Lang schon verschwunden ist die Burg - Jens Nielsen - E-Book

Lang schon verschwunden ist die Burg E-Book

Jens Nielsen

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Beschreibung

Lang schon verschwunden ist die Burg. Geschichte(n) von der Möweninsel und ihren Bewohnern Die Möweninsel vor Schleswig: Seit Jahrhunderten Schauplatz der Geschichte und der Platz, an dem einst das Wahrzeichen der Stadt stand. Nur wenige Jahrzehnte waren nötig, um aus der charismatischen, sagenumwobenen Insel ein Ort mit zunehmend mehr Fragezeichen und Sorgen um ihre Erhaltung zu machen. Jens Nielsen, Museumspädagoge, Stadtführer und Historiker will mit diesem Buch aufzeigen, was den einzigartigen Reiz dieses schönen Fleckens auf dem Spiegel der Schlei ausmacht und ausgemacht hat. Der mit Facetten und Informationen über die Insel gefüllte Band versteht sich als Appetitanreger, um sich auf neugierig machende Weise wieder neu und intensiver mit der Geschichte und der Zukunft der Insel zu beschäftigen, die einst eine sehr große Bedeutung in der Geschichte der Stadt und des Landes Schleswig-Holstein hatte. Anhand unterschiedlicher, mit der Insel verbundener, Themengebiete führt das Buch auf fundierte aber auch auf faszinierende Art in die Natur- und Kulturgeschichte des Eilandes ein, erklärt ihre landschaftlichen Besonderheiten und beschreibt die oft vergeblichen Bemühungen, die Insel vor schädlichen Einwirkungen zu schützen. Möge es der Insel helfen, noch langer nicht nur visueller, sondern auch gedanklicher Mittelpunkt im Leben einer Stadt zu werden bzw. zu bleiben.

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Abb. 1: Möweninsel vor Schleswig. Foto: Björn Ohlsen 2021

„…Es scheint der Mond, es rauscht die Schlei Mit dumpfem Wellenschlage; Der König starrt hinab, er denkt Der Schuld vergangner Tage…“1

1 Geibel, Emanuel, Schleswigsche Sage, Werke, Band 2, Leipzig und Wien 1918, S. 275-277

Abb. 2: Wappen der Stadt Schleswig in einer fantasievoll ausgeschmückten Form. Mehr dazu unter Fußnote 12

INHALT

Einleitung – Die Schleswiger Möweninsel

Ein Vorwort

Ein Schiffswrack vor der Möweninsel

Die Jürgensburg im Wandel der Zeiten

Exkurs: Der Name der Burg – (St.) Jürgen im Kontext der Stadtgeschichte Schleswigs

Die Ausgrabungen auf der Möweninsel des Jahres 1950

Das „castellum ante portum“ – Die Grabungen von 2012 und 2013

„Es führt über die Schlei…“ – Eine Brücke von Haddeby bis zu den Königswiesen. Eine stadtgeschichtliche Fantasie?

Die Hochzeit der Mechthild von Holstein mit Herzog Abel von Schleswig im Jahre 1237

„Ein tödliches Treffen“ – Ein Brudermord. Herzog Abel und sein Bruder König Erich 1250

Von der Residenz zum Staatsgefängnis – oder „Das Alte Schloss“ – Die weitere Nutzung der Jürgensburg nach der Zeit König Abels

Die Möweninsel und die Jürgensburg in Geschichte(n), Sage und Legende

Die Residenz der Herzöge – Vom Aussehen der Jürgensburg

Ein geheimer Gang unter der Schlei

Das Möweneieressen in Schleswig

„Das Möwenschießen“ - Eine blutige Tradition

Von der „Blutsteuer“ zur „Brutsteuer“

Warum das Fleisch der Möwen nicht zum Verzehr geeignet ist

Der Deutsch-Dänische Krieg von 1864 - Die Schanze auf der Möweninsel

Die Möwen in Schleswig – eine alte Sage

Die traditionelle Zubereitung der Möweneier

Von der lachenden Möwe „Larus ridibundus“

Das Ende des Möweneieressens – der Verlust eines kulinarischen Brauchtums und eines Stücks Schleswiger Geschichte

Resümee

Die Möweninsel – eine ganz besondere und schutzwürdige Insel

Kommentar von Birte Pauls, MdL

Quellen und Literatur:

1. Einleitung – Die Schleswiger Möweninsel

Ich finde es schön, dass Jens Nielsen die Geschichte und die sich darum rankenden Legenden, aber auch den heutigen Zustand und die sich daraus ergebenden zum Teil sehr unterschiedlichen Meinungen aufgegriffen und seiner Leserschaft nähergebracht hat. Nicht nur als Vorsitzender der Gesellschaft für Schleswiger Stadtgeschichte, deren Veröffentlichungen mehrfach den „Möwenberg“ behandelt haben, sondern besonders auch als „Holmer Jung“, habe ich vielfältige persönliche Erinnerungen in Verbindung mit dieser stadtbildprägenden Insel.

Wie stolz waren wir als Kinder, wenn wir „Schorsch“ Hannberg begleiteten, um Möweneier zu sammeln. Wie sehr freuten wir uns jedes Jahr, wenn im März die Lachmöwen als Frühlingsboten zurückkamen. Wie schön war es für uns dann als Erwachsene, wenn wir bei den traditionellen Möweneieressen dabei waren.

Sowohl die unterschiedlichen Vereine als auch nahezu alle städtischen Gremien fanden sich einmal im Jahr zu diesem geselligen Ereignis zusammen. Manch politischer Zwist wurde nach dem sechsten Möwenei – oder war es der sechste Schnaps? – beigelegt.

Ich wünsche dem Buch den verdienten Erfolg und hoffe, dass es im Interesse der Stadt und „ihrer“ Insel gelingt, die unterschiedlichen Auffassungen so „unter einen Hut“ zu bringen, dass man nicht nur an einem Strang zieht, sondern auch in eine gemeinsame Richtung.

Klaus Nielsky Bürgermeister der Stadt Schleswig von 1990 bis 2002

2. Ein Vorwort

Eng verbunden mit dem Aufstieg Schleswigs als Handelsstadt ist die Geschichte des dänischen Königssohns Knud Lavard (1096– 1131)2. Als „Jarl von Schleswig“ genoss er, nicht zuletzt durch sein handelspolitisches Engagement, welches mit einer Befriedung der ganzen Region einherging, hohes Ansehen. Er befestigte den Handelsplatz Schleswig und sicherte ihn durch eine Burg auf der Möweninsel und gilt als Jarl außerdem als „erster Herzog des Herzogtums Schleswig“. Über einen langen Zeitraum hatte die sogenannte „Jürgensburg“ oder „Juriansburg“ auf der Insel als Residenz, Staatsgefängnis oder Zollstätte für die Herzöge Schleswigs und für die Stadt größte Bedeutung, bevor das Herzogshaus schließlich an die Stelle wechselte, auf der heute das Schloss Gottorf steht. Die Burg auf der Möweninsel ist lang schon nicht mehr da und auch ihre wenigen erhaltenen Reste sind fast verschwunden. So ist die Insel über Jahrhunderte von zahlreichen Lachmöwenkolonien als Brutstätte übernommen worden, die dem Eiland seinem Namen gaben. Ihre Eier wurden gegessen und die Möwen über einen langen Zeitraum einmal im Jahr durch eine groß angelegte, kritisch zu sehende, Jagd auf der Insel dezimiert. Heute wissen nur noch wenige um die große Bedeutung, die die Insel und ihre Burg für die Stadt und das Herzogtum Schleswig einst hatten. Obwohl zahlreiche Geschichten um sie im Sagenschatz der Stadt unsterblich bewahrt wurden und auch das Brauchtum der Stadt immer wieder aufs Neue mit ihr verbunden war, geht die seit Jahrhunderten gewachsene Bindung zu der Insel im Schleibecken immer mehr verloren. Die Bestände der Lachmöwen sind verschwunden und das Sammeln und Essen der Möweneiern, zunächst auf Grund ihrer hohen Schadstoff- und Giftbelastung und jetzt zusätzlich wegen der Schutzbedürftigkeit der Lachmöwen, ist seit vielen Jahren untersagt. Heute ist die Möweninsel hauptsächlich Streitpunkt eines Politikums. Während die einen den Status der Insel als Vogel- und Naturschutzgebiet bewahren und Menschen möglichst ganz von der Insel fernhalten wollen, fürchten die anderen darum, dass der Sitz der ersten Schleswiger Herzöge ganz vergessen wird und verfällt. Einige glauben vom Festland aus zu beobachten, dass die Insel zunehmend kleiner wird und befürchten, dass die noch vorhandenen Wälle der denkmalgeschützten Burg sich immer weiter zurückentwickeln. Andere halten dagegen, dass die Insel bisher wohl nicht messbar kleiner geworden ist, bei unterschiedlichen Wasserständen aber unterschiedlich viel Fläche von der Insel zu sehen sei.

Mit einem Tauziehen der unterschiedlichen Meinungen kann nichts erreicht werden. Nur ein gemeinsames Handeln von allen agierenden Fachbereichen aus Fischerei, Jagd, Archäologie, Stadtgeschichte, Ornithologie, Umwelt- und Naturschutz, Tourismus u.a. kann der Insel noch helfen. Dieses Buch möchte das Wissen um die Bedeutung der Insel für die Stadt Schleswig wieder neu beleben und den Wunsch nach einer einvernehmlichen Lösung zum Wohle aller neu mobilisieren. Es wurde für dieses Buch eine wissenschaftliche Darstellung der Geschichte der Insel und der Burg gewählt, um die Diskussionen um die Zukunft der Insel auf einer sachlichen Ebene zu halten.

Im Sommer 2021

Jens Nielsen

2 Abb. 3: Knud Lavard. Mittelalterliche Malerei in der Kirche von Vigersted auf Seeland/DK. Foto: Jens Nielsen

3. Ein Schiffswrack vor der Möweninsel

Im Januar des Jahres 2000 fand der Fischer Jörn Ross vom Schleswiger Holm bei extremem Niedrigwasser der Schlei am südöstlichen Strand der Möweninsel die Überreste eines hölzernen Schiffs in einem leider sehr schlechten Erhaltungszustand.3 Die erhaltenen Reste konnten im darauf folgenden Sommer des Fundjahres vollständig dokumentiert und geborgen werden. Im Rahmen einer ersten Untersuchung der Konstruktionselemente wurde das Schiff zunächst vorläufig als mittelalterlich eingeordnet. Dafür sprachen unter anderem schon die Bearbeitungsspuren der Bauhölzer mit dem Beil, Zierprofile auf allen Konstruktionselementen4 und die Proportionen der Spanthölzer56. Das Schiff, bei dem das längste erhaltene Teil der 9,5m lange Kiel war, war ursprünglich wohl insgesamt 15 Meter lang und 4 Meter breit gewesen und konnte damit als mittelgroßer Frachtsegler identifiziert werden.7 Seine Bauweise, bei der unter anderem der Abstand der Spanten nur noch etwa 51 cm betrug, 8 zeigte eine interessante Entwicklung im nordischen Schiffbau, die möglicherweise mit der höheren Traglast der Frachtschiffe zusammen hing. Diese erweiterte Traglast wiederum spiegelte gleichzeitig den Aufschwung der mittelalterlichen Handelsschifffahrt im Ostseeraum zur Erbauungszeit des Schiffes wider. 9 Das Schiff gehört in seinen Maßen und mit seiner Konstruktion wohl mit zu den letzten großen Schiffen, die in der in der Wikingerzeit begonnenen nordischen Bautradition konstruiert wurden, da diese danach von der hansischen Tradition abgelöst wurde. Nach gründlicher Auswertung der Untersuchungsergebnisse wurde das Schiff um das Jahr 116310 datiert und seine Erbauung in der Nähe von Schleswig vermutet.

Vermutlich war das schon in seiner aktiven Zeit oft geflickte und instandgesetzte Schiff vor der Möweninsel gezielt abgewrackt worden, was allgemein die Nutzung für Abwrack- und Instandsetzungsarbeiten und auch für Schiffbauarbeiten am Ufer der Möweninsel als Teil des aktiven Hafenbereichs Schleswigs wahrscheinlich werden lässt.11 So ist nicht nur allein die Datierung und die Einordnung des Schiffes in das Mittelalter, sondern zusätzlich auch die Fundlage in der inneren Schlei von außerordentlicher Bedeutung, setzt sie doch das Wrack in einen direkten Bezug zum hochmittelalterlichen Fernhandelsort Schleswig und verbindet es außerdem mit einem der am meisten von Sagen umwobenen und vor allem geschichtsträchtigsten Orte der Stadt Schleswig – der Möweninsel mit ihrer Burg.

3 Siehe auch: Kramer, Willi, http://www.highend-archaeology.eu/moeweninsel.htm

4 Einige Planken und Spanten waren mit Rillen verziert.

5 Belasus, Mike, Das Möweninsel-Schiff- Ein mittelalterlicher Schiffsfund aus der inneren Schlei, Schriftliche Hausarbeit zur Erlangung des Grades eines Diplom-Prähistorikers, Kiel, 2004

6 Tragendes Bauteil zur Verstärkung des Schiffsrumpfes

7 Belasus, Mike., Das hochmittelalterliche Schiff vor der Möweninsel bei Schleswig. In: U. Müller/S. Kleingärtner/ F. Huber (Hrsg.), Zwischen Nord- und Ostsee 1997– 2007: Zehn Jahre Arbeitsgruppe für maritime und limnische Archäologie (AMLA) in Schleswig-Holstein. Universitätsforschungen zur Prähistorischen Archäologie 165, Bonn 2009, S. 89–98.

8 Die älteren Schiffe der Wikingerzeit wiesen noch einen Spantenabstand von 0,9-1m auf. Siehe auch: Belasus, Mike., Das hochmittelalterliche Schiff vor der Möweninsel bei Schleswig. In: U. Müller/S. Kleingärtner/ F. Huber (Hrsg.), Zwischen Nord- und Ostsee 1997–2007: Zehn Jahre Arbeitsgruppe für maritime und limnische Archäologie (AMLA) in Schleswig-Holstein. Universitätsforschungen zur Prähistorischen Archäologie 165, Bonn 2009

9 Nakoinz, Oliver, Die Schlei. In: F. Huber/S. Kleingärtner (Hrsg.), Gestrandet – Versenkt – Versunken: Faszination Unterwasserarchäologie, Neumünster/Hamburg 2014, S. 102–121

10 Enzmann, Jonas, Jürgens, Fritz, Wilkes, Feiko, Der letzte Wikinger? Ein Wrack aus dem 12. Jahrhundert bei Fahrdorf Kr. Schleswig–Flensburg, In: Archäologie in Schleswig, Symposium Haderslev, 2018

11 Belasus, Mike, Das Möweninsel-Schiff- Ein mittelalterlicher Schiffsfund aus der inneren Schlei, Schriftliche Hausarbeit zur Erlangung des Grades eines Diplom-Prähistorikers, Kiel, 2004

4. Die Jürgensburg12 im Wandel der Zeiten

„In der Mitte des oberen Theils der Schlei, zwischen Schleswig und Haddeby, liegt eine wie ein sanft aufsteigender Hügel gebildete Insel, nach den sich dort in jedem Sommer versammelnden Schwärmen von Meven13 der Mevenberg genannt. Auf dieser stand vormals das Schloß, die Jürgensburg. Diesen Namen erhielt sie wahrscheinlich von dem heiligen Georg, dem Schutzpatron der ganzen Umgegend…“14

Mit dieser Einleitung beginnt 1827 der „Premier Lieutenant im Schleswigschen Infanterie Regiment“ Johannes von Schröder in seinem Buch „Geschichte und Beschreibung der Stadt Schleswig“ sein Kapitel über das als Jürgensburg bezeichnete Kastell auf der Möweninsel. Man darf vermuten, dass auch von Schröder und die Menschen seiner Zeit in einem hohen Maße der Faszination verfallen waren, die von der sagenhaften halbmondförmigen Insel inmitten des Schleibeckens und ihren Sagen, Liedern und Legenden ausging und noch immer ausgeht. Nicht ohne Grund bezeichnete auch der Chronist Ulrich Petersen die Insel in einer seiner noch heute im Stadtarchiv Schleswig erhaltenen Aufzeichnungen als „Schönfleck in dem cristallinen Spiegel unserer Oberschley“. Warum aber der Name der Burg auf der Insel auf den Schutzpatron St. Jürgen oder St. Georg zurück geht, wie von Schröder dargestellt, und warum er St. Jürgen als Schutzpatron der ganzen „Umgegend“ bezeichnet, scheint lediglich eine Annahme zu sein, die sich allerdings auch bei anderen Autoren so wiederfindet15, zu belegen ist diese Aussage hingegen nicht.

Die der Stadt vorgelagerte Möweninsel aber, die auch später als „Möwenberg“ bezeichnet wurde, und die eigentlich aus einer zur Insel gewordenen Moränenkuppel besteht, trägt ihren Namen zu Recht, war und ist sie doch seit Jahrhunderten Heimstatt zahlreicher Möwen. Wobei aber davon auszugehen ist, dass, solange die Insel von Menschen bewohnt wurde, keine Möwen auf der Insel gelebt haben, da sie nicht genügend Ruhe zum Nisten gefunden hätten. Sie werden sich in der Zeit, in der die Jürgensburg und ihre Nachfolgebauten noch aktiv genutzt wurden, ihre Brutplätze am Ufer des Festlandes oder in den umgebenden Mooren und Nooren gesucht haben. Während es früher aber eher Lachmöwenkolonien waren, die rund um die Insel zum Brüten kamen, sind jetzt nur noch vorrangig Silber-, Mantel- und Heringsmöwen und in der Heringszeit vor allem Kormorane auf der Insel zu finden. Der eigentliche mittelalterliche Name der Insel, so es ihn denn gegeben hat, ist nicht überliefert.