Gut leben mit Diabetes Typ 2 - Arthur Teuscher - E-Book

Gut leben mit Diabetes Typ 2 E-Book

Arthur Teuscher

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  • Herausgeber: TRIAS
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2006
Beschreibung

Die Behandlungsmöglichkeiten für Diabetiker sind vielfältig. Doch speziell beim Typ 2 ist die beste Therapie ganz einfach: Allein mit der richtigen Ernährung und ausreichender körperlicher Bewegung kann oft der Blutzucker normalisiert werden. Wie Ihnen das spielend leicht gelingt, erfahren Sie in diesem gut verständlichen Ratgeber. Viele praktische Tipps helfen beim mühelosen Abnehmen. So unterstützen Sie wirksam Ihre Gesundheit und beugen Folgeschäden konsequent vor.

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Seitenzahl: 171

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Der Autor

Prof. Dr. med. Arthur Teuscher ist Leiter des Diabetes-Zentrums Lindenhof in Bern und emeritierter Professor für Diabetologie der Universität Bern.

Nach seinem Medizinstudium in den 50er und 60er Jahren spezialisierte er sich im Diabetesbereich. Seine Ausbildung an der Joslin-Klinik in Boston war prägend für seine spätere Arbeit. Während 25 Jahren baute er die Diabetesstation an der Universitätsklinik Bern auf. Dabei versuchte er immer, Patienten in einer »gesunden«, nicht spitalbelasteten Atmosphäre zu beraten. Die von ihm 1980 gegründete Stiftung Ernährung und Diabetes publiziert Material für Patientenschulung und Selbststudium. Eine weitere Aufgabe der Stiftung ist die wissenschaftliche Untersuchung der Hypoglykämiesymptomatik unter verschiedenen Insulinen. Ebenso ist dem Autor auch die weltweite Verfügbarkeit von Insulinen wichtig, was sich im Engagement der Stiftung in Tansania zeigt.

Statt eines Vorwortes

Für alle, die Vorworte normalerweise nicht lesen, die freundliche Aufforderung, es dennoch zu versuchen.

Fettspeicher führen zur Stoffwechselkrise.

Weltweit wird sich die Zahl der DiabetikerInnen bis 2025 von jetzt 150 auf 300 Millionen erhöhen (Schätzungen der WHO). Der explosionsartige Anstieg von Typ-2-Diabetes hat mehrere, miteinander verknüpfte Ursachen: generelle Zunahme der Häufigkeit von Übergewicht (Adipositas), abnehmende körperliche Aktivität in unserem Zeitalter von Aufzügen, Auto und Fernsehen sowie genetische Prädispositionen. Das Überleben der Menschen über Tausende von Generationen war bei dem selten überreichlichen Nahrungsangebot, wie es die Wildnis bot, nur mit einem bestimmten Stoffwechselprofil – der Energiespeicherung in Form von Fett – möglich. Heute, in Zeiten von Nahrungsüberfluss und sitzender Existenz, kommt es zur Stoffwechselkrise, weil immer mehr dieser einstmals lebensnotwendigen Fettspeicher nicht mehr verwertet werden können.

Grundlagen der Diabetesbehandlung: Abbau von Übergewicht und Steigerung der körperlichen Aktivität.

Trotz aller Technik der Diabetesdiagnostik, der Blutzuckerbestimmung und der Verbesserungen im medikamentösen Bereich blieben zwei Aspekte der Diabetesbehandlung über Jahrzehnte erhalten und sind auch heute noch in jedem Diabeteskonzept vertreten: Abbau von Übergewicht durch gesunde und vernünftige Ernährung und Steigerung der körperlichen Aktivität. In den meisten Fällen sind ein Besinnen auf die Grundlagen der Ernährung sowie eine angemessene regelmäßige körperliche Aktivität die wichtigsten Schritte nicht nur direkt nach dem Zeitpunkt der Diabeteserfassung, sondern während des ganzen Lebens mit Diabetes.

Die heilende Kraft des Gesprächs.

Wie können Sie Selbstverantwortung in Ihre Diabetesbehandlung einbringen? Eine mögliche, ganzheitliche Antwort gibt Goethe, der an erster Stelle die heilende Kraft des Gesprächs stellt:

»Die größten Geheimnisse, Kräfte und Wirkungen liegen verborgen in verbis, herbis und lapidibus.«

Diese dichterische »Rezeptur« möchten wir für Sie in diesem Typ-2-Diabetesbuch umsetzen: In Worten (verbis) versuchen wir, Ihnen das Wissen und die Kraft zur Selbstverantwortung in der Diabetesbehandlung zu geben, das Geheimnis der Pflanzen (herbis) in Empfehlungen zu guter Ernährung umzusetzen und mit dem Gestein (lapidibus) nicht nur Bergsteigen zu empfehlen, sondern Bewegung und körperliche Aktivität mit dem nicht ganz einfachen, steinigen Weg darzustellen.

Bei Diabetes muss der ganze Mensch behandelt werden, nicht nur der zu hohe Blutzucker!

Weshalb sind mir persönlich diese scheinbar einfachen und in der heutigen Diabetologie – angesichts moderner Medikamente und Technologien – kaum noch als erwähnenswert anzusehenden Komponenten so ans Herz gewachsen? Als Arzt bin ich seit 1955 in der Diabeteswelt tätig und habe vermutlich jährlich etwa 1000 Menschen beraten. Mein Ziel war dabei stets, von jedem Einzelnen so viel zu erfahren und zu lernen, dass ich jedem einen individuellen Behandlungsplan vermitteln konnte. Erst wenn die natürliche Behandlung des Typ-2-Diabetes mit gesunder, ausgewogener Ernährung und einem körperlich aktiv gestalteten Alltag nicht mehr fruchtete, war das Insulin ein Rettungsanker. Der Diabetespionier Elliott P. Joslin hat mich in den 50er Jahren gelehrt, global zu denken und den Diabetiker/die Diabetikerin als ganzen Menschen zu sehen – und nicht nur einseitig den Blutzucker zu behandeln.

Trotz neuer Diabetesmedikamente sind Ernährung und Aktivität die wichtigsten Behandlungsmethoden.

Groß war die Überraschung und Freude, als 1956 die ersten Sulfonylharnstoffe in der amerikanischen Joslin-Klinik zur Anwendung kamen. Da gab es »insulinresistente« Typ-2-Patienten, bei denen 80 oder 100 Einheiten Insulin durch 2-3 Tabletten ersetzt werden konnten! Aber bei aller Euphorie hat Joslin immer wieder darauf hingewiesen, dass jede neue Therapie nur eingeführt werden dürfe, wenn sie auf Dauer kein gesundheitliches Risiko zeige. Das galt für Tabletten ebenso wie für die vielen neuen Insuline, die Ernährungsprogramme, aber auch für die Behandlungsmethoden der Langzeitfolgen des Diabetes. Ernährung und körperliche Aktivität blieben bei all diesen Fortschritten auf dem Gebiet der Medikamente zu jeder Zeit die ersten und wichtigsten Behandlungsmethoden.

Vor 30 Jahren stand ich vor der Aufgabe, einem jungen Zeichner, der nicht viel von Diabetes wusste, mit einfachen Worten den Charakter und die Auswirkungen dieser Stoffwechselstörung zu erklären. Gemeinsam versuchten wir, in 60 Farbgrafiken einfach, aber ausdrucksstark darzustellen, welchem Rhythmus Blutzucker und Insulin folgen und in welchen Lebensbereichen sich der Diabetes besonders intensiv spürbar macht. Die von Goethe zitierten »Geheimnisse, Kräfte und Wirkungen« sollten auf künstlerische Weise in Bilder übersetzt werden. Wir haben aus diesen »alten« Originalen Abbildungen für unseren Ratgeber ausgewählt, um Ihnen zu zeigen, dass auch heute das wissensvermittelnde und einfühlsame Gespräch im Zentrum der Diabetesberatung stehen soll. Denn nur wer weiß, wie facettenreich und komplex Diabetes eigentlich ist, kann letztlich die Selbstverantwortung für seine persönliche Behandlung übernehmen. Die Abbildungen stehen aber auch für die unveränderte Position mancher Werte, in unserem Fall die wichtige Stellung, die natürliche Behandlung mit Ernährung und Bewegung nach wie vor einnimmt.

Wissen bringt Sicherheit.

Wissen bringt Sicherheit, Nichtwissen Ängste. Nehmen Sie sich daher Zeit, aus diesem primär für Sie, aber auch für Ihren Arzt, Ihre Ärztin und Ihre DiabetesberaterInnen konzipierten Ratgeber eine ganz individuelle Langzeitplanung Ihrer Diabetesbehandlung zu erarbeiten. Weitgehend liegt es an Ihnen selbst, diese dann auch in die Hand zu nehmen und im Alltag praktisch umzusetzen. Nehmen Sie sich genügend Zeit, um sich an einigen Abenden oder einem ruhigen Wochenende mit Ihrem persönlichen Diabetes in die Welt von Selbstverantwortung und Selbstbestimmung einzuleben. Ihr »Zuckerbegleiter« wird Ihnen diese Aufmerksamkeit danken.

Mit dieser Vision ist das vorliegende Buch überholt worden, um einer deutschsprachigen europäischen Bevölkerung mit Herz, Kopf und Verstand zu einer lebensverlängernden Gesunderhaltung zu verhelfen.

Arthur TeuscherBern, im Juni 2006

Diabetes auf einen Blick

Welche Formen von Diabetes gibt es?

Typ-1-Diabetes

Häufigkeit ca. 10%; eine Zerstörung der Inselzellen durch Antikörper führt zu absolutem Insulinmangel. Die Insulinbehandlung ist lebenswichtig.

Typ-2-Diabetes

Häufigkeit ca. 80%; relativer Insulinmangel mit ungenügender Insulinwirkung in den Körpergeweben. Eine Behandlung ist in der Regel ohne Insulin möglich.

Schwangerschaftsdiabetes

Häufigkeit ca. 2%; während der Schwangerschaft tritt erstmals eine gestörte Glukosetoleranz oder ein Typ-2-ähnlicher Diabetes auf, in der Regel mit Blutzuckernormalisierung nach der Geburt.

Diabetes-Sonderformen

Pankreasentzündungen, Tumoren, zystische Fibrose, Hormonstörungen u.a.

Wie wird Diabetes diagnostiziert?

Mit Blutzuckermessung

Vollblut kapillar (Fingerblut): Für Screening-Zwecke (Praxis), Home-glucose-monitoring.

Vollblut venös (für die epidemiologische Forschung, hierzulande selten).

Plasma kapillar (vom Finger): Für Screening-Zwecke (Praxis), Home-glucose-monitoring.

Plasma venös: Für medizinische und rechtliche Dokumentation (Referenzlabor).

Grenzwerte, ab denen ein Diabetes feststeht, zeigt Ihnen die Tabelle rechts. Die Diagnose sollte nicht aufgrund eines einzelnen erhöhten Blutzuckers gestellt werden. Ein Einzelwert erfordert den Nachweis typischer Symptome oder einen weiteren erhöhten Blutzucker an einem folgenden Tag, bestimmt im Plasma aus Venenblut.

Diagnostische Grenzwerte für Diabetes (Nationale Versorgungs-Leitlinie Diabetes mellitus Typ 2, 2002)

Risikofaktoren für Diabetes

Diabetes in der Familie

Übergewicht

45 Jahre und älter

Erhöhter Blutzucker in der Vergangenheit

Blutdruck 140/90 und höher

Cholesterin erhöht

Blutfette erhöht

Blutzucker erhöht während der Schwangerschaft

Afrikanische oder asiatische Herkunft mit industrialisierter Lebensweise.

Vorbeugung und Frühbehandlung mit ballaststoffreicher und fettreduzierter Kost, mehr Bewegung, aktiver Entspannung und einigen Kilogramm Gewichtsabnahme.

Langzeitfolgen des Diabetes

Herzinfarkt

Hirnschlag

Durchblutungsstörungen der Unterschenkelarterien

Augen: diabetische Retinopathie

Nieren: diabetische Nephropathie

Nerven: diabetische Neuropathie

Diabetischer Fuß: Nerven, Arterien; mit Infektionen oder nach Verletzungen.

An wen richtet sich dieser Ratgeber?

Dieser Ratgeber richtet sich grundsätzlich an alle, die bei einem Arztbesuch mit der Diagnose »Diabetes« konfrontiert werden und sich über diese Krankheit genauer informieren möchten.

Man unterscheidet bei Diabetes zwei Typen: den obligatorisch insulinabhängigen Typ-1-Diabetes und den Typ-2-Diabetes, der durch Ernährungsanpassung allein und im Bedarfsfall zusätzlich mit blutzuckersenkenden Tabletten oder mit Insulin behandelt werden kann. Beide Diabetestypen haben zwar einiges gemeinsam, sind aber letztlich doch sehr verschieden, was die Behandlung anbelangt. Dieser Ratgeber wurde vor allem für die Zielgruppe der Typ-2-DiabetikerInnen konzipiert und stellt ausführlich die Behandlungsbereiche Ernährung, Bewegung, Tabletten, Insulin und Blutdruck vor. Sie vermittelt allen DiabetikerInnen mit oder ohne Insulin die wichtigsten Grundlagen zur Behandlung.

Zwei Drittel unserer Zielgruppe sind zum Zeitpunkt der Diagnose »Typ-2-Diabetes« 65 Jahre oder älter. Häufig sind die Diabetessymptome wenig ausgeprägt, sodass sie erst sehr spät oder – in fast der Hälfte aller Fälle – gar nicht erkannt werden. Dabei ist die Früherfassung jedoch enorm wichtig, denn bei Diabetes können nach Jahren Langzeitfolgen auftreten. Dazu gehören Veränderungen an den arteriellen Blutgefäßen, erhöhter Blutdruck und Risiko für Herz- und Hirnschlag. Spezifisch werden Augen, Nieren, Nerven und Füße betroffen. Diese Langzeitfolgen beginnen bei ungenügender oder fehlender Blutzuckerkontrolle in der Regel nach 10 bis 20 Jahren.

Ein gut informierter Typ-2-Diabetiker im Vergleich mit einem nicht informierten: Eine möglichst günstige Zuckerbilanz schützt ihn vor Zuckerverlusten und Langzeitschäden.

Um die Zusammenhänge von Diabetes und Langzeitfolgen zu erkennen, sind grundlegende Informationen notwendig. Nur wer richtig informiert ist und weiß, was bei Diabetes im Körper vor sich geht, kann richtig damit umgehen, in Krisensituationen rechtzeitig und richtig reagieren und auf lange Sicht erfolgreich Langzeitfolgen vermeiden.

Bei der Behandlung des Typ-2-Diabetes spielen Sie als PatientIn daher mehr denn je eine tragende Rolle: Grundsätzlich »managen« Sie Ihren Diabetes im Alltag selbst. Sie bestimmen die Qualität der Diabeteskontrolle, indem Sie sich gesund ernähren, ausreichend bewegen, Ihren Blut- oder Harnzucker selbstständig kontrollieren und eventuell Ihre Medikamentendosis anpassen (siehe auch Literatur).

Der Arzt oder die Ärztin unterstützt Sie dabei, indem er oder sie Ihnen Informationen gibt, Sie über Medikamente und Behandlung aufklärt und die nötigen Untersuchungen macht. Daher ist es von großer Bedeutung, dass auch der Arzt oder die Ärztin nicht nur die medizinischen, sondern ebenfalls die im Alltag auftretenden »praktischen« Probleme kennt.

Alle wichtigen Informationen werden für Sie auf den folgenden Seiten möglichst ausführlich dargestellt. Allerdings muss ein Gespräch mit dem Arzt oder der Ärztin, gerade wenn es Probleme oder Unsicherheiten gibt, auf jeden Fall stattfinden. Daher ist dieses Buch nicht nur an Sie als DiabetikerIn, sondern auch an alle behandelnden ÄrztInnen gerichtet, die sich in ihre diabetischen Patienten und Patientinnen einfühlen wollen und sich besser und intensiver mit dem Thema Typ-2-Diabetes in der Alltagspraxis auseinandersetzen möchten. Sie haben somit die Möglichkeit, Ihre PatientInnen sachlich, kompetent und vor allem praxisorientiert über deren Diabetes informieren zu können. Sie erhalten außerdem aktuelle Informationen zu Studienergebnissen wie z. B. der UKPDS (United Kingdom Prospective Diabetes Study), einer groß angelegten Langzeitstudie zum Typ-2-Diabetes, und können persönliche Empfehlungen mit Hilfe dieses Buches in der Sprechstunde vermitteln.

Dieser Ratgeber richtet sich daher an:

Typ-2-DiabetikerInnen, die sich aktiv mit der Diagnose Diabetes auseinander setzen und ihre zukünftige Behandlung mitbestimmen wollen. Nur wer die Zusammenhänge und Hintergründe von Diabetes kennt, kann entsprechend handeln und seine Lebensqualität selbst mitbestimmen.

Praktizierende ÄrztInnen, die sich in den Diabetesalltag ihrer PatientInnen hineinversetzen und zugleich praktische Anleitung, moderne Richtlinien und Empfehlungen erhalten wollen. Dieser Ratgeber bietet eine gute Übersicht über den Dschungel an Zielwerten, Grenzwerten, Medikamenten und Behandlungsmethoden.

Erst in zweiter Linie an Typ-1-Diabetiker-Innen, die an Grundlagen über Ernährung, Insulin und Blutzucker sowie an Empfehlungen für den Diabetesalltag und für besondere Situationen interessiert sind. Auch bei Typ-1-Diabetes gilt: Mit guter Diabeteskontrolle treten Langzeitfolgen seltener auf.

Diabetes – was heißt das?

Bei Ihrem letzten Arztbesuch wurde ein zu hoher Blutzuckerwert festgestellt oder sogar schon ein Diabetes diagnostiziert. Was genau das bedeutet und vor allem, was Sie selbst aktiv tun können, um Ihren Blutzuckerwert zu senken und diabetischen Langzeitschäden vorzubeugen, erfahren Sie in diesem Kapitel.

Sie haben Diabetes: Was heißt das?

Die Zuckerkrankheit war schon im Mittelalter bekannt. Die Ärzte diagnostizierten sie, indem sie den Urin des Patienten abschmeckten. War er süß, so war der Zucker zu hoch, denn ab einer bestimmten Höhe scheidet der Körper den überflüssigen Zucker über den Harn aus. Von dieser Zuckerausscheidung über den Urin hat die Zuckerkrankheit auch ihren Namen: Diabetes mellitus bedeutet »honigsüßer Durchfluss«.

Info

Normalerweise wird der Blutzuckerspiegel durch das in der Bauchspeicheldrüse gebildete Hormon Insulin reguliert. Beim Diabetes ist diese Regelung gestört, sodass der Blutzucker erhöht ist.

Insulinmangel und Insulinresistenz

Bei Diabetes gibt es zwei grundlegend verschiedene Formen:

Typ-1-Diabetes (absoluter Insulinmangel): Dieser wird oft auch juveniler oder jugendlicher Diabetes genannt, da er vorwiegend vor dem 30. Lebensjahr auftritt. Einen Typ-1-Diabetes kann man aber durchaus auch in späteren Jahren entwickeln. Dieser Diabetestyp entsteht als Folge einer Immunkrankheit, bei der Antikörper im Blut die Insulin bildenden Zellen zerstören, sodass ein absoluter Insulinmangel entsteht. Bei diesem Diabetestyp muss von der Diagnose an Insulin gespritzt werden.

Typ-2-Diabetes (relativer Insulinmangel infolge Insulinresistenz): Diese Diabetesform wurde früher oft als »Altersdiabetes« bezeichnet, da er häufig nach dem 40. Lebensjahr auftritt. Ebenso wie Typ-1-Diabetes kann aber auch Typ-2-Diabetes in jedem Alter auftreten, weshalb auf die oft irreführenden Bezeichnungen »Jugend- bzw. Altersdiabetes« in diesem Buch ganz verzichtet wird. Beim Typ-2-Diabetes kann die Bauchspeicheldrüse (Pankreas) zwar noch Insulin bilden, aber dessen Wirksamkeit an den Insulinrezeptoren der Zellmembranen ist vermindert. Der Transport von Blutzucker in die Gewebezellen kann deshalb nicht mehr rasch und ergiebig genug vonstatten gehen.

Info

Insulinrezeptoren sind Kanäle in den Zellmembranen, durch die u. a. Blutzucker zur Energiebildung eingeschleust wird.

Bei Typ-2-Diabetes sind die »Eintrittspforten« in die Zellen (Insulinrezeptoren) ungenügend geöffnet. Deshalb ist die Blutzuckerpassage vermindert.

Ursachen und Risikofaktoren für Typ-2-Diabetes

Genetische Disposition ist ein wichtiger Faktor: Liegt bei einem Elternteil ein Diabetes vor, so ist das Risiko für die Nachkommen, im Alter von 50 Jahren einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln, bei 5 %. Für einen Typ-1-Diabetes liegt das Risiko unter 1 %, kann aber bei familiärer Belastung ebenfalls wesentlich höher liegen.

Auch zunehmendes Alter bringt ein größeres Diabetesrisiko mit sich. Bei 70-Jährigen und Älteren finden wir eine Diabeteshäufigkeit von über 10 %.

Übergewicht ist der häufigste Risikofaktor für Typ-2-Diabetes mit Insulinresistenz: 80% der frisch diagnostizierten DiabetikerInnen vom Typ 2 sind übergewichtig. Ein hoher Zuckerkonsum ist zwar nicht die Ursache für Diabetes, doch enthalten Süßigkeiten sowie alle kalorienreichen oder fetthaltigen Produkte neben Zucker auch reichlich gesättigte Fettsäuren, die Körperfett bilden. Ein erhöhter Konsum von gesättigten Fettsäuren (aus Fetten tierischer Quelle) ist bei einer bereits vorhandenen genetischen Disposition oder bei leicht erhöhten Blutzuckerwerten ein weiterer möglicher Risikofaktor, einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln.

Übergewicht, Vererbung und körperliche Inaktivität stellen ein erhebliches Risiko dar. Gerade in der Anfangsphase des Typ-2-Diabetes kann der Blutzucker oft mit der Ernährung, Gewichtsreduktion und körperlicher Aktivität wesentlich reduziert oder sogar normalisiert werden.

Info

Falsche Ernährungsgewohnheiten, vor allem zu kalorien- und fettreiches Essen, und mangelnde Bewegung (Auto fahren, Fernsehen) führen immer mehr zu Übergewicht in der Bevölkerung. Bereits Kinder und Jugendliche sind häufig übergewichtig. Übergewicht jedoch begünstigt die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes!

WISSEN

Warum habe gerade ich Diabetes?

Bei vielen Betroffenen liegt eine familiäre Veranlagung vor, ein Grund, weshalb auch Normalgewichtige einen Typ-2-Diabetes entwickeln können.Zunehmendes Alter erhöht das Risiko für einen Diabetes.Entscheidender Risikofaktor ist das Körpergewicht: Die Gefahr, einen Diabetes zu entwickeln, ist bei Übergewichtigen, besonders im mittleren Alter, größer: Eine Gewichtszunahme von 5 kg (v. a. Bauchfett) verdoppelt das Diabetesrisiko!»Gestörter« Nüchternblutzucker von 6-7mmol/l (110-126 mg/dl) bei früherer UntersuchungBluthochdruck ab Werten von 140/90 mmHgCholesterin höher als 5 mmol/l (360 mg/dl)HDL-Cholesterin von weniger als 0,9 mmol/l (35 mg/dl)Triglyzeride höher als 2,8 mmol/l (250 mg/dl)Vorgeschichte von Schwangerschaftsdiabetes und Geburtsgewicht des Kindes von 4 kg und mehrEinige ethnische Bevölkerungsgruppen sind weniger an eine industrialisierte Lebensweise angepasst und daher hierzulande einem erhöhten Diabetesrisiko ausgesetzt.

Symptome des Diabetes

Zu hoher Blutzucker wird über den Urin ausgeschieden. Der dadurch entstehende Flüssigkeitsverlust führt zu Durst und Austrocknen.

Die »klassischen« Symptome eines Diabetes sind in der Regel ungewohnter bis quälender Durst, häufiges Wasserlassen (besonders nachts), Gewichtsverlust und allgemeine Schwäche. Weitere Symptome sind Trübsehen, schlecht heilende Hautinfektionen, auch Zahnfleischentzündungen und Infektionen der Harnwege oder häufig Juckreiz verursachende Pilzinfektionen in der Genitalgegend.

Beim Typ-2-Diabetes sind diese Symptome nicht immer so leicht erkennbar wie beim Typ-1-Diabetes, da sie meist viel weniger stark ausgeprägt sind. In vielen Fällen ist eine leichte, aber andauernde Müdigkeit und allgemeine Schwäche das einzige Anzeichen. Der Diabetes wird oft nur zufällig aufgedeckt, wenn eine Urin- oder Blutzuckeruntersuchung in der Arztpraxis Verdacht geweckt hat. Auch eine Herzkrankheit, Sehstörungen, Gefühllosigkeit in den Füßen (Neuropathie) oder offene Hautstellen mit schlechter Heilungstendenz – vor allem an den Fußsohlen (Mal perforans) – lassen auf einen Diabetes schließen.

WISSEN

Symptome des Typ-2-Diabetes

Anhaltende Müdigkeit und Schwäche ist ein häufiges Zeichen von Typ-2-Diabetes. Die Symptome Durst, häufiges Wasserlassen und Gewichtsverlust sind dagegen beim Typ-2-Diabetes oft nur schwach ausgeprägt.Schlecht heilende Wunden, vor allem an den Füßen, können auf Diabetes hinweisen.Bei älteren Erwachsenen weisen zusätzlich erhöhter Blutdruck (Hypertonie), Übergewicht, Angina pectoris und Herzinfarkt auf einen möglichen Diabetes hin.

Grenzwerte für Blutzucker

Die oben genannten Symptome oder erhöhte Laborbefunde legen den Verdacht auf einen Diabetes nahe, eine endgültige Diagnose wird aufgrund zweier deutlich erhöhter Blutzuckerwerte an aufeinanderfolgenden Tagen gestellt oder aufgrund sehr hohen Blut- und Urinzuckers bei stark ausgeprägten, »klassischen« Symptomen.

Die Nierenschwelle ist der Grenzbereich, ab dem die Kapazität der Niere, Zucker aufzunehmen, überschritten ist.

Ein Urinzuckertest (»positiv« bedeutet Nachweis von Zucker im Urin, im Gegensatz zum »negativen« Test, bei dem sich kein Zucker im Urin nachweisen lässt) ist eine Methode, um Diabetes festzustellen. Zucker im Urin ist ein klassisches Frühzeichen für zu hohen Blutzucker, besonders wenn er 1 bis 2 Stunden nach einer Mahlzeit bestimmt wird: Beim Diabetiker steigt der Blutzucker nach dem Essen übermäßig an (über 10 mmol/l bzw. 180 mg/dl), sodass die Nieren das Zuviel an Zucker über den Urin ausscheiden (die so genannte »Nierenschwelle«).

Info

Blutplasma ist der flüssige, nach Entfernen der Blutkörperchen verbleibende Anteil des ungerinnbar gemachten Blutes. Die Plasma-Werte sind ca. 10% höher als die Blutzuckerwerte des Fingerblutes (sog. kapillares Vollblut).

Eine einfache und schmerzfreie Blutzuckerbestimmung aus einem Tropfen Fingerblut deckt ebenfalls frühzeitig Diabetes auf. Diese Untersuchung kann nüchtern (8 Stunden nach der letzten Mahlzeit) am Morgen oder auch 1-2 Stunden nach einer Mahlzeit durchgeführt werden. Internationale Organisationen wie die American Diabetes Association ADA empfehlen seit 1997, eine Nüchternblutzuckermessung im Venenblutplasma durchzuführen, da diese aussagekräftiger und praxisgerechter ist als eine Blutzuckerbestimmung nach dem Frühstück.

Nierenschwelle: Ab einer bestimmten Blutzuckerhöhe (10 mmol/l oder 180 mg/dl) kommt es zum »Überfließen« des Zuckers in den Urin.

Nüchtern heißt »keine Kalorienzufuhr während mindestens 8 Stunden«. Praktischerweise wird zumeist vor dem Frühstück ein Test gemacht. Bei Erreichen oder Überschreiten dieser Grenzwerte sind weitere Untersuchungen notwendig und durch den Arzt oder die Ärztin zu beurteilen.

Üblicher Test in der Arztpraxis ist die Blutzuckerbestimmung aus kapillarem Fingerblut oder Plasma irgendwann im Tagesverlauf, eine exaktere Bestimmung erfolgt aus venösem Plasma in einem medizinisch-chemischen Labor.

Etwas Blut aus dem Finger liefert das Material für den Test.

Der bekannte Glukosetoleranztest ist zugunsten einer einfacheren und kostengünstigeren Nüchternblutzuckerbestimmung aufgegeben worden und wird nur noch in Spezialfällen angewandt. Bei diesem Test werden 75 g Glukose verabreicht und 2 Stunden später der Blutzucker bestimmt: Liegt der Wert zu diesem Zeitpunkt in einem Bereich von 8-11 mmol/l (140-200 mg/dl), so spricht man von IGT (Impaired Glucose Tolerance), »gestörter« oder verminderter Glukosetoleranz. Liegt der Wert über 11 mmol/l (200 mg/dl), so wird die Diagnose Diabetes gestellt. Eine definitive Beurteilung erfolgt aber erst mit einer zweiten Messung an einem anderen Tag (siehe → Seite 13).

Diabetes besteht, wenn der Blutzuckerwert über 11 mmol/l (200 mg/dl) liegt.

Aufgrund der Zuckerwerte entscheidet der Arzt oder die Ärztin, wie weiter vorzugehen ist. Bei nur leicht erhöhten Blutzuckerwerten bewirken eine möglichst individuell abgestimmte vollwertige Ernährung und vermehrte körperliche Bewegung bereits ein günstiges Resultat. Aufgrund mehrfacher Blutzuckerkontrollen kann entschieden werden, ob eine Behandlung mit Medikamenten notwendig ist oder nicht. Bei Übergewicht ist der Fall klar: Eine Gewichtsabnahme hat – zumindest in der Frühphase des Diabetes – große Chancen, den Diabetes ohne Tabletten oder Insulin unter Kontrolle zu bringen.

WISSEN

Blutzuckerwerte Im Auge behalten

Diese Werte sind in Ordnung

Nüchternblutzucker im kapillaren Vollblut (Finger): 6 mmol/l (110 mg/dl)Nüchternblutzucker im venösen Plasma: 7 mmol/l (130 mg/dl)Blutzucker im Laufe des Tages im kapillaren Vollblut (Finger), unabhängig von Mahlzeiten: 8 mmol/l (140 mg/dl)

Prävention durch:

ErnährungBewegungEntspannung

Bei diesen Werten brauchen Sie ärztliche Behandlung

Blutzucker im Laufe des Tages, unabhängig von Mahlzeiten: 11 mmol/l (200 mg/dl) und höher und klassische Symptome!Blutzucker im Laufe des Tages, unabhängig von Mahlzeiten: 11 mmol/l (200 mg/dl) und höher (an zwei unterschiedlichen Tagen gemessen)

Behandlung mit:

ErnährungBewegungTabletten/Insulin?

Ziele der Typ-2-Behandlung