Grundkurs Sozialverwaltungsrecht für die Soziale Arbeit - Jörg Reinhardt - E-Book

Grundkurs Sozialverwaltungsrecht für die Soziale Arbeit E-Book

Jörg Reinhardt

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Beschreibung

Das Sozialverwaltungsrecht spielt für die Praxis der Sozialen Arbeit eine wichtige Rolle: Von der Begleitung Arbeitssuchender über die Jugendhilfe bis zur Tätigkeit im ASD überlagern behördliche Zuständigkeiten, Verfahrensfragen und Rechtsschutzmöglichkeiten immer wieder fachlich-inhaltliche Aspekte. Die Kenntnis des Sozialverwaltungsrechts ist hier und in vielen anderen Bereichen der Sozialen Arbeit unverzichtbar. Der Grundkurs erleichtert den Einstieg in das Recht für die Soziale Arbeit mit vielen Beispielen, v. a. aus der Jugendhilfe. Eine umfassende Einführung in das Sozialverwaltungsrecht für die Soziale Arbeit. Für die 3. Auflage wurden alle Kapitel auf den aktuellen Stand gebracht. Mit zahlreichen Übersichten, Fällen und Musterlösungen!

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Jörg Reinhardt

Grundkurs Sozialverwaltungsrecht für die Soziale Arbeit

3., überarbeitete Auflage

Mit 22 Übersichten, 13 Fällen und Musterlösungen

Ernst Reinhardt Verlag München

Prof. Dr. Jörg Reinhardt lehrt rechtliche Grundlagen der Sozialen Arbeit und der Kindheitspädagogik an der Hochschule für angewandte Wissenschaften München.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

UTB-Band-Nr.: 4216

ISBN 978-3-8252-6001-9 (Print)

ISBN 978-3-8385-6001-4 (PDF-E-Book)

ISBN 978-3-8463-6001-9 (EPUB)

© 2023 by Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, Verlag, München

Dieses Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung der Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, München, unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen in andere Sprachen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Verlag Ernst Reinhardt GmbH & Co KG behält sich eine Nutzung seiner Inhalte für Text- und Data-Mining i.S.v. § 44b UrhG ausdrücklich vor.

Printed in EU

Einbandgestaltung: siegel konzeption | gestaltung, Stuttgart

Satz: JORG KALIES – Satz, Layout, Grafik & Druck, Unterumbach

Ernst Reinhardt Verlag, Kemnatenstr. 46, D-80639 München

Net: www.reinhardt-verlag.de E-Mail: [email protected]

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungen

Vorwort zur dritten Auflage

Vorwort zur ersten Auflage

1 Grundbegriffe

1.1 Verwaltung

1.2 Verwaltungsrecht

1.2.1 Allgemeines Verwaltungsrecht

1.2.2 Besonderes Verwaltungsrecht

1.3 Sozialverwaltungsrecht

1.3.1 Allgemeines Sozialverwaltungsrecht

1.3.2 Besonderes Sozialverwaltungsrecht

2 Träger der Verwaltung

2.1 Staatliche Verwaltung

2.1.1 Unmittelbare Staatsverwaltung

2.1.2 Mittelbare Staatsverwaltung

2.2 Private Organisationen und Privatpersonen

2.2.1 Beliehene

2.2.2 Verwaltungshelfer

2.2.3 Freie Träger

2.3 System der Aufsicht

2.3.1 Dienstaufsicht

2.3.2 Rechtsaufsicht

2.3.3 Fachaufsicht

3 Formen des Verwaltungshandelns

3.1 Hoheitliches Handeln

3.2 Privatrechtliches Handeln

3.2.1 Fiskalisches Verwaltungshandeln

3.2.2 Verwaltungsprivatrecht

4 Der Verwaltungsakt

4.1 Begriff des Verwaltungsakts

4.1.1 Maßnahme einer Behörde

4.1.2 Gebiet des öffentlichen Rechts

4.1.3 Regelung

4.1.4 Einzelfall

4.1.5 Unmittelbare Rechtswirkung nach außen

4.2 Arten von Verwaltungsakten

4.2.1 Einzelverfügung

4.2.2 Allgemeinverfügung

4.2.3 Begünstigender Verwaltungsakt

4.2.4 Belastender Verwaltungsakt

4.2.5 Verwaltungsakt mit Doppelwirkung

4.2.6 Feststellender Verwaltungsakt

4.2.7 Gestaltender Verwaltungsakt

4.2.8 Verwaltungsakt mit Drittwirkung

4.2.9 Mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt

4.2.10 Verwaltungsakt mit Dauerwirkung

4.2.11 Gebundener Verwaltungsakt

4.2.12 Ermessensverwaltungsakt

4.3 Nebenbestimmungen

4.4 Erlass des Verwaltungsakts

4.4.1 Grundsatz der Formfreiheit; Bestimmtheit

4.4.2 Bekanntgabe schriftlicher und elektronischer Verwaltungsakte

4.4.3 Wirksamwerden und Bestandskraft des Verwaltungsakts

4.4.4 Grundsätze der Leistungserbringung

4.4.5 Durchsetzung von Verwaltungsakten

5 Das Verwaltungsverfahren

5.1 Verfassungsrechtliche Grundlagen

5.1.1 Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung

5.1.2 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

5.1.3 Gleichbehandlungsgrundsatz

5.1.4 Wirtschaftlichkeitsgrundsatz

5.2 Verfahrensgrundsätze des SGB X

5.2.1 Grundsatz der behördlichen Neutralität

5.2.2 Grundsatz der Nichtförmlichkeit

5.2.3 Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung

5.2.4 Grundsatz der Zweckmäßigkeit

5.2.5 Grundsatz der Kostenfreiheit

5.2.6 Amtsermittlungsprinzip

5.3 Verfahrensbeteiligte

5.3.1 Verfahrensbeteiligung

5.3.2 Beteiligtenfähigkeit

5.3.3 Handlungsfähigkeit

5.4 Beginn des Verwaltungsverfahrens

5.4.1 Verfahrenseinleitung von Amts wegen

5.4.2 Verfahrenseinleitung auf Antrag

5.5 Bestimmung der zuständigen Behörden

5.5.1 Internationale Zuständigkeit

5.5.2 Sachliche Zuständigkeit

5.5.3 Örtliche Zuständigkeit

5.5.4 Funktionale Zuständigkeit

5.5.5 Amtshilfe

5.6 Rechte der Verfahrensbeteiligten

5.6.1 Bevollmächtigte und Beistände

5.6.2 Auskunfts- und Beratungsrechte

5.6.3 Ausschluss und Ablehnung von Amtspersonen

5.6.4 Anhörungsrecht

5.6.5 Akteneinsicht

6 Datenschutz

6.1 Verfassungsrechtliche Grundlagen des Datenschutzes

6.2 Europarechtliche Vorgaben an den Datenschutz

6.3 Datenschutzrecht im Überblick

6.3.1 Allgemeiner und bereichsspezifischer Datenschutz

6.3.2 Datenschutz freier Träger

6.4 Begriffe im Datenschutzrecht

6.4.1 Daten, personenbezogene Daten, Sozialdaten

6.4.2 Datenverarbeitung

6.4.3 Verantwortlicher

6.4.4 Anonymisierung; Pseudonymisierung

6.4.5 Einwilligung

6.5 Einzelne Verarbeitungsformen

6.5.1 Erheben von Daten

6.5.2 Speichern von Daten

6.5.3 Übermitteln und Nutzen von Daten

6.5.4 Löschen von Daten

6.6 Verstöße gegen den Datenschutz

6.7 Prüfschema zum Datenschutz

7 Der fehlerhafte Verwaltungsakt

7.1 Grundsatz der Rechtswidrigkeit

7.2 Nichtigkeit des Verwaltungsakts

7.3 Berichtigung redaktioneller Fehler

7.4 Umdeutung des Verwaltungsakts

7.5 Heilung von Fehlern

7.6 Unbeachtliche Fehler

8 Rechtsbehelfe

8.1 Formlose Rechtsbehelfe

8.1.1 Gegenvorstellung

8.1.2 Aufsichtsbeschwerde

8.1.3 Dienstaufsichtsbeschwerde

8.1.4 Beauftragte für spezielle Belange

8.1.5 Petition

8.2 Förmliche Rechtsbehelfe („Rechtsmittel“)

8.2.1 Widerspruch

8.2.2 Klage zum Sozial- oder zum Verwaltungsgericht

8.2.3 Einstweiliger Rechtsschutz

8.2.4 Berufung und Revision

9 Die Aufhebung von Verwaltungsakten durch die Verwaltung

9.1 Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts

9.1.1 Belastender Verwaltungsakt

9.1.2 Begünstigender Verwaltungsakt

9.2 Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsakts

9.2.1 Belastender Verwaltungsakt

9.2.2 Begünstigender Verwaltungsakt

9.3 Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung

9.4 Rückerstattungspflicht

9.5 Verfahren bei der Aufhebung

10 Der öffentlich-rechtliche Vertrag

10.1 Begriff des öffentlich-rechtlichen Vertrags

10.2 Arten öffentlich-rechtlicher Verträge

10.2.1 Koordinationsrechtliche Verträge

10.2.2 Subordinationsrechtliche Verträge

10.3 Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrags

Anhang

Überblick über die Bücher des Sozialgesetzbuchs

Musterlösungen

Literatur

Sachregister

Abkürzungen

Abs. Absatz

AdVermiG Adoptionsvermittlungsgesetz

AdVermiStAnKoV Verordnung über die Anerkennung von Adoptionsvermittlungsstellen sowie die im Adoptionsvermittlungsverfahren zu erstattenden Kosten

AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

AG Ausführungsgesetz, Aktiengesellschaft

AGKJHG Landesgesetz zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes

AGSG Bayer. Ausführungsgesetz zum Sozialgesetzbuch

AGSGB XII Landesausführungsgesetz zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch

AO Abgabenordnung

ASD Allgemeiner Sozialdienst

AsylVfG Asylverfahrensgesetz

AufenthG Aufenthaltsgesetz

AGSG Ausführungsgesetz zum Sozialgesetzbuch

BAföG Bundesausbildungsförderungsgesetz

BayVwVfG Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz

BDSG Bundesdatenschutzgesetz

BEEG Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz

BGB Bürgerliches Gesetzbuch

BImSchG Bundesimmissionsschutzgesetz

BKGG Bundeskindergeldgesetz

BNotO Bundesnotarordnung

BSG Bundessozialgericht

bspw. beispielsweise

BVerfG Bundesverfassungsgericht

BVerwG Bundesverwaltungsgericht

d.h. das heißt

DSGVO Datenschutz – Grundverordnung

etc. et cetera

EU Europäische Union

ff. fortfolgende

GastG Gaststättengesetz

GdB Grad der Behinderung

GewO Gewerbeordnung

GG Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

ggf. gegebenenfalls

GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung

grds. grundsätzlich

i.d.R. in der Regel

i.S.v. im Sinne von

i. V. m. in Verbindung mit

JVA Justizvollzugsanstalt

Kap. Kapitel

KiTa Kindertagesstätte

KKG Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz

LSG Landessozialgericht

NRW Nordrhein-Westfalen

OEG Opferentschädigungsgesetz

OVG Oberverwaltungsgericht

RDG Rechtsdienstleistungsgesetz

s. siehe

S. Seite, Satz

SchKG Schwangerschaftskonfliktgesetz

SchwbAwV Schwerbehindertenausweisverordnung

SGB (I–XIV) Sozialgesetzbuch (Die römische Zahl gibt den Namen des jeweiligen Buchs an)

SGG Sozialgerichtsgesetz

StGB Strafgesetzbuch

StVO Straßenverkehrsordnung

StVZO Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung

u.a. unter anderem

UVG Unterhaltsvorschussgesetz

v.a. vor allem

VA Verwaltungsakt

VGH Verwaltungsgerichtshof

VwGO Verwaltungsgerichtsordnung

VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz

VwVG Verwaltungsvollstreckungsgesetz

VwZG Verwaltungszustellungsgesetz

VwZVG Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz

WoGG Wohngeldgesetz

z.B. zum Beispiel

ZPO Zivilprozessordnung

Vorwort zur dritten Auflage

Die vielen positiven Rückmeldungen zu den ersten Auflagen haben mich darin bestätigt, das Konzept des vorliegenden Grundkurses beizubehalten. Der Inhalt wurde jedoch an einige gesetzliche Neuregelungen angepasst, etwa an die Reform des SGB VIII aus dem Jahr 2021. Das Datenschutzkapitel wurde noch einmal kritisch durchgesehen und überarbeitet, sodass nun wieder eine aktuelle Fassung auf dem Rechtsstand 1.9.2022 vorgelegt werden kann.

Leider ist aufgrund der „männlichen“ Rechtssprache (z.B. „Arbeitgeber“, „Vormund“, „Betreuer“, „Verantwortlicher“) eine geschlechtsneutrale Darstellung immer noch nicht durchgängig zu bewerkstelligen, wenn gleichzeitig die korrekten juristischen Begriffe verwendet und eine gute und einfache Lesbarkeit erreicht werden sollen. Daher bitte ich weiterhin um Verständnis für die Übernahme vieler männlicher Begriffe aus dem Gesetzeswortlaut. Selbstverständlich sind mit den Bezeichnungen aber jeweils alle Geschlechter gemeint! Wie immer bin ich für alle Anregungen offen und dankbar.

München, im Dezember 2022 Jörg Reinhardt

Vorwort zur ersten Auflage

Das Sozialverwaltungsrecht spielt in vielen Bereichen der Sozialen Arbeit und des Sozialmanagements eine zunehmend wichtige Rolle. Von der Begleitung von Arbeitssuchenden über die Jugendhilfe bis hin zur Tätigkeit in den Allgemeinen Sozialen Diensten überlagern Zuständigkeiten und Verfahrensfragen immer wieder die fachlich-inhaltlichen Aspekte. Den Rechtsschutzmöglichkeiten gegen Akte der Verwaltung kommt in Zeiten knapper Kassen eine immer größere Bedeutung zu.

Der vorliegende Grundkurs soll den Einstieg in das abstrakte und wenig griffige Thema des Sozialverwaltungsrechts anhand vieler Beispiele, vor allem aus dem Kinder- und Jugendhilferecht, erleichtern. Wie bei jedem juristischen Lehrbuch ist es für das Verständnis des Textes unerlässlich, dass die darin zitierten Gesetzesbestimmungen parallel mitgelesen werden.

Die einschlägigen Landesgesetze und die strukturellen Rahmenbedingungen der sechzehn – teilweise grundverschiedenen – Landesverwaltungen machen es leider unmöglich, im Rahmen eines Grundkurses die Situation in den einzelnen Bundesländern umfassend darzustellen. Zudem bitte ich um Nachsicht, dass ich zumeist die männliche Form von Personenbezeichnungen verwende. Dies soll zur Lesbarkeit des Grundkurses beitragen – auch das Gesetz verwendet oftmals nur die männliche Form.

Schließlich danke ich meinem Sohn Jan für die Idee und wichtige Hinweise zu diesem Buch, Frau Sandra Möbius für ein erstes kritisch-konstruktives „Gegenlesen“ aus studentischer Sicht sowie Rolf P. Bach, Iris Egger-Otholt und Antje Krebs für ergänzende Informationen zu den Verwaltungsstrukturen außerhalb Bayerns. Für Hinweise auf Fehler oder Anregungen zur Verbesserung bin ich jederzeit dankbar.

München, im Juli 2014 Jörg Reinhardt

1 Grundbegriffe

1.1 Verwaltung

Die Verwaltung ist die Exekutive im Sinne der klassischen Staatstheorie, die von den drei Staatsgewalten Legislative (Gesetzgebung), Judikative (Rechtsprechung) und eben der Exekutive (Verwaltung) ausgeht. Aufgabe der Verwaltung ist der Vollzug und die Durchsetzung der Gesetze.

Da das staatliche und gesellschaftliche Zusammenleben in nahezu allen Bereichen durch normative Regelungen geordnet ist, sind die staatlichen und kommunalen Behörden mit der Umsetzung von Bestimmungen aus den verschiedensten Rechts- und Lebensbereichen befasst. Diese reichen vom Baurecht über das Arzneimittel- und Polizeirecht bis hin zum Sozialhilfe- oder Straßenverkehrsrecht.

Angesichts dieser enormen Aufgabenvielfalt wird grundsätzlich unterschieden zwischen der Leistungsverwaltung und der Eingriffsverwaltung: Die Eingriffsverwaltung dient der Durchsetzung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, indem sie Bürgerinnen und Bürgern konkrete Verhaltensvorgaben macht (z. B. eine bestimmte Art des Bauens vorschreibt, Demonstrationen untersagt, Lärmschutzauflagen durchsetzt etc.) und damit zwangsläufig hoheitlich, d. h. „von oben“, in die Rechts- und Freiheitssphäre der Betroffenen eingreift.

Beispiele

Weitere Beispiele für die Eingriffsverwaltung sind polizeiliche Maßnahmen (z. B. ein Platzverweis, die Ingewahrsamnahme oder die Feststellung von Personalien); ordnungs- und sicherheitspolitische Schutzmaßnahmen (z. B. Baustopps, Badeverbote, Gewerbeuntersagungen); ausländerrechtliche Maßnahmen (z. B. Ausweisung, Abschiebung) oder eingreifende Jugendhilfemaßnahmen (z. B. Inobhutnahme, Heim- und KiTa-Aufsicht).

Die Verwaltung hat aber nicht nur den Auftrag zur Durchsetzung von Regeln und Verboten, sondern sie erbringt auch verschiedenste Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger. Diesen Teilbereich behördlicher Aufgaben bezeichnet man als Leistungsverwaltung.

Beispiele

Beispiele für die Leistungsverwaltung sind die Wasser- und Elektrizitätsversorgung; Müllabfuhr; Krankenhausversorgung; Förderung kultureller und sportlicher Angebote; familienpolitische Leistungen; öffentlicher Personennahverkehr; Kindertagesbetreuung; Versorgung mit Schulen und Hochschulen; Wirtschaftsförderung; Arbeitsförderung; Grundsicherung; Altersrente; Sozialhilfe etc.

Die Sozialverwaltung hat den Auftrag zur Umsetzung der sozialen Leistungsgesetze, d. h. der einzelnen Bücher des SGB und der zugehörigen Gesetze nach § 68 SGB I. Sie ist damit „klassische“ Leistungsverwaltung, denn sie erbringt gemäß § 11 SGB I Sozialleistungen in der Form von Dienstleistungen (z. B. Arbeitsvermittlung, Erziehungsberatung), Sachleistungen (z. B. Hilfsmittel für kranke und behinderte Menschen) und Geldleistungen (z. B. Grundsicherung, Unterhaltsvorschuss, Elterngeld, BAföG oder Opferentschädigungsrenten).

1.2 Verwaltungsrecht

Das Verwaltungsrecht regelt die hoheitliche Tätigkeit der öffentlichen Verwaltung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern. Es ist deshalb – neben dem Staatsorganisations- und Verfassungsrecht sowie dem Strafrecht – Teil des öffentlichen Rechts. Hoheitliche Tätigkeit bedeutet aber nicht zwingend, dass eine Behörde nur eingreifende Maßnahmen trifft: Auch die Entscheidung über Leistungen ist hoheitlich, denn auch die Leistungsverwaltung erfüllt staatliche Aufgaben in einem Über- / Unterordnungsverhältnis gegenüber Menschen oder privatrechtlichen Vereinigungen (Kap. 3.1). Damit gehört auch die Leistungsverwaltung zum öffentlichen Recht.

Innerhalb des weiten Feldes des Verwaltungsrechts unterscheidet man das allgemeine Verwaltungsrecht (Kap. 1.2.1) und das besondere Verwaltungsrecht (Kap. 1.2.2).

1.2.1 Allgemeines Verwaltungsrecht

Für die hoheitliche Tätigkeit der Verwaltung gelten bestimmte, letztlich auf das Rechtsstaatsprinzip zurückgehende Grundsätze, die von so grundlegender Bedeutung sind, dass sie für alle Verwaltungsbereiche in gleicher Weise gelten müssen. Diese Grundsätze sind Gegenstand des allgemeinen Verwaltungsrechts. Hierzu gehören etwa der Gleichbehandlungsgrundsatz und das Willkürverbot (Art. 3 GG), aber auch grundlegende Vorgaben für ein faires und rechtsstaatliches Verwaltungshandeln wie das Recht, vor negativen Verwaltungsentscheidungen angehört zu werden. Zudem sind zentrale Begriffe (z. B. die Definition des Verwaltungsakts und des öffentlich-rechtlichen Vertrags) sowie elementare Verfahrensfragen (etwa diejenige, ob auch Minderjährige oder juristische Personen Anträge stellen und an einem Verwaltungsverfahren beteiligt sein können) im allgemeinen Verwaltungsrecht geregelt.

Die Verfahrensvorgaben des allgemeinen Verwaltungsrechts, die von den Bundesbehörden (z. B. dem Zoll oder der Bundespolizei) zu beachten sind, sind bundesrechtlich geregelt, nämlich im Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG), dem Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) und dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG) des Bundes. Im Bereich der Landesbehörden und der Kommunen haben dagegen die Länder die Organisationshoheit (Art. 83 GG). Diese haben deshalb eigene Landesverwaltungsverfahrensgesetze (z. B. in Bayern das Bayerische Verwaltungsverfahrensgesetz, in Nordrhein-Westfalen das VwVfG NRW, in Thüringen das Thüringer Verwaltungsverfahrensgesetz) sowie landesrechtliche Regelungen zur Zustellung von Schriftstücken und der zwangsweisen Durchsetzung von Regelungen erlassen (z. B. das Bayerische oder das Thüringer Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz; in Nordrhein-Westfalen das dortige Landeszustellungsgesetz und das VwVG NRW). In diesen Landesgesetzen ist das allgemeine Verwaltungsrecht für die Behörden der Länder und der Kommunen geregelt.

Für die Anwendung des Bundes- oder Landesverwaltungsverfahrensrechts kommt es also nicht darauf an, ob ein Bundes- oder ein Landesgesetz vollzogen wird; entscheidend ist ausschließlich, ob eine Bundes- oder eine Landesbehörde tätig wird!

Beispiele

Wird der Zoll tätig, dann ergeben sich die allgemeinen Bestimmungen zum Verfahren aus dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes (VwVfG), denn die Zollbehörden sind Bundesbehörden. Die Zustellung von Bescheiden hat gemäß dem Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) und die Vollstreckung, also die Durchsetzung von Regelungen der Zollbehörden, nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG) des Bundes zu erfolgen. Handelt dagegen eine Landes- oder eine Kommunalbehörde (etwa die Ausländerbehörde, das Bauamt, die Polizei oder das Ordnungsamt), dann hat diese die allgemeinen Verwaltungsgesetze des Landes zu beachten, in Bayern also das Bayerische Verwaltungsverfahrensgesetz sowie das Bayerische Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz.

1.2.2 Besonderes Verwaltungsrecht

Da die Verwaltung höchst unterschiedliche Tätigkeitsfelder abzudecken hat, benötigt sie bereichsspezifisch unterschiedlich ausgestaltete Verfahren, um jeweils auf sinnvollem Wege zu praktikablen Ergebnissen zu kommen. Naturgemäß werden für eine erfolgreiche polizeiliche Tätigkeit andere Verfahrensbestimmungen sinnvoll sein als für das Pflegekinderwesen, das Baurecht oder die Krankenhausplanung. Würden alle Verwaltungsbereiche nach denselben Kriterien arbeiten, wären häufig kaum passgerechte Verfahren zu erwarten. Daher gibt es eine Vielzahl von Gesetzen mit fachspezifischen Sondervorschriften und Spezialregelungen, die nur für bestimmte, abgegrenzte Verwaltungsbereiche gelten. Diese Sondervorschriften sind niedergelegt im besonderen Verwaltungsrecht.

Beispiele

Beispiele für Vorschriften des besonderen Verwaltungsrechts sind etwa die Bestimmungen im Zusammenhang mit der Erteilung einer Baugenehmigung in den Baugesetzen des Bundes und der Länder, die Voraussetzungen für die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers nach dem AufenthG, die Regelungen über lebensmittelrechtliche Verbote oder die Zulassung von Arzneimitteln im Arzneimittelrecht.

Gemäß dem juristischen Grundsatz „lex specialis vor lex generalis“ geht das besondere Verwaltungsrecht dem allgemeinen Verwaltungsrecht vor. Bei der Gesetzesanwendung ist daher zunächst immer zu überlegen, ob für einen konkreten Fall spezialgesetzliche Bestimmungen existieren. Ist dies der Fall, dann hat die Verwaltung diese zu berücksichtigen. Gibt es dagegen keine Sonderregelungen, dann (und nur dann!) darf die Verwaltung auf die Bestimmungen des allgemeinen Verwaltungsrechts zurückgreifen.

Beispiel

Das Gaststättengesetz ermöglicht, dass jederzeit Auflagen zum Schutz von Gästen, in der Gaststätte Beschäftigten oder Anwohnern getroffen werden können (§ 5 GastG). Diese Regelung ist vorrangig gegenüber der allgemeinen Möglichkeit im jeweiligen Landesverwaltungsverfahrensgesetz, Auflagen zu erlassen (z. B. Art. 36 BayVwVfG).

1.3 Sozialverwaltungsrecht

Das Sozialrecht ist derjenige Teil des (Leistungs-)Verwaltungsrechts, welcher die Sozialleistungen regelt (§ 1 Abs. 1 SGB I). Es ist gesondert von den übrigen die Verwaltung betreffenden Gesetzen im Sozialgesetzbuch und dessen Nebengesetzen (das sind alle in § 68 SGB I genannten Gesetze) niedergelegt. Das Sozialverwaltungsrecht regelt die hoheitliche Tätigkeit der Sozialbehörden. Das sind die Behörden, die das SGB und seine Nebengesetze vollziehen. Auch im Sozialrecht unterscheidet man allgemeines und besonderes Sozialverwaltungsrecht.

1.3.1 Allgemeines Sozialverwaltungsrecht

Das allgemeine Sozialverwaltungsrecht und das Sozialverwaltungsverfahren sind vor allem im SGB X geregelt, das weitestgehend den Wortlaut des VwVfG und der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder übernommen hat. Wichtige weitere allgemeine Regelungen (z. B. zu den behördlichen Auskunfts- und Beratungspflichten oder den Mitwirkungspflichten der Betroffenen) finden sich aber auch im SGB I. Die Vorschriften des allgemeinen Sozialverwaltungsrechts gelten im Gegensatz zum allgemeinen Verwaltungsrecht (Kap. 1.2.1) unabhängig davon, ob eine Sozialleistung durch eine Bundesbehörde oder die Landessozialbehörden erbracht wird (die hierfür nach § 1 Abs. 1 S. 2 SGB X erforderliche Anwendbarkeitserklärung ist für alle wichtigen Bereiche des Sozialrechts erfolgt).

1.3.2 Besonderes Sozialverwaltungsrecht

Die fachbereichsspezifischen Sondervorschriften und Spezialregelungen, die nur in Bezug auf einzelne Sozialleistungen gelten, finden sich in den Büchern II bis IX und XI, XII und XIV des SGB sowie in den in § 68 SGB I genannten Nebengesetzen (z. B. dem BAföG, dem Wohngeldgesetz, dem Unterhaltsvorschussgesetz etc.).

Beispiele

Bspw. sind die Bestimmungen über die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (SGB V), die Voraussetzungen für eine KiTa-Betriebserlaubnis nach dem SGB VIII, die Regelungen zur Feststellung des Pflegegrades (§ 15 SGB XI) oder einer Behinderung (§ 152 SGB IX) etc. zum besonderen Sozialverwaltungsrecht zu rechnen.

Aus diesen Gesetzen können sich besondere Bestimmungen für das Verfahren ergeben (z. B. Regelungen zur Zuständigkeit von Behörden, Schriftformerfordernisse für Anträge oder besondere Mitwirkungspflichten). Diese Sonderregeln gehen den allgemeinen Bestimmungen des SGB X und des SGB I vor (§ 37 SGB I).

Beispiele

• Nach § 6 Abs. 2 S. 2 i. V. m. Abs. 1 S. 1 SGB VIII kann das Jugendamt ein ausländisches Kind in Obhut nehmen, wenn es sich tatsächlich in Deutschland aufhält. Diese Sonderregelung verdrängt die allgemeine Regelung in § 30 SGB I, wonach die Vorschriften des SGB an sich nur anwendbar sind, wenn Ausländer ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben.

• Es stellt sich die Frage, ob und in welcher Form ein BAföG-Antrag zu stellen ist. Der Grundsatz im allgemeinen Verwaltungsrecht (§ 18 SGB X) lautet, dass die Verwaltung „von Amts wegen“ tätig wird, also ohne dass ein Antrag erforderlich ist. Zudem gilt der Grundsatz der Formfreiheit (§ 9 SGB X). Für die Ausbildungsförderung gibt es jedoch besondere Bestimmungen im BAföG und somit in einem Sondergesetz des besonderen Verwaltungsrechts: Laut § 46 Abs. 1 S. 1 BAföG setzt die Leistung einen Antrag voraus, der in schriftlicher Form zu stellen ist. Da das BAföG dem allgemeinen Verwaltungsrecht vorgeht (§ 37 SGB I), sind die §§ 9 und 18 SGB X nicht anwendbar; es ist ein schriftlicher Antrag erforderlich.

• Das SGB IX enthält sowohl Sozialleistungen für behinderte und chronisch kranke Menschen. Es sieht für diesen Personenkreis aber auch einige besondere Verfahrensregelungen vor, etwa in Bezug auf die Zuständigkeitsklärung (§ 14 SGB IX) oder die Bewilligung eines persönlichen Budgets (§ 29 SGB IX).

Das SGB IV enthält allgemeine Vorschriften, die aber ausschließlich für die Sozialversicherung gelten (§ 1 Abs. 1 SGB IV). Deshalb ist das SGB IV im Vergleich zum SGB I und dem SGB X als „fachspezifisch“ und damit als Teil des besonderen Sozialverwaltungsrechts einzuordnen. Auch das Landesrecht kann ergänzende Vorschriften zu einzelnen Bereichen des besonderen Sozialverwaltungsrechts enthalten. In den Bundesländern finden sich die entsprechenden landesrechtlichen Bestimmungen vor allem in sogenannten Ausführungsgesetzen zum Sozialgesetzbuch.

Beispiele

In Bayern gibt es ein Gesetz zur Ausführung des Sozialgesetzbuchs (AGSG). Andere Bundesländer haben zu einzelnen Büchern des SGB jeweils gesonderte Ausführungsgesetze erlassen, z. B. das hessische Ausführungsgesetz zum SGB XII (HAG-SGB XII), das Landesausführungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern zum SGB II (AG-SGB II) oder das Bremische Gesetz zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (BremAGKJHG).

An einigen Stellen gibt es in den bundesgesetzlichen Vorschriften ausdrückliche Verweise oder sog. „Öffnungsklauseln“ für Regelungen der Länder, z.B. bei der Bestimmung der zuständigen Leistungsträger (z.B. § 26 Abs. 2 SGB I für das Wohngeld oder § 27 Abs. 2 SGB I für die Jugendhilfe), im Bereich der Kindertagesbetreuung (§ 26 SGB VIII), der Schulsozialarbeit (§ 13a S. 2 SGB VIII), dem Beschwerdemanagement (§ 9a S. 4 SGB VIII) oder beim Kinderschutz in Einrichtungen (§ 49 SGB VIII). Somit können sich aus dem Föderalismus auch im Bereich des Sozialrechts gewisse Unterschiede in den einzelnen Bundesländern ergeben. Das ist verfassungsrechtlich unproblematisch und ergibt sich aus Art. 72 Abs. 1 i.V.m. Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG. Die einzelnen Bereiche des Verwaltungsrechts sind in Übersicht 2 zusammenfassend dargestellt.

Fall 1: Der Antrag auf Wohngeld

Die Alleinerziehende A beantragt per E-Mail Leistungen nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) bei der dafür zuständigen Behörde.

a) Die Wohngeldstelle besteht auf einen schriftlichen Antrag. Zu Recht?

b) A ist sich nicht sicher, ob sie das Wohngeld auch dann erhält, wenn sie eine Wohnung gemietet hat, die ihren Großeltern gehört. Außerdem beabsichtigt ihr Freund, der relativ gut verdient, zu ihr in die Wohnung zu ziehen. Hat sie einen Anspruch auf Beratung zu diesen Fragen gegenüber der Wohngeldstelle?

c) Die Wohngeldstelle antwortet A per Mail, dass ihr Antrag abgelehnt wird. Ist das rechtlich zulässig?

2 Träger der Verwaltung

So vielfältig wie die Aufgaben der Verwaltung ist auch deren Organisation. Die höchst unterschiedlichen behördlichen Handlungsfelder haben dazu geführt, dass sich in den einzelnen Verwaltungsbereichen verschiedenste Strukturen entwickelt haben.

Im Bereich der Polizei und des Ordnungsrechts ist beispielsweise eine hierarchisch arbeitende Verwaltung unverzichtbar, wenn es um die geordnete Durchführung von Großeinsätzen geht (z. B. Präsenz bei Fußballgroßveranstaltungen, Begleitung von Großdemonstrationen, Absicherung von Staatsbesuchen etc.).

Dagegen stehen in der Sozialverwaltung traditionell der gesellschaftliche Solidargedanke und die öffentliche Fürsorge im Vordergrund. Das hat zur Folge, dass die Sozialverwaltung weniger auf den Staat zentriert ist, sondern v.a. durch Solidarsysteme sowie die Verantwortlichkeit der Kommunen im Bereich der Daseinsvorsorge geprägt wird. Sowohl der Bund als auch die Länder haben deshalb die Befugnis, bestimmte öffentliche Aufgaben auf Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts zu übertragen (Art. 87 Abs. 3 GG). Für die Sozialversicherung schreibt dies Art. 87 Abs. 2 GG sogar ausdrücklich vor.

Angesichts der unterschiedlichen gesetzlichen Aufgabenzuweisungen, Anforderungen und fachlichen Bedürfnisse in den einzelnen Verwaltungsbereichen ist über die vergangenen Jahrzehnte eine schier unüberschaubare Zersplitterung der „Behördenlandschaft“ im sozialen Bereich entstanden. Statt „Leistungen aus einer Hand“ zu erhalten, müssen sich Betroffene derzeit eher in einem Labyrinth von Zuständigkeiten zurechtfinden.

2.1 Staatliche Verwaltung

Der „klassische“ Verwaltungsträger ist nach wie vor „der Staat“. Darunter versteht man den Bund und die Länder. Aus Art. 30 i. V. m. Art. 83 ff. GG ergibt sich der Grundsatz, dass sämtliche Verwaltungs-aufgaben grundsätzlich durch die Länder erledigt werden. Diesen steht dabei die sog. „Verwaltungshoheit“ zu, d. h. sie bestimmen selbst, welche Behörden sie mit welchen Aufgaben betrauen, wie diese strukturiert sind und welches Personal vorgehalten wird.

Beispiel

Im Bereich der Sozialverwaltung werden vielfach die Versorgungsämter und die Integrationsämter als Landesbehörden tätig. Diese sind bspw. für das Elterngeld, die Opferentschädigung sowie für Teilhabeleistungen für Menschen mit Behinderung zuständig. Einige Bundesländer haben diese Aufgaben durch Landesgesetz auf kommunale Träger weiter übertragen. Mit Blick auf die Verwaltungshoheit der Länder ist dies zulässig.

Eigene Behörden des Bundes darf es nur dann geben, wenn das Grundgesetz in Art 83 ff. GG dem Bund die ausdrückliche Befugnis zur Einrichtung der jeweiligen Stellen gibt. Sie sind im sozialen Bereich eher selten zu finden. Allerdings darf der Bund selbstständige Bundesoberbehörden für alle Angelegenheiten einrichten, in denen er gemäß Art. 71 ff. GG die Gesetzgebungshoheit hat (Art. 87 Abs. 3 GG).

Beispiel

Beispielsweise obliegt dem Bundesversicherungsamt (BVA) u. a. die Aufsicht über die überregionalen Sozialversicherungsträger. Die Einrichtung des BVA ist zulässig, weil dem Bund gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG im Bereich der Sozialversicherung die Gesetzgebungsbefugnis zusteht.

2.1.1 Unmittelbare Staatsverwaltung

Traditionell war auf Bundes- wie auch auf Landesebene früher eine dreistufige Verwaltungsstruktur anzutreffen. Das bedeutet, dass es eine obere, eine mittlere und eine untere Behördenebene gibt. Umfängliche Verwaltungsreformen und „Verschlankungsbestrebungen“ der jüngeren Vergangenheit haben dazu geführt, dass in vielen Fachbereichen und in der überwiegenden Zahl der Bundesländer inzwischen die mittlere Verwaltungsebene weggefallen ist und der dreistufige Verwaltungsaufbau in eine zweistufige Verwaltung umstrukturiert wurde. Lediglich in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Nordrhein-West-falen wurde der dreistufige Verwaltungsaufbau in der allgemeinen Verwaltung beibehalten.

Die mehrstufige Staatsverwaltung ist streng hierarchisch strukturiert. Die unteren staatlichen Behörden haben die rechtlichen, fachlichen und organisatorischen Vorgaben der ihnen vorgesetzten höheren Behörden zu beachten und umzusetzen. Den oberen Behörden stehen Weisungsrechte sowie die Dienst-, Rechts- und Fachaufsicht über den nachgeordneten Bereich zu (Kap. 2.3).

Oberste Behörden

In der Behördenhierarchie sind die Ministerien die obersten Bundes- bzw. Landesbehörden. In den Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg nehmen die Senatsbehörden die Funktion des Ministeriums wahr. Der Auftrag der obersten Behörden kann allgemein mit Planungs-, Steuerungs- und Koordinierungsaufgaben umschrieben und zusammengefasst werden.

Beispiel

Die Obersten Landesjugendbehörden (d. h. die Landesjugendministerien) haben den Auftrag zur fachlichen Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe. Hier werden Gesetzesvorhaben entwickelt und abgestimmt, fachliche Konzeptionen zur qualitativen Weiterentwicklung entworfen (z. B. Bildungspläne, Aktionspläne zur Umsetzung der UN-Kinderrechtekonvention etc.) oder Maßnahmen zur flächendeckenden Koordinierung von Angeboten erarbeitet (z. B. Förderung von Beratungsstellen, Familienfreizeiten, offener Behindertenarbeit oder spezifischen Angeboten für Menschen mit Migrationshintergrund).

Untere Behörden

Anlaufstellen für die Bearbeitung von Einzelfällen und Einzelanliegen der BürgerInnen sind regelmäßig die unteren Verwaltungsbehörden, was schon aufgrund der räumlichen Nähe zu den Betroffenen sachgerecht ist. In den Flächenstaaten sind dies die Landratsämter und die Verwaltungen der kreisfreien Städte (Baden-Württemberg: Landratsamt oder Stadtkreis); in den Stadtstaaten nehmen die Bezirksverwaltungen (Berlin, Hamburg) bzw. die Ortsämter (Bremen) die Aufgaben der unteren Staatsbehörde wahr.

Beispiele

• Die Baubehörden entscheiden über die Erteilung von Baugenehmigungen; die Ausländerbehörden bearbeiten Anträge auf Erteilung einer Aufenthalts- oder einer Niederlassungserlaubnis.

• Im Bereich des SGB reichen oftmals die Versorgungs- und Integrationsämter als untere Landesbehörden familienpolitische Leistungen (z. B. Kindergeld, Elterngeld) oder Leistungen für Menschen mit Behinderung (z. B. Zuschüsse zur Umgestaltung von Arbeitsplätzen) aus.

Mittelbehörden

Zwischen den beiden genannten Ebenen sind in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen zusätzlich Mittelbehörden vorgesehen. In Baden-Württemberg und Hessen sind dies die Regierungspräsidien, in Bayern die Regierungen und in Nordrhein-Westfalen die Bezirksregierungen. Den Mittelbehörden kommt einerseits eine Aufsichtsfunktion über die unteren Verwaltungsbehörden zu; andererseits haben sie häufig eine koordinierende Funktion auf der regionalen Ebene. In einigen Fällen nehmen sie auch Einzelfallaufgaben wahr, für welche im örtlichen Bereich nur ein geringer Bedarf besteht, sodass staatliche Anlaufstellen auf regionaler Ebene als ausreichend angesehen werden.

Beispiel

Die Regierungen in Bayern sind Aufsichtsbehörden über die unteren Staatsbehörden sowie die Kommunalverwaltung. Gleichzeitig haben sie im Bereich der Zuwanderungspolitik den Auftrag zur regionalen Koordinierung der Förderung von Einzelmaßnahmen zur Verbesserung der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund.

Die Landesdirektion Sachsen sowie die Landesverwaltungsämter in Sachsen-Anhalt und Thüringen werden teilweise in erster Instanz und teilweise als Fachaufsichts- und Widerspruchsbehörde tätig. Da diese Ämter aber nicht regional, sondern landesweit zuständig sind, werden sie als „obere“ oder „höhere“ Landesbehörden bezeichnet.

Sonderbehörden

Unabhängig von dem üblichen zwei- oder dreistufigen Verwaltungsaufbau ist auf Bundes- wie auch auf Landesebene zusätzlich die Einrichtung von Sonderbehörden möglich, die keine nachgeordneten Stellen haben.

Beispiele

Beispiele sind das Bundesamt für Justiz (das unter anderem für grenzüberschreitende Angelegenheiten im Bereich von Jugendhilfe, Sorge- und Unterhaltsrecht zuständig ist), sowie die Landesjugend- oder die Landeskriminalämter.

2.1.2 Mittelbare Staatsverwaltung

Im Bereich der Sozialverwaltung haben sowohl der Bund als auch die Länder viele Aufgaben auf die sogenannte mittelbare Staatsverwaltung verlagert. Hintergrund ist, dass hinter vielen Sozialleistungen nicht der Staat als Leistungsträger steht, sondern die Solidargemeinschaft der BeitragszahlerInnen: Sozialversicherungsleistungen werden ganz überwiegend nicht aus staatlichen Steuermitteln erbracht, sondern durch Beiträge finanziert, welche die Versicherten solidarisch einbezahlen.

Gerade im Bereich der Sozialversicherung stellt sich daher die Frage, ob es zu einem solchen, solidarisch ausgestalteten System „passen“ würde, wenn der Staat die von der Solidargemeinschaft finanzierten Leistungen mithilfe seines eigenen, hierarchischen Verwaltungssystems erbringt. Den BeitragszahlerInnen sollten nämlich, wenn sie eine soziale Leistung schon aus eigenen Mitteln bewerkstelligen, auch Mitspracherechte hinsichtlich der Kriterien für die Leistungsvergabe, der Prioritätensetzung etc. zustehen. Derartige Partizipationsmöglichkeiten sind der streng hierarchischen staatlichen Verwaltung aber völlig fremd.

Daher wurde in Art. 87 Abs. 2 und 3 GG der Weg eröffnet, dass die auf dem Solidargedanken beruhenden Sozialversicherungsleistungen nicht durch die unmittelbare Staatsverwaltung (d. h. nicht durch den Staat als solchen) ausgereicht werden. Stattdessen hat der Staat rechtlich selbstständige und unabhängige Einrichtungen geschaffen, welche die Verwaltung der betreffenden Bereiche übernommen haben (vgl. § 29 Abs. 3 SGB IV). Nachdem die Sozialversicherung aber letztlich Leistungen der öffentlichen Vorsorge erbringt, für die an sich der Staat verantwortlich ist, spricht man insoweit von einer „mittelbaren Staatsverwaltung“: Der Staat nimmt seine Verantwortung für die Leistungserbringung zwar wahr, aber er verwaltet die Leistungen nicht selbst, sondern indirekt über rechtlich von ihm unabhängige Institutionen.

Zur mittelbaren Staatsverwaltung gehören die in Übersicht 3 dargestellten Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Diese gibt es sowohl auf der Bundes- als auch auf der Landesebene.

Körperschaften des öffentlichen Rechts

Im Bereich des Sozialrechts kommt den Körperschaften eine besonders wichtige Rolle zu. Letztlich wird fast das gesamte Sozialversicherungsrecht durch Körperschaften des öffentlichen Rechts verwaltet. Hierzu gehören

• die gesetzlichen Krankenkassen, welche die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (SGB V) erbringen (§ 21 Abs. 2 SGB I),

• die bei den Krankenkassen errichteten Pflegekassen für die Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach dem SGB XI (§ 21a Abs. 2 SGB I),

• die Unfallkassen für die gesetzliche Unfallversicherung nach dem SGB VII (§ 22 Abs. 2 SGB I)

• die Bundesagentur für Arbeit (vgl. § 367 Abs. 1 SGB III) sowie

• die Rentenversicherung Bund (und weitere Stellen, vgl. § 23 Abs. 2 SGB I) für die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung (SGB VI).

Körperschaften sind dadurch gekennzeichnet, dass sie mitgliedschaftlich strukturiert sind (Merksatz: „Körperschaften haben Mitglieder“). Sie sind rechtlich unabhängig vom Staat und verwalten sich selbst (z. B. haben die gesetzlichen Krankenkassen die individuelle Möglichkeit, ihren Mitgliedern Beitragsrückerstattungen, Wahltarife oder Bonusprogramme zu gewähren). Sie können eigenes Personal beschäftigen und haben das Recht zur Verbeamtung von MitarbeiterInnen. Den Mitgliedern (z. B. den gesetzlich Kranken- oder Rentenversicherten) stehen über die Sozialwahlen (§ 45 SGB IV) Mitbestimmungs- und Kontrollbefugnisse zu.

Beispiele

Weitere Beispiele für Körperschaften sind die Rechtsanwalts-, Ärzte-, Industrie- und Handelskammern, die Handwerkskammern sowie die Hochschulen.

Neben diesen sogenannten Mitgliedskörperschaften spielen gerade im sozialen Bereich die sogenannten Gebietskörperschaften eine wichtige Rolle. Dies ist eine andere Bezeichnung für die Kommunen, also die kreisangehörigen Gemeinden, die Landkreise und die kreisfreien Städte. Bei diesen ergibt sich die Mitgliedschaft aus dem Wohnsitz. Die EinwohnerInnen der jeweiligen Gebietskörperschaft sind deren Mitglieder. Sie üben ihre Mitgestaltungsrechte durch Kommunalwahlen aus (z. B. die Gemeinderats-, die Kreistags- oder die Bürgermeisterwahlen). Auch die Kommunen sind rechtlich unabhängig vom Staat und können ihre örtlichen Angelegenheiten durch Satzungen selbstständig regeln (Art. 28 Abs. 2 GG, sog. kommunales Selbstverwaltungsrecht).

Im Rahmen ihrer örtlichen Zuständigkeit haben die Kommunen grundsätzlich den Auftrag der Daseinsvorsorge, d. h. sie sind verantwortlich für die Versorgung der Bevölkerung mit sozialen Angeboten und Einrichtungen auf der lokalen Ebene. Im Einzelnen erfüllen die unterschiedlichen kommunalen Ebenen ihre sozialen Aufgaben entsprechend dem örtlichen Bedarf und ihren wirtschaftlichen Möglichkeiten.

Beispiele

Beispiele für soziale Aufgaben der kreisangehörigen Gemeinden und Städte:

In Bayern sind die Versorgung mit Kindertagesstätten und die Jugendarbeit den kreisangehörigen Gemeinden zugewiesen, da insoweit auch in den kleinen Gemeinden und Städten ein großer Bedarf vor Ort besteht. Viele kreisangehörige Kommunen halten darüber hinaus Angebote der Behinderten- und Seniorenarbeit vor, die v.a. durch ehrenamtliches Engagement („Nachbarschaftshilfe“; „Ehrenamtsbörse“) geprägt sind.

Die Landkreise und kreisfreien Städte nehmen dagegen vor allem die Aufgaben des örtlichen Trägers der Kinder- und Jugendhilfe sowie der Sozialhilfe wahr. Sie werden aber auch als örtliche Krankenhaus- und Schulträger tätig.

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