uns?«

»Bitte! Mit einem richtigen Baum und Weihnachtsliedern und deinen Mince Pies und diesen leckeren Würstchen, die du voriges Jahr für uns gemacht hast.«

Seit ich denken konnte, wurden bei uns an Heiligabend Mince Pies und Würstchen im Schlafrock serviert. Die Tradition führte mein Vater auch nach dem Tod meiner Mutter weiter. Im vergangenen Jahr hatte ich zwei große Portionen für Nicole und Theo vorbereitet, bevor ich nach Shaftesbury gefahren war – Nicole hatte sie nur noch in den Backofen schieben müssen.

Theos Wunsch rührte mich, doch ich wusste nicht, ob ich ihn ihm erfüllen konnte. »Ich werde mit deiner Mum sprechen, aber falls es nicht klappt, könnten wir auch zusammen zu Hamleys gehen und etwas aussuchen?«

»Das klappt bestimmt. Du bist die Einzige, auf die sie hört.« Er blickte mich mit seinen großen Augen ernsthaft an.

»Okay, das war jetzt so mittelerfolgreich.« Nicole stellte sich wieder zu uns. »Ich habe Jane gesagt, dass ich am Montag garantiert keines ihrer Teile auf dem Laufsteg trage, wenn Eleanor deinen Rausschmiss nicht sofort zurücknimmt.« Sie machte eine Pause.

»Und?« Meine Stimme zitterte.

»Sie meinte, Eleanor wird dich in der kommenden Woche anrufen und dir deinen alten Job wieder anbieten. Es tue ihr leid, sie habe überreagiert. Ihre Nerven seien gerade nicht die besten. Jetzt kommt allerdings der miese Teil: Damit Eleanor vor dem Team ihr Gesicht wahren kann, bittet dich Jane, am Montag nicht dabei zu sein. Ich finde das absolut unterirdisch. Das habe ich ihr auch gesagt. Meine Loyalität liegt zu tausend Prozent bei dir. Wenn du es nicht okay findest, laufe ich am Montag nicht.«

Ich versuchte, meine Tränen zu unterdrücken. Rund um die Uhr hatte ich für diese Kollektion gearbeitet; mein Herz hing nicht nur an den beiden Teilen, die ich designt hatte. Zu gerne hätte ich erlebt, wie sie das Licht der Öffentlichkeit erblickten und die Reaktionen der Modejournalisten, Socialites, Blogger und Einkäufer mitbekommen. Ob sie genauso begeistert waren wie ich? Oder enttäuscht?

Aber Janes Vorschlag schien ein fairer Kompromiss zu sein, bei dem keiner verlor, und Nicole musste laufen – niemand anders als sie sollte meinen Jumpsuit präsentieren.

»Natürlich bist du am Montag dabei. Du musst mir doch hinterher alles haarklein erzählen«, sagte ich.

Nicole nahm mich in den Arm. »Du weißt hoffentlich, dass mir unsere Freundschaft sehr viel mehr bedeutet als dieser Job.«

»Das weiß ich. Und ich danke dir dafür.«

»Wann fährst du zu deiner Großmutter?«

»Ich denke, morgen.«

Nicole lächelte traurig. »Wir werden dich vermissen.«

»Warum kommst du mit Theo nicht für ein langes Wochenende nach Cornwall?«

»Au ja!«, rief der Junge. »Bitte, Mum. Ich war noch nie in Cornwall.«

»Das ist gar keine schlechte Idee. Was sagt eigentlich Eddy dazu?«

»Ich konnte noch nicht mit ihm sprechen, er ist auf der Isle of Barra.«

Nicoles Augen weiteten sich. »Wie bitte? Das hast du gar nicht erzählt. Was macht er denn da – um diese Jahreszeit?«

»Keine Ahnung, ich habe gestern Abend nur einen Zettel von ihm auf dem Küchentisch gefunden, darauf steht, dass er mit den Jungs verreist ist.«

»Und seitdem hast du nicht mit ihm gesprochen?«

»Nur geschrieben, ob ich mir eventuell den Mini für drei oder vier Wochen ausleihen kann. Er wollte nicht einmal wissen, wofür.«

»Das heißt, du hast ihm nichts von deinem schrecklichen Tag erzählt? Und auch nicht, dass du zu deiner Großmutter nach Cornwall fahren willst?«

Ich schüttelte den Kopf. »Nein.«

»Ihr führt schon eine merkwürdige Beziehung.«

»Eddy ist einfach anders. Das respektiere ich.«

»Und respektiert er, was du fühlst und brauchst?«

Ich schluckte. Ich war gerade nicht in der Verfassung, mich mit einer weiteren emotionalen Baustelle auseinanderzusetzen. Ich hatte meinen Job beinahe verloren; meine Beziehung wollte ich nicht auch noch infrage stellen. »Darüber mache ich mir im neuen Jahr Gedanken«, sagte ich.

»Entschuldige, das war übergriffig, es ist deine Sache. Bitte melde dich, wenn du morgen angekommen bist.«

Erst umarmte sie mich, dann Theo.

»Nicht vergessen, wir feiern Weihnachten zusammen, ja?«, flüsterte er mir ins Ohr.

»Das vergesse ich ganz bestimmt nicht«, antwortete ich leise.

 3. Kapitel

Von der A30 hinter Penzance war ich in Richtung Newlyn abgebogen; ich wollte die Cliff Road am Meer entlang nach Mousehole nehmen. Aus den Lautsprechern von Eddys in die Jahre gekommenem grünen Mini tönten Christmas-Songs von Dean Martin und Frank Sinatra. Ich summte leise mit.

Dann musste ich plötzlich wieder an Eleanor und unsere Auseinandersetzung im Atelier denken. Daran, wie sie mich vor allen runtergemacht hatte. Ihre Worte hatten wie scharfe Klingen in mein Herz geschnitten. Diese eisige Stille danach und die entschuldigenden, verlegenen Blicke, die die anderen mir zugeworfen hatten.

Bei der Erinnerung verwandelte sich mein Magen in einen gewaltigen Klumpen. Hatte ich alle meine Hoffnungen und Träume aufs Spiel gesetzt und meine Karriere vermasselt? Aber was war das für eine Karriere, für die man seine Familie in einer Notsituation im Stich lassen musste? Was war das für ein Team, in dem keiner für einen in die Bresche sprang? Es fühlte sich richtig an, nach Cornwall zu fahren. Meine Großmutter brauchte mich, sie war für mich mein Leben lang eine unerschütterliche Stütze gewesen.

Jane hatte Nicole noch einmal hoch und heilig versprochen, dass ich nach meiner Auszeit nach Weihnachten auf jeden Fall meinen Job wiederbekommen würde, weil sie mich so sehr schätzte.

Auf dem Beifahrersitz befanden sich die Reste meines Proviants, ich hatte mir in einer Bäckerei auf der Thurloe Street einen Smoked-Salmon-Bagel, einen Zimt-Muffin und eine heiße Schokolade gegönnt. Ich saugte den letzten Tropfen der mittlerweile kalten Schokolade durch den Strohhalm aus dem Pappbecher, warf ihn zum restlichen Müll in den Fußraum und blickte kurz nach links.

Die Wolken hingen tief über dem Meer, der Wind wühlte das dunkle Wasser auf, sodass es wild und schäumend gegen die Felsen schlug. Ich öffnete das Fenster. Kalte, salzige, frische Luft strömte herein. Ein beglückendes Gefühl überkam mich.

Fünfzehn Minuten später bog ich in die kleine Straße am obersten Ortsrand von Mousehole ein, an deren Ende Seagull Cottage lag. Ich stieg vor einem Häuschen aus beigem Stein mit hellblau gestrichenen Sprossenfenstern und einem grauen Schindeldach aus. Von der weißen Haustür aus Holz blätterte die weiße Farbe ab. Auch das Klingelschild aus Messing war mittlerweile völlig verwittert. Grannys Nachname Bancroft war kaum noch zu lesen.

Ich läutete. Ein schriller Ton ertönte, gefolgt von einem empörten Bellen. Noodle schlug immer noch an, obwohl er schon dreizehn war. Sein Gehör funktionierte erstklassig, ganz im Gegensatz zu dem meiner Großmutter. Granny hatte den Dackel-Mischlingsrüden vor zehn Jahren aus dem Tierheim in Truro adoptiert – und ihn, da er sehr kurze Beine und einen langen Körper hatte, Noodle getauft. Ein lautes Poltern erklang, dann wurde die Tür geöffnet.

Bertha füllte den gesamten Rahmen aus. Sie trug ein kariertes Kleid mit einer dicken weißen Strickjacke, und in ihrem kurzen grauen Haar und den buschigen Augenbrauen bemerkte ich Spuren von Mehl.

»Da bist du ja endlich!« Sie drückte mich so fest an sich, dass mir fast die Luft wegblieb, während Noodle begeistert an mir hochsprang. »Jetzt lass sie erst mal ankommen«, schimpfte Bertha mit ihrer tiefen, rauchigen Stimme. »Deine Großmutter lässt diesem Tier einfach alles durchgehen.«

Ehe ich protestieren konnte, hatte sie meine Reisetasche genommen und war ins Haus marschiert.

»Ich kann sie tragen, warte.«

»Ich bin doch noch keine neunzig!«, schnaubte sie, während sie mit der Tasche die geblümten Gummistiefel umfegte, die neben der Treppe aufgereiht waren.

Bertha und meine Großmutter waren seit der ersten Klasse befreundet. Und obwohl Bertha mit ihrer Familie als Teenager in die Nähe von Manchester gezogen war, hielten sie engen Kontakt. Nach dem Tod meines Großvaters und Berthas Ehemanns Fred hatten die beiden mit vierundsiebzig beschlossen, eine WG zu gründen, und Bertha war bei Granny eingezogen – das war jetzt gut zwei Jahre her.

Auf den ersten Blick wirkten die beiden total verschieden: die ordnungsliebende, burschikose Bertha, die gern alles kontrollierte und den Haushalt mit viel Disziplin organisierte. Die oft polterte, aber ein goldenes Herz hatte. Und meine Großmutter, deren Herz für alle Lebewesen schlug. Die das Abenteuer liebte, vor Fantasie sprudelte und nie die Stimme gegen irgendjemanden erhob. Doch die beiden verband eine tiefe Freundschaft. All die Jahre waren sie füreinander da gewesen, auch während der schwierigsten Prüfungen des Lebens.

»Setz dich schon mal ins Wohnzimmer, ich habe Scones und Mince Pies gebacken. Ich bringe nur kurz das Gepäck nach oben in dein Zimmer.«

»Mein« Zimmer: eine heimelige Kammer im ersten Stock mit ausgetretenen Dielen, einem Bett aus Holz und einem gelb getünchten Regal, das bis unter die Decke und in zwei Reihen mit den Büchern und Notizheften meines Großvaters bestückt war. Die hellblau-weiß gemusterten Vorhänge hatte ich mit fünfzehn selbst genäht. An den Wänden hingen Aquarelle von Schiffen, Fischen und anderen Meeresbewohnern. Aus den Fenstern sah man auf der einen Seite grüne Felder, die im Sommer von unzähligen Schafen bevölkert waren, und auf der anderen Seite das Meer.

Vor dem Fenster der Meerseite stand ein kleiner, runder Tisch mit einem Stuhl, der ächzte, sobald man sich auch nur vorsichtig darauf niederließ. Der perfekte Platz, um sich zu neuen Kreationen inspirieren zu lassen. Ich warf einen schnellen Blick auf mein Handy: keine Nachricht von Eddy.

Im Wohnzimmer im Erdgeschoss duftete es nach Zimt und brennendem Holz. Ich ließ mich auf Grannys karierten Lieblingssessel fallen, Noodle machte es sich zu meinen Füßen bequem.

Mein Blick fiel durch die Terrassentür in den verwilderten Garten, zu den alten Weiden, in denen die Vögel im Frühjahr ihre Nester bauten, und zu den Gemüsebeeten, die jetzt zugewachsen waren. Dann huschte er über das leicht schiefe deckenhohe Regal mit Grannys Lieblingskrimis von Agatha Christie und Edgar Wallace, Berthas gesammelten Hemingway-Werken, den Porzellanmöwen und silbernen Kerzenständern zum prasselnden Kamin.

Darüber war bereits eine Girlande aus Tannenzweigen mit bunten Kugeln drapiert. Er wurde von zwei antiken Kommoden eingerahmt. Ganz vorne hatte Granny zwei große Bilder von meinen Eltern, Ben und mir aufgestellt.

Sie waren im Sommer, bevor meine Mutter gestorben war, auf der Isle of Skye aufgenommen worden. Ich war dreizehn, Ben fünfzehn. Eines zeigte uns direkt vor dem Old Man of Storr – mein Bruder und ich blickten ziemlich missmutig in die Kamera, da wir die Wanderung zu dem knapp fünfzig Meter hohen Monolithen als absolute Strafe empfunden hatten, auch wenn sie nur eine Stunde gedauert hatte.

Auf dem anderen Foto saßen Mum und ich nebeneinander auf einer geblümten Picknickdecke am Coral Beach, während Dad und Ben hinter uns standen. Jeder, der dieses Foto zum ersten Mal sah, dachte wegen des weißen Sandes und des türkisfarbenen Wassers, es sei in der Karibik entstanden – Fehlanzeige. Ich liebte dieses Bild: Mum trug ein knallbuntes Kopftuch und ein Strandkleid mit wild-gemusterten Prints und lächelte breit.

Man konnte ihr Strahlen durch den Abzug hindurch spüren, trotz ihrer schweren Krankheit. Es war faszinierend. Denn meine Mutter war ein Mensch gewesen, der mit seiner Wärme nicht nur einen Raum, sondern ein ganzes Stadion erfüllen konnte. Sie war ein Leuchtturm. Ich schluckte. Warum konnte ich nicht so sein wie sie? Im Vergleich zu ihr kam ich mir wie ein kleines, unbedeutendes Glühwürmchen vor.

Wenigstens sah ich ihr auf diesem Foto ein bisschen ähnlich: Wir hatten die gleichen dunklen, dichten Augenbrauen, das gleiche lockige schulterlange braune Haar und grüne Augen – nur mein Mund war etwas voller als ihrer. Und ich hatte auch im Winter unzählige Sommersprossen.

Hinter diesen Urlaubsbildern standen mehrere Porträts von meiner Mutter aus der Zeit, bevor sie mit meinem Vater verheiratet gewesen war: als kleines Mädchen beim Eisessen in St. Ives, als Teenager mit gelangweiltem Gesichtsausdruck vor der Tate Gallery, beim Skifahren mit meinen Großeltern im verschneiten Engadin, mit ihrer besten Freundin Ava als Studentin.

»Du erinnerst mich so sehr an sie.« Bertha stellte eine dampfende Tasse Tee und zwei Teller vor mir ab: Einen mit Scones, Marmelade und Clotted Cream, auf dem anderen stapelten sich Mince Pies. »Ich habe sie nach dem Rezept deiner Mutter gebacken, mit einem Schuss Rum.«

Für eine Sekunde hatte ich das Gefühl, Mum würde auf dem himmelblauen Sessel vor dem Kamin sitzen, mich beobachten und leise in sich hineinlachen. Mein Herz fühlte sich plötzlich schwer an. »Ich vermisse sie«, sagte ich.

»Ich weiß. Uns fehlt sie auch jeden Tag. Deine Großmutter ist überglücklich, dass du hier bist, und ich bin es auch. Wollen wir mit Noodle einen Spaziergang zur Cuddle Clinic machen, sobald du etwas gegessen und deinen Tee getrunken hast? Sie wartet schon sehnsüchtig auf dich.«

»Sehr gerne, nach der langen Fahrt brauche ich dringend frische Luft.

Ich ging mit Bertha und Noodle durch die kleinen, engen Gassen den Hügel hinab in Richtung Meer, vorbei an granitfarbenen Cottages, die seit Jahrhunderten hier standen und schon vielen Stürmen getrotzt hatten. Einige waren so schief, dass ich befürchtete, der nächste starke Windstoß könnte sie umpusten. Aus den Schornsteinen krochen Rauchschwaden in den düsteren Himmel. Außer uns waren kaum Menschen unterwegs, nur ein paar Möwen suchten auf den Pflastersteinen nach Nahrung und wurden von Noodle verscheucht.

»Ist der Hafen eigentlich schon mit Weihnachtslichtern geschmückt?«

»Erst Mitte Dezember«, antwortete Bertha. »Ich freue mich schon auf das Spektakel. Da gehen wir natürlich hin.«

Wehmütig dachte ich an einen magischen Abend im Dezember vor vielen Jahren, als ich die Weihnachtslichter mit meiner Mutter und Ben zusammen bewundert hatte. Die Szenerie hatte mich total verzaubert: Beleuchtete Seeungeheuer waren aus dem Meer getaucht, blinkende Rentierschlitten übers Wasser geglitten, die Kaimauern und Boote im Hafen von Mousehole waren über und über mit bunt leuchtenden Lichterketten geschmückt gewesen. Jedes Jahr kamen Menschen aus ganz Cornwall in das kleine Fischerdorf, um dieses Schauspiel zu bestaunen, das den Hafen in ein funkelndes Weihnachtsmärchen verwandelte.

Kurz vor dem Hafen bogen wir rechts in eine kleine Gasse ab, und ein süßer Duft stieg mir in die Nase. Wahrscheinlich wurden in den Häusern schon fleißig Plätzchen gebacken. Nach ein paar Metern blieben wir vor einem niedrigen Cottage stehen.