Großes Glück mit kleiner Flamme - Rudolf Rach - E-Book

Großes Glück mit kleiner Flamme E-Book

Rudolf Rach

0,0
16,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Wenn Sie keine Lust haben, an einer Frittenbude Ihre Hauptmahlzeit einzunehmen oder sich bei einem Essen in einem Sterne-Restaurant über den Mangel an Geschmack zu wundern, ist das ein Buch für Sie. Geschrieben von einem, der Essen und Trinken als Widerstand versteht. Widerstand gegen die Nahrungsmittelindustrie mit ihrem Convenience-Food und Widerstand gegen die Meisterköche, die vorschreiben, dass eine Ente bei 58,3 Grad gebraten werden muss, und die Fadheit ihrer Gerichte mit hübschen Gräsern oder bunten Schäumen kaschieren. Rudolf Rach hat nicht vergessen, wie es früher einmal geschmeckt hat, als das Obst aus dem Garten und das Huhn aus dem Stall kam. "Nichts schmeckt so gut wie eine gerade am Baum gepflückte Kirsche. Bei einer Umfrage erklärten französische Meisterköche, dass sie sich als letzte Mahlzeit eine Scheibe Schinken oder Pastete mit einem Stück Brot und einem Cornichon wünschten. Diese Ehrlichkeit ehrt die Meister und bestätigt, dass die Lust beim Essen in der Einfachheit liegen kann." - Rudolf Rach

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 104

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Ebook Edition

Rudolf Rach

Großes Glück mit kleiner Flamme

Kochen ist Widerstand

Mit Fotografien von Max Ratjen

Mehr über unsere Autoren und Bücher:

www.westendverlag.de

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

ISBN: 978-3-98791-002-9

© Westend Verlag GmbH, Frankfurt/Main 2023

Umschlaggestaltung: Buchgut, Berlin

Satz: Publikations Atelier, Dreieich

Inhalt

Titel

Sardellen

Kunst und Kochen

Töpfe und Pfannen

Der philosophische Ort

Bratkartoffeln und Gemüse

Die Nebenbuhler-Sauce

Pilze

Steinzeit

Rinder- oder Fischtartar

Hummer und Langusten

Sauerkraut

Tomatensuppe

Fotos

Zander und Spinat

Zwiebeln

Jetzt haben wir den Salat

Wein

Rausch

Käse und Pfeffer

Châteauneuf du Pape

Wasser und Wein

Riechen, schauen, schmecken

Flambierte Früchte

Kartoffelpüree

Suppen

Venus- oder Herzmuscheln

Linsen

Das Reich der Sinne

Orientierungspunkte

Titel

Inhaltsverzeichnis

Das Feuer machte die Menschen erst zu Menschen. Und es machte sie den Göttern ein wenig ähnlicher.

Aischylos, Der gefesselte Prometheus

Für den jungen Arthur, bei dem ich eines Tages gerne essen möchte.

Sardellen

Ich war noch keine zwanzig, als mich ein Freund in die Mensa der Pariser Universität zum Essen mitnahm. Ein großer neonbeleuchteter Raum, in dem es lautstark zuging. Temperamentvoll wurde über die Tische hin und her geredet, und ab und zu segelten Papierflieger durch die Luft. Manchmal fingen die Studentinnen sie auf, aber meistens warfen sie als Antwort nur ihre langen Haare über die Schultern. Der Ort hatte nichts von einem gemütlichen französischen Bistro. Trotzdem hat dieser Besuch mein Leben nachhaltiger geprägt als spätere Essen in hochgepriesenen Restaurants. Meine Sinne sind damals auf etwas Neues gestoßen, wonach sie verlangten, ohne dass ich es gesucht oder auch nur geahnt hätte. Damals, als die Mikrowelle noch nicht erfunden war und Tiefkühltruhen erst auf dem Reißbrett standen. Als in der Küche gekocht wurde. Und zwar da, wo das Essen auch auf den Tisch kam. Damals, als ich das Glück der Erde in einer Salatschüssel fand.

Die alten Griechen nannten solche Momente den Kairos, den glücklichen Augenblick.

Der Salat mit den Anchovis-Filets, la salade niçoise in der Mensa, hatte so atemberaubend gut geschmeckt, dass ich unbedingt nach Paris wollte, um diesen Genuss wieder zu erleben. Ich überredete eine Freundin zu einem kulturellen Ausflug in die französische Hauptstadt, und während der langweiligen Busfahrt über platanenbestandene Landstraßen schwärmte ich von dem herrlichen Geschmack der Sardellen. Ich war so scharf darauf, dass wir uns gleich nach der Ankunft in dem winzigen Hotel am Rande von Saint-Germain-des-Prés auf die Suche nach einem Lebensmittelgeschäft machten, um eine Portion der herrlichen kleinen Heringe zu erwerben. Tatsächlich gab es in der erstbesten Épicerie Konserven mit eingelegten Anchovis. Wir kehrten ins Hotel zurück, und ich schlitzte mit meinem Fahrtenmesser die Dose auf; felsenfest davon überzeugt, dass uns ein dionysischer Genuss erwartete.

Was hast du denn da gekauft, kreischte die Freundin, die Biester liegen ja in einer Salztunke!

Als ich vorsichtig probierte, schmeckte das Sardellenfilet so ekelhaft, dass ich es gleich wieder ausspuckte. Meine Freundin wandte sich angewidert ab, und ich rannte zurück in das Geschäft; fragte die Verkäuferin, was sie mir da verkauft habe.

Hören Sie, belehrte sie mich, die Anchovis müssen natürlich gewässert werden, bevor sie auf den Tisch kommen. Das Salz dient der Konservierung.

Also zurück ins Hotel. Meine Freundin sah mich entgeistert an.

Und wo willst du die Fische wässern?

Im Waschbecken, eine Dusche gibt’s hier ja nicht.

Was hältst von der Seine?, fragte sie ungerührt.

Als ich die Sardellen ins zugestöpselte Waschbecken kippte, lief auch die Salztunke mit ins Wasser. Fünf Minuten später ein neuer Anlauf. Immer noch abscheulich, nicht im Entferntesten der Geschmack, nach dem ich suchte. Wie Himmel und Hölle, kein Vergleich zu dem, was ich gegessen hatte.

Sie müssen eben länger im Wasser liegen, erklärte ich trotzig.

Und wo darf ich mich waschen?

Bitte, sei keine Spielverderberin, bis morgen früh kannst du dich gedulden; entweder sie schmecken dann, oder sie fliegen in den Mülleimer.

Die armen Fische, stöhnte sie.

Die Nacht war unruhig, und gegen meine Gewohnheit sprang ich früh aus dem Bett. Im Licht der schwachen Funzel über dem Spiegel schwammen die Sardellen bleich im Wasser. So unappetitlich wie Leichen, die mehrere Tage in einem See gelegen haben. Aus mit der Idee, noch einmal zu probieren. Im Gegenteil, die sich langsam zersetzenden Fischleiber ekelten mich so, dass ich sie mit der Hand aus dem Wasser schöpfte und in eine Tüte stopfte. So schnell wie möglich weg damit.

Endlich, gähnte meine Freundin, sprang aus dem Bett und drängte mich vom Waschbecken.

Kunst und Kochen

Im Jahre 1822 erschien in Deutschland ein Buch mit dem Titel Vom Geiste der Kochkunst. Sein Autor war ein den Künsten gewogener Freiherr namens Carl Friedrich von Rumohr, der in einem Vorwort erklärte, es handele sich um das Werk seines Leibkochs Joseph König; dieser brauche die Einnahmen aus dem Verkauf des Buchs, um die Erziehung seiner heranwachsenden Söhne zu finanzieren. Offenbar schämte sich der Freiherr, ein Kochbuch geschrieben zu haben, ja sich überhaupt für Fragen des Kochens zu interessieren. Für einen deutschen Adligen war das zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein heikles Unterfangen. Ein deutscher Mann, zumal ein Freiherr, hatte anderes zu tun als sich mit dem Kochen zu beschäftigen. Das war Sache der Frauen.

Ins Auge springt, dass Rumohr über den »Geist« der »Kochkunst« schreibt. Er liefert keine Rezeptsammlung, wie möglichst viel Suppe aus einem Stück Fleisch herauszuholen ist oder wie man schnell ein Menü für zwanzig Personen auf den Tisch zaubert. Es geht ihm nicht ums Produzieren, sondern um den Geist, der gutes Essen möglich macht. Der Geist, der in der Küche des Freiherrn herrschte, ging über das alltäglich Praktische hinaus und band das Kochen in ein historisches Ganzes ein, in die Geschichte des europäischen Kochens. Sagen wir ruhig: in die Geschichte der Kochkunst.

Der Freiherr verfügte über genügend Dukaten, um sich längere Reisen erlauben zu können. Er kannte nicht nur den Norden Deutschlands, aus dem er stammte, auch der Süden war ihm vertraut. Er wusste, dass die Italiener der Natur und ihren Produkten näher geblieben waren als die Franzosen mit ihrer Vorliebe für komplizierte Saucen und kulinarische Arrangements, die nur ahnen ließen, woraus sie eigentlich hergestellt wurden.

Rumohr nannte das Kochen eine Kunst, weil er wusste, was zur Kunst dazugehört. Er war mit vielen Künstlern befreundet, insbesondere den Nazarenern, einer Gruppe von deutschen Malern, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts nach Rom ausgewandert waren und deren handwerkliches Können, deren Formen- und Farbensinn Rumohr bewunderte. Gewiss waren die Maler und Bildhauer keine Kostverächter und Rom auch damals schon ein Ort, an dem sich vorzüglich tafeln ließ.

Was verbindet das Kochen mit den Künsten? Es ist der Sinn für Proportionen. Ohne diese Eigenschaft und ein gewisses Maß an Einfallsreichtum bringt ein Künstler es nicht weit, und in der Küche ist das ähnlich. In der Malerei nennt man die, die ein Werk nachbilden, Kopisten. Auch die Köchin oder der Koch sollten sich von Maßen und Gewichten befreien und sich auf den eigenen Geschmack verlassen. Im Übrigen: Wenn das Essen gut schmeckt, sieht es auch gut aus. Das Umgekehrte gilt leider nicht.

Rumohr konnte sich umso besser mit dem Geist des Kochens auseinandersetzen, als er mit den verschiedenen Küchen Europas, der italienischen und französischen vor allem, bestens vertraut war. Er wusste, wo gut gekocht wurde, kannte die einschlägigen Adressen.

In meinen Regalen haben sich im Laufe der Jahre die verschiedensten Kochbücher versammelt, und ich will nicht abstreiten, dass der eine oder andere Blick in die oft dicken Wälzer auch geholfen hat. Doch in der Küche steht keines; ich spiele nicht vom Blatt. Die meisten der hier beschriebenen Rezepte gehen auf Besuche in Restaurants zurück. Wenn etwas gut geschmeckt hat, habe ich es mir gemerkt und zu Hause »nachgekocht«.

Ein Buch über das Kochen zu schreiben, wäre mir allerdings kaum in den Sinn gekommen, wenn es in den kulinarischen Folianten um etwas anderes als um Rezepte gegangen wäre. Gewichte und Mengenangaben sind jedoch etwas sehr Abstraktes. Rezepte sind eine Art Gebrauchsanweisung. Das Kochen, wie ich es verstehe, ist eine geistige – und natürlich physische – Anstrengung; verlangt eine höllische Konzentration und setzt Spontaneität voraus, die sich unabhängig von der Vorlage macht. Wenn der Herd angeworfen wird, muss man das Essen, das auf den Tisch kommen soll, im Kopf haben, und während der Arbeit darf man nicht aus der Balance geraten. Wenn Leute in die Küche schlendern und ihre Nasen in die Töpfe stecken, werde ich nervös.

Weil sich die zur Verfügung stehenden Nahrungsmittel täglich ändern, setzt das Kochen Improvisationsgabe voraus. Und weil die Zusammensetzung des Essens variiert, schmeckt es immer etwas anders. Da die Ausgangsmaterialien nie dieselben sind und nie dieselben sein können, muss der Koch seine Fantasie spielen lassen, seinen Sinn für Proportionen beweisen. Meist sind nur geringe Anpassungen nötig, um trotz veränderter Umstände ein Essen auf den Tisch zu bringen, das die Gäste und ihn selbst erfreut. Es kann nicht immer gleich schmecken, warum sollte es auch?

Der Vergleich mit einer künstlerischen Tätigkeit zielt schon in die richtige Richtung. Kochen ist ein schöpferischer Vorgang, dessen Ergebnis nicht aufbewahrt und in Museen ausgestellt wird – wie die Eat-Art von Daniel Spoerri, der selbst ein begeisterter Koch war und viele Jahre in Düsseldorf ein Restaurant führte –, sondern alsbald verzehrt wird. Dafür beißt es sich, wenn es gut ist, in die Erinnerung der Gäste. Setzt sich in ihren Köpfen fest, und noch Jahre später erzählen sie davon. Die Erinnerung spannt sich wie eine Brücke zum vergangenen Genuss. So nährt ein Essen noch viele Jahre danach. Deshalb ärgerte es mich, wenn meine Mutter stöhnte: So viel Arbeit für so wenig (sie meinte damit die kurze Dauer des Essens). Diese Behauptung ist grundfalsch, weil sie eine Trennung von Körper und Geist voraussetzt, die eine gute Küche täglich widerlegt. Die Heidenarbeit wird belohnt, weil gutes Essen nicht nur unserem körperlichen Wohlbefinden zugutekommt, sondern auch unserem seelischen, und als Erinnerung unser geistiges Erbe bereichert.

Selbst mit feinsten Pinseln und besten Farben ausgestattet, wird niemand zum Maler. Dazu gehört eine Leidenschaft für die Suche nach Formen und Farben, die erste und vielleicht wichtigste Voraussetzung; hinzu kommen Talent und viel Training. Immer wieder Training. Ohne Talent und Training geht nichts, bleibt alles im Ungefähren. Und selbst mit Talent und Übung ist das Ergebnis nicht garantiert. Und wenn etwas danebengeht oder nicht wirklich gelungen ist, gilt es, sich damit abzufinden. Der nächste Versuch wartet schon.

Töpfe und Pfannen

Wir essen nicht mehr mit den Fingern, benutzen Messer und Gabel. In den Schränken stehen Töpfe und Pfannen, in den Schubladen liegen Messer und Spatel, um uns das Kochen zu erleichtern. Welche Werkzeuge sind unabdingbar zum Kochen? Auf jeden Fall geht es nicht ohne Messer in allen Varianten. Es ist erstaunlich, wie verschieden sie sind, welche Auswirkung die Länge der Klinge und des Griffs auf das Schneidverhalten haben. Eine Zwiebel schält sich naturgemäß besser mit einem kleineren Messer, und einen Wirsing zerlegt man einfacher mit einer längeren Klinge. Es gibt Tausende von Messern, und zum Schluss bleiben nur wenige übrig, die einem perfekt in der Hand liegen.

Die Messer müssen scharf sein, und damit sie es bleiben, braucht man ein Gerät, mit dem man sie schärfen kann. Selbstverständlich gibt es die alten Schleifmethoden, auf entsprechenden Wetzsteinen, die sich auch für japanische Messer eignen. Bequemer ist ein Wetzstahl oder der Schleifbock einer guten Firma. Wenn man Stahlmesser vor dem Gebrauch ein- oder zweimal durch den Bock zieht, werden sie im Handumdrehen scharf. Messer, die nicht schneiden, verderben einem die Lust am Kochen und sind gefährlicher als Klingen, die scharf sind.

Natürlich geht es auch nicht ohne einen Herd, auf dem gekocht wird. Der Ausdruck »kochen« trifft die Sache allerdings nicht genau, denn unter Kochen versteht man in der Chemie eine Erhitzung auf mindestens 100 Grad Celsius. Eine Feuerstelle erhitzt die Flüssigkeit (in der sich die zu garenden Zutaten befinden) bis zum Siedepunkt und bringt sie unter Dampfentwicklung in wallende Bewegung. Hier kriegen wir es jetzt mit dem Geist der Kochkunst zu tun. Nur welchem? Es ist reine Willkür, die sich in Blasen manifestiert. Warum müssen es gerade 100 Grad sein? Und warum so viel Energie verschwenden?