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Natürlich, zu viel Kaffee, Alkohol oder zu fettes Essen beeinträchtigen die Nachtruhe. Aber worauf können wir sonst bei unserer Ernährung achten, um das Beste für unsere Regeneration im Schlaf zu tun?
Der renommierte Schlafforscher Ingo Fietze gibt uns zunächst einen kurzen Abriss durch das vielfältige Universum der Schlafstörungen. Er erklärt, wer sich zu welchem Schlaftypus zuordnen lässt, um dann die Zusammenhänge von Ernährung, Mikrobiom, Gehirn und Darm zu entschlüsseln. Befolgt man die richtigen Regeln, ist das Schlagwort »Schlank im Schlaf« kein leeres Versprechen. Genauso entscheidend sind auch die Umstände, wann, wie und mit wem wir am Tisch sitzen. Je nach individuellem Schlaftypus ergeben sich unterschiedliche Empfehlungen.
Im zweiten Teil des Buches erfahren wir Genaueres über Nahrungsbestandteile und darüber, wie sie unseren Schlaf beeinflussen. Einfache Rezepte ergänzen den Text und liefern einen praktischen Mehrwert.
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Seitenzahl: 279
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Prof. Dr. Ingo Fietze, geboren 1960, ist Leiter des Interdisziplinären Schlafmedizinischen Zentrums der Berliner Charité. Er gehörte viele Jahre zum Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin und ist Vorsitzender der Deutschen Stiftung Schlaf. Er widmet sich nicht nur den Schlafstörungen, sondern auch dem gesunden Schlaf, zum Beispiel im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung, des Leistungssports und als Autor verschiedener Bücher. Bei Kein & Aber ist Über guten und schlechten Schlaf erschienen.
Was hat guter Schlaf mit Ernährung zu tun? Wie beeinflussen unsere Mahlzeiten die Nachtruhe? Welche Nahrungsmittel und welche Nahrungszusammensetzung können schlaffördernd sein und welche nicht? Wann sollte man abends essen – und was besser vermeiden? Von spannenden wissenschaftlichen Fakten bis hin zu praktischen Tipps bietet dieses Buch wertvolle Einblicke für alle, die ihre nächtliche Erholung optimieren wollen.
Ich gebe es zu: Ich bin kein guter Schläfer mehr. In meiner klinischen Praxis habe ich gelernt, dass es wichtig ist, dies zu erwähnen. Es wirkt glaubwürdiger, wenn man weiß, worüber man spricht oder schreibt. Und wenn sich jemand ernsthaft Gedanken darüber macht, wie sich der eigene annähernd gute Schlaf erhalten bzw. der schon schlechte Schlaf verbessern lässt, dann sind es doch wohl geplagte Schläfer wie ich.
Mit meinem schlechter werdenden Schlaf bin ich nicht allein: Man geht davon aus, dass weltweit mindestens 30 Prozent der Erwachsenen gelegentlich oder dauerhaft schlecht schlafen. Die dauerhaft schlecht Schlafenden machen dabei 10 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Und das Problem mit dem Schlecht-Schlafen nimmt zu, auch in Deutschland, wie eine Erhebung in Sachsen von 1996 bis 2021 ergab. Aus meiner mehr als 30-jährigen Berufserfahrung und auch von der Wissenschaft bestätigt, nehmen Schlafprobleme nicht nur mit dem Alter zu. Es leiden auch mehr und mehr Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene unter einem nicht mehr erholsamen Schlaf. Nächtliche Unruhe, zu leichter Schlaf, Hin- und Herwälzen, Schwierigkeiten einzuschlafen oder ständiges Aufwachen – viele Menschen haben damit im Laufe ihres Lebens zumindest zeitweise Probleme.
Das Erste, worüber man in dieser Situation nachdenkt, sind wohl Faktoren wie das Bett, die Schlafumgebung, der soziale und berufliche Stress, die körperlichen Aktivitäten, das Einschlafritual und der Kaffee oder der Alkohol. Das Essen hingegen spielt bei diesen Überlegungen meist noch eine untergeordnete oder gar keine Rolle. Auch weil es dazu noch sehr wenige Erkenntnisse zu geben scheint. Das erschien zumindest mir so. Die intensive Beschäftigung mit der Ernährung und dem Schlaf hat mich jedoch eines Besseren belehrt. Ich selbst fing 2018 an, mich mit der Thematik zu befassen. Da wurden in Deutschland die ersten Schlafdrinks populär: Getränke mit Inhaltsstoffen wie Kreatin, Magnesium, Zink und Glycin. Ich kannte derartige Produkte bereits aus Asien, vor allem aus Südkorea und Japan. In Seoul zum Beispiel verkaufen viele Supermärkte bereits seit vielen Jahren eine Kombination aus einem Nachtdrink für den Schlaf in einer blauen Flasche und einem Wachmacher-Drink für den Tag in einer roten Flasche. Die Flaschen stehen noch heute in meinem kleinen »Schlafmuseum«. Wenn ich in der Welt unterwegs bin, dann schaue ich mich auf Märkten und selbst in Souvenirläden oft nach diesen sogenannten Schlafprodukten um.
In Sri Lanka zum Beispiel, einem Land, das ich öfter besuche, gibt es die Spa Ceylon Shops. Diese verkaufen Wohlfühlprodukte: Shampoos, Cremes oder Duftkerzen. In letzter Zeit verlagert sich dieses Angebot jedoch: Es geht nicht mehr nur um Haut, Haare und angenehme Düfte, sondern mehr und mehr auch um den Schlaf und die Verdauung. Die Auswahl an entsprechenden Produkten ist gestiegen. Sie reicht von Tropfen für den Magen bis zu einem Spray mit pflanzlichen Inhaltsstoffen, das beim Einschlafen helfen soll.
Das Thema bewegt mich also schon eine geraume Zeit, und so habe ich mich gefreut, als ein Freund, der mit speziellen Lebensmitteln handelt, mich zu einer Reise nach Bhutan mitnahm. Ihm ging es vor allem um eine bestimmte Paprikasorte, die sogenannten Pepper Drops. Ich nutzte die Gelegenheit, um nach Schlafprodukten Ausschau zu halten. Über Bhutan wusste ich bis dahin nur, dass es sich in Mittelasien befindet. Dabei ist es in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. So ist es das einzige Land der Erde mit einem Ministerium für Glück. Ich würde nicht behaupten, dass dort wirklich nur glückliche Menschen herumlaufen. Doch Gesetzesänderungen, welche die Bevölkerung betreffen, müssen immer auch dieses Ministerium passieren. Gar nicht so übel, oder? Das könnte ich mir auch in Deutschland vorstellen. Irritiert hat mich hingegen, dass uns auf dem Großmarkt in der Hauptstadt Thimphu viele Menschen mit roten Zähnen begegneten. Es stellte sich heraus, dass sie die sogenannte Betelnuss kauen, die Nuss der Arekapalme. Diese wird in das Blatt eines Strauchs namens Betelpeffer eingewickelt, einer Pfeffer-Art. Nach circa 15 bis 20 Minuten im Mund wird das Ganze dann ausgespuckt. Übrig bleiben die typischen roten Zähne und ein Wohlgefühl. Denn dieses Stimulans macht nicht nur wach, sondern auch und vor allem zufrieden und glücklich. So verbreitet ist die Droge, dass an den Eingangsbereichen zu Krankenhäusern Schilder angebracht sind: Bitte nicht rauchen und bitte nicht kauen (die Nuss)!
Unser Ziel waren jedoch schlaffördernde Heilkräuter. Bhutan legt nämlich nicht nur großen Wert auf eine glückliche Bevölkerung, sondern auch auf den Klima- und Umweltschutz. So gilt es als einziges klimaneutrales Land der Welt und mehr als die Hälfte seiner Fläche steht unter Naturschutz. In diesen unberührten Landschaften kommen viele Heilpflanzen vor. So zum Beispiel Ashwagandha, die Schlafbeere und Glyceria Glabra, echtes Süßholz. Diese wirken über die für den Schlaf so wichtigen GABA-Rezeptoren im Gehirn, die Sie im folgenden Kapitel kennenlernen werden. Leider haben sich die Einheimischen noch nicht wirklich mit dem Thema Schlafkräuter beschäftigt. Die Blätter und Wurzeln, die entsprechend unserer Vorgaben im Wald gesammelt wurden, erwiesen sich im Nachhinein nicht als die richtigen. In Sachen Glück und Naturschutz ist Bhutan zwar weit vorne. Beim Thema Schlafförderung hingegen scheint mir das Potenzial noch nicht ausgeschöpft.
Schlafkräuter sind nur eine Option, um wieder zu besserem Schlaf zu finden. Einfacher und naheliegender ist es, erst einmal die eigene Ernährung auf den Prüfstand zu stellen: Was esse ich, wie viel esse ich und wann tue ich das? Sogar ungestörten Schläfern würde ich raten, zumindest mal über ihre abendliche Ernährung nachzudenken. Gründe dafür gibt es genug: Zum Beispiel, wenn die Eltern schlechte Schläfer sind. Das erhöht das Risiko, ebenfalls eine Schlafstörung zu bekommen. Oder wenn man abnehmen will. Was wir vor dem Schlafen essen, beeinflusst auch den Fettab- und den Muskelaufbau. Und eine angepasste Ernährung ist ein unkomplizierter Weg, seinem Schlaf etwas Gutes zu tun.
Wie sehr das Dinner den Schlaf prägt, weiß ich aus Erfahrung. Ein wichtiger Aspekt ist hier das Wann. In Sri Lanka, wo ich öfters einen Freund besuche, essen die Menschen teilweise sehr spät – was mir schon häufig den Schlaf geraubt hat. Ein typischer Abend mit meinem singalesischen Freund sieht folgendermaßen aus: Wir plaudern beim Cocktail oder Bier, knabbern ein paar Nüsse und vielleicht etwas Käse und Wurst dazu. Für mich genügt das. Danach fühle ich mich satt und bin gegen 22 Uhr eigentlich auch reif fürs Bett. Aber dann kommt der Aufruf zum Aufbruch: Es geht ins Restaurant. Dort wird noch mal ordentlich aufgetischt, so wie es in Sri Lanka zum Teil üblich ist. Ich genieße das zwar. Es strengt mich aber auch an. Denn gesunde beziehungsweise schlafmedizinisch vernünftige Nahrungsaufnahme geht anders. Mit vollem Magen schläft es sich einfach schlecht. Insbesondere, wenn das Abendessen fleischlastig ausfällt. Fleisch beschäftigt das Verdauungssystem einfach deutlich länger, es »liegt im Magen«. Nach solchen Abenden leidet mein Schlaf dann schon beträchtlich.
Dazu trägt auch der Kaffee oder grüne oder schwarze Tee bei, der nach dem Essen angeboten wird. Auch das ist eine meiner persönlichen Erfahrungen. Während ich früher den Espresso, auch gern doppelt, oder die Tasse schwarzen Kaffee nach dem Essen wirklich genossen habe, geht heute selbst grüner Tee nicht mehr. Dieser enthält schließlich auch Koffein. Früher sprach man von Teein, doch es handelt sich um denselben Inhaltsstoff – der chemische Aufbau ist identisch. Koffein ist eine natürliche Verbindung, die in den Samen, Früchten, Nüssen und Blättern von etwa 60 Pflanzenarten vorkommt. Diese produzieren es als natürliches Pestizid. Daher sein leicht bitterer Geschmack.
Nach dem Genuss schlafe ich jedenfalls schlechter ein und wenn es miserabel läuft, auch nicht durch. Deshalb beende ich ein gutes Essen lieber mit anderen Getränken, zum Beispiel Kamillen- oder Pfefferminztee. In vielen Restaurants sind Kräutertees mittlerweile fester Bestandteil der Karte, und niemand, der sie bestellt, wird schief angeschaut. Für mich sind koffeinfreie Tees zu einer Geheimwaffe geworden, sowohl für eine bessere Verdauung als auch für einen erholsameren Schlaf. Kräuterlikör? Das war mal.
Aus schlafmedizinischer Sicht sind der Zeitpunkt des Essens und die Aufnahme von Koffein nur zwei einer ganzen Reihe von Faktoren, die es in Betracht zu ziehen gilt. Eine wachsende Zahl an Forschungsergebnissen deutet darauf hin, dass die Lebensmittel, die wir zu uns nehmen, Einfluss darauf haben, wie gut wir schlafen. Umgekehrt können unsere Schlafgewohnheiten offenbar aber auch auf unser Ernährungsverhalten einwirken. Um diese Wechselwirkungen besser zu verstehen, habe ich die aktuelle wissenschaftliche Literatur herangezogen. Aus meiner Recherche sind die in diesem Buch zusammengefassten Empfehlungen abgeleitet. Sie geben Ihnen einen Einblick, wie Sie mit bewusster Ernährung Ihrem Schlaf etwas Gutes tun können.
Ich beschränke mich dabei fast ausschließlich auf den wissenschaftlich belegten Zusammenhang zwischen Ernährung und Schlaf. Daher gibt es in diesem Buch auch Lücken. Beispielsweise fehlen bislang Daten zu einer veganen oder vegetarischen Diät und dem Schlaf. Auch die Auswirkung einer glutenfreien Ernährung auf den Schlaf ist nicht ausreichend erforscht. Zur Ernährung im Allgemeinen hingegen gibt es bereits eine Unmenge an Literatur. Ernährungsprobleme und Ernährungstipps füllen allein schon viele Bücher. Dennoch scheint sich das Ernährungsverhalten in der westlichen Welt eher zu verschlechtern. Eine hohe Natriumaufnahme, eine geringe Aufnahme von Vollkornprodukten sowie von Obst und Gemüse waren im Jahr 2017 weltweit und in vielen Ländern die wichtigsten ernährungsbedingten Risikofaktoren für Todesfälle und Krankheitstage. Bereits mehr als die Hälfte aller Kinder in den USA ernähren sich Studien zufolge falsch. Eine Umfrage in den USA zu Ernährungs-, Bewegungs- und Schlafverhalten von 2013 bis 2023 ergab, dass 2013 noch 35 Prozent der Jungen an einem durchschnittlichen Schulabend mindestens acht Stunden schliefen, verglichen mit nur 25 Prozent im Jahr 2023. Auch bei den Mädchen nahm der Trend im Laufe des Jahrzehnts ab, von 29 auf 22 Prozent. Zwar hat der Prozentsatz der Schüler, die täglich Obst essen, von 2021 bis 2023 einen leichten Anstieg gezeigt, aber es zeichnete sich ein Trend ab zu einem Rückgang gesunder Essgewohnheiten. Im Jahr 2023 gab nur etwa eine von fünf Schülerinnen an, täglich zu frühstücken. Nur etwas mehr als die Hälfte der Schüler konsumierte täglich Obst und Gemüse.
Allein die Folgen falscher Ernährung in der Gesamtbevölkerung einzudämmen kostet den Staat jährlich 1,1 Billionen Dollar. Kostentreiber sind insbesondere die Gesundheitsaufwendungen, also die Ausgaben für Präventions-, Rehabilitations- und Pflegemaßnahmen. Aber auch die durch Krankheit verursachten Produktionsausfälle. In Deutschland bemängelt eine Studie des Bundesforschungsinstituts für Ernährung und Lebensmittel die Essgewohnheiten schon der Kleinsten: Laut der Erhebung essen bereits Kinder im Alter von ein bis fünf Jahren ungesund. Dies kann zu Übergewicht führen. In einem Bericht warnte die Europäische Kommission, dass 2021 weltweit fast 40 Prozent aller Kinder unter fünf Jahren übergewichtig waren. Bei den Erwachsenen lag die Zahl sogar über 40 Prozent, betraf 2,2 Milliarden Menschen. Die dadurch verursachten Kosten sind immens. Ähnlich ist es mit dem schlechten Schlaf. In den USA werden die Auswirkungen auf über 400 Milliarden pro Jahr beziffert. In Deutschland sind es etwa 60 Milliarden. Ich habe das mal auf die ernährungsbedingten Kosten umgelegt: Ausgehend vom amerikanischen Maßstab, den 1,1 Billionen Dollar, kämen wir hierzulande dann auf etwa 160 Milliarden Dollar Mehrausgaben für die Folgen falscher Ernährung. Was für eine Summe! Ein Grund für diese hohen Kosten sind sicher die Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Eine kürzlich veröffentlichte Studie mit weltweit mehr als 2,5 Millionen Teilnehmern veranschaulicht dies. So war das Herzkreislaufrisiko gerade bei jenen Menschen erhöht, die zu ungesunder Ernährung und Schlafstörungen neigen. Überraschenderweise fielen andere Faktoren wie Übergewicht, Rauchen, Diabetes, Bluthochdruck, erhöhte Fettwerte oder mangelnde Bewegung hinsichtlich des Herzkreislaufrisikos weniger ins Gewicht. Das bedeutet zum Beispiel, dass die Schlafstörung statistisch ein höheres Herzkreislaufrisiko darstellt als zum Beispiel Übergewicht. Ein gewichtiger Grund, sich insbesondere den Schlaf und die Ernährung sowie ihren Zusammenhang näher anzuschauen.
Vielleicht kann ich mit diesem Buch den Fokus darauf lenken, wie wichtig beides ist: guter Schlaf und gute Ernährung. Und dass sich beide gegenseitig bedingen. Denn zusammen sind sie unser Lebenselixier, fördern die Leistungsfähigkeit und steigern das Wohlbefinden. Viele der hier zitierten Zusammenhänge waren auch für mich neu und interessant. Mein Ziel ist es, diese schnellstmöglich zu »verdauen«, um sie individuell für meine Patientinnen und Patienten, aber auch für mich umzusetzen.
Lassen Sie sich im Folgenden zunächst auf eine Kurzreise durch die Nacht ein. Sie soll Ihnen einen Einblick gewähren, warum wir schlafen und welche Rolle das Wann und Wie dabei spielt. Sie bekommen zudem einen Überblick über die gängigen Schlafstörungen, von denen es mehr als 70 gibt. Danach geht es um einige Grundlagen der Ernährung, um das Mikrobiom und um die Beziehung zwischen Gehirn und Darm. Wir machen weiter mit »Schlank im Schlaf« bzw. wie und warum man mit gesunder Ernährung und gesundem Schlaf abnehmen kann. Schließlich behandle ich die Fragen, wann, wie, mit wem, was und wie oft wir essen sollten. Anhand der wichtigsten Nahrungsbestandteile wie Eiweiß, Fett und Kohlenhydrate veranschauliche ich, wie diese unseren Schlaf anregen oder stören und wie sie sich für einen bessern Schlaf einsetzen lassen. Das Tolle: Einige schlaffördernde Produkte haben Sie wahrscheinlich bereits zu Hause. Denn selbst in alltäglichen Lebensmitteln stecken zuweilen Inhaltsstoffe, die eine wissenschaftlich nachgewiesene physiologische Wirkung auf das Schlafvermögen haben. Früher nannte man die Zubereitungen daraus Hausmittel. Heute spricht man von Nutrazeutika.
Und falls Sie gern selbst kochen bzw. das Abendmahl vorbereiten, dann habe ich für Sie im Anhang einige Rezepte aufgelistet, die vielleicht eine angenehme Nachtruhe versprechen und wenn nicht, dann zumindest nicht schlafstörend sind. Sie wurden dankenswerterweise zur Verfügung gestellt von Elisabeth Raether, einer renommierten Koch-Kolumnistin für das ZEIT-Magazin, und gering modifiziert von mir und einem befreundeten Sternekoch, angelehnt an die Ausführungen in diesem Buch.
Ich habe mich bemüht, den Text so klar und einfach zu formulieren wie möglich, auf Fremdwörter und medizinische Fachbegriffe kann aber in vielen Fällen nicht verzichtet werden, weil sie die einzige Möglichkeit sind, die Zusammenhänge präzise zu benennen. Wenn Sie sich bis zum Ende durchgekämpft oder das Lesen genossen haben, werden Sie vielleicht sagen: Oje, das waren viele Informationen. Konnte ich mir gar nicht alles merken. Daher an dieser Stelle mein Tipp: Nehmen Sie einen Stift und markieren Sie sich die Stellen, die für Sie wichtig sind und die Sie vielleicht noch einmal nachlesen möchten. Doch nun lassen Sie uns, wie angekündigt, zunächst mit einer Reise in und durch die Nacht beginnen.
Der Mensch braucht Schlaf. Für den Körper ist dieser nicht verhandelbar. Warum Schlaf ein so wesentlicher Bestandteil unseres Lebens ist, das wird von der Wissenschaft von Jahr zu Jahr mehr beleuchtet. Allgemein gilt: Schlaf ist Teil der sogenannten Homöostase – des dynamischen Gleichgewichts, das unseren Organismus am Leben erhält. Guter Schlaf ist also lebenswichtig. Was zeichnet nun eine Nacht aus, in der wir gut schlafen? Beginnen wir mit dem Einschlafen. Viele Menschen denken, dass sie in einen tiefen und erholsamen Schlaf fallen sollten, sobald ihr Ohr das Kopfkissen berührt. Dabei kann diese Übergangsphase von wach zu weg durchaus bis zu 30 Minuten dauern. Das ist völlig im Rahmen. Der eigentliche Einschlafprozess hingegen erfolgt immer sehr schnell. Es braucht nur Millisekunden und schon befinden wir uns im sogenannten ersten Schlafzyklus von vier bis fünf dieser Zyklen in der Nacht. Man kann sich diesen als Rundkurs vorstellen, den wir mehrmals pro Nacht durchlaufen. Eine Runde dauert dabei etwa 90 Minuten. Jeder Schlafzyklus ist noch mal unterteilt in vier Schlafphasen. Während dieser verändern sich bestimmte körperliche Parameter. Zum Beispiel spannen sich Muskeln an oder entspannen, die Augen bewegen sich oder auch gar nicht und die Gehirnwellen verändern sich messbar in Abhängigkeit der verschiedenen Schlafphasen. Zwischen den wechselnden Phasen kurz aufzuwachen ist nicht ungewöhnlich. Manche Menschen erinnern sich an einen oder mehrere dieser wachen Momente, andere nicht.
Den Auftakt macht das Schlafstadium 1. Mit diesem verlangsamt sich unsere Atmung. Der Körper kommt zur Ruhe. Licht und Geräusche können ihn allerdings leicht wieder aufschrecken. Nach wenigen Minuten finden wir dann hinüber ins Schlafstadium 2, den mitteltiefen Schlaf. In dieser Phase erreichen uns zwar ungewohnte Geräusche noch, Licht aber schon nicht mehr. Nun folgt der erste Tiefschlaf. Um uns zu wecken, muss jetzt schon einiges passieren. Das ist gut so, denn das Gehirn braucht diese Zeit, um sich zu erholen: Seine Aktivität lässt vor allem in der Hirnrinde nach.
Diese erste Tiefschlafphase dauert etwa 30 bis 40 Minuten. Danach empfängt uns der Traumschlaf. In diesem ist das Gehirn ähnlich aktiv wie im Wachzustand. Atmung und Kreislauf werden auch wieder aktiver, ähnlich dem ruhenden Wachzustand. Nur die Haltemuskulatur ist gelähmt. Wir können uns nicht bewegen. Eine sinnvolle Einrichtung, denn andernfalls würden wir unsere Träume wohl körperlich ausleben. Safety first! Aufzuwecken sind wir im Traumschlaf wieder leichter. Nach fünf bis zehn Minuten ist der erste Traumschlaf vorbei und der erste Schlafzyklus damit abgeschlossen. Im Laufe der Nacht wiederholt sich die Abfolge: Stadium 1, Stadium 2, Tiefschlaf und Traumschlaf. Schlafen wir acht Stunden lang, genügt dies für etwa fünf solcher Schlafzyklen. Diese sind allerdings nicht völlig identisch. Im Verlauf der Nacht verkürzen sich die Tiefschlafphasen. Die Traumschlafphasen hingegen werden in der zweiten Nachthälfte immer länger. Die längste Traumschlafphase tritt in den frühen Morgenstunden ein. Daher ist es nicht ungewöhnlich, aus dem Traumschlaf zu erwachen.
Gesunder Schlaf braucht nicht nur die oben geschilderte Struktur. Entscheidend sind auch die Schlafdauer und -qualität. Beginnen wir mit der Schlafdauer. Im ersten Lebensjahr schlafen wir noch sehr viel: 12 bis 16 Stunden. Mit fortschreitendem Alter nimmt dieses Bedürfnis ab. Sind es im zweiten Lebensjahr noch 11 bis 14 Stunden, brauchen 3- bis 5-jährige nur noch 10 bis 13 Stunden. Ab dem sechsten Lebensjahr bilden sich bereits jene Präferenzen heraus, die uns zu Eulen oder Lerchen machen: Manche Kinder gehen gern später ins Bett, wollen dafür morgens länger schlafen. Andere sind Frühaufsteher, werden aber abends eher müde. Das Schlafbedürfnis ist in beiden Fällen dasselbe: 9 bis 12 Stunden. Teenager, also Kinder und Jugendliche zwischen 13 und 18 Jahren, benötigen nur noch 8 bis 10 Stunden. Für alle unter 30-jährigen sind 8 bis 9 Stunden die Norm. Mit 30 sind wir dann bei den 7,5 bis 8,5 Stunden angekommen, wie sie jeder Ratgeber zum Thema empfiehlt. Diese gelten mit Varianzen auch noch im hohen Alter. Nickerchen am Tag bzw. Mittagschlaf sind schon einberechnet. Schläft man dauerhaft weniger als 6 Stunden, dann ist man ein seltener Kurzschläfer oder hat eine Schlafstörung. Dauerhaft mehr als 10 Stunden Schlaf ist zu viel und deutet auf eine Erkrankung hin, zum Beispiel eine Grippe oder eine übermäßige Schläfrigkeit, die Hypersomnie.
Natürlich handelt es sich hier um durchschnittliche Angaben. Schlaf ist individuell. Zudem schwankt die Schlafdauer international. In Albanien und der Slowakei beispielsweise leben laut aktueller Umfrage eher »Langschläfer«, die es auf 7,5 Stunden bringen. Auf den Philippinen hingegen genügen den Menschen 6,7 Stunden.
In der Tierwelt sieht das anders aus. Hier entscheidet unter anderem die Nahrungsaufnahme darüber, wer wie viel Schlaf benötigt. Katzen zum Beispiel nehmen viele Kalorien zu sich und schlafen im Schnitt etwa 12 bis 13 Stunden. Ähnliches gilt für die Eule, die über 14 Stunden schlafend verbringt oder den Flughund, der sogar 20 Stunden braucht. Die Graugans hingegen ernährt sich vegetarisch und kann daher nur etwas mehr als sechs Stunden schlafen. Sie muss schlicht mehr Zeit mit Weiden verbringen, um auf die notwendigen Kalorien zu kommen. Auch wenn sie sich nicht auf uns Menschen übertragen lassen, zeigen diese Beispiele dennoch, dass es interessante Zusammenhänge zwischen Ernährung und Schlaf gibt.
Woher weiß man, ob der eigene Schlaf gut war? Dafür gibt es Anhaltspunkte. So sollten nicht mehr als 10 Prozent der Schlafenszeit mit oberflächlichem Schlaf zugebracht werden. Das ist der leichte Schlaf aus Schlafphase 1. Etwa die Hälfte der geschlafenen Zeit sollte auf den mitteltiefen Schlaf entfallen. Für den Tiefschlaf sind etwa fünf bis 15 Prozent ein guter Wert. Ungefähr 20 bis 25 Prozent darf der Traumschlaf einnehmen. In absoluten Zahlen bedeutet dies bei einem achtstündigen Schlaf: oberflächlicher Schlaf weniger als 48 Minuten, mitteltiefer Schlaf circa 240 Minuten, Tiefschlaf circa 48 Minuten und Traumschlaf circa 110 Minuten. Diese Empfehlung ist das Resultat aus Schlafmessungen bei Gesunden und diversen Expertenmeinungen von Schlafforschern. Verlassen Sie sich nicht zu sehr auf die von Apps und Wearables produzierten bunten Kurven und Zahlen im Smartphone. Viele Schlaf-Apps produzieren ein sogenanntes Hypnogramm, eine nächtliche Abfolge der Schlafstadien. In Ernährungs-Apps ist von einem Feedogramm die Rede, eine Abfolge des Ernährungsverhaltens. Bislang lässt sich die Schlafqualität aber nur verlässlich messen, wenn Hirnströme und Augenbewegungen aufgezeichnet werden. Worauf Sie jedoch schon mal schauen können, wenn Sie Ihren Schlaf tracken, ist die Angabe der morgendlichen Analyse zum absoluten Tiefschlaf. Liegt dessen Wert dauerhaft unter 45 Minuten und fühlen Sie sich nicht erholt, dann ist dies ein sehr guter Grund, sich einmal bei Schlafmedizinern vorzustellen.
Sicher haben Sie schon mal den Begriff Schlafhygiene gehört. Dieser umfasst all jene Verhaltensweisen, die einem gesunden, erholsamen Schlaf förderlich sind. Wichtig ist zum Beispiel, dass es im Schlafzimmer ruhig, bequem, dunkel und wohltemperiert ist. Schlaflänge und Schlafqualität können leiden, wenn Geräusche über 30 Dezibel die Nachtruhe stören. Dazu gehört auch ständiges Schnarchen des Partners. Wer in der Stadt lebt, weiß, wie schwierig es sein kann, das Schlafzimmer komplett zu verdunkeln. Es hilft jedoch beim Einschlafen. Das Zimmer sollte zudem nicht wärmer als 23 Grad oder kälter als 17 Grad sein. Bei Älteren darf es im Schlafzimmer etwas wärmer sein, etwa 19 bis 24 Grad. Ob elektrische Geräte, Magnetfelder oder Wasseradern den Schlaf negativ beeinflussen können, ist wissenschaftlich bisher nicht belegt. Ausschließen kann ich es nicht. Für die Luftfeuchtigkeit im Schlafzimmer gibt es zumindest Empfehlungen, wenn auch nur wenige: 30 bis 40 Prozent Luftfeuchte gelten als optimal für den Schlafraum, bei Älteren darf sie höher sein. Üblicherweise herrschen in Wohnungen eher 40 bis 60 Prozent. Ob es bei der Luftfeuchte-Empfehlung bleibt, muss zukünftige Forschung zeigen.
Zur Schlafhygiene gehört auch der Umgang mit der modernen Technik. Die Tipps hierzu sind: Legen Sie technikfreie Zonen fest, also bildschirmfreie Bereiche, beispielsweise das Schlafzimmer oder das Esszimmer. Planen Sie »technikfreie« Zeiten ein. Reservieren Sie sich bestimmte Tageszeiten, in denen Sie sich von Geräten fernhalten. Beschäftigen Sie sich wieder mit Hobbys in der technikfreien Zeit. Legen Sie Pausen von sozialen Medien ein. Versuchen Sie, sich mal einen Tag oder sogar mehrere Tage lang von sozialen Plattformen abzumelden usw.
Wenn es um Ihren optimalen Schlaf geht, sind acht Stunden ein guter Anhaltspunkt. Es handelt sich hier aber um kein Muss. Eine arbeitsreiche Woche oder ein zahnendes Kind können selbst die besten Schlaf-Absichten durcheinanderbringen. Der fehlende Schlaf lässt sich dann durchaus am Wochenende nachholen, indem man mal richtig ausschläft. Eine aktuelle Studie legt nahe, dass dies sogar der Herzgesundheit zuträglich ist. Ausgewertet wurden die Daten von über 90000 Personen, die ihren Schlaf mit Wearables aufgezeichnet hatten. Diejenigen, die ihren verpassten Schlaf am Wochenende kompensierten, zeigten ein deutlich geringeres Risiko, Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu entwickeln. Verglichen mit der Gruppe, die ihren Schlaf nur wenig oder gar nicht nachholte, war dieses Risiko fast 20 Prozent niedriger. Nachholen ist also besser, als ganz zu verzichten. Zwei Bedingungen gibt es allerdings: Die Zubettgehzeit sollte sich dadurch nicht allzu sehr verschieben. Und die kurzen Nächte dürfen kein Dauerzustand werden. Wer davon träumt, den Schlaf der vorangegangenen Monate im Jahresurlaub nachzuholen, schadet sich nur. Denn das ist nicht möglich.
Noch ein Hinweis: Bettzeit ist nicht automatisch effektive Schlafzeit. Und auch, wenn man ein geringes Schlafdefizit am Tag vielleicht erst mal nicht bemerkt: Der Körper reagiert mit zusätzlichen Phasen der Müdigkeit, die bei ausreichender Schlaflänge nicht aufgetreten wären. Solche Momente überkommen uns alle übrigens regelmäßig – selbst die Ausgeschlafensten. Dafür ist unser Biorhythmus verantwortlich. In Studien, in denen die Freiwilligen ausschließlich 60 Stunden am Stück im Bett lagen, zeigten sich diese Tagestiefs. Obwohl sie nichts tun mussten, packte die Teilnehmer alle vier Stunden ein Schlafbedürfnis. Dieses hat generell seine festen Zeiten. Wenn man zum Beispiel um sechs Uhr aufsteht, dann meldet sich dieses mittags gegen ein Uhr, abends gegen fünf und morgens gegen neun Uhr. Dazu kommt ein weiterer, ich nenne ihn den Ruhe-Aktivitäts-Zyklus: Im Schnitt halten es Menschen maximal 90 Minuten am Schreibtisch aus, ohne aufzustehen bzw. sich mal eine geistige Pause gönnen zu müssen. Interessanterweise ist das genau so lange, wie ein Schlafzyklus dauert.
Diese Rhythmen sind also wissenschaftlich belegt. Wer tagsüber müde oder sogar schläfrig wird, hat damit einen veritablen Grund, sich einen Powernap zu gönnen. Und zwar genau dann, wenn sich die Schläfrigkeit meldet. Meist genügen einige Sekunden bis Minuten in den Stunden nach dem Mittagessen. Dem Bedürfnis nachzugeben ist sinnvoller als der Versuch, krampfhaft wach zu bleiben, oder mit Cola, Energydrink oder Kaffee gegenzusteuern. Ein Nickerchen baut den Schlafdruck ab. Danach ist man für die nächsten drei bis vier Stunden wieder fit. Grundsätzlich halte ich eigens dafür eingerichtete Ruheräume in Schulen oder Firmen für eine sehr gute Idee. Ist der Weg vom Schulhof oder von der Kantine im Großbetrieb zu diesem Ruheraum jedoch zu weit, oder muss man erst einen Schlüssel besorgen oder den Hausmeister suchen, ist man im Zweifelsfall bei der Ankunft schon nicht mehr müde. Dann lieber ein kurzer Powernap während Unterricht oder Arbeitszeit, in der Schulbank sitzend oder am Schreibtisch. Ausgenommen davon sind Arbeitsplätze, an denen Verletzungsgefahr besteht. Und natürlich im Auto.
In Japan ist der Powernap bereits praktizierte Realität. Dort dürfen Schüler und Schülerinnen im Unterricht einnicken. Bei uns wird dies nicht gern gesehen. Ich finde, es sollte zu einem Teil unserer Kultur werden. Gelebt nicht nur in der U- oder S-Bahn oder im Bus oder Flieger oder ICE. Dort stören wir uns nämlich nicht so sehr daran, was die Umgebung sagt oder wie wir dabei aussehen. Wir lassen es eher zu. In der Schule oder im Job hingegen hält uns falsche Scham zurück: die Angst vor den Blicken und den dummen Kommentaren der Mitschüler, der Kollegen oder des Chefs. Lassen Sie sich davon nicht einschränken. Werden Sie ein Wegbereiter für den Powernap!
Was bei Tage gilt, ist abends und nachts übrigens nicht anders: Wir werden etwa alle 90 bis 100 Minuten müde, jeweils für rund 30 Minuten. Wer dieses abendliche 30-Minuten-Intervall – ich nenne es Einschlaffenster – verpasst, schafft es erst mal nicht mehr einzuschlafen. Zumindest, wenn eine Schlafstörung da ist. Gleiches gilt für das Wiedereinschlafen, wenn man nachts wach wird. Dauert es länger als 30 Minuten, dann liegen Schlafgestörte in der Summe meist 90 bis 100 Minuten wach. Bis zum nächsten Müdigkeitsfenster.
Jeder Mensch hat ein individuelles Schlaffenster. Also eine Zeitphase, in der das Einschlafen am besten funktioniert und auf die besonders ruhiger, der sogenannte optimale Schlaf folgt. Gewohnheiten wie die tägliche Schlafenszeit können es beeinflussen. Vor allem sind es aber unsere Gene, welche für Abweichungen sorgen. Wie fast alle Lebewesen besitzen wir zirkadiane Uhren. Das sind Gruppen von Genen und die zugehörigen Proteine. Der Begriff zirkadian besagt, dass diese einem Zyklus unterliegen, der annähernd einen 24-Stunden-Takt hat. Das Wort zirkadian leitet sich vom lateinischen circa ab – ungefähr.
Etwa 20 Prozent unseres Genoms, also der Gesamtheit der menschlichen Gene, ist heutigen Schätzungen zufolge rhythmisch geprägt. Dieser innere Takt beeinflusst zum Beispiel die Funktionen der Leber, der Nieren, des Immunsystems, des Zentralnervensystem und der Verdauung. Unsere inneren Uhren helfen uns dabei, uns dem Tag-Nacht-Rhythmus der Erdumdrehung anzupassen, ohne uns dabei zu sehr einzuschränken. Denn würde unser Schlaf allein von äußeren Parametern wie dem Wechsel von hell zu dunkel bestimmt, kämen wir angesichts der zumindest in Städten allgegenwärtigen Lichtquellen kaum noch zur Ruhe. Auch die Nahrungsaufnahme kann die inneren Uhren beeinflussen. Das geht so weit, dass wissenschaftlich nachgewiesen aus der nachtaktiven Ratte ein Tag-Tier werden kann, wenn man ihr nur tagsüber Nahrung anbietet.
Interessant ist, dass der zirkadiane Rhythmus von Mensch zu Mensch variiert. So gibt es welche, die einen inneren 25,3-Stunden-Takt haben, während andere im 23,1-Stunden-Takt leben. Bei allen Menschen sorgt dieser individuelle Rhythmus jedoch dafür, dass der Kortisolspiegel und die Körpertemperatur am Abend sinken – zwei wichtige zusätzliche Voraussetzungen für einen erholsamen Schlaf. Ob jemand die Nacht davor schlecht geschlafen oder tagsüber einen langen Mittagsschlaf gehalten hat, ist dabei unerheblich. Üblicherweise, und das nennen wir die homöostatische Schlafregulierung, sind die Schlafhormone zwischen 22bis23Uhr und circa sechs Uhr hoch, die Wachhormone, das Stresshormon Kortisol und die Körpertemperatur hingegen niedrig. Genau dies ist das ideale Schlaffenster: Es sorgt für die beste Schlafqualität. Die zirkadiane Schlafregulierung wird dabei wesentlich bestimmt vom Kortisol, Melatonin und dem Körpertemperaturrhythmus. Bei den sogenannten Lerchen, den Frühaufstehern, sind diese Rhythmen und damit das Schlaffenster etwas nach vorn verschoben und bei den Eulen, den Spätaufstehern, nach hinten, jeweils um ein bis zwei Stunden. Bei Jugendlichen, deren Hormone während der Pubertät ein wenig aus der Reihe tanzen, liegt das Schlaffenster zwischen 23 bis 24 Uhr und acht Uhr.
Neben dem zirkadianen Rhythmus reguliert noch ein anderer Faktor unseren Schlaf: die schon genannte Schlafhomöostase oder auch der Schlafdruck. Dieser hängt davon ab, wie stark die Schlafhormone in den Abendstunden ansteigen und die Wachhormone abfallen. Hat man zum Beispiel tagsüber geschlafen, sinkt das abendliche Schlafbedürfnis in der Regel, denn man hat den Hormonspiegel beeinflusst. Schlafhomöostase und zirkadianer Rhythmus sind fein aufeinander abgestimmt. Ihr Zusammenspiel sorgt dafür, dass der Nachtschlaf qualitativ immer besser ist als der Schlaf in Etappen oder der am Tag.
Gerade Jugendliche neigen dazu, am Wochenende lange, nämlich 10 bis 12 Stunden oder mehr zu schlafen. Viele gehen zum Beispiel erst um drei Uhr ins Bett und stehen um 14 Uhr auf. Sie kommen mit der nach hinten verschobenen Schlafzeit meist gut zurecht. Aber sicher wissen die wenigsten, dass die regelmäßige Verschiebung des Schlaffensters an den Wochenenden – man nennt das auch sozialen Jetlag – nicht die ideale Lösung ist. Das gilt im Übrigen auch für das Ernährungsverhalten und das Mikrobiom. Besser wäre es, die elf oder mehr Stunden Wochenendschlaf schon gegen 21.30 Uhr anzutreten, also der Einschlafzeit unter der Woche. Dass dieses ideale Schlaffenster am Wochenende sozial nicht vertretbar und ein Spaßkiller ist, leuchtet auch mir als Schlafmediziner ein. Meine Empfehlung daher: Partytime und langes Schlafen gern von Freitag auf Samstag. Von Samstag zu Sonntag sollte es aber schon wieder eher um 24 Uhr oder kurz danach ins Bett gehen und am Sonntagmorgen nicht so spät raus. Andernfalls findet man Sonntagabend schwer in den Schlaf.
Ein kurzes Wort noch zu den Eulen und Lerchen. Obwohl schon der bekannte griechische Gelehrte Aristoteles behauptete, dass Morgentypen gesünder, erfolgreicher und intellektueller sind, ist der »battle« zwischen den beiden Typen bis heute nicht entschieden. Erst kürzlich las ich in der hochdotierten wissenschaftlichen Zeitschrift World Psychiatry, dass aktuell noch immer unklar ist, ob die beiden Typen einen unterschiedlichen Einfluss auf die Psyche haben. Bislang werden dem Morgentyp noch mehr positive Attribute zugesprochen. Lerchen sind wissenschaftlich nachgewiesen weniger anfällig für Angsterkrankungen, Stimmungsschwankungen, ein Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADHS), Schizophrenie, für Drogen-Missbrauch, Übergewicht und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Lassen Sie sich jetzt aber nicht verunsichern, wenn Sie zu den Eulen zählen. Ich bin auch eine. Die Wissenschaft wird uns da in den kommenden Jahren noch viele neue Erkenntnisse zukommen lassen. Aus dem bisherigen Wissensstand lassen sich keine konkreten medizinischen Empfehlungen ableiten. Lediglich für die Leistungsfähigkeit. Ein Spättyp sollte einen Job finden, der ihn spät fordert, der Frühtyp umgekehrt. Bin ich deswegen vielleicht Schlafmediziner geworden? Die ersten zehn Jahre meiner schlafmedizinischen Laufbahn verbrachte ich sehr häufig abends und nachts im Schlafzentrum.
Zwei andere Schlaftypen sind der Kurz- und der Langschläfer. Weniger als sechs bis sieben Stunden schläft der Kurz- und mehr als neun Stunden der Langschläfer. Es scheint angeboren zu sein, welcher Typ Schläfer man ist: ein entsprechendes Kurzschlaf-Gen wurde bereits entdeckt. Auch für Eule und Lerche sind spezielle Gene bekannt. Es sind dieselben, die auch den zirkadianen Rhythmus steuern. Sie nennen sich Uhren-Gene. Durch das Licht-Dunkel-Zeitregime auf der Erde werden wir alle in den fixen 24-Stunden-Zyklus gedrängt – unabhängig von unserem eigenen genetischen Takt. Wäre das nicht so, würde unser körpereigener Rhythmus dem Tag-Nacht-Rhythmus langsam immer weiter voran- oder hinterherlaufen. Das kommt bei blinden Menschen ohne Lichtwahrnehmung vor. Ihr Schlaf-Wach-Rhythmus kann sich pro Tag um zum Beispiel 10 bis 20 Minuten nach vorn oder hinten verschieben. Die Folge ist, dass nach einigen Wochen bei den Betroffenen Nacht ist, wenn bei den Sehenden Tag ist. Im Lauf einiger Wochen gleicht sich diese Verschiebung dann wieder an. Man nennt diese Schlaf-Wach-Rhythmus-Störung Non-24: Nicht-24 Stunden-Rhythmus.
Frauen schlafen etwas anders als Männer. Schon im Kindesalter schlafen Mädchen länger als die Jungs, und das bleibt so bis ins hohe Alter. Länger bedeutet bis zu 30 Minuten. Dafür laufen sie statistisch leider mehr Gefahr, schlechter zu schlafen und eine Schlafstörung zu entwickeln. Das mag mit den Hormonen und den Triggern zu tun haben, beispielsweise der Stillzeit und der Menopause. Eine aktuelle Metaanalyse verschiedener Forschungsergebnisse zum Thema scheint dies zu bestätigen: Frauen bewerten ihre Schlafqualität schlechter als Männer. Sie berichten zudem über mehr Schwankungen in ihrer Schlafqualität.
Interessant ist, dass es bei den Tagesrhythmen offenbar ebenfalls Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt. So wird Melatonin laut der Studie bei Frauen abends früher ausgeschüttet als bei Männern. Ähnlich ist es mit der Körperkerntemperatur, die ihren Höchstwert eher erreicht. Es ist wohl so, dass der weibliche zirkadiane Rhythmus, verglichen mit dem der Männer, um etwa sechs Minuten kürzer ist. Zum Glück taktet uns das Licht-Dunkel-Regime auf 24 Stunden. Sonst würden meine Frau und ich auf Dauer periodisch aneinander »vorbeileben«.
