Großmutter Erde - Jens Nielsen - E-Book

Großmutter Erde E-Book

Jens Nielsen

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Beschreibung

Großmutter Erde. Die Heilige Quelle von Süderbrarup und das Thorsberger Moor Wasser ist ein Heiligtum. Es predigt das Urgesetz des Lebens. Geheimnisvolle Orte mit einem natürlichen Zauber haben die Menschen schon von jeher fasziniert, aber auch mit Ehrfurcht erfüllt. In vorchristlicher Zeit galten besonders das klare fließende Wasser und im speziellen die Quellen als heilig. Man schrieb ihnen vielerlei Kräfte zu und suchte das Göttliche in ihnen. Als lebensnotwendiges Element wurde das Wasser selbst geradezu vergöttert, versorgte es doch die Menschen, die Tiere und den Boden mit lebensspendender Flüssigkeit. In der an Geschichte, Sagen und Kirchen zwar reichen, an nachweisbaren Naturheiligtümern aber eher armen Region der Landschaft Angeln hat sich der Autor mit einem Forschungsprojekt auf die Suche nach einem besonders ungewöhnlichen und faszinierenden kultischen Ort begeben, dessen Geschichte und Ausstrahlung noch heute viele Menschen in seinen Bann zieht. Es ist die Heilige Quelle von Süderbrarup, im südlichen Teil der Landschaft Angeln, im Kontext mit dem als Opfermoor überregional bekannten nahegelegenen Thorsberger Moor. Allein die Süderbraruper Quelle gilt als Ort, an dem wohl über Jahrhunderte eine zunächst pagane wie auch später christlich-religiöse Verehrung des Wasserheiligtums stattgefunden hat. Auch ist anzunehmen, dass das Volk der Angeln zeitweilig die Erd- und Fruchtbarkeitsgöttin Nerthus hier verehrte. Ob die dazu zelebrierten kultischen Handlungen jedoch tatsächlich mit der Heiligen Quelle in Süderbrarup in Verbindung standen, soll in diesem Buch näher erforscht werden. Nachweise gab es darüber bisher keine. Weiterhin werden wissenschaftliche Fakten mit faszinierenden Sagen und Legenden der Landschaft Angeln in Einklang gebracht, welche sich noch immer wie ein unsichtbar filigranes Netz über das Land spannen. Zudem werden die zum Teil lange in Vergessenheit geratenen Geschichten und Überlieferungen rund um die außergewöhnlichen Kultplätze der Vorzeit in Süderbrarup wieder in Erinnerung gerufen und wissenschaftlich eingeordnet, um auch nachfolgenden Generationen die Möglichkeit zu bieten, in Kontakt mit der sinnspendenden Geschichte dieser außergewöhnlichen Orte zu treten. In Süderbrarup spürt man noch immer förmlich am eigenen Leib, dass man sich im Mittelpunkt bedeutsamer historischer Begebenheiten befindet.

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„…Aber so viel sieht man, an heilig gehaltenen Quellen und in Wäldern wurden geheimnisvolle Handlungen vorgenommen, von Beschwörungen ist die Rede, von Mitteln gegen Zaubereien durch Amulete [sic] (phylacteria), Anhängsel und Binden; Man machte Bildnisse, an welche der Aberglaube sich anschloss; Man achtete auf Vorzeichen und Vorbedeutungen mancherlei Art, auf das Abnehmen des Mondes, auf den Flug der Vögel, auf das Niesen der Pferde und Rinder, ja auf deren Unrath sogar…“1

Inhalt

1. Die heilkräftige Quelle von Süderbrarup – ein mystischer Ort

2. Wegbeschreibung zur Heiligen Quelle in Süderbrarup

3. Fragwürdige Quelle(n):

4. Nur mal angenommen

5. Die Angliis - Der schwer zu findende Volksstamm der Angeliter

6. Altgermanische Fruchtbarkeitsriten und nordische Wasserkulte

7. „Göttliches Wasser“ - Die „Heilige Quelle von Süderbrarup“

8. Ein alter Begräbniskult - Das eisenzeitliche Urnengräberfeld von Süderbrarup

9. Eine „Fundgrube“ der Geschichte - Das Thorsberger Moor

10. Von der Erde preisgegeben - Aktueller Stand der Forschung in Süderbrarup

11. Vom Wallfahrtsort zum „Rummel“ - Der „Brarup-Markt“

12. „Wanderer kommst Du nach Süderbrarup“ - Die St.-Jacobi Kirche

13. „Eine Quelle des Glaubens“ - Die Rolle von germanischen Mythen und Praktiken in der kirchlichen Tradition

14. „Mit allen Wassern gewaschen?“ - Alte Pilgerrouten und Heilquellen in Angeln

15. Ungelöste Geheimnisse - Die St. Jakobus-Kirche in Moldenit und die Silberquelle von Kahleby

16. „Möllroi“ - Die Quelle bei Wolsroi im Kirchspiel Steinberg als mystischer Ort der Heilung

17. Die Offa-Quelle in Arnis

18. „Thors Kilde“ - Die „Thorsquelle“ und andere Heilquellen

19. Die Heilige Quelle von Süderbrarup im Kontext der nationalsozialistischen Weltanschauung

20. „Die Regentrude“ – die Wiederbelebung archaischer Naturgöttinnen im Märchen

21. „Staub ist die Quelle“ – Das Heilige Wasser von Süderbrarup heute

22. Epilog

23. Quellen: ein interessanter Lebensraum auch aus geologischer und gewässerökologischer Sicht - Ad fontes! – Quellschutz in Schleswig-Holstein e.V.

23.1. Wiederauferstehung der Heiligen Quelle von Süderbrarup?

23.2. Weg des Wassers von der Oberfläche in den „Untergrund“ und zurück

23.3. Quellen als Austrittsorte des Grundwassers

23.4. Quellen als Lebensraum in Schleswig-Holstein

23.5. Gefährdung und Naturschutz

23.6. Vereinsgeschichte:

24. Veröffentlichte Quellen

24.1. Offa-Zeitschrift. Berichte und Mitteilungen zur Archäologie:

24.2. Nachrichtenblatt für deutsche Vorzeit:

24.3. Jahrbücher des Heimatvereins der Landschaft Angeln:

24.4. Zeitungen:

24.5. Webseiten:

24.6. Broschüren:

25. Nicht veröffentlichte Quellen:

25.1. Landesarchiv Schleswig-Holstein

25.2. Bundesarchiv Berlin:

26. Herkunft der Abbildungen:

Anmerkungen:

Abb. 1: Die Heilige Quelle von Süderbrarup heute, Foto: Harksen, Andreas, privat

1. Die heilkräftige Quelle von Süderbrarup – ein mystischer Ort

„Auf der Koppel Boykil bei Süderbrarup befindet sich eine Quelle. Schon in heidnischer Zeit bestand sie, und ihr Wasser war für mancherlei Gebrechen heilbringend. Von weit und breit strömten die Kranken herbei und fanden ihre Gesundheit wieder. Nach Einführung des Christentums wurde die Quelle dem Jacobus geweiht und große Wallfahrten haben den Grund zu dem noch jetzt bestehenden Brarupmarkt gelegt, der regelmäßig Ende Juli stattfindet“2

Geheimnisvolle Orte mit einem natürlichen Zauber haben die Menschen schon von jeher fasziniert - aber auch mit Ehrfurcht erfüllt. In vorchristlicher Zeit galten besonders das klare fließende Wasser und im speziellen die Quellen als heilig. Man schrieb ihnen vielerlei Kräfte zu und suchte das Göttliche in ihnen. Als lebensnotwendiges Element wurde das Wasser selbst geradezu vergöttert, versorgte es doch die Menschen, die Tiere und den Boden mit lebensspendender Flüssigkeit. Die vielfach durch Bräuche, sowie durch Mythen, Sagen und Legenden ausgedrückte Verehrung des kostbaren Elements Wasser würden sich wohl zu allen Zeiten und in allen Epochen der Menschheitsgeschichte wiederfinden lassen, wenn man deren Überlieferungen überall habhaft werden könnte.

Die ältesten Funde, die auf einen Kultplatz an einer Quelle hinweisen, gehen bis in das mittlere Paläolithikum zurück. In El-Guettar in Tunesien wurde in den 1950-er Jahren eine etwa 30.000 bis 40.000 Jahre alte Ansammlung von Wurf- und Schleuderkugeln aus dieser Zeit gefunden, die in Fachkreisen als Hermaion von El Guettar bekannt wurde. Die steinernen Kugeln lagen pyramidenförmig aufgeschichtet, zusammen mit Tierknochen und Silexsplittern, neben einer seit langem versiegten Quelle. Sie werden deshalb als Opfergaben für ein mögliches Quellheiligtum gedeutet.3

Abb. 2: Die Göttin Nerthus, Aus: Doepler, Emil, Ranisch, Wilhelm, Walhall, die Götterwelt der Germanen, Martin Oldenbourg Verlag, Berlin, 1905, Seite 11

In jeder Zivilisation und in jeder Religion haben Wasserrituale auch heute noch ihre Bedeutung. Wasserheiligtümer in Form von heiligen Brunnen oder Quellen sind noch immer in allen Teilen der Erde zu finden, wenn man speziell nach ihnen Ausschau hält. Sie waren von jeher symbolisch eng mit der Entstehung jeglichen Lebens verbunden. Quellen, die aus dem Schoß der Mutter Erde entsprangen, waren über Generationen Orte, die es besonders zu verehren und auf vielfältige Art zu schützen galt. Oftmals entfalteten sie an besonders magisch anmutenden Plätzen ihre Wirkung.

Doch es wurden nicht nur Wasserheiligtümer in Verbindung mit ins Auge fallenden geologischen Formationen verehrt. Besonders die Quellen, welche als heilkräftig galten, erfuhren von den Menschen im höchsten Maße Verehrung. Ihre erfahrbare Heilwirkung erstreckte sich nicht nur auf körperliche Gebrechen, so vermutet man. In vielen Fällen konnte von ihnen wohl auch eine wohltuende Wirkung über den Geist ausgeübt werden.4

In der an Geschichte, Sagen und Kirchen zwar reichen, an nachweisbaren Naturheiligtümern aber eher armen Region der Landschaft Angeln habe ich mich mit einem Forschungsprojekt auf die Suche nach einem besonders ungewöhnlichen und faszinierenden kultischen Ort begeben. Dessen Geschichte und Ausstrahlung hat mich schon seit vielen Jahren in seinen Bann gezogen: Ich möchte von der Heiligen Quelle von Süderbrarup im südlichen Teil Angelns schreiben. Ein Ort an dem wohl über Jahrhunderte eine pagane wie auch christlich-religiöse Verehrung eines Wasserheiligtums stattgefunden hat.

Unter dem Titel „Großmutter Erde – die Heilige Quelle von Süderbrarup und das Thorsberger Moor“ ist es mein Wunsch, die faszinierenden Geschichten und Fakten rund um diesen außergewöhnlichen Kultplatz der Vorzeit wieder mehr in Erinnerung zu rufen. Ich möchte mit diesem Buch auch nachfolgenden Generationen die Möglichkeit bieten, in irgendeiner Form in Kontakt mit der sinnspendenden Geschichte dieses außergewöhnlichen Ortes zu treten.

Die Zeit der Sagen und Legenden der Landschaft Angeln spannt sich noch immer wie ein Netz über das Land. In Süderbrarup spürt man förmlich am eigenen Leib, dass man sich – den alten Erzählungen zufolge – im Mittelpunkt bedeutsamer historischer Begebenheiten befindet. Doch sind solche Sagen oder Überlieferungen niemals nur allein fantasievolle Dichtungen. Sie sind immer auch der Versuch, den historischen Kern einer wahren Begebenheit für die Nachwelt zu erhalten.

Ein Quellheiligtum, so wie in Süderbrarup, könnte ein Element eines großen übergeordneten Heiligtums gewesen sein, um dort eine bestimmte Funktion innerhalb der Rituals-Abläufe zu erfüllen. Man denke da zum Beispiel an eine rituelle Reinigung oder an eine Heilung durch die Einnahme des Wassers. Auch an kleine Votivgaben an der Quelle ist zu denken. Womöglich wurde das kostbare Nass in ausgesuchten Nächten um Mitternacht, oder vor Sonnenaufgang und in feierlicher Stille geschöpft. In Süderbrarup war in alten Zeiten offenbar aber nicht nur das heilende Wasser, sondern sogar die Quelle selbst, ein Objekt der Verehrung. Süderbrarup war immer und in allen Epochen bewohnt. Warum eigentlich? Was hat oder hatte dieser Ort zu bieten?

Doch kann bei dieser Quelle nicht nur auf Grund der Überlieferung davon ausgegangen werden, dass es sich bei diesem Ort um einen alten, über Generationen genutzten, Kultplatz gehandelt hat. Auch die bedeutsamen Fundergebnisse in Süderbrarup und in den angrenzenden Regionen lassen diese Annahme durchaus zu. Eindeutige Beweise am möglichen Austrittsort der Quelle fehlen aber bisher. Um die Quelle herum wurden zwar Gruben mit Holzkohle aus der älteren römischen Kaiserzeit ausgegraben, als Beweis für einen Kultplatz reicht das jedoch allein nicht aus. Trotzdem sollten die eher kargen Grabungsergebnisse nicht dazu führen, die Theorie des Vorhandenseins eines gewesenen Heiligtums aufzugeben. Das Betreten der Heiligen Quelle in vorchristlicher Zeit - außerhalb der möglichen Festtage - und damit ein Großteil des Jahres, dürfte als tabu gegolten haben. Vielleicht hatte es dereinst sogar unter Strafe gestanden.

Der angenommene Zeitraum der Nutzung der Quelle als möglichen Kultplatz muss zunächst auf das 1. Jahrhundert vor bis maximal in das 6. Jahrhundert nach Christus eingegrenzt werden. Da der hier lebende Volksstamm der Angeln um das Jahr 450 und bis in das 6. Jahrhundert nach Christus mit den Sachsen nach Britannien auswanderte, ist eine darüber hinausgehende Nutzung direkt danach vorerst fraglich. Erst mit der Entstehung der ersten christlichen Kirchen ist eine kontinuierliche Nutzung wieder anzunehmen.

Auch wenn mit Durchsetzung des Christentums in diesem Land die Verehrung von Heiligen Quellen vielerorts zunächst streng verboten worden war, erkannten die Missionare alsbald, dass sich die Menschen in dieser Region nicht ohne weiteres von ihren angestammten Bräuchen trennen würden. So wurden die paganen Wasserkulte an den alten Quellen pragmatisch mit einem neuen christlichen Kontext überdeckt. Dieses an anderen Stellen nachgewiesene Vorgehen kann auch für die Heilige Quelle in Süderbrarup angenommen werden.

Abb. 3: Süderbrarup, Notgeld Gutschein über 2 Mark, 1920, mit Erntegöttin, Foto: privat

Doch obwohl auch hier die Quelle unter dem Einfluss des Christentums als bedeutsamer Wallfahrtsort erneut zu Ehren gelangte, wird die Erinnerung an sie als Wasserheiligtum in unserer Zeit im Ort Süderbrarup fast stiefmütterlich behandelt.

Einige behaupten, die Quelle sei seit langem versiegt und ihre Nutzung für die Menschen für immer verloren. Andere halten den Austrittsort der Quelle lediglich für verschüttet. Sie selbst soll aber noch immer aktiv sein und im Verborgenen auf ihre Wiedererweckung warten.

Der Bezug zum Wasser als Quelle des Lebens und der Kultur scheint schon seit der Industrialisierung in vielen Bevölkerungsschichten verloren gegangen zu sein. Doch ist es schon seit einiger Zeit wieder wahrnehmbar, dass das lebensspendende Nass in seiner symbolischen Bedeutung, mit seiner Kraft und seinen heilenden Fähigkeiten in Teilen unserer Gesellschaft wieder mehr ins Bewusstsein gerückt wurde.

Wasser wird nicht mehr nur überall als Konsumartikel begriffen, welches man zu jedem Zeitpunkt und in unbegrenzten Mengen zur Verfügung hat. Es gerät zunehmend ins Bewusstsein, dass die seit langem vorherrschende Einstellung zum Wasser, rücksichtsloser Ausbeutung, Verschwendung und Zerstörung des Lebenselements Platz gemacht hat.5 Die Wertschätzung des Wassers hat, jetzt wo in der Zukunft ein Mangel des kostbaren Elements droht, eine neue Stufe erreicht. Und auch die Wertschätzung für magische und mystische Heiligtümer unserer Altvorderen erfährt eine neue Aufmerksamkeit. Zunehmend mehr Menschen sind auf der Suche nach alten Traditionen und nach Antworten auf ihre spirituellen Fragen.

Und so kommt auch die Quelle von Süderbrarup – auch wenn man ihren Austrittsort aktuell noch nicht auszumachen vermag – wieder in den Genuss der Aufmerksamkeit von zahlreichen Einheimischen und vom Menschen, die um ihren Wert wissen.

In der Vorstellung eines noch vorhandenen Heiligen Wassers findet die Quelle noch immer eine zum Teil öffentlich, zum Teil aber auch heimlich ausgetragene Verehrung.

Der Anziehungskraft dieser mystischen Stätte in Süderbrarup und ihres Umfeldes kann man sich auch heute tatsächlich nur schwer entziehen. Das gilt vor allem dann, wenn die untergehende Abendsonne des Spätsommers oder das Licht des Herbstes die umliegenden Bäume und Felder in ein besonderes Licht taucht und so die Fantasie noch einmal zusätzlich angeregt wird.

Jens Nielsen, im Herbst 2023

2. Wegbeschreibung zur Heiligen Quellein Süderbrarup

Die Heilige Quelle liegt, vom berühmten Thorsberger Moor ausgehend, etwa 700 m östlich am westlichen Ortsrand von Süderbrarup. Um vom Moor aus zur Quelle zu kommen, muss man der Straße nach Norderbrarup bis kurz vor die die Straße kreuzenden Bahngleise folgen. Danach rechts abbiegen in die Straße Am Thorsberg. Am Ende der Straße muss man links in die Bachstraße und nach ein paar hundert Metern wieder links in die Quellenstraße einbiegen. Die Heilige Quelle befindet sich kurz hinter dem Eingang zum Freibad auf der rechten Seite.

3. Fragwürdige Quelle(n):

In den 30er und 40er-Jahren des letzten Jahrhunderts hatte sich der ehemalige Postmeister und Heimatforscher Adolf Petersen (1874 –1949), als Einheimischer, Dorfchronist und als Kenner der Materie bereits hervorgetan und an verschiedenen Stellen Vermutungen zur Heiligen Quelle in seinem Dorf geäußert. Das taten auch andere seiner Zeitgenossen, die zudem den entsprechenden fachlichen Background dafür hatten. Zu ihnen zählte beispielsweise der Prähistoriker Herbert Jankuhn (1905–1990), der auch NSDAP-Parteimitglied, SS-Mann und führendes Mitglied der Forschergemeinschaft des SS-Ahnenerbe war. Unter anderem Adolf Petersens und Herbert Jankuhns seinerzeit zu diesem Thema entstandene Aufzeichnungen und Vorträge sollen, obwohl sie hinsichtlich ihrer Entstehung in der NS-Zeit äußerst kritisch zu sehen sind, als Zeitdokument ergänzend in dieses Buch einfließen. Nur so ist es möglich, die Geschichte der Heiligen Quelle in allen Facetten darstellen zu können. Der Ortschronist Adolf Petersen ist nicht mit einer nationalsozialistischen Gesinnung in den Vordergrund getreten, hat sich aber doch den Strukturen dieser Zeit in seinem Wirken angepasst.

Anders dagegen der Prähistoriker Herbert Jankuhn. Als Mitglied der Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe der SS war er Bestandteil eines Instruments nationalsozialistischer Kulturpolitik. Mit Hilfe von Expeditionen in alle Welt, sollten Beweise für die Existenz eines angeblich bestehenden mythischem Erbe der Deutschen erbracht werden. Damit begann ein Vorhaben, welches zahlreiche aberwitzige Theorien und fragwürdige Forschungen hervorbrachte, einhergehend mit dem systematischen Kunstraub angeblich germanischer Artefakte. Jankuhn war u. a. Leiter der Abteilung für Ausgrabungen in den Geistes- und kulturwissenschaftlichen Lehr- und Forschungsstätten der SS. In dieser Position führte er auch die Ausgrabungen in Haithabu bei Schleswig durch. Man wollte durch die Grabungen auch im ideologischen Sinne wertvolle Erkenntnisse „Germanischer Frühgeschichte“ gewinnen.

Die Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe e. V. war ein berüchtigtes Sammelbecken für Pseudoarchäologen und für Verschwörungstheoretiker. In ihren Theorien spielte unter anderem der Glaube an Runenmagie, an mystische Artefakte, an den heiligen Gral und an die versunkene Insel Atlantis keine kleine Rolle. Der leidenschaftliche Okkultist, Reichsführer SS Heinrich Himmler, nutze als Gründer die Forschungsgemeinschaft auch für persönliche Forschungen und für private Projekte, um seinen kruden Vorstellungen nachzugehen.6

Abb. 4: Drei gallo-römisch-germanische Muttergottheiten (Matronen), Kult zur Zeit der Römer weit verbreitet war, Foto: Sockenbaer, CC BY-SA 3.0

4. Nur mal angenommen…

Man stelle sich eine nicht allzu große Gruppe von Frauen aus vorchristlicher Zeit vor, die sich auf den Weg zur Heiligen Quelle machen, um der Muttergottheit einmal im Jahr ihre Opfergaben zu bringen. Die letzten Wochen waren mit harter Feldarbeit ausgefüllt gewesen. Für nichts anderes war Zeit, außer für die Arbeit, so dass man kaum auf längere Pausen hatte hoffen können. Frauen wie Männer, die alle schwer im Schweiße ihres Angesichts arbeiten mussten, hatten oft sehnsüchtig zur heiß herunterscheinenden Sonne hinaufgeschaut, um zu erspähen, wann es endlich Zeit für das Fest der großen Mutter war. Damit sie endlich einmal eine Ruhepause von der Arbeit bekamen. Aber so sehr sie auch hinaufschauten, sie konnten die Zeichen des Himmels nicht lesen, so wie es der Priester tat. Mit dem heißen Sonnenmonat hatte die Zeit der Reife der Pflanzen und auch ihre Fruchtwerdung begonnen. Jetzt konnte alles wachsen. Doch die Menschen in der Siedlung glaubten fest daran, dass trotz ihres unermüdlichen Fleißes, trotz der Schwielen an ihren Händen, trotz der Aussaat und der bereits beginnenden Blüte, Mutter Erde erst erlauben musste, dass ihre Pflanzen Früchte tragen durften. Sie hatte die Macht über den Boden, über das Wasser und alles, was darauf und darin war.

Und endlich war sie gekommen, die Zeit der Fruchtreife an den Hängen, auf den Feldern, in den Wäldern und auch in den kleinen Gärten. Jubelgeschrei ertönte überall, gebrochen war der Bann. Und mit der Fruchtreife kam das heiß ersehnte Fest der Muttergottheit, das Fest für die Gebärerin allen Lebens und allen Seins. Nur die Mutter Erde gewährte Leben, nur sie war der Quell aller Lebensformen, ohne sie gab es kein Leben. Und im Tode nahm sie jedes Leben wieder zu sich.

Die Männer in der Siedlung, die ebenfalls der Muttergottheit ihren Tribut zollten, hatten sich an diesem Tag den Frauen unterzuordnen. Sie begegneten ihnen mit großer Wertschätzung und unermüdlicher Aufmerksamkeit. Denn Mutter Erde war die Göttin, die Herrin, die barmherzige Mutter, die Göttin aller Göttinnen. Mit der gebührenden Ehrfurcht vor der Mutter des Lebens hatten die männlichen Siedlungsbewohner alle ihre Waffen und überhaupt alle Gegenstände aus Metall den Priestern übergeben müssen, die sie während der Festtage jedem Zugriff entzogen. Zur Zeit der Muttergottheit durfte kein Mann in den Kampf ziehen. Jeder, der Auslöser eines blutigen Streits wurde, wurde geächtet, seine Familie galt fortan als friedlos und wurde aus der Gemeinschaft ausgestoßen.

Angekommen an der Quelle, die zu betreten auch den Frauen an den üblichen Tagen streng verboten war, begannen sie sich zu reinigen und ihre Opfer für die Lebensspenderin, für die Ernährerin, die Erhaltende und Heilende darzubringen. Jede von ihnen hielt, fest in ein Tuch eingeschlagen oder in einem Topf aufbewahrt, ein Opfer in den Händen. Doch es durfte nicht irgendein Opfer sein, es musste mit der Frau, die hier opferte, in enger Verbindung stehen, musste Wert für sie haben. Viele der Frauen nahmen ihre Schmuckstücke, ihre Amulette, Anhänger, Ringe und Ketten, die sie bisher vor allem Bösen bewahrt hatten, und gaben sie der Muttergottheit, der Seienden, die von Anfang an gewesen war. Vielleicht brachten sie aber auch Nahrung, um etwas von dem zurückzugeben, was sie empfangen hatten.

Die Priesterinnen und die weisen Frauen trugen kleine Figuren mit sich, die fruchtbare Frauen mit üppigen Brüsten und ausladendem Becken darstellten, um sie ebenfalls der Muttergottheit zu schenken. Niemand hatte so viel Kraft in sich wie eine Frau, die fruchtbar war und Leben geben konnte, so wie die Mutter Erde. Sie war die Jungfrau, die Liebende, die Mutter und auch die Alte - als ein Wesen.

Die Frauen suchten die Muttergöttin an der Quelle aber auch auf, um sie zu bitten, mit ihnen in das Dorf zu kommen. Dazu stiegen sie aus dem Quellwasser und baten die Muttergottheit um Beistand für eine fruchtbare Ernte und eine Zeit des Wohlergehens – denn bald kamen die schwarzen Monate. Sie baten für die Frucht in ihren Leibern und um genug Nahrung in ihren Brüsten, denn die große Mutter ließ die Frucht in ihren Leibern groß werden, sie schenkte einer Frau die Liebe zu ihrem Kind.