Großer Herren Häuser - Georg Hamann - E-Book

Großer Herren Häuser E-Book

Georg Hamann

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Beschreibung

Zu Gast bei Coburg, Kinsky, Batthyány & Co. Klingende Namen wie diese trugen nicht nur einflussreiche Familien des Habsburgerreiches, sondern auch deren Palais. Georg Hamann, namhafter Kenner des historischen Wien, nimmt uns mit auf eine Reise quer durch die Jahrhunderte und erzählt die spannenden, mitunter auch tragischen Geschichten rund um diese großen Häuser und ihre Bewohner: über berühmte Feldherren und Ringstraßenbarone, konkurrierende Barockbaumeister, politische Intrigen, gesellschaftliche Skandale, aristokratische Salons und vieles mehr. "Wie schön, wenn sich ein Autor auf die Spuren dieser altehrwürdigen Bauten begibt und ihre Erbauer und verschiedenen Besitzer quer durch die Jahrhunderte lebendig macht. Was gibt es Näherliegendes, als der Magie dieser Bauten auf den Grund zu gehen?" Karl Hohenlohe Mit zahlreichen Abbildungen

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Georg Hamann

Großer HerrenHäuser

Hinter den Fassaden prunkvoller Palais

Vorwort von Karl Hohenlohe

Mit 73 Abbildungen

Besuchen Sie uns im Internet unter: amalthea.at

© 2017 by Amalthea Signum Verlag, Wien

Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung: Elisabeth Pirker/OFFBEAT

Umschlagfotos: Cover: Sala Terrena im Schloss Belvedere, Wien © IMAGNO/

Gerhard Trumler; Rückseite: Belvedere, Stadtpalais Prinz Eugens, Kursalon/

Archiv des Autors

Herstellung und Satz: VerlagsService Dietmar Schmitz GmbH, Heimstetten

Gesetzt aus der 13/17 Punkt Garamond Premier Pro und der Sanchez Regular

Designed in Austria, printed in the EU

ISBN 978-3-99050-097-2

eISBN 978-3-903083-72-1

Inhalt

Vorwort

Einleitung

»Ein Tor aus Brettern wie zu einer Scheune …«

Hofburg

Von der Ritterburg zum Barockpalast – ein Überblick

Josef I., August »der Starke« und ein falsches Gespenst

Die Hofburg im 18. Jahrhundert

Das 19. Jahrhundert

Woher der Ballhausplatz seinen Namen hat

Bundeskanzleramt, Ballhausplatz 2

Die Hof- und Staatskanzlei – Regierungsgebäude und Wohnpalais

Wenzel Anton Graf Kaunitz – die graue Eminenz unter Maria Theresia

Die Ära Metternich – der »Kutscher Europas«

Metternichs Sturz und das weitere Schicksal der Staatskanzlei

Die Katterburg am »schönen Brunnen«

Schloss Schönbrunn

Kaiser Franz I. Stephan und die Geschichte des Tiergartens

Der Schlosspark unter Maria Theresia

Der Opernwettstreit in der Orangerie

Das Ende des Herzogs von Reichstadt – Napoleons Sohn in Schönbrunn

Kaiser Franz Joseph und Erzherzog Ferdinand Max – Schönbrunn bis 1918

Prinz Eugens Stadtpalais

Himmelpfortgasse 8

Eugens Aufstieg und der Bau seines Stadtpalais

Johann Bernhard Fischer von Erlach und Johann Lucas von Hildebrandt – zwei Konkurrenten auf hart umkämpftem Terrain

Das Stadtpalais nach Eugens Tod

Der schönste Blick über Wien

Schloss Belvedere

Die beiden Belvedereschlösser als Zeichen des Sieges

Eugens Park, Gärten und Menagerie

Das weitere Schicksal des Belvedere

Vom Museum zur Militärkanzlei

Der Tod Anton Bruckners

»Des Glanzes der Familie würdig«

Palais Daun-Kinsky, Freyung 4

Johann Lucas von Hildebrandt – »wahrhafftih ein wunderliher Man, mit welhen nit all zu leiht auszukommen«

Leopold Graf Daun – Maria Theresias Feldherr und Freund

Vom Palais Daun zum Palais Kinsky

Das Palais Kinsky im 20. Jahrhundert

Wo Prinz Eugen Piquet spielte

Palais Batthyány-Strattmann, Herrengasse 19/Bankgasse 2

Eleonore Gräfin Batthyány und die Intrigen gegen Prinz Eugen

Franziska Gräfin Batthyány und der Romantikerkreis um Klemens Maria Hofbauer

Eine Familie von Weltrang

Palais Coburg, Seilerstätte 1–3

Vom Palais Koháry zum Palais Coburg

Der Skandal um Prinzessin Louise von Belgien

Das Haus Coburg und der Walzerkönig Johann Strauß

Heinrich von Ferstel – der Ringstraßenarchitekt und »sein« Palais

Palais Ferstel, Freyung 2

Die Entstehung des Bank- und Börsengebäudes

Das Café Central und andere Literatencafés

Der jüdische Großbürger Epstein und die englische Gasgesellschaft

Palais Epstein, Dr.-Karl-Renner-Ring 3

Gustav Ritter von Epstein – Kunstmäzen und Philanthrop

Der Börsenkrach von 1873 – der Fall des Bankhauses Epstein

Die »Imperial Continental Gas Association« – die Familie Drory im Palais Epstein

Die Kuranstalt am Wasserglacis

Kursalon, Johannesgasse 33

Die Gründung des Stadtparks und der neue Kursalon

Auf den Spuren Kaiserin Elisabeths

Hermesvilla, Lainzer Tiergarten und das Achilleion auf Korfu

Das Achilleion auf Korfu

Elisabeths Tod – das weitere Schicksal von Hermesvilla und Achilleion

Quellen- und Literaturverzeichnis (Auswahl)

Bildnachweis

Personenregister

Vorwort

Ich darf mich als großer Freund von jeglichen alten Gebäuden zu erkennen geben. Sie üben einen eigenen Zauber auf mich aus.

Wie schön, wenn sich ein Autor nun auf die Spuren dieser altehrwürdigen Bauten begibt und ihre Erbauer und verschiedenen Besitzer quer durch die Jahrhunderte lebendig macht. Was Georg Hamann und mich verbindet, ist der Umstand, dass wir – ob wir es wollten oder nicht – in geschichtsaffine Haushalte hineingeboren wurden und solchermaßen das Interesse an der Historie gar nicht erst geweckt werden musste. Was gibt es also Näherliegendes, als sich mit den steinernen Zeugen der Geschichte Wiens eingehend auseinanderzusetzen und der Magie dieser Bauten auf den Grund zu gehen.

Schlösser, Palais und Herrenhäuser haben ja immer etwas eigentümlich Beruhigendes. Wahrscheinlich, weil sie den Zeiten getrotzt haben, jedes einzelne Gebäude auf seine eigene Art. Manche schlummern von Efeu und Moos bewacht in aller Ruhe vor sich hin, andere sind über die Jahrhunderte unausgesetzt gepflegt worden und manche, die schon vom Tod gezeichnet waren, sind ganz plötzlich in neuem Glanz erwacht.

Was fasziniert die Menschen so an diesen prachtvollen Häusern? In Wahrheit sind es erst in zweiter Linie die altehrwürdige Architektur oder die blühenden Parklandschaften und Gärten, die sie umgeben, in erster Linie drängen dem Betrachter die ehemaligen Bewohner ins Gedächtnis.

In Wien sind es oft Aristokraten und Industrielle, die einen früher, die anderen später, die sich mit dem Palais ein eigenes Denkmal setzten. Natürlich diente das Haus auch der standesgemäßen Unterbringung der Herrschaft und jener, die der Herrschaft ein ebensolches Dasein ermöglichten, aber das Herrenhaus, Palais oder Schloss sollte vor allem auch nach außen wirken.

Die Gefahr beim Repräsentieren liegt immer in der Übertreibung. In Wien üben sich die meisten dieser Repräsentationsbauten in Zurückhaltung, viele entfalten ihre wahre Pracht nach innen. Da locken überdimensionale Stiegenaufgänge in die Beletage, Heerscharen von Stuckateuren, Kunsttischlern und Steinmetzen waren mit der Herstellung von Leinwänden beschäftigt, die nach Fertigstellung von den großen Malern ihrer Zeit mit symbolschweren Dekors verziert wurden.

Viele Palais der Gründerzeit verschwanden genauso schnell, wie sie erbaut wurden, vereinzelt siechten sie noch dahin, Kriegszeiten und finanzielle Engpässe ihrer Besitzer erledigten den Rest. Noch in den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts wurden zahlreiche Juwelen der Baukunst, die leicht gerettet hätten werden können, geschleift und durch erstaunlich hässliche Nachfolger der Erinnerung beraubt.

Zum Glück hat sich aber eine stattliche Zahl von Palais, Herrenhäusern und Schlössern erhalten, die von Georg Hamann in behutsamer Weise durchleuchtet werden. Nichts würde sich besser für reißerische Schlagzeilen eignen als die Eskapaden der Erbauer, als die Komödien und Tragödien, die sich da zwischen den Salons, Boudoirs, Schlafzimmern und Gesindetrakten abgespielt haben.

Dankenswerterweise hat Georg Hamann die teils turbulenten Eskapaden der Eigner nicht größer gemacht als die Häuser selbst. Es bleiben die Gebäude präsent, die ja viel mehr sind als prachtvolle Bühnen für diverse Schicksalsschläge und dank der einfühlsamen Auseinandersetzung Georg Hamanns selbst die Hauptrolle spielen.

Karl Hohenlohe

Einleitung

Dieses Buch handelt von zwölf ausgewählten Gebäuden Wiens, die auch Thema der beliebten ORF-III-Serie Vieler Herren Häuser sind. Es versteht sich als Begleitliteratur, die vertiefende Informationen gibt, kann aber ebenso als eigenständiges Werk gelesen werden, ohne dass man die Fernsehserie kennt.

Im Vordergrund stehen nicht architektur- oder kunsthistorische Details (obwohl selbstverständlich die wichtigsten Informationen zur Baugeschichte nicht fehlen dürfen), sondern die Geschichte jener Menschen, die all die Schlösser und Palais entwarfen, die sie in Auftrag gaben und die sie bewohnten.

Der zeitliche Rahmen der Schilderungen erstreckt sich vom ausgehenden 17. Jahrhundert bis zum Ende der österreichischen Monarchie (nur bei der Hofburg beginnt die Darstellung früher, immerhin war sie bereits seit dem Hochmittelalter Residenz der österreichischen Landesherren). Die Ereignisse des 20. Jahrhunderts werden demnach nur in aller Kürze behandelt, denn die Zeit der »großen Herren« war 1918 vorbei. Kaum eines der Gebäude diente noch als Familiensitz, die meisten wurden verkauft, vermietet oder in staatliche Verwaltung übernommen.

Den größten Teil des Buches nehmen Palais ein, die zur Barockzeit entstanden. Als nach der Zweiten Türkenbelagerung die unmittelbare Gefahr durch die osmanischen Truppen gebannt war, kam es in Wien zu einem beispiellosen »Bauboom«. Der Wiener Lokalhistoriker Wilhelm Kisch schrieb in den 1880er-Jahren, dass »auf den Trümmerstätten und Schutthaufen, welche die Türkenbrände 1683 zurückliessen (…) alle die vielen stolzen Monumental- und Prachtbauten Wiens … jetzt wie Pilze aus der Erde schossen. Dort«, so Kisch weiter, »wo man noch jüngst in den niedergebrannten Vorstädten … halb verbrannte Kameele, geschmorte Maulthiere und verweste Christenleichen eine ungeheure Pestilenz unter schwarzen Rauchwolken verbreiten sah, stiegen die stolzen Paläste empor, die mit wahrer französischer Prachtliebe ihrer ärmlichen Umgebung zu spotten schienen.«

Tatsächlich war Wien nicht mehr nur Grenzfestung gegen Ungarn, sondern entwickelte sich zur barocken Metropole einer europäischen Großmacht. Im Jahr 1698 wurde der »Burgfrieden« auch auf die Vorstädte ausgedehnt, die nun – zwar durch die Stadtmauern immer noch von Wien getrennt, aber bald durch den zweiten Befestigungsring des Linienwalls geschützt – zu einem attraktiven Siedlungsgebiet wurden. Der Kaiserhof und viele Adelsfamilien ließen sich dort ihre Sommerschlösser mit ausgedehnten Gartenanlagen errichten (das Belvedere und Schönbrunn bieten hervorragende Beispiele). Auch Bürgerliche zogen aus der engen Stadt, wodurch dort Platz frei wurde für die hochherrschaftlichen Palais, die bis heute das Aussehen des 1. Bezirks prägen.

Immense Summen flossen damals in die Bauwirtschaft. Die adeligen Familien wetteiferten um die berühmten Architekten, Stuckateure, Maler und Freskanten, die sich in Wien tummelten. Neben dem Palais Batthyány-Strattmann und dem Daun-Kinsky wird über Prinz Eugens »Winterpalais« in der Himmelpfortgasse erzählt sowie das Amtspalais des heutigen Bundeskanzleramts, das einst den Staatskanzlern und ihren Familien als Residenz zustand.

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde viel schlichter und nüchterner gebaut, selbst die wenigen entstehenden Neubauten aristokratischer Bauherren waren durch vergleichsweise schmucklose Fassaden geprägt und glichen sich der bürgerlichen Zweckarchitektur an. Im Wien-Band des Kronprinzenwerks (1886) hieß es: »Es ist für uns, die wir die künstlerische Verjüngung der Metropole des Reiches erlebt haben, kaum faßbar, mit welch schmaler Hausmannskost die Stadt Beethovens und Schuberts, Raimunds und Grillparzers in allem, was die bauliche Gestaltung und den Schmuck des Lebens betraf, sich begnügen mußte.« Doch es gab Ausnahmen, wie das prächtige Palais Coburg, von dessen Baugeschichte und Bewohnern dieses Buch auch erzählt.

Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde von der Architektur des Historismus dominiert: Die Ringstraße entstand und mit ihr all ihre Palais und noblen Mietshäuser. Als Beispiel hierfür dient das von Theophil Hansen entworfene Palais Epstein. In dieselbe Zeit fiel auch der Bau der Hermesvilla im Lainzer Tiergarten und des Achilleions auf Korfu (das als einziges nicht in Wien liegende Gebäude in der Serie »Vieler Herren Häuser« vorgestellt wird). Zwei weitere Gebäude jener Jahre fallen ein wenig aus dem Rahmen, waren sie doch nie als Wohnhäuser gedacht: das »Palais« Ferstel und der Kursalon im Stadtpark.

All diese Gebäude erzählen spannende, mitunter tragische Geschichten: von berühmten Feldherren und Ringstraßenbaronen, von konkurrierenden Barockbaumeistern, politischen Intrigen, gesellschaftlichen Skandalen, aristokratischen Salons und vielem mehr – ein Blick hinter die Fassaden großer Herren Häuser.

Georg Hamann

September 2017

»Ein Tor aus Brettern wie zu einer Scheune … «

Hofburg

Als Residenz der österreichischen Landesherren war die Hofburg seit jeher das wichtigste profane Gebäude Wiens, als einen »Palast« konnte man sie jedoch lange Zeit wahrlich nicht bezeichnen. Es sollten Jahrhunderte vergehen, bis aus einem verwinkelten und verschachtelten Komplex aus Höfen, Stiegen, Türmen und Trakten ein einigermaßen repräsentatives Ganzes wurde.

Doch gerade diese Existenz als Stückwerk verleiht der Hofburg einen unverwechselbaren Charakter und macht sie so besonders, viel interessanter als jedes noch so prachtvolle, in einem Guss entstandene Renaissance- oder Barockschloss. Durch die häufigen Um- und Anbauten wurde aus ihr ein architektonisches »Geschichtsbuch«, anhand dessen sich hervorragend die zunehmende Bedeutung des Hauses Habsburg ablesen lässt. Je wichtiger dieses wurde, desto größer und prächtiger wurde auch seine Wiener Residenz.

Von der Ritterburg zum Barockpalast – ein Überblick

Ihr ältester Teil stammt aus dem Hochmittelalter: Ottokar II. Přemysl – König von Böhmen und Herzog von Österreich – ließ in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts anstelle eines babenbergischen Vorgängerbaus eine Burg errichten (den späteren »Schweizertrakt«). Sie lag direkt an der alten Stadtmauer, diente also in erster Linie als militärischer Zweckbau: Türme sicherten ihre Ecken, ein Wassergraben mit Zugbrücke verwehrte feindlichen Zugriff.

Sehr behaglich dürfte es in ihren Räumen nicht gewesen sein und besonders imposant sah sie auch nicht aus. Im beginnenden 16. Jahrhundert schrieb ein französischer Wien-Besucher: »Dieser Palast ist so hässlich wie nur irgendeines der Häuser in der Rue de Lombards zu Paris. Ein Tor, aus Brettern wie zu einer Scheune; an demselben nur auf einer Seite ein kleines Pförtchen; ein Hofraum so enge, dass sich in ihm mit einer Kutsche ohne Schwanenhals gar nicht umkehren lässt.«

Erst Jahrzehnte später, als die Kunst der Renaissance endlich auch in Österreich Fuß fasste, wurde die Hofburg deutlich vergrößert und erhielt ein Aussehen, das um einiges repräsentativer war als bislang. Ab den 1550er-Jahren wurde anstelle eines alten Getreidespeichers zunächst die sogenannte »Stallburg« errichtet. Sie war ursprünglich für Erzherzog Maximilian (den späteren Kaiser Maximilian II.) als Residenz gedacht, doch noch ehe sie fertig war, starb dessen Vater Ferdinand I., womit Maximilian gleich dessen Räume in der alten Burg beziehen konnte. Der neu erbaute Trakt wurde nun als »Hofstallgebäude« und Wagenremise genutzt.

Ungefähr zur gleichen Zeit wurde auch das Eingangstor in die alte Burg (das heutige »Schweizertor«) von Pietro Ferrabosco in markanten Renaissanceformen neu gestaltet, und nach seinen Entwürfen errichtete man – direkt gegenüber, auf der anderen Seite des damaligen Turnierplatzes (des heutigen »Inneren Burghofs«) – einen weiteren neuen Trakt der Burg.

Bislang hatten dort mehrere Häuser gestanden, das größte war nach seinen einstigen Besitzern, den Grafen Cilli, benannt (der »Cillierhof«). Nachdem diese mächtige Familie im Mannesstamm ausgestorben war, fiel deren Besitz Mitte des 15. Jahrhunderts an Kaiser Friedrich III. Der Cillierhof wurde lange Zeit als Küche und Rüstkammer genutzt, jetzt, gut hundert Jahre später, riss man ihn ab.

An seiner Stelle entstand die (später sogenannte) »Amalienburg«, ein stattliches, vornehmes Renaissanceschloss, das ursprünglich für Kaiser Maximilians Sohn Rudolf als Residenz gedacht war. Als dieser jedoch 1576 zum neuen Kaiser aufrückte, hatten die Bauarbeiten gerade erst begonnen und Rudolf hielt sich ohnehin meist in Prag und nicht in Wien auf. Bald blieb er für immer am Hradschin, im neuen Gebäude der Hofburg wohnte er nie.

Die Bauarbeiten zogen sich lange hin, so wie auch jene an der Stallburg mehr Zeit als vorgesehen in Anspruch genommen hatten. Die Erklärung liegt nahe: Es fehlte an Geld. Das ausgehende 16. und beginnende 17. Jahrhundert war eine Phase erneuten Krieges, wieder einmal ging es gegen die Türken. Der Ausbau der Grenzfestungen in Ungarn hatte allerhöchste Priorität. Für die Hofburg blieb kaum noch Geld übrig, ja selbst für die dringend nötige Instandsetzung der Wiener Stadtmauern mangelte es am Nötigsten: Die requirierten Arbeitskräfte erschienen zwar zur Arbeit, da für sie aber weder Baumaterial noch Werkzeug zur Verfügung standen, mussten sie unverrichteter Dinge wieder abziehen.

Als die finanziellen Mittel endlich wieder gesichert waren, versickerten prompt große Summen durch Korruption und Unterschlagung. Betrügerische Handwerker zweigten so viel ab, dass sich der leitende Baumeister der Amalienburg, Hans Schneider, 1607 mit einer Beschwerde an den Hof Kaiser Rudolfs in Prag wandte – er hatte bloß das Pech, dass dessen Kammerdiener, selbst ein skrupelloser Betrüger, ihn nicht zum Kaiser vorließ. Erst um 1610 konnte das neue Gebäude fertiggestellt werden.

Abgesehen vom spärlich fließenden Geld wurde man bei der Hofburg in jenen Jahren auch sonst des Öfteren an den tobenden Krieg gegen das Osmanische Reich erinnert: Dutzende türkische Gefangene waren in den kalten, unterirdischen Gewölben untergebracht, manche sogar im Stadtgraben vor der Hofburg angekettet.

Auch wurde im Oktober 1601 auf dem alten Turnierplatz ein grausiges Spektakel inszeniert: Der kaiserliche Hauptmann Georg Paradeyser, ehemaliger Kommandant (des heute slowakischen) Kaschaus, war gemeinsam mit mehreren Kameraden zum Tode verurteilt worden, weil er die ihm anvertraute Festung »ohne Noth« an die Türken übergeben haben soll. Er wurde, so wie zwei andere Offiziere, enthauptet, ein Feldwebel gehängt, ebenso ein Oberwachtmeister, dem man wegen falscher Zeugenaussage zuvor auch noch die Zunge aus dem Mund geschnitten hatte.

Kaum waren die Kämpfe gegen die Türken vorüber, dämmerte auch schon der nächste Krieg herauf – der Dreißigjährige. Die Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Evangelischen fanden damals selbst direkt in der Hofburg statt. Im Juni 1619 drangen protestantische Adelige aus Niederösterreich in die Gemächer Kaiser Ferdinands II. vor, um ihre »Sturmpetition« zu stellen. Zu allem entschlossen wollten sie die schriftliche Bestätigung der einst gemachten Zusagen zur Religionsfreiheit erlangen. Es kam zu Handgreiflichkeiten, Kaiser Ferdinand soll – unter »Ferdl, unterschreib!«-Rufen – am Kragen gepackt worden sein. Erst die Ankunft kaisertreuer Kavallerie konnte die sich immer dramatischer aufschaukelnde Situation entschärfen. Das Kruzifix, das Ferdinand damals Trost gespendet, ja sogar zu ihm gesprochen haben soll, ist heute am Hochaltar der Burgkapelle zu sehen.

In Zusammenhang mit dem Dreißigjährigen Krieg steht höchstwahrscheinlich auch jene unscheinbare lateinische Inschrift, die im Durchgang des Schweizertors zu finden ist.* Die ins Mauerwerk eingeritzten Buchstaben sind zwar nur wenige Zentimeter groß, aber dennoch gut zu entziffern: »Si deus pro nobis quis contra nos«, also: »Wenn Gott für uns ist, wer kann dann gegen uns sein (bestehen)?« Diese Worte stammen aus den Römerbriefen des Neuen Testaments und sind auf den ersten Blick nichts weiter als ein frommer Bibelspruch. Sie gewinnen allerdings an Brisanz, da sie ausgerechnet einen der Wahlsprüche des Schwedenkönigs Gustav II. Adolfs darstellten, der bekanntlich ab 1630 der Hauptgegner der katholischen Liga war! Auf den Standarten seiner gefürchteten Reiterei etwa waren diese Worte zu lesen.

Das Schweizertor bildete seit der Renaissancezeit den Eingang in die alte Burg. Hier eine Ansicht aus dem Jahr 1826 – die Schweizer Garde verrichtete damals schon längst nicht mehr ihren Dienst.

Bis heute lässt sich nicht mit Gewissheit sagen, wer diesen Spruch des evangelischen Heerführers ausgerechnet an der Hofburg, im Herzen der katholischen Habsburgermacht, anbrachte. War es gar ein kaiserlicher Wachsoldat, der insgeheim mit dem Feind sympathisierte? Die daneben eingravierte Jahreszahl 1660 dürfte jedenfalls erst später hinzugefügt worden sein (ihre Ziffern sind etwas größer als die Buchstaben).

Bedingt durch die neuerlichen Kriegswirren wurde kaum an der weiteren Verschönerung und Erweiterung der Hofburg gearbeitet. Trotz der geschilderten Zubauten war sie weiterhin in erster Linie ein militärischer Zweckbau, eingegliedert in die Wiener Befestigungsanlagen. Im Jahr 1637 hieß es immer noch, sie sei »durchaus nicht glänzend oder von besonderem Ansehen, im Gegenteile, enge genug für einen solchen Fürsten und einen so erhabenen Hof«. Und kurz nach Ende des Dreißigjährigen Krieges las man in der Topografie Merians, sie sei »nicht besonders prächtig erbaut und für einen solchen mächtigen und höchsten Potentaten ziemlich eng«.

Die Zeit des frühen Barock sorgte ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts dann doch für einigen Glanz. Da war zunächst Erzherzog Leopold Wilhelm (jüngster Sohn Kaiser Ferdinands II.), der nach vielen Jahren als Statthalter der Spanischen Niederlande nach Wien zurückkehrte und eine schier märchenhafte Kunstsammlung mit sich brachte. In der Stallburg wurden die rund 1400 kostbaren Gemälde gemeinsam mit Hunderten Zeichnungen, Statuen und Büsten, wertvollen Möbeln und Tapisserien untergebracht – sie sollten später zum Grundstock der Bestände des Kunsthistorischen Museums werden.

Dem barocken Repräsentationsbedürfnis der Zeit entsprechend ging damals auch Leopold Wilhelms Neffe, der neue Kaiser Leopold I., daran, ein neues Wohngebäude errichten zu lassen. Anstelle der bislang bestehenden Stadtmauer wurde die alte Burg mit der gegenüberliegenden Amalienburg verbunden – der »Leopoldinische Trakt« schließt seither den Inneren Burghof an seiner westlichen Seite ab.

Präzise formuliert muss es allerdings heißen: der neue Leopoldinische Trakt, denn der ursprüngliche, 1667 fertiggestellte, brannte bereits wenige Monate später vollkommen ab. Ein betrunkener Tischler, der spätnachts noch in einer der im Erdgeschoß untergebrachten Werkstätten Leim sieden wollte, dürfte das Inferno ausgelöst haben.

Die Wachmannschaften wurden zwar rasch auf das Feuer aufmerksam, doch da man die hohen Herrschaften nicht in ihrem Schlaf stören wollte, verzichtete man darauf, die Signalglocken zu läuten und die Trompeten blasen zu lassen. Die Löscharbeiten wurden zunächst so leise und behutsam wie möglich durchgeführt, was letztlich zum verheerenden Großbrand führte. Die Stiefmutter Kaiser Leopolds, Eleonore von Mantua, konnte erst in letzter Minute aus den verqualmten, brennenden Gemächern in Sicherheit gebracht werden. Nachdem die Brandruine abgetragen war, baute man den Leopoldinischen Trakt ein zweites Mal auf, 1681 waren die Arbeiten abgeschlossen.

Bereits im Dezember 1666 hatte der Kaiser seine 15-jährige Nichte (aufgrund der engen Inzestverbindungen war sie gleichzeitig seine Cousine), die spanische Habsburgerin Margarita Teresa, geheiratet und das Fest zum Anlass genommen, ein barockes Spektakel zu veranstalten, wie es Wien bislang noch nicht gesehen hatte. Über anderthalb Jahre erstreckten sich die Festlichkeiten!

Der Innere Burghof im späten 17. Jahrhundert. Links, hinter der Mauer, das alte Paradeisgartl (heute Winterreitschule), dann die alte Burg mit den noch bestehenden Türmen, der Leopoldinische Trakt und rechts die Amalienburg

Im Inneren Burghof wurden Tribünen für über 1000 Personen errichtet, von denen aus man ein prächtiges »Rossballett« verfolgen konnte, dazu spielte Orchestermusik, Hunderte reich kostümierte Mitwirkende führten ein aufwendiges Theaterstück auf, in dem sogar große Prunkschiffe von Schimmeln über den Platz gezogen wurden. Kanonendonner und Feuerwerke durften natürlich nicht fehlen.

Auch hatte Kaiser Leopold, der bekanntlich nicht nur ein großer Musikfreund war, sondern auch selbst komponierte, einen großen Tanz- und Theatersaal am heutigen Josefsplatz errichten lassen (wo Maria Theresia später den Redoutentrakt bauen ließ) sowie ein dreistöckiges, hölzernes Opernhaus für nicht weniger als 5000 Zuschauer. Es stand auf der Kurtine der Stadtmauer (also auf der Verbindung zwischen Burgbastei und Augustinerbastei, heute im Bereich des Burggartens). Als glanzvoller Höhepunkt der Hochzeitsfeierlichkeiten – und zum Geburtstag der neuen Kaiserin – wurde dort am 12. Juli 1668 Antonio Cestis berühmte Festoper Il pomo d’oro mit sagenhaftem Aufwand uraufgeführt. Kaiser Leopold nahm jede Gelegenheit wahr, um seiner Opernleidenschaft fröhnen zu können, ob zu Geburtstagsfeiern, Hochzeiten oder Taufen: Unter seiner Herrschaft zählte man über 4000 Aufführungen.

Doch wurde die Zeit der glanzvollen Operninszenierungen schon bald unterbrochen. Im Frühjahr 1683 setzte sich ein gewaltiges osmanisches Heer in Bewegung, sein Ziel war die Eroberung Wiens. In aller Eile begann man, die Vorstädte zu schleifen, um dem Feind die Möglichkeit zu nehmen, sich dort zu verschanzen. Auch zahlreiche Gebäude an der Stadtmauer wurden abgetragen oder zumindest abgedeckt, befürchtete man doch, dass diese in Brand geschossen werden könnten. Auch das große hölzerne Opernhaus wurde abgerissen.

Tatsächlich wurde die Hofburg während der Türkenbelagerung arg in Mitleidenschaft gezogen, immerhin stellte sie das Herzstück der Befestigungsanlagen Wiens dar. Als nach der entscheidenden, siegreichen Entsatzschlacht am 12. September 1683 die Türken die Flucht antreten mussten, kehrte auch Kaiser Leopold in seine Hauptstadt zurück. Es hieß: »Ihre Kais. Maj. sahen nach ihrer Rückkehr ihre aigene herrliche Palatia sambt denen negst gelegenen Kirchen und Clöstern durch feindliches Canoniren dergestalt durchlöchert und durchbohrt, daß sie einem Gebau fast nicht mehr gleich waren.« Die Schäden wurden jedoch rasch behoben, und der Kaiser bezog mit seiner Familie wieder die Räumlichkeiten im Leopoldinischen Trakt.

Josef I., August »der Starke« und ein falsches Gespenst

Mit Leopolds ältestem Sohn und kaiserlichem Nachfolger Josef I. ist eine interessante Geschichte verbunden, die sich in der Hofburg zugetragen haben soll und heute nur noch wenig bekannt sein dürfte. Erstmals tauchte sie im Jahr 1734 in einem Buch des preußischen Schriftstellers Karl Ludwig von Pöllnitz auf (La Saxe galante), das sich mit den – meist amourösen – Abenteuern des sächsischen Kurfürsten Friedrich August I. (also des späteren, legendären polnischen Königs August II., des sogenannten »Starken«) beschäftigte.

Diese Anekdote fand bis weit ins 19. Jahrhundert auch Eingang in durchaus seriöse Darstellungen der Wiener Geschichte sowie in Biografien Friedrich Augusts. Freilich darf man sie nicht für bare Münze nehmen, doch sie vermag, so wie jede gute Anekdote, gewisse historische Begebenheiten zu illustrieren – in diesem Fall die konfliktreiche Beziehung Josefs I. zur katholischen Kirche.

Der geschichtliche Hintergrund ist schnell skizziert: In den beginnenden 1690er-Jahren verbrachte der junge Kurfürst von Sachsen, Friedrich August I., einige Zeit in Wien, wo er als Gast der kaiserlichen Familie in der Hofburg wohnte. Eine besondere Freundschaft verband ihn bald mit Josef, der damals ein 13-, 14-jähriger Knabe war, aber als gewählter römischer König bereits die Anwartschaft auf die Kaiserwürde innehatte.

Eines Nachts – so lautet nun die von Pöllnitz erzählte Geschichte – erschien eine unheimliche, in weiße Gewänder gehüllte und mit Ketten rasselnde Gestalt in König Josefs Schlafzimmer, die den jungen Habsburger mit hohler Stimme vor weiterem Umgang mit dem Sachsen warnte: »Entsage seiner Freundschaft oder erwarte die ewige Verdammniß!« Falls er sich weigere, so das »Gespenst« weiter: »So ist dein und sein Verderben unvermeidlich.« Josef bekam drei Tage Bedenkzeit zugestanden, dann wollte der unheimliche Gast wieder erscheinen.

Josef berichtete am folgenden Morgen seinem Freund Friedrich August über die schaurige Szene, worauf dieser sich in der angekündigten Nacht auf die Lauer legte. Tatsächlich erschien der Geist abermals, um seine Drohungen zu wiederholen, da stürzte sich der starke Friedrich August auf die geheimnisvolle Gestalt und schleuderte sie kurzerhand aus dem Fenster. Mit einem gebrochenen Bein blieb sie liegen und es stellte sich heraus, so Pöllnitz weiter, dass es ein katholischer Priester war, ein Jesuit, »der allezeit mit dem Beichtvater des Römischen Königes gieng«. Josef war daraufhin dermaßen wütend, dass er »schwur, er wolle dereinst alle Jesuiten aus seinen Ländern jagen«.

Die Anekdote ist damit zu Ende. Gerade der letzte hier zitierte Satz aus Pöllnitz’ Darstellung lässt allerdings aufhorchen, da er auf tatsächliche, historisch verbürgte Spannungen zwischen dem damals mächtigen Jesuitenorden und dem jungen Josef verweist. Dieser war, verglichen mit seinen Vorgängern, als nicht besonders fromm bekannt, hatte aber in seinem Religionslehrer, dem Priester Franz von Rummel, einen vertrauten und sehr geschätzten Erzieher. Rummel jedoch wurde von den Jesuiten abgelehnt, immer wieder forderten sie dessen Absetzung. Selbst der Papst verlangte auf deren Drängen Rummels Entlassung, worauf Josef selbstbewusst ausrichten ließ: »Wenn dies geschähe, müßten ihm alle Jesuiten das Geleite geben.« Er konnte sich tatsächlich durchsetzen und behielt Rummel als Lehrer. Später, kaum war er der neue Kaiser, ließ er ihn sogar gegen massiven Widerstand der Jesuiten zum Fürstbischof von Wien ernennen.

Thronfolger Josef, sein Freund August »der Starke« und das falsche Gespenst der Hofburg

Zweites »Leitmotiv« der geschilderten Anekdote ist das Verhältnis Josefs zum sächsischen Kurfürsten. Friedrich August stand zwar aufseiten der Habsburger gegen die Franzosen (weshalb er in Wien so freundschaftlich aufgenommen wurde), führte 1695 sogar den Oberbefehl über das kaiserliche Heer gegen die Türken in Ungarn – aber er war damals noch evangelisch! Das erklärt die großen Ressentiments, mit denen ihm von katholischer Seite begegnet wurde. Erst 1697 konvertierte er in der Frauenkirche in Baden bei Wien, um bald darauf König des streng katholischen Polens werden zu können (was ihm wiederum die Protestanten sehr übelnahmen).

Als Letztes sei noch erwähnt, dass sich Kaiser Josef auch nicht davor scheute, in direkte, bewaffnete Opposition zum Papst zu gehen, was angesichts der langen, romtreuen Politik seiner Vorgänger überrascht. Als Josef nämlich zu Beginn des Spanischen Erbfolgekrieges versuchte, seinen jüngeren Bruder Karl (den späteren Karl VI.) als König von Spanien zu etablieren, verweigerte Papst Clemens XI. dessen Anerkennung.

Clemens stand unter dem Druck der Franzosen, die ihn dazu gebracht hatten, ihren eigenen Thronkandidaten Philipp von Anjou zu unterstützen. Außerdem fürchtete der Papst eine Ausdehnung der Habsburgermacht in Italien, immerhin hatte der österreichische Feldmarschall Wirich Graf Daun (siehe Seite 135f.) bereits das zu Spanien gehörende Königreich Neapel besetzt, das direkt an den – damals noch großen – Kirchenstaat grenzte. Auch im Norden marschierten kaiserliche Truppen unter Prinz Eugen ins Herzogtum Parma ein (das der Heilige Stuhl als päpstliches Lehen betrachtete).

In sehr scharfem Ton wandte sich Papst Clemens nun an Kaiser Josef: »Höre auf, Sohn! und wende Dein gläubiges Gemüth wieder zur Ehrfurcht gegen die Kirche! Alsdann wollen auch Wir das erlittene Unrecht vergessen und Dich als unseren erstgebornen Sohn lieben. Solltest Du aber in so unbescheidenen Gesinnungen beharren, so wollen auch Wir die Gnade eines Vaters ablegen und Dich als einen aufrührerischen Sohn mit dem Kirchenbanne, ja selbst mit den Waffen, wenn es nöthig sein sollte, bestrafen.« Und weiter schrieb er: »Wir vertheidigen die Sache Christi und die Kirche. Christus selbst wird Kraft verleihen, damit Wir siegen, – und wenn Du Dich nicht schämst, die Kirche und Gott selbst zu befehden und von der alten österreichischen Frömmigkeit abzuweichen, – so wird eben dieser Gott, der Reiche ertheilt, auch Reiche zu Grunde richten.«

Doch Josef ließ sich keineswegs einschüchtern. Er wusste, dass die Zeiten, da sich ein Kaiser nach den Interessen des Papstes zu richten hatte, längst vorüber waren. Er gab seinem Feldmarschall Daun im Herbst 1708 den Befehl, mit seiner Armee in den Kirchenstaat einzumarschieren. Die päpstlichen Truppen mussten sich schnell zurückziehen und Papst Clemens, der eine Besatzung Roms durch die Österreicher befürchtete, lenkte ein und erkannte Josefs Bruder Karl als spanischen König an. Der letzte Krieg, den ein Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gegen den Papst geführt hatte, war vorbei.

Kaiser Josef zeigte in dieser – glimpflich verlaufenen – als »Comacchiokrieg« bezeichneten Auseinandersetzung großes Selbstbewusstsein, überhaupt war er von der dynastischen Sendung seiner Familie überzeugt. Die Jahre seiner Regentschaft stellten einen Höhepunkt österreichischer Großmachtpolitik dar – und habsburgischer Reichspolitik.

Dazu passend wollte er natürlich auch seine Wiener Residenz prachtvoll ausbauen lassen, denn »da er Kayser war, wollte er, daß Alles Kayserlich seyn sollte; hieher gehöret das große vorhaben, so er im bauen vorhatte«. Sein einstiger Architekturlehrer Johann Bernhard Fischer von Erlach wurde mit Entwürfen zu einer völligen Neugestaltung der Hofburg beauftragt, doch konnten diese nie verwirklicht werden, denn der Spanische Erbfolgekrieg verschlang so gut wie alle finanziellen Ressourcen (siehe Seite 106f.). Fischer von Erlach erhielt keinen einzigen Bauauftrag von Kaiser Josef.

Die Hofburg im 18. Jahrhundert

Josef I. erkrankte 1711 an den Pocken, er war gerade einmal 32 Jahre alt. Noch auf dem Totenbett soll er seiner Ehefrau Amalie Wilhelmine versprochen haben, all seine Geliebten vom Hof zu verbannen, falls er überleben würde. Es war freilich zu spät. Josef starb im April und hinterließ seine Familie in großer Bedrängnis.

Bei seinen zahlreichen außerehelichen Affären hatte er sich gefährliche Geschlechtskrankheiten zugezogen, mit denen er schließlich auch seine Ehefrau angesteckt hatte. Nach der Geburt zweier Töchter und eines früh verstorbenen Sohnes war sie unfruchtbar geworden. Auf Josefs jüngerem Bruder Karl ruhten nun sämtliche Hoffnungen, die Dynastie weiterzuführen.

Wobei: Von einer »Dynastie« war damals kaum noch zu sprechen. Zwar war Karl VI. der Nachfolger seines Bruders als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und somit der ranghöchste Monarch Europas, aber Spanien ging – nach dem Aussterben des dortigen Familienzweiges und dem langen Erbfolgekrieg – verloren. Auch wenn er durch Neapel-Sizilien und die Spanischen (ab nun: Österreichischen) Niederlande entschädigt wurde und sein Reich dadurch eine noch nie zuvor dagewesene Ausdehnung erreichte – wer sollte all diese Länder dereinst regieren? Karl, der letzte männliche Habsburger, musste einsehen, dass seine Nachfolge auf höchst unsicherem Grund stand, zeugte er doch selbst ebenfalls »nur« Töchter (sein einziger Sohn starb bereits im Babyalter).

Mit all den prunkvollen Bauten, die er in Auftrag gab, schien er eine Bedeutung hervorstreichen zu wollen, die seine Familie gerade zu jener Zeit zu verlieren drohte. Neben dem Bau der monumentalen Karlskirche und dem – geradezu bombastischen – Projekt des »österreichischen Escorials«, der Stiftsresidenz Klosterneuburg, wurde auch die Hofburg großzügig erweitert.

Endlich kam Johann Bernhard Fischer von Erlach zum Einsatz. Er erhielt den Auftrag, das Gebäude einer neuen Hofbibliothek (am heutigen Josefsplatz) zu planen, auch neue Hofstallungen (das heutige Museumsquartier) entstanden nach seinen Entwürfen – ein wahrer Palast für die kaiserlichen Pferde.

Nach Fischers Tod im Jahr 1723 führte dessen Sohn Joseph Emanuel die Bauprojekte fort, ja es gelang ihm sogar, den ständigen Konkurrenten seines Vaters, Johann Lucas von Hildebrandt, schrittweise zu verdrängen (siehe Seite 109f.). Der Kunsthistoriker Hans Sedlmayr schrieb in diesem Zusammenhang vom »Ringkampf zwischen den beiden Hofarchitekten und ihren Protektoren«. Hildebrandt hatte zwar einen Entwurf für einen großzügigen Komplettumbau der Hofburg geschaffen, doch bis auf einen kleinen Teil des Reichskanzleitrakts (in Richtung Schauflergasse) wurde nichts davon verwirklicht. Er erhielt bald keinen einzigen kaiserlichen Bauauftrag mehr.

Der junge Fischer hingegen ging siegreich aus diesem »Ringkampf« hervor und avancierte bald zum Stararchitekten: Neben der Fertigstellung der väterlichen Bauprojekte gestaltete er den Hauptteil des Reichskanzleitrakts (gegen den Inneren Burghof) sowie die Winterreitschule anstelle des alten »Paradeisgartls«. Sein Entwurf für eine repräsentative Front zum Michaelerplatz hin wurde allerdings nur teilweise verwirklicht. Erst im späten 19. Jahrhundert stellte man diesen Teil der Hofburg – angelehnt an Fischers ursprüngliche Pläne – fertig.

All diese Prachtentfaltung kostete ein immenses Vermögen, wobei die finanzielle Lage Österreichs nicht besonders rosig aussah. Kaiser Karl VI. schien dermaßen beseelt vom Wunsch, sich und seiner Familie Baudenkmäler für die Ewigkeit schaffen zu lassen, dass er offenbar die Übersicht über seine Geldmittel verlor. Jenes Problem, das bereits im 16. und 17. Jahrhundert aufgetaucht war, wurde auch unter Kaiser Karl virulent: Korruption und Unterschlagung in großem Stil.

Geschätzt die Hälfte der jährlichen Steuereinnahmen von rund 120 Millionen Gulden verschwand in den Taschen habgieriger Beamter und betrügerischer Höflinge. Auch die Bediensteten in der Hofburg überboten einander geradezu in der »Kunst« des schamlosen Stehlens.

Ein gutes Beispiel hierfür ist das Personal Amalie Wilhelmines, Karls verwitweter Schwägerin (sie lebte in jenem Trakt, der heute nach ihr Amalienburg genannt wird). Auch wenn damals zu jeder Mahlzeit Wein getrunken wurde und der Bedarf dementsprechend hoch war, scheint der Verbrauch der frommen Kaiserinwitwe doch besonders auffallend: Als »Schlummertrunk« habe sie täglich nicht weniger als zwölf Kannen ungarischen Weins, also gut zwölf Liter, benötigt und jede ihrer Hofdamen immerhin sechs Kannen! Die Vermutung liegt nahe, dass der zuständige Kellermeister mehr Wein verrechnete, als er tatsächlich lieferte, um die übrige Menge privat verkaufen zu können. Ähnliches dürfte auch Kaiserin Elisabeth Christine geschehen sein, der Ehefrau Kaiser Karls. Das Brot für deren Papagei wurde in edelstem Tokajer eingeweicht, wobei sich der Vogel als äußerst trinkfest erwiesen haben müsste: Über 900 Liter jährlich soll er auf diese Weise vertilgt haben. Dass die kaiserliche Küche pro Jahr allein 4000 Gulden für Petersilie in Rechnung stellte, sei auch noch angemerkt (zum Vergleich: »Hof-Ingenieur« Hildebrandt erhielt ein Jahresgehalt von 600 Gulden).

Unter Karls Tochter Maria Theresia änderte sich manches. Insbesondere ihrem Mann Franz Stephan von Lothringen ist es zu verdanken, dass der persönlichen Bereicherung der Hofangestellten ein Riegel vorgeschoben wurde. Franz, der zwar aus vornehmer, aber nicht übermäßig reicher Familie stammte, hatte schon in frühen Jahren gelernt, hervorragend mit Geld umzugehen. Er ordnete die desolaten Staatsfinanzen Österreichs, was seinen Nachkommen bald zugute kommen sollte.

Die Zeit der verschwenderischen Bauprojekte war vorerst vorbei (wenn man von Maria Theresias Lieblingsschloss Schönbrunn absieht, siehe Seite 68f.). Man arrangierte sich vielmehr mit der vorhandenen Bausubstanz der Hofburg und adaptierte sie entsprechend den Bedürfnissen der Zeit. Die oberen Teile zweier noch bestehender mittelalterlicher Türme wurden abgetragen, die beiden Redoutensäle entstanden anstelle des barocken Lustspielhauses am Josefsplatz und am Michaelerplatz, dort, wo im »Ballhaus« bislang das gioco di palla (siehe Seite 41f.) gespielt worden war, zog das neu gegründete Burgtheater ein.

Das »Damen-Carroussel« in der Winterreitschule, eines der aufwendigen Feste zur Zeit Maria Theresias

Die bereits erwähnte Kunstsammlung Erzherzog Leopold Wilhelms wurde aus der Stallburg ins Schloss Belvedere überführt, das nach dem Tod Prinz Eugens in kaiserlichen Besitz überging (siehe Seite 127f.). Im Gegenzug brachte man die berühmten Lipizzaner unter, deren Stallungen sich bis heute hier, direkt gegenüber der Winterreitschule, befinden.

Dass es unter dem neuen Kaiserpaar nicht gänzlich vorbei war mit den Festlichkeiten, mit den prachtvollen Bällen und Theateraufführungen, bewies das »Damen-Carroussel«, das am 2. Jänner 1743 veranstaltet wurde. Damals – es war die Zeit des Österreichischen Erbfolgekrieges – feierte man den erzwungenen Rückzug der Franzosen und Bayern aus Böhmen. Tausende noble Gäste sahen Maria Theresia an der Spitze Dutzender hochadeliger Damen, dem kriegerischen Anlass entsprechend als Amazonen verkleidet, hoch zu Ross in die festlich geschmückte Winterreitschule einziehen. Es gab allerlei Wettbewerbe mit Lanzen, Pistolen und Degen, als Zielscheiben verwendete man hölzerne Türkenköpfe. Nach einem öffentlichen Zug der Gesellschaft durch die Straßen Wiens folgte in der Hofburg ein rauschender Ball.

Unter Maria Theresia erhielt auch das berühmte Renaissancetor Pietro Ferraboscos seinen gegenwärtigen Namen: Während wir heute die »Schweizer Garde« nämlich ausschließlich mit dem Vatikan in Verbindung bringen, so war es in früheren Zeiten durchaus üblich, dass sich auch weltliche Fürsten und Könige mit einer Leibwache aus Schweizer Söldnern umgaben. Ausgerechnet die österreichischen Landesherren verfügten über keine, denn die Erinnerung an die schmachvollen Niederlagen Habsburgs gegen die Schweizer Eidgenossenschaft im frühen 14. Jahrhundert wirkte noch lange nach.