Gustav Klimt und das ewig Weibliche - Dr. Andreas Gabelmann - E-Book

Gustav Klimt und das ewig Weibliche E-Book

Dr. Andreas Gabelmann

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Beschreibung

Gustav Klimt (1862–1918), eine der bedeutendsten Künstlerpersönlichkeiten seiner Epoche und gefeierter und umstrittener Pionier der Wiener Moderne um 1900, rückte wie kein zweiter Maler die Darstellung des Weiblichen in den Mittelpunkt seines Schaffens. Frauen inspirierten ihn zu kühnen Bildschöpfungen, die zu den Glanzstücken der Jugendstil-Kunst zählen. Klimt beschwor ein neues Frauenbild, das den Zeitgeist des Fin de Siècle atmete und den Aufbruch in das 20. Jahrhundert markierte. So erschuf er mythische Heldinnen, elegante Porträts von Damen der feinen Wiener Gesellschaft und erotische Zeichnungen nach jungen Aktmodellen voller Sinnlichkeit und Ekstase. Klimts ewige Obsession mündete in zahlreiche skandalumwitterte Frauengeschichten, von denen das Buch erzählt.   Sprache: Deutsch

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Seitenzahl: 83

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Gustav Klimt und das ewig Weibliche

Von Andreas Gabelmann

Prolog – Auf der Ringstraße

Wien um 1900 – Ort und Zeit sind untrennbar mit Gustav Klimt verbunden. Sein Name ist Inbegriff der faszinierenden Kunst- und Lebenswelt der Jahrhundertwende. In der Millionenmetropole der Donaumonarchie Österreich-Ungarn, die ein Schmelztiegel verschiedenster Volksgruppen ist, blüht die Kunst wie kaum an einem anderen Ort. Im Fin de Siècle, zwischen Traditionspflege und Aufbruch in die Moderne, entwickeln Malerei und Literatur, Musik und Architektur, Kunstgewerbe und Theater schöpferische Kräfte in enormer Fülle und Vielfalt. Klangvolle Namen wie Sigmund Freud, Gustav Mahler, Arnold Schönberg, Arthur Schnitzler, Otto Wagner oder Egon Schiele prägen das einzigartige Profil jener Zeitenwende. Wien avanciert zu einem Schauplatz neuer Ideen und Ausdrucksformen. Im Mittelpunkt dieses Kunstfrühlings stehen Gustav Klimt und seine aufsehenerregenden Bilder.

Zuvor aber markiert ein besonderes Ereignis den Auftakt seiner erfolgreichen Laufbahn. Es ist der 24. April 1879: Der 17-jährige Gustav und sein zwei Jahre jüngerer Bruder Ernst stehen an der Wiener Ringstraße, um gemeinsam mit mehreren Zehntausend Schaulustigen das Spektakel des großen Festzuges zur silbernen Hochzeit von Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Elisabeth zu verfolgen. 14000 Personen in historischen Kostümen ziehen auf opulent ausgestatteten Festwagen vorüber. Ganz Wien ist auf den Beinen, niemand möchte dieses Gesamtkunstwerk der k. u. k. Monarchie verpassen. Für die künstlerische Leitung des Prunkzuges zeichnet der Malerfürst Hans Makart verantwortlich; die Gestaltung der Festwagen hat er seinen besten Kollegen anvertraut, die wiederum ihre talentiertesten Schüler mit einbeziehen. So erhalten auch die jungen Klimt-Brüder, die erst vor kurzem an der Wiener Kunstgewerbeschule ihre Ausbildung begannen, die Chance zum Mitwirken an dem bedeutenden Großereignis. Viele der schmuckvollen Dekorationsmalereien an den Wagen stammen von ihrer Hand. Stolz blicken Gustav und Ernst Klimt auf die gigantische Selbstinszenierung des Kaiserreichs, zu der sie ihren Teil beitragen. Damit können sie in den Kreis der wichtigen Akademieschüler vordringen – wo weitere Aufträge warten. Ein vielversprechender Beginn.

Brennpunkt des Geschehens ist die Ringstraße, der neue Prachtboulevard um die Innenstadt, mit dem Wien prestigeträchtigen Anschluss finden will an die modernen europäischen Hauptstädte. Nachdem 1857 durch kaiserlichen Beschluss das Großprojekt gestartet und die alten Befestigungsanlagen niedergerissen sind, setzt ein beispielloser Bauboom ein; Dekoratives, das vor allem repräsentativ wirken soll, ist en vogue. Davon profitieren Architekten und Künstler. In der Tat liefert der Bau der Ringstraße den eigentlichen Startschuss für Wiens Aufbruch in eine neue Zeit. Doch die Moderne ist noch fern. Mit dem Baustil des Historismus huldigt man vergangenen Epochen: griechische Tempelfassaden für das Parlament, Gotik für das Rathaus, Renaissance für die Universität. Auch die Formensprache der Bürgerpalais vertraut auf das Bekannte und Bewährte. Elegante Offiziere und schöne Wienerinnen, unterwegs in stolzen Pferdegespannen oder beim Flanieren über den sonntäglichen Ringstraßen-Korso, prägen das Bild der kaiserlichen Hauptstadt. Man kleidet sich nach der neuesten Mode, speist in vornehmen Restaurants und geht abends in die Oper. Musik erklingt überall, die Walzerseligkeit von Johann Strauss gibt den Takt vor. Wissenschaft und Technik florieren. Es ist ein aufstrebendes Land, bevor 1918 mit dem Ende des Ersten Weltkrieges das Kaiserreich zerfällt.

Im Wien der Jahrhundertwende beherrscht vor allem das Bürgertum mit seinem Hang zu Lebensgenuss und Vergnügungssucht das gesellschaftliche Parkett. Man schätzt die ästhetische Kultur als persönlichen Status, bietet sie doch die Möglichkeit, sich mit der Aristokratie und deren exklusiven Kreisen auf eine Stufe zu stellen. Sichtbarster Ausdruck des wohlhabenden, durch Handel und Industrie reich gewordenen Großbürgertums sind die Prachtbauten entlang der Ringstraße. Mäzene aus der bürgerlichen Oberschicht fördern die Künste und übernehmen damit allmählich die angestammte Rolle des Adels. Kultivierte Eleganz, schöngeistige Libertinage und verfeinerte Lebensart prägen das Klima in den Salons, Kaffeehäusern und Theatern. Abseits der glanzvollen Quartiere wuchern jedoch Armut, Laster und Kriminalität. Triste Arbeiterviertel, Obdachlosenasyle und Männerwohnheime bilden die andere Seite Wiens und sorgen für soziale Spannungen. Der pompöse Prunk des 19. Jahrhunderts wiederum wirkt in schwülstigen Historienbildern von Hans Makart nach; sie erfreuen das Gemüt des eher konservativen Publikums. Gegen jenen Traditionskult regt sich freilich schon bald Widerstand in den Reihen der jungen, fortschrittlich orientierten Künstlerschaft. Der Wille zur Erneuerung der Kunst, die das Leben in allen Bereichen durchdringen soll, mündet 1897 in die Gründung der Wiener Secession, deren erster Präsident Gustav Klimt wird.

In dieser an- und aufregenden, ebenso trägen wie überspannten Atmosphäre kann sich seine Kunst entfalten. Die sinnlichen Bildwelten, die Schönheit der Ornamente, der Reichtum des Dekors, die Opulenz der Formen und Farben und die reizvolle Rätselhaftigkeit seiner Bildschöpfungen ziehen die Betrachter in ihren Bann. Vor allem der Faszination für Klimts Leitmotiv kann sich niemand entziehen: die Darstellung des Weiblichen in allen Facetten. Anmut und Grazie, Eros und Sexualität, Ekstase und Verführung sind die ewigen Obsessionen in seinem Schaffen und prägen seine einzigartigen Frauenbilder – die Damenporträts, Allegorien und Akte. Durch sie wird Klimt berühmt und berüchtigt. Sie lassen ihn zum begeistert gefeierten wie heftig umstrittenen Malerstar seiner Zeit werden.

Ouvertüre im Burgtheater – Anfang und Aufbruch

Alle wollen mit aufs Bild: Mehr als 200 Persönlichkeiten der Wiener Gesellschaft drängen sich auf dem großen Gruppenporträt, das Gustav Klimt 1888 vom Zuschauerraum des alten Burgtheaters malt. Es gilt, das Schauspielhaus vor dessen Abriss zu verewigen – natürlich nicht ohne Publikum. Den Auftrag erhält der Maler vom Kaiser höchstpersönlich. Klimt kann sich vor Anträgen der Wiener kaum retten. Für die Vielzahl der Gesichter nutzt er hauptsächlich Porträtfotografien. Der mit 400 Gulden dotierte Kaiserpreis ist dann die Auszeichnung für diese Arbeit. Es entsteht ein Schlüsselbild der Wiener Gesellschaft des Fin de Siècle und ein erster Markstein in Klimts Bildniskunst. Vor allem die Damen aus dem gehobenen Bürgertum buhlen um die Gunst des Künstlers, gilt es doch, in eleganten Roben »bella figura« zu machen und das Ansehen auf der gesellschaftlichen Bühne zu festigen. Mit diesem festlich inszenierten Gesellschaftspanorama setzt Klimt ein erstes fulminantes Zeichen seiner Malerei. Der Künstler aus einfachsten, bitterarmen Verhältnissen erhält Zutritt zu den Kreisen der Schönen und Reichen.

Die Anfänge für diesen Erfolg reichen weiter zurück. Aufgrund seiner zeichnerischen Begabung 1876 im Alter von nur 14 Jahren an die Kunstgewerbeschule gekommen, freundet sich Klimt mit dem Kommilitonen Franz Matsch an. Zwei Jahre später stößt sein Bruder Ernst hinzu, und die Zusammenarbeit des Trios, das vom Lehrer Julius Ferdinand Laufberger erste Aufträge erhält, entwickelt sich so erfreulich, dass die Studienkollegen 1881 die Ateliergemeinschaft Künstler-Compagnie gründen. Stilistisch orientieren sie sich am gängigen Historismus ihrer Zeit, der in der Person Makarts eine dominante Vorbildfigur hat. Nach Makarts Tod 1884 entsteht eine Lücke, in welche die vorwärtsdrängende Künstler-Compagnie stoßen kann. Das erste Großprojekt wartet 1886 mit der Gestaltung der Treppenaufgänge im neu erbauten Burgtheater von Gottfried Semper an der Ringstraße. In die allegorischen Deckengemälde zur Entwicklungsgeschichte des Theaters integriert Klimt Porträts seiner Schwestern Helene und Johanna, der Bruder Georg ist als sterbender Romeo im Theater Shakespeares zu finden. In der Darstellung des Globe Theatre in London verewigt sich der Maler zum ersten und einzigen Mal in einem Selbstbildnis. Die Anerkennung für diese Arbeit ist 1888 das Goldene Verdienstkreuz.

Ein Karrieresprung gelingt Klimt und seinen Mitstreitern der Compagnie 1890/91 mit dem Auftrag zur Ausschmückung des Treppenhauses im Kunsthistorischen Museum mit Allegorien der Kulturepochen seit dem alten Ägypten. Die Maler stehen vor der Aufgabe, die schwierigen Bildfelder über den Rundbögen mit figürlichen Darstellungen zu füllen. Das Ergebnis fasziniert noch heute: Die in höchster Sorgfalt ausgeführten Wandbilder symbolisieren meisterhaft die Epochen der Kulturgeschichte. Klar lassen sich nun die einzelnen Handschriften der Maler unterscheiden. Bei Klimts Gemälden sind sowohl Figuren als auch Hintergründe flächig ausgeführt, dabei aber strikt voneinander getrennt. In der weiblichen Personifikation der griechischen Antike schlägt der Künstler erstmals neue, ungewohnte Töne an, indem er das Mädchen aus Tanagra als moderne Frau aus dem Wien seiner Zeit präsentiert. Gesicht, Frisur und Kleidung lassen sie unmissverständlich als eine zeitgenössische Figur erscheinen. Mit ihren rötlichen Haaren und dem lasziven Blick ist das Mädchen eine Vorbotin jener Femmes fatales, die schon bald zu den legendären Frauentypen in Klimts Bildern gehören. Damit verlässt der Künstler die akademische Tradition und rückt das Weibliche, durchaus kühn und eigenwillig, aus der historischen Distanz in das Hier und Jetzt der Jahrhundertwende. Auch beginnt er damit, an den heuchlerischen Konventionen und den verkrusteten Moralvorstellungen seiner Zeit zur rütteln.

Für ihre Leistungen erhalten die drei Maler die »Allerhöchste Auszeichnung«, was eine Audienz beim Kaiser einschließt. In der Folge werden sie für würdig befunden, der renommierten Künstlerhausgenossenschaft beizutreten, und gehören damit zu den angesehensten Künstlern Wiens. Der Durchbruch ist geschafft. Die guten Verdienste ermöglichen Klimt jetzt erste Reisen, zunächst nach Salzburg, München und Krakau, 1890 auch nach Venedig. Im gleichen Jahr zieht er in die Westbahnstraße 36, wo er zusammen mit seiner Mutter und den Schwestern Klara und Hermine bis zu seinem Lebensende wohnen wird. Hatte Klimt in seiner Kindheit große Armut erfahren, so genießt er jetzt den Wohlstand. In einem Brief an seine Geliebte, das Modell Maria (Mizzi) Zimmermann, heißt es im August 1903: »Es bleibt eine üble Gemeinheit, Kapitalien anzuhäufen. Das verdiente Geld muß man trachten, rasch auszugeben.« Erstaunlich ist vor diesem Hintergrund, dass sich Klimt zeitlebens nie, wie manche Kollegen und Freunde, eine Villa im neuen Stil der Wiener Moderne erbauen lässt.

Der rasche Aufstieg wird 1892 vom Tod des Vaters und des Bruders Ernst überschattet. Die Künstler-Compagnie löst sich auf, und Gustav Klimt konzentriert sich fortan auf die Weiterentwicklung seines eigenen Stils. Nach dem schmerzlichen Verlust seines Bruders beginnt eine Zeit des Übergangs und des Reifens, in der allmählich jene Formensprache und Inhalte Gestalt annehmen, die den Künstler in den folgenden zehn Jahren in ungeahnte Höhen persönlichen Ruhms wie auch in schwere Krisen durch Anfeindungen führen sollte.

Das ewig Weibliche – Klimt und die Frauen