Gut ist besser als perfekt - Doris Märtin - E-Book

Gut ist besser als perfekt E-Book

Doris Märtin

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Beschreibung

Vorankommen. Ankommen. Zu sich kommen. Vorankommen. Ankommen. Zu sich kommen. Gut ist uns nicht gut genug - an diesem Motto richten viele Menschen ihr Leben aus. Hohe Ansprüche, Konkurrenzdruck und Stress bestimmen unseren Alltag. Selbstverständlich lassen wir uns das spannende Projekt nicht entgehen, auch wenn wir uns an das letzte freie Wochenende nur dunkel erinnern. Effizient schicken wir eben noch eine E-Mail raus, obwohl der Kindergarten in dreißig Minuten schließt. Routiniert wälzen wir Finanzzeitschriften, vergleichen Renditen, feilschen um Rabatte. Aber auch die Freizeit ist längst keine freie Zeit mehr. Zweimal die Woche Fitness ist Pflicht, ständige Erreichbarkeit Ehrensache. Natürlich tut es gut, voranzukommen und gut anzukommen. Aber während wir durch den Tag, die Woche, das Jahr hetzen, läuft das Leben an uns vorbei. Dieses Buch zeigt, dass es auch anders geht. Es plädiert für mehr Sinn und weniger Wahn, für inneren Reichtum neben äußerem Wohlstand, für Liebe, Muße und Langsamkeit neben Leistung, Hightech und Hektik. Mit einem effizienten, leicht nachvollziehbaren Lernprogramm begleitet es die Leser, innere Antreiber zu erkennen, Prioritäten neu zu sortieren, Abschied von überhöhten Ansprüchen zu nehmen und einen entspannteren Lebensstil zu entwickeln und umzusetzen.

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Seitenzahl: 228

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Doris Märtin

Gut ist besser als perfekt

Die Kunst, sich das Leben leichter zu machen

Deutscher Taschenbuch Verlag

Ungekürzte Ausgabe Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München © 2003 der deutschsprachigen Ausgabe: Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, MünchenDas Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist nur mit Zustimmung des Verlags zulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.Rechtlicher Hinweis §44 UrhG: Wir behalten uns eine Nutzung der von uns veröffentlichten Werke für Text und Data Mining im Sinne von §44 UrhG ausdrücklich vor.eBook ISBN 978-3-423-40157-9 (epub) ISBN der gedruckten Ausgabe 978-3-423-34462-3Ausführliche Informationen über unsere Autoren und Bücher sowie Themen, die Sie interessieren, finden Sie auf unserer Website www.dtv.de

Inhaltsübersicht

Gut ist uns nicht gut genug

Gut zu kennen

Gut austariert?

Gute(r) Dinge

Gut im Griff

Gut im Geschäft

In guten und in bösen Tagen

Gute Beziehungen

Gut in Form

Gut und gern

Des Guten zu viel

Gut und schön

Literatur

Für Christian, mit dem das Leben selten perfekt, aber fast immer gut ist

GUT IST UNS NICHT GUT GENUG

... so lautet nicht nur ein bekannter Werbeslogan, an diesem Motto richten viele Menschen ihr Leben aus. Hohe Ansprüche, Konkurrenzdruck und Stress bestimmen unseren Alltag, unsere Freizeit, unseren Urlaub.

Selbstverständlich lassen wir uns das spannende Projekt nicht entgehen, auch wenn wir uns an das letzte freie Wochenende nur dunkel erinnern. Effizient schicken wir eben noch eine E-Mail raus, obwohl der Kindergarten in dreißig Minuten schließt. Routiniert vergleichen wir Renditen und feilschen um Rabatte, ehe wir uns für einen Fonds zur privaten Altersvorsorge entscheiden.

Nach den Feiertagen wird es ruhiger, trösten wir uns. Im Urlaub tun wir mal was für uns, nehmen wir uns vor. Heute Abend machen wir es uns gemütlich, denken wir. Doch wenn es so weit ist, müssen wir einsehen, dass auch die Freizeit keine freie Zeit mehr ist. Zweimal die Woche Fitness ist Pflicht, ständige Erreichbarkeit Ehrensache, die Teilnahme am Nachbarschaftsfest schon aus Gründen der Höflichkeit ein Muss. Mal einen Nachmittag zu vertrödeln scheint für uns ein Luxus zu sein wie für unsere Eltern ein Urlaub in der Karibik.

Uns geht es gut, aber wir fühlen uns nicht wohl

Uns geht es gut, unverschämt gut. Die meisten von uns haben eine bessere Ausbildung, eine größere Wohnung und einen interessanteren Job als ihre Eltern. Keine Generation vor uns war so wohlhabend, so weit gereist, so aufgeklärt, so gut informiert, so gesund, so frei in ihren Entscheidungen und Entschlüssen. Keine Generation vor uns hatte eine so hohe Lebenserwartung. Allerdings hat auch keine Generation vor uns so viel vom Leben erwartet.

Uns geht es gut. Aber wir fühlen uns nicht wohl. Wir kommen voran, aber wir kommen nicht zu uns. Wir rasen durch die Tage, die Wochen, das Jahr, aber das Leben läuft an uns vorbei. Unsere Terminkalender sind voll, aber statt Erfüllung zu finden, fühlen wir uns leer, gereizt und ausgebrannt.

Wiedersehen mit Hans im Glück

Dabei tun wir wirklich alles, um aus dem Leben das Beste zu machen. Vergnügt wie Hans im Glück tauschen wir das gute Arbeitsklima in der alten Firma ein gegen den Dienstwagen in der neuen, die pflegeleichte Mietwohnung gegen die Doppelhaushälfte im Grünen, die Zeit für Partner, Kind und Hund gegen den großen TV-Roman, das Tastentelefon gegen die hochkomplizierte ISDN-Anlage mit Rufumleitung und eigener Telefonnummer für jedes Familienmitglied. Arglos wie Hans im Glück berauschen wir uns an unseren Entscheidungen, Errungenschaften und Erfolgen.

Das Märchen hat ein Happy End: Hans im Glück betrachtet sich als den glücklichsten Menschen unter der Sonne. Jede seiner impulsiven Entscheidungen deutet er als Erfolg um. Ob er seine zweifelhaften Tauschgeschäfte nicht eines Tages doch bereut, bleibt offen. Hans im Glück wird mit den Konsequenzen seiner Gedankenlosigkeit nie konfrontiert.

Im wahren Leben kommen wir nicht so leicht davon: Dort ereilt uns über kurz oder lang die Realität. Wir beginnen zu ahnen, was wir uns mit der Jagd nach dem immer besseren Leben einhandeln: dass wir unsere Seele dem Job verschreiben, und unsere besten Jahre der Abzahlung von Eigenheim und Zweitwagen. Dass wir gestresst und gehetzt sind, ungeduldig, unleidlich und schnell gelangweilt. Dass unser Spielraum im Lauf der Jahre eher kleiner als größer wurde. Dass wir weniger sensibel und fantasievoll sind als früher. Dass Wohlstand und Erfolg ihren Tribut einfordern.

Schneller, höher, weiter

Auf der ganzen Welt sind Stresserkrankungen auf dem Vormarsch. In den USA leiden 43Prozent aller Erwachsenen unter stressbedingten Beeinträchtigungen ihrer Gesundheit. Ein Grund dafür ist neben dem alt bekannten Zeitdruck eine neue Zeitangst: ein Gefühl, im Leben nicht all das erreichen und erleben zu können, was wir erreichen sollen und erleben wollen. Je größer der Wohlstand, je höher die Bildung, desto gespannter ist unser Verhältnis zur Zeit. »Wir sind stets der Meinung, zu wenig davon zu haben«, schreibt der amerikanische Autor James Gleick in seinem Buch Schneller. Eine Zeitreise durch die Turbo-Gesellschaft. »Das ist einer der Mythen, mit denen wir heute leben.«

Die Folge: Um mit der Dauerbeschleunigung, der Informationsflut, den Konsum- und Erlebnisversuchungen um uns herum wenigstens ansatzweise Schritt zu halten, treiben wir uns immer mehr an – ernähren uns von Fast Food, zappen uns durch dreißig Fernsehkanäle, üben uns im Speed Reading, erledigen mehrere Aufgaben zugleich wie ein Hochleistungscomputer im Multi-Tasking-Betrieb.

Amerikanische Wissenschaftler haben dem Gefühl, nur einmal zu leben und auch das viel zu kurz, bereits einen Namen gegeben: Hurry-Sickness nennen sie die Getriebenheit, die den Betroffenen oft nicht einmal auffällt – weil andere sich genauso abhetzen wie sie.

Die rasende Gesellschaft bremst sich aus

Wir geben es nicht gerne zu, aber wir spüren es wohl: Die Ansprüche, die wir an uns stellen und die an uns gestellt werden, zehren an uns – an unserer Leistungskraft und Lebensqualität, an unserer Gesundheit, Freundlichkeit und Genussfähigkeit. Mit unserer Sucht, Zeit zu gewinnen, bremsen wir uns selber aus.

Leistung: Das rasende Tempo führt zu Fehlern und zersetzt unsere Kreativität. Gute Ideen brauchen genau wie komplexe Projekte und durchdachte Entscheidungen Spielräume, Überschaubarkeit und Entspanntheit. Der zündende Einfall, die gelungene Formulierung, die überraschende Lösung stellen sich nur ein, wenn wir uns Zeiten der Muße gönnen. Wer pausenlos auf Hochtouren läuft, so der Kreativitätsforscher Mihaly Csikszentmihalyi, gibt seinen Gedanken keine Chance, zu reifen.

Lebensqualität: Ob Profit-Center-Leiter oder Familienmanagerin– Berufs- oder Erziehungsarbeit sind meistens ein Ganztagsjob. Das wäre verkraftbar – wenn das Wochenende und die Stunden nach 17, 18 oder 19Uhr zum Musik hören, Spielen, Lesen, Reden, Träumen oder Eis essen blieben. Für viele Menschen aber beginnt um diese Zeit die »zweite Schicht«: die Steuererklärung will erledigt, die Matheaufgabe kontrolliert, das Heizöl bestellt, das Fitness-Programm absolviert, der Rasen gemäht, der Winterurlaub gebucht werden. Statt die Seele baumeln zu lassen, hängen wir die Wäsche auf die Leine.

Gesundheit: Im Stress zu sein gehört in unserer Hochgeschwindigkeitskultur zum guten Ton, gilt als Ausweis für Erfolg und Engagiertheit. Dass Stress nicht eben gesund ist, hat sich zwar herumgesprochen, dass Stress Gift für die Gesundheit ist, eher nicht. Die wenigsten Menschen machen sich klar: Auch der kleine Stress zwischendurch versetzt den Körper in erhöhte Erregungsbereitschaft. Selbst nichtige Ärgernisse – die morgendliche Parkplatzsuche, der ewig skeptische Kollege, der unerklärliche Programmabsturz – setzen Adrenalin frei, treiben den Blutdruck hoch, fahren das Immunsystem herunter und verstopfen die Arterien. Auf Dauer macht uns dieses Bombardement von Alarmen und Fehlalarmen krank, ernsthaft krank: Zu den stressbedingten Erkrankungen zählen unter anderem Herzinfarkt, Magengeschwür, Tinnitus, Schlaganfall, Krebs und Diabetes.

Freundlichkeit: Wer von Termin zu Termin jagt, in aller Eile die Präsentation für den Nachmittag vorbereitet, nebenbei die Attacken des Fieslings aus dem Controlling abschmettert und in der Mittagspause rasch die Einkäufe fürs Abendessen erledigt, dem stehen die anderen oft im Weg. Jeder Anruf wird zur Störung, jeder Small Talk auf dem Flur zum Zeitfresser, der Vordrängler an der Supermarktkasse zur persönlichen Bedrohung. Je höher das Tempo, je drängender die Zeit, desto schwerer fällt es uns, ruhig, freundlich und geduldig zu bleiben. Die rasende Gesellschaft hat für Höflichkeit und Rücksichtnahme keine Nerven übrig.

Genussfähigkeit: Wenn ich Zeitschriften nur noch überfliege und selbst der neue Grisham mich nicht fesselt, wenn ich allenfalls Kuschelklassik hören mag und Isoldes Liebestod als Tortur empfinde, wenn nicht einmal Pasta und Pralinen mich mehr glücklich machen – dann weiß ich sicher: Ich habe es mal wieder übertrieben. Mein Kopf ist so voll, mein Zeitplan so erdrückend, dass mir das Gespür für die schönen Dinge des Lebens abhanden gekommen ist.

Einfachheit als Lifestyle-Trend

Wir wagen es vielleicht nicht laut zu sagen. Aber immer mehr Menschen sind es leid, ständig unter Strom zu stehen und pausenlos auf Achse zu sein. Wir sehnen uns nach mehr Sinn und weniger Wahn, nach innerem Reichtum neben äußerem Wohlstand, nach Liebe, Muße und Langsamkeit neben Leistung, High Tech und Hektik. Überdruss am Überdruck macht sich breit.

Die Konsum-Avantgarde hat den modernen Hang zum Zurückschalten bereits erkannt. Zeitluxus, gesundes Ernährungs- und Arbeitsverhalten, Minimalismus und Lebensbalance gelten als die wichtigsten Lebensstil-Trends dieses Jahrzehnts. »Alles, was schlicht, einfach und meditativ ist«, fasst das Krones-Magazin zusammen, »wird zum Kultobjekt.«

Auch die Werbung greift das neue Lebensgefühl auf: »Reduce to the max« lautet der Slogan für den Smart, der Auto fahren auf seine Kernfunktion reduziert. Calvin Kleins Slogan für sein frisches, unkompliziertes Unisex-Parfum CK One schlägt eine ähnliche Tonart an: »Just be«, sei einfach du selbst. Trendbewusste Konsumenten frönen der Lust am Ursprünglichen und Echten mit lang haltbaren, ökologisch erzeugten Produkten. In der Mode sind puristische Schnitte und zurückhaltende Farben auch dann ein Dauerbrenner, wenn die Couturiers die neue Romantik ausrufen. Und spätestens seit dem BSE-Skandal hat das Bedürfnis nach echten, ehrlichen Lebensmitteln weite Kreise der Bevölkerung erfasst.

Keine Frage: Einfachheit, Langsamkeit und Balance als Ausgleich zur alltäglichen Reizüberflutung liegen im Trend. Bresse-Hühner und selbst gemachte Pasta, sparsam möblierte Räume und abgeschiedene Hotels im Bayerischen Wald oder Französischen Jura, Ayurveda-Ölmassagen und Balance-Aerobic sind der zeitgeistige Weg, dem Wesentlichen und Echten näher zu kommen. Alternativ ziehen Stilbewusste aufs Land, bauen Küchenkräuter und Tomaten an und wohnen inKorb- und Naturholzmöbeln.

Gut ist schwerer als perfekt

So schön und angenehm dieser Lebensstil sein mag, sosehr er mir persönlich gefällt: Ob er das Leben wirklich vereinfacht, ist zweifelhaft. Denn egal ob Shabby Chic oder Zen-Minimalismus, Leinen oder Kaschmir, perfekte Ordnung oder sorgsam inszenierte Landhausgemütlichkeit: Der Luxus der einfachen Dinge kostet entweder viel Zeit oder viel Geld. Er ist auf seine Art kaum weniger fordernd als die technisierte Hochgeschwindigkeitswelt, von der er sich abzusetzen sucht. Vor allem aber: Schlichte Ästhetik allein bringt uns dem Traum vom einfacheren, langsameren Leben nur äußerlich näher.

In diesem Buch geht es deshalb nicht oder jedenfalls nicht vorrangig um Einfachheit als neues Modediktat. Sondern es geht darum, sich dem Druck zu entziehen, immer mehr Leistung bringen, allen Anforderungen genügen und sämtliche Karrierechancen wahrnehmen zu müssen. Es geht darum, Zeit und einen freien Kopf zu gewinnen, für das, was im Leben wirklich zählt: Partner, Familie, Gesundheit, Gelassenheit, persönliche Interessen. Es geht darum, ein gutes Leben zu haben, statt sich in Perfektionismus und Supereffizienz zu erschöpfen.

► »Low-Stress-Living« heißt das Schlagwort, nicht »Yuppie-Simplification«.

Es würde mich nicht wundern, wenn Sie jetzt denken: Das geht doch an der Realität vorbei. Das ist die Quadratur des Kreises. Das klingt zu schön, um wahr zu sein. Sie haben völlig Recht: Gut zu leben ist schwerer, als perfekt zu funktionieren.

Leben im Gleichgewicht

Denn natürlich wünschen wir uns alle mehr Genuss, mehr Gelassenheit, mehr Balance. Aber wir wollen dafür nicht auf Anerkennung, Wohlstand und berufliche Selbstverwirklichung verzichten. Wir wollen weder aussteigen noch zurück zur Natur. Wir wollen nicht absteigen zum längst abgelegten Aldi-Standard mit Nasi-Goreng aus der Dose. Und ich nehme an, auch die Vorstellung, nur so viel zu arbeiten und zu verdienen, dass es gerade mal zum Leben reicht, behagt Ihnen so wenig wie mir. Dafür macht Erfolg bei allem damit verbundenen Stress einfach zu viel Spaß.

Wir schätzen die Möglichkeiten der Multi-Options-Gesellschaft und können doch nur einen Bruchteil der gebotenen Chancen nutzen. Deshalb sind wir hin- und hergerissen: zwischen einem Job, in dem wir gut sind, und einer Familie, die uns braucht. Zwischen Freunden, die wir mögen, und Büchern, die wir gern lesen würden. Zwischen dem schnellen aktiven Rhythmus unseres Alltags und der Sehnsucht nach Ruhe und Stille. Wir wollen das eine haben und auf das andere nicht verzichten. Ohne Spagat und schlechtes Gewissen, bitte.

► We want to have the cake and eat it too.

Hier setzt dieses Buch an. Es unterstützt Sie dabei, einen Lebensstil zu entwickeln, der Leistung und Lebensqualität, Wohlstand und Wohlbefinden, Erfolg und persönliche Entfaltung miteinander versöhnt. Es hilft Ihnen zu leben, wie Sie leben wollen.

► »Gut ist besser als perfekt« steht für die Lebensphilosophie, vieles gut statt weniges perfekt zu machen.

Das Rezept leuchtet ein. Es eröffnet eine neue Sichtweise auf ein altes Problem. Spontan erkennen wir, wie wir Raum und Zeit schaffen können für das, was wirklich wichtig ist.

Allerdings: Einsicht allein greift zu kurz. Gut zu leben statt perfekt setzt voraus, dass Sie bereit sind, von Idealvorstellungen und allzu hohen Ansprüchen Abschied zu nehmen. Diese Medizin zu schlucken fällt nicht leicht. Übrigens auch mir nicht.

Wir haben die Wahl

»Gut, aber wie immer im Stress«, lautete jahrelang meine Standard-Antwort auf die Standard-Frage »Wie geht’s?«. Bis irgendwann mein Schwager konterte: »Zeit hat man nicht, die nimmt man sich.« Ich habe mich über diese Bemerkung damals ziemlich geärgert, denn ich stand wirklich seit Monaten enorm unter Druck. Aber dann brachte sie mich zum Nachdenken. Es stimmte ja: Ich hatte mich dafür entschieden, drei Aufträge zugleich zu übernehmen. Ich hatte mir einen viel zu knappen Abgabetermin aufdrängen lassen. Ich hatte mir zu viel zugemutet. Weil ich weder einen wichtigen Auftraggeber verlieren noch auf ein spannendes Projekt verzichten wollte. Mein chronischer Zeitmangel war tatsächlich nicht fremdbestimmt: Ich traf die beruflichen Entscheidungen, die wenig Spielräume für anderes ließen.

Damals wurde mir klar: Wer immer nur auf die äußeren Zwänge verweist, macht es sich zu einfach. Natürlich müssen wir von etwas leben. Natürlich können wir Verantwortung nicht einfach von uns weisen. Natürlich wäre es schön, wenn der Staat uns mit Ganztagsschulen unterstützen würde, die Firma mit flexibleren Arbeitszeiten, der Partner, die Partnerin mit mehr Verständnis. Trotzdem: Wie wir leben, hat zuallererst mit unseren Erwartungen zu tun, unseren Ambitionen, den Prioritäten, die wir setzen – mit Einstellungen und Wahrnehmungen also, die wir verändern können.

► Wie wir leben, hängt davon ab, wie wir uns das Leben einrichten.

Ein harmonischer Lebensstil ist in erster Linie das Ergebnis einer individuell geleisteten Anstrengung.

Der Weg durch den Dschungel des Möglichen

»Ob wir ein einfaches oder ein kompliziertes Leben führen«, sagt Marcia L.Connor, die Herausgeberin des Internet-Magazins LineZine, »hängt von vielen kleinen Entscheidungen ab. Wir können uns dafür entscheiden, diese Zeitung und jene Zeitschrift zu abonnieren, das große Haus zu behalten und eine Freundschaft weiter zu pflegen. Wir können uns aber auch entscheiden, das nicht zu tun.«

Wer gut leben will, muss auswählen, muss abwägen, was ihm gut tut. Muss seinen eigenen Weg durch den Dschungel des Möglichen schlagen. Muss akzeptieren, dass jedes Ja mit vielen Neins erkauft ist. Und dass gute Entscheidungen selten perfekt sein können: Leistung und Lebensqualität, Wohlstand und Wohlbefinden, Erfolg und Entfaltung gehen zwar zusammen – aber nur, wenn sie im Zusammenhang betrachtet werden.

Dabei sind es oft kleine Veränderungen, die zusammen Großes bewirken. Vorausgesetzt, es sind die richtigen. Die Kunst des einfacheren Lebens lässt sich nämlich nicht schematisieren.

► Den passenden Weg muss jeder für sich selber finden.

Anregungen und Arbeitsmaterialien dafür finden Sie in diesem Buch in Hülle und Fülle, umsetzen müssen Sie die Tipps selbst. Es liegt deshalb an Ihnen, was Sie aus Gut ist besser als perfekt machen:

Sie können die Anregungen einfach lesen, zustimmend nicken, sich ein paar Erfolgserlebnisse abholen (weil Sie einiges schon wissen), den einen oder anderen Vorschlag ausprobieren und das Buch dann ins Regal stellen, zu den anderen Ratgebern und Karrierebüchern. Das ist der bequeme Weg.

Oder Sie können parallel zum Lesen die Übungen zum Bilanzziehen bearbeiten und die Vereinfachungsvorschläge notieren, die Sie in Ihr Leben integrieren möchten. Auf diese Weise entwickeln Sie Schritt für Schritt Ihre persönliche »Gut-ist-besser-als-perfekt«-Strategie. Das ist der gute Weg.

Oder Sie lesen das Buch erst ganz durch und bearbeiten in einem zweiten Durchgang die Arbeitsmaterialien. Wenn Sie dann mit Ihrem »Gut-ist-besser-als-perfekt«-Konzept die ersten Erfolge erzielt haben, kommen Sie wieder auf das Buch zurück. Sie werden feststellen: Beim wiederholten Lesen erschließen sich Ihnen immer wieder neue Erkenntnisse. Das wäre der perfekte Weg.

Gut ist besser als perfekt

Gut ist besser als perfekt ist nicht nur irgendein Buchtitel. »Gut ist besser als perfekt« ist ein Leitsatz mit suggestiver Wirkung. Für mich persönlich ist er zu einem Maßstab geworden, der mich immer öfter intuitiv das für mich Richtige erkennen lässt.

Im Kern ist »Gut ist besser als perfekt« die Kunst des Weniger-Tuns. »Se débrouiller« sagen die Franzosen dazu, »Nice and easy does it« singt Frank Sinatra, »Schaun mer mal, dann sehn mer’s schon« heißt es hier in Bayern. Lassen Sie sich von der Gelassenheit dieser Haltung schon beim Lesen und Durcharbeiten dieses Buches anstecken: Betrachten Sie die Fülle des Möglichen als Angebot. Probieren Sie, was Sie für sich nutzen können... und machen Sie etwas Gutes daraus. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg!

GUT ZU KENNEN

Entlarven Sie innere Antreiber

Bestimmt haben Sie gute Gründe, warum Zeit und Ruhe für Sie zu Luxusgütern geworden sind: Die Umstrukturierung in der Firma. Das große Haus. Der pflegeintensive Garten. Die Parkplatzsuche am Morgen. Der Stau am Abend. Das Baby. Die Lockungen des Internet. Die Einführung der neuen Modellgeneration. Die Lust, schön zu kochen. Die Messe, die Tagung, der Fachvortrag. Der soeben erschienene Roman von Günter Grass. Die gesellschaftlichen Verpflichtungen. Der Neuschnee. Der Opernabend. Der Kindergeburtstag. Der Yogakurs.

Die Liste ließe sich beliebig verlängern. Wir sind von mehr Verpflichtungen, Verantwortungen, Verlockungen umgeben, als wir in 24Stunden bewältigen können. Allerdings nur, wenn wir uns davon überwältigen lassen.

Unser Stress ist nämlich hausgemacht. Wir laden unseren Teller einfach zu voll. Wir wählen zu wenig aus. Wir können nicht genug kriegen. Wir haben Angst, etwas zu versäumen, zu verlieren, zu verpatzen. »Aller Stress«, warnt der Philosoph Wilhelm Schmid, »resultiert aus dem Versuch, in einen Augenblick mehr zu packen, als der Augenblick verträgt.«

Das heißt: Nicht die Situation, nicht das Schicksal sind für unseren Stress verantwortlich, wir selbst setzen uns unter Druck mit unserem Streben nach perfekter Leistung. Unserem Bedürfnis nach hundertprozentiger Anerkennung. Unserem Traum vom perfekten Leben. Unserer Suche nach dem ultimativen Kick. Wer sich davon frei machen möchte, muss als Erstes seine persönlichen Antreiber erkennen.

Das Streben nach perfekter Leistung

Jörg, ein 33-jähriger Mathematiker, ist Hochschulassistent an einer bayerischen Universität. Zusätzlich zu seinen Lehrverpflichtungen und Forschungsarbeiten unterstützt er den Lehrstuhlinhaber bei der Einwerbung von Drittmitteln. Während seine Kollegen an der Erweiterung ihrer Publikationslisten arbeiten, brütet Jörg über Förderrichtlinien, stellt Kostenpläne auf, studiert Auszahlungs- und Abrufverfahren, erarbeitet detailliert ausgefeilte Förderanträge. Jörgs freiwilliger Einsatz macht sich für das Institut bezahlt: Allein im letzten Jahr hat Jörg dem Lehrstuhl eine Fördersumme von über 200.000Euro gesichert. Am Institut gilt er als der Experte für Förderanträge – akribisch, penibel, fehlerfrei.

Andererseits: Von allen wissenschaftlichen Mitarbeitern am Lehrstuhl war Jörg der Einzige, der im letzten Jahr keinen Vortrag bei einer internationalen Tagung untergebracht hat. Frustriert erlebt er, wie seine Kollegen sich gern aus den gut gefüllten Fördertöpfen bedienen, sich aber selbst kaum um Drittmittel bemühen: »Sorry, Bürokratie war noch nie mein Ding.« Jörgs Klagen darüber stoßen auf wenig Verständnis. »Du willst es doch nicht anders«, findet sogar seine Lebenspartnerin. »Mach halt nicht aus jedem Antrag ein Jahrhundertwerk.«

Leistungsperfektionisten: Im Konflikt zwischen Belastung und Belastbarkeit

Leistungsperfektionisten haben es schwer. Wer sich keine Fehler zugesteht und immer ein perfektes Ergebnis erzielen will, für den erweisen sich Dauerinnovation, Informationsflut und technische Möglichkeiten eher als Fluch denn als Segen: Das Wissen von heute ist morgen schon veraltet. Vielfältige und widersprüchliche Informationen machen es schwer, sich eine gesicherte Meinung zu bilden. Word, Powerpoint und Excel – um nur einige Beispiele zu nennen – laden geradezu ein, hier noch eine Überschrift zu verändern, da noch ein Detail zu ergänzen. Kleine Tüfteleien, minimale Verbesserungen, die letzte rasche Durchsicht der Unterlagen verschlingen über Gebühr viel Zeit– Zeit, die für Wesentliches fehlt.

Aber Leistungsperfektionisten machen nun mal keine halben Sachen. »Ohne Fleiß kein Preis«, davon sind sie überzeugt. Harte Arbeit, gewissenhafte Recherchen, penible Ordnung, sorgfältiges Abwägen geben ihnen das gute Gefühl, alles Erdenkliche getan und nichts unversucht gelassen zu haben. Das sorgt für ein gutes Gewissen – auch im Fall eines Scheiterns.

► Work smart, not hard – denken statt schuften wäre eine gute Alternative.

Dazu müssten die oft eigenbrötlerischen Leistungsperfektionisten allerdings lernen, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen, nicht jede Einzelheit mit der gleichen Sorgfalt zu bearbeiten, lieber heute eine gute Lösung als übermorgen ein perfektes Ergebnis zu präsentieren.

Das Bedürfnis nach Anerkennung auf der ganzen Linie

Annette ist Grafikdesignerin. Nach der Geburt der beiden Kinder Jan und Sophie hat sie ihren Job bei einer Kreativagentur fürs Erste an den Nagel gehängt. Doch sobald auch Sophie im nächsten Herbst in den Kindergarten kommt, will sie wieder stundenweise für die Agentur arbeiten.

Allerdings fragt Annette sich immer öfter, wie sie die Zeit dafür finden soll. Fast jeden Nachmittag ist sie damit beschäftigt, eines oder beide Kinder zum Flötenunterricht, zum Kindergeburtstag, zur Jazzgymnastik oder zur musikalischen Früherziehung zu chauffieren. Aber zumindest vormittags, hatte Annette sich ausgerechnet, würde sie in Ruhe zwei, drei Stunden am Zeichentisch sitzen können.

Wäre da nicht die Kindergärtnerin mit ihren ständigen Anforderungen an engagierte Elternarbeit. Mal werden ein paar Mütter gesucht, die die »Großen« ins Museum begleiten, mal ist Mithilfe bei den Vorbereitungen zum Sommerfest gefragt, mal werden die Eltern gebeten, Weihnachtsschmuck für den Adventsbasar zu basteln. Obwohl Annette diesen Aktivitäten wenig Interesse entgegenbringt, sieht sie sich genötigt mitzumachen. Sie will nicht als Rabenmutter gelten – der Kinder zuliebe. Deswegen hat sie sich nun auch breitschlagen lassen, morgens und mittags den Lotsendienst am Zebrastreifen zu übernehmen. »Sie bringen und holen Jan doch ohnehin«, drängte die Erzieherin.

Dem wusste Annette nichts entgegenzusetzen. »Was hätte ich denn machen sollen?«, verteidigt sie sich, als ihr Mann anmerkt, sie müsse eben Prioritäten setzen. »Einer muss es ja tun.«

Beziehungsperfektionisten: Im Konflikt zwischen dem Selbst und den anderen

Beziehungsperfektionisten wie Annette stellen die Ansprüche anderer über ihre eigenen. Sie stellen sie notfalls sogar über ihre Gesundheit, ihre Selbstachtung, ihre beruflichen Pläne. Sie lassen sich ausnutzen, weil sie sich gern als fürsorgliche Mutter, verständnisvolle Partnerin, engagierte Mitarbeiterin, einfallsreiche Problemlöserin sehen. Zu diesem Image passt es schlecht, eine Bitte oder Forderung abzuschlagen. Beziehungsperfektionisten sind getrieben von den Gedanken: »Das gehört sich so.« – »Ich finde es schön, gebraucht zu werden.« – »Das tue ich doch gern.«

► Die Rettung für die Retter der Welt: nein sagen lernen.

»Nein, das möchte ich nicht.« – »Nein, das passt nicht in meine Pläne.« – »Nein, heute nicht. Ein anderes Mal gern.« Die Umwelt mag so viel ungewohnten Eigensinn zunächst unbequem finden. Aber Tatsache ist: Man verspielt nicht gleich Liebe, Beifall und Karrierechancen, nur weil man auch mal an sich selber denkt.

Der Traum vom perfekten Leben

Gesa, verheiratet, eine zehnjährige Tochter, Chefeinkäuferin für ein Hamburger Modehaus. Sie hat geschafft, wovon andere träumen: Erfolg im Job, eine Familie, die sie unterstützt, die stilsicher eingerichtete Altbauwohnung, der große Freundeskreis. Scheinbar mühelos jongliert Gesa Vierzig-Stunden-Woche und Kindererziehung, Partnerschaft und kulturelle Interessen, Status und soziales Gewissen. Ihr Terminkalender ist ausgefüllt, ihre Abende sind verplant, ihre Wochenendrituale vom genussvollen Marktbummel bis zum ausgedehnten Sonntagsfrühstück mit Mann und Tochter sorgsam ausbalanciert. Perfekt im Job, perfekt in der Liebe, perfekt im Trend lebt Gesa ein Leben wie im Hochglanzmagazin.

Nur sie selbst merkt, dass ihr Lebensstil ihr neuerdings immer weniger Freude macht. Dass sie sich ausgebrannt fühlt und manchmal ihre Schwägerin beneidet, die kleine Gewichtszunahmen gelassen hinnimmt, Gäste ohne große Umstände zu einem Glas Wein einlädt und den Eskapaden ihrer Ältesten keine große Bedeutung beimisst: »Das gibt sich wieder. Wir waren doch mit vierzehn genauso.«

Lifestyle-Perfektionisten: Im Konflikt zwischen Schein und Sein

Werbung und Medien führen uns einen Lebensstil vor, der verführerisch ist – und anstrengend. Es genügt ja längst nicht mehr, die weißeste Wäsche zu waschen oder das schnellste Auto zu fahren. Wer sich heute als erfolgreich auf der ganzen Linie fühlen möchte, muss schon mehr bieten, muss fit sein im Meeting, am Cross-Trainer, im Bett und am Ceranfeld. Muss mitreden können über die Lesung im Literaturhaus, die Entwicklung am Aktienmarkt, die Bombenattentate im Nahen Osten. Beruflicher Erfolg versteht sich von selbst; allerdings sollte er sich – zumindest nach außen hin – möglichst ohne Kampf und Karrierismus einstellen, als eine Art Nebenprodukt von Sinnsuche und kreativer Herausforderung.

Was so Neid erregend mühelos wirkt, ist in Wahrheit das Ergebnis harter Arbeit. Deshalb kommt den meisten Lifestyle-Perfektionisten trotz aller zur Schau getragenen Lässigkeit irgendwann die innere Harmonie abhanden. Getrieben von einem überehrgeizigen Selbstbild und unrealistischen Erwartungen leisten sie viel und wollen noch mehr – bis der eigene Anspruch sie zerreißt.

► Der Einstieg in den Ausstieg: Simplicity. Downspeeding. Downshifting.

Wenn Sie sich als Lifestyle-Perfektionist erkannt haben, sind Ihnen die zeitgeistigen Schlagwörter vermutlich ein Begriff. Und wahrscheinlich spielen Sie ohnehin schon mit dem Gedanken, in Zukunft einfacher, langsamer und vielleicht sogar genügsamer zu leben. Denn Maß, Balance und Askese liegen im Trend. Die Ereignisse des 11.Septembers 2001 verstärken diese Entwicklung. Trendforschern zufolge wird die bewusste Reduzierung des materiellen Lebensstandards zugunsten von mehr Lebensqualität zumindest im obersten Drittel der Einkommenspyramide über kurz oder lang wie selbstverständlich zum Traum vom perfekten Leben gehören.

Die Sucht nach dem ultimativen Kick

Paul, 38, Wirtschaftsinformatiker, ist der Mitarbeiter, von dem Personalchefs träumen: kreativ, flexibel, mobil, dynamisch, risikofreudig, belastbar. Sein Job macht ihm mehr Spaß als (fast) alles andere auf der Welt.

Jedenfalls solange der Dienstwagen neu, die Herausforderung kolossal, das Gelingen ungewiss ist. Dann ist Paul in seinem Element: Er sprüht vor Ideen, fasziniert Vorgesetzte, verunsichert Kollegen, erfüllt den Laden mit neuem Schwung. Allerdings: Nach einem Jahr, spätestens nach zweien, pflegt Pauls Enthusiasmus zu erlahmen. Sobald die schwarzen Zahlen erreicht sind, die Abteilung produktiv arbeitet, das Projekt wie von alleine läuft, wird die Arbeit für Paul zur Routine. Der Nervenkitzel ist vorbei, Langeweile schleicht sich ein. Der Anruf eines Headhunters genügt, und Paul ist auf dem Sprung: zum nächsten Job, in die nächste Stadt, hinein ins nächste Wagnis. »Live fast, die young«, heißt seine Devise.

Getrieben von Freiheit und Abenteuer fällt es Paul nicht weiter schwer, Brücken hinter sich abzureißen. Aber er weiß wohl, dass seine Freundin die biologische Uhr beschwörend ticken hört und sich endlich wünscht, was Gleichaltrige längst haben: heiraten, Kinder kriegen, ein Haus bauen, Wurzeln schlagen.

Erlebnisperfektionisten: Im Konflikt zwischen Sensation und Stabilität

Die Evolution hat in unserem Nervensystem zwei widersprüchliche Impulse angelegt: die Lust an Ruhe und Entspannung und die beflügelnde Freude an immer neuen Erlebnissen und Erkenntnissen. Während das eine emotionale Programm dafür sorgt, dass wir unsere Kräfte schonen und Bewährtes bewahren, spornt uns das andere an, dass wir uns fortentwickeln und über uns hinauswachsen. Diese genetischen Anweisungen sind in jedem Menschen vorhanden. Sie müssen aber nicht gleich stark ausgeprägt sein.

Bei Erlebnisperfektionisten wie Paul liegt die Toleranzschwelle für Langeweile ungewöhnlich niedrig. Sie brauchen deshalb mehr Thrill als andere, um sich lebendig und erfolgreich zu fühlen. Überwiegt im Beruf, in der Liebe, im Alltag die Routine die Herausforderung, verlieren sie schnell die Lust, sich auf einen Menschen, ein Projekt zu konzentrieren.

Ein neuer Reiz muss her – natürlich einer, der das bisher Dagewesene »toppt«: ein größeres Liebesglück, ein noch besser bezahlter Job, womöglich ein Baby, wenn andere Glücksmöglichkeiten ausgeschöpft sind. Das Hochgefühl ist intensiv, aber kurz: Die romantischste Beziehung, die chromblitzendste Espressomaschine nutzen sich über kurz oder lang ab. Der Adrenalin-Junkie giert nach dem nächsten Schuss.

► Ein Weg aus der Sucht: Erklären Sie Ausdauer zu Ihrem neuen Abenteuer.