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Pfarrer Hafer sinnt über unbekannte und meist unbenannte biblische Frauen nach und macht erstaunliche Entdeckungen, die auch für das Leben heute inspirierend sind. Er nimmt damit wichtige biblische Gestalten aus dem Niemandsland, gibt ihnen Namen und Gesicht und zeigt, wie bedeutsam Frauen schon immer waren und sind, auch wenn sie in einer Männerwelt verborgen bleiben sollten.
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Seitenzahl: 161
Veröffentlichungsjahr: 2024
Joachim PENNIG
Hafers Harem
Hafers Sicht auf meist unbekannte und oft unbenannte biblische Frauen
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Eva
Marga
Naama
Sarah
Jerobischah
Isebel
Abi
Jedida
Jiskaja
Makeda
Johanna
Maria
Lois
Nympha
Typhpista
Jerachi
Joscheba
Julia und Eleni
Gilah
Impressum neobooks
Titelbild: Joachim K. Pennig
Portraits: Joachim K. Pennig
Wir wissen es alle: Biblische Frauen wurden unterdrückt, nicht erwähnt, nur vage und oft ohne Namen benannt und waren doch viel öfter entscheidende Kraft als es den Anschein hat. Eben wie im richtigen Leben.
Das schreit nach Korrektur. Ja, ich weiß, dass ich da nicht der erste bin und nicht der einzige und vielleicht auch nicht privilegiert. Ich hatte einfach Lust dazu, weil mir beim Bibellesen zum Frühstück jeden Tag so manche Frau aufgefallen war, die dieses Schicksal ganz offensichtlich erlitten hatte und da regte sich mein Beschützerinstinkt, oder mein Gerechtigkeitsgen oder sonst irgendwas in mir und sagte, dass es Zeit ist, mich hinzusetzen und einige Gedanken zu Papier zu bringen, die mir bei der Bibellese durch den Kopf gingen. Es ist sozusagen ein Stück weiße Schrift hinter dem Bibel-Text, die ich versuche sichtbar zu machen.
Viel Spaß beim Lesen und hoffentlich auch ein bisschen Schmunzeln und Nachdenken.
Kleinostheim iJdH 2023 Joachim Karl Pennig
Eva (Gen1 und 2
Marga (Gen 4,1-24)
Naama (Gen 7-10)
Sarah (Gen 17)
Jerobischah (1.Kön 14f)
Isebel (1 Kön 21)
Abi (2.Kön 18)
Jedida (2. Kön 22)
Jiskaja (Mk 1,29-31)
Makeda (Mk 3,32)
Johanna (Lk 8,1-3)
Maria (Joh 19,25)
Lois (2. Tim1,5)
Nympha (Kol 4,15)
Jerachi (Mk14,65-72)
Joscheba (2.Chr 22,10-12)
Eleni (Röm 16,15)
Gilah (Mk 5,38-43)
Ja klar, mit IHR fängt alles an. Und wer die Bibel als Bibel liest, und sie nicht missbraucht als Biologiebuch oder Geologielexikon, oder Kochbuch oder sonst was, sondern als Glaubensbuch liest, was sie von ihrem Wesen und ihrer Entstehung her ist, der liest auch keine Zweitrangigkeit bei Eva. Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde und schuf sie als Mann und Frau. Gleichberechtigt. Beide Gottes Ebenbild. Punkt. Ende der Diskussion. Mann UND Frau!
Eva steht für die weibliche Menschheits-Seite. Und wenn wir genau hinschauen, dann fällt auf, dass DER Mensch, von Gott geschaffen, als Mann UND Frau gemacht wurde. EIN Mensch ist Mann UND Frau! Kapieren Sie das, was das heißt?
Im Hebräischen ist das "und", das "Wö" (kurz!) ein sogenannter "Verbinder". Und Wö kann "und" heißen, oder "zusammen mit", oder "verbunden mit", oder all das, was zwei Sachen miteinander verbindet. Also Mann und Frau: Eine Einheit. Gleichberechtigt. Sonst stünde da: Er schuf den Mann und ordnete ihm die Frau untergeordnet bei. Heißt es aber nicht. Es heißt vielmehr, dass Gott diesen Menschen, bestehend aus Mann und Frau, zu "seinem Ebenbild" schuf.
Genau die Leute, die so viel auf die Bibel geben, überlesen das so oft geflissentlich. Hey, das stinkt doch! Da steckt doch Absicht dahinter. Kann mir doch keiner weißmachen, dass gerade die, die es so ernst meinen mit dem Glauben, ihre Bibel nicht richtig lesen.
Gut, da ist die Sache mit der zweiten Glaubenserzählung von der Schöpfung. Nochmal so ne peinliche Sache für alle genau-Versteher, dass sie aus beiden Geschichten das herausziehen, was ihnen in den Kram passt und das andere ignorieren. So nehmen manche die 7 Tage aus der ersten Erzählung und die Rippe aus der zweiten. Und Schwups: Hat Gott die Welt in sieben Tagen gemacht und Eva aus einer Rippe vom Adam geschnitten. Ist bloß gemogelt und gelogen. Denn erstens steht das mit den 7 Tagen als Dauer der Schöpfung nicht da: Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag, bedeutet nicht, dass hier jetzt genau ein Tag um wäre sondern, dass der erste Tag der Woche jetzt geschaffen wurde. Das ist ein kleiner aber feiner Unterschied. Ums verständlicher zu sagen: Kann sein, dass Gott 10.000 Jahre gebraucht hat bis es hell war, und dann hat er den Sonntag gemacht. Weils so schön geleuchtet hat vielleicht und der Sonntag ja was mit der Sonne zu tun hat. Wie wär's damit? Also Freunde, auch hier mal genau hinsehen, schließlich wollen wir ja ehrlich bleiben. Und wenn's schon zweimal die Erzählung gibt von der Erschaffung der Welt, dann ist doch auch die Frage erlaubt warum? Und warum ist es bei der zweiten Erzählung nichts mehr mit 7 Tagen und Warum nimmt Gott in der ersten Erzählung keinen Erd-Baaz für den Menschen?
Aber schauen wir uns die zweite Erzählung ruhig auch mal an, hinsichtlich der Eva. "Und Gott der HERR sprach: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm entspricht" (Gen 2,19). Die ihm entspricht. Das heißt nicht untergeordnet, das heißt entsprechend, gleichgeordnet, ranggleich. A entspricht B in der Mathematik heißt, dass es zwischen A und B keinen Levelunterschied gibt. Verschieden aber gleichwertig! Wie konnte man das nur die ganze Zeit überlesen? Für den Ausdruck: "die ihm entspricht", verwendet das Hebräische das Wort "nägäd", wörtlich: das sich vor ihm Erhebende, was auf Augenhöhe gegenüber erscheint. Bautz, da haben wir's wieder.
Wo wir auch hinschauen, wenn wir es ehrlich tun, ist das Ergebnis immer gleich: Gott hat bei der Schaffung des Menschen in Mann und Frau keinen Wertigkeitsunterschied gemacht, wiewohl er Mann und Frau anders, differenziert schuf. Und das ist eher raffiniert, wenn man genau hinschaut.
Gut, das ist jetzt für einige Denker vielleicht zu schwierig aber: Dieser Unterschied hat viele Vorteile und gute Begründungen und kommt in der gesamten Natur vor. Aber bei anderen Dingen sind wir Menschen da nicht so brutal in der Abwertung. Nehmen wir als Beispiel mal zwei Ferrari. Der eine ist rot der andere grün. Der eine hat 10 PS weniger, der andere dafür etwas mehr Elektronik. Der eine hat Alufelgen, der andere Sportfelgen. Welcher ist der bessere Ferrari? Merken Sie, es wäre Geschmacksache hier einen Unterschied machen zu wollen. Aber kein Fachmann würde einen von beiden auf die Abschussliste stellen, nur weil sie verschieden sind. So ist das bei Mann und Frau auch. Gleich wertig aber doch in Feinheiten anders.
Der altertums-griechische Philosoph Platon hat das vermutlich auch schon so gelesen und hat dann – damit es anschaulicher wird – den Kugelmenschen daraus gemacht. Der Mensch hat beide Seiten in sich, Adam UND Eva. Wie zwei Hälften einer Kugel, die sich ergänzen zu dem EINEN vollkommenen Ganzen.
Okay, bei den Chromosomen des Mannes ist, vielleicht bei einer zu heftigen Rauferei im Suff, mal was abgebrochen, jetzt ist er nur noch verstümmelt da. Ein krummes y statt eines zweiten X. Na und? Wenn ein Sägewerksbesitzer nicht mehr alle Finger hat, gehört ihm das Sägewerk doch trotzdem noch. Und wenn an einem Baum ein einziger Ast abbricht, ist es doch trotzdem noch ein Baum. Vielleicht nicht mehr ganz so schön, aber bitte, wem macht das wirklich etwas aus?
Also: Der biblische Befund heißt: In der Eva haben wir den ganzen Menschen, wenn der Adam dazukommt und umgekehrt. Man könnte auch sagen: Bei Adam hat Gott probiert wie's geht und mit Eva zusammen hat er es dann hingekriegt und gemerkt: Das muss genau so sein! Aus vielerlei entwicklungstechnischen Gründen.
Ich weiß, dass das Einigen nicht schmecken wird, und Andere werden sagen, der biedert sich ganz schön an. Aber das ist mir Wurst. Ich lese was geschrieben steht und, wie wir wissen: Das Wort sie sollen lassen stahn! Schreibt Luther.
Die Eva ist ehrlicherweise im Paradies die menschlichere von beiden. Während der Adam ein rechter Feigling ist, will die Eva es wissen. Neugierig war des Schneiders Weib, heißt es im Märchen später auch wieder. Das ist die Menschin. Sie muss probieren, Lösungen finden, Kräuter testen ob sie essbar sind, oder für die Heilung zu gebrauchen. Sie testet die Grenzen, damit sie für die Erziehung ihrer Kinder gerüstet ist, denn sonst sieht sie alt aus gegenüber den Teenagern. Die testen nämlich alles! Sie informiert sich, um herauszufinden woher Gefahren drohen, und wie sie ihre Familie ernähren und am Leben halten kann.
Darum ist sie für die Krise gewappnet. Sie hat den Informationsvorsprung vor dem Mann. Manches hört sie beim Ratschen im Klo, manches beim Shoppen, manches im Café. Und sie trägt alles sorgfältig zusammen. Nur so ist sie in der Lage, der Familie rechtzeitig den Platz in der Gesellschaft zu sichern, den sie braucht um mithalten zu können, im Überlebenskampf.
Und das alles lesen wir bereits auf Seite 1 der Bibel, wenn wir sie als Glaubensbuch lesen und eben nicht als etwas Anderes missbrauchen. Gott hat das alles so wunderbar eingerichtet. In seiner Allmacht kann ihm auch nicht entgangen sein, wohin das führt, wie er das eingefädelt hatte. Entweder hat er dem Menschen einen Verstand gegeben, dann wird er wohl auch davon ausgegangen sein, oder auch gehofft haben, dass dieser ihn gebraucht! Und wenn er ihn gebraucht, dann war das, was wir gemeinhin als Sündenfall bezeichnen, nur eine früher oder später unausweichliche Folge. Und wer hat das gemerkt: Die Eva.
Die arme Schlange kann gar nichts dafür, wenn man mal von den sexualpsychologischen Symbolbedeutungen dahinter absieht. Sie ist dummerweise das Symbol für die phantasievolle Neugierde des Menschen geworden, der überall mal stochern will und neugierig herumschnüffeln. Aber alles war ja so angelegt in der Schöpfung. Der Adam hätte ja noch eine ganze Weile gebraucht. Männer gehorchen. Frauen tun das Naheliegende. Das steht in der Erzählung vom Paradies. Einfach, nachvollziehbar als menschliche Weisheit von der Wiege des Menschen her. Hübsch in eine Geschichte verpackt, die alle verstehen können. Wenn sie wollen, vielleicht auch, wenn sie keine Männer sind?
Dass das so stimmt, beweist auch die Tatsache, dass Gott seine Menschen über all die Jahre nirgendwo und niemals im Stich gelassen hat. Wenn das wirklich sooooo schlimm gewesen wäre, was die Eva gemacht hat, dann hätte Gott doch wohl gesagt: "Rutscht mir den Buckel runter! Macht Euren Scheiß alleine!" Und die ganze blöde Welt wäre ihn nichts mehr angegangen. Hat er aber nicht!
Von Anfang an hat er ihnen immer wieder geholfen und sie beraten und Propheten geschickt und seinen Sohn geopfert und Evangelisten eingesetzt und den Heiligen Geist in Marsch gesetzt, damit die Bibel entsteht und Gemeinden gegründet und und und …
Das tut doch nur einer, der denkt, dass das, was die Eva gemacht hat, genau das Richtige war. Es war so gedacht. So gewollt. Doch weil der Freiheitsgedanke hinter allem steht, sollten die Menschen selber draufkommen. Ist doch klar, sonst wäre es mit der Freiheit schon im Paradies nichts gewesen.
Der Adam hat das nicht geschnallt. Dem war das sogar peinlich, wie er da im Paradies etwas nackig vor Gott stand. Statt dass er Gott gesagt hätte: Danke, dass Du mir so eine taffe Eva zur Seite gestellt hast, die den Mumm hat, auch mal in Opposition zu gehen, und nicht einfach alles so hinzunehmen, wie die Mächtigen es eingefädelt haben, da steht der da, wie ein Schulbub vorm Direktor, und schlottert sich die Hosen voll, hinter seinem zipfeligen Feigenblatt.
Ja, die Schöpfung ist so, wie sie ist, von Gott gewollt. Und der Mensch laboriert jetzt, dank Eva, damit rum, wie es gedacht war. Wenn er auf die Tipps von oben ein bisschen mehr hören würde, wäre ja Alles gut auf der Welt und würde wunderbar funktionieren. Er hätte seine Freiheit, und die Welt würde nicht verrecken an seiner Dummheit. Aber dazu brauchts wahrscheinlich auch heute wieder: Die Eva. Oder sitzen vielleicht die mächtigen Männer mehrheitlich in den Kirchenbänken, oder sind es doch wieder die Frauen, die es erkannt haben und Maria 2.0 und anderes gegründet haben? Na also. Eva sei Dank.
Bemerkung:"Menschin", so heißt Eva übersetzt. Sowohl in der ersten als auch in der zweiten Schöpfungserzählung, die verschiedene Epochen und Theologien widerspiegeln, sind Adam und Eva gleichberechtigt. Wer sich also auf die Bibel bezieht und einen Unterschied machen will, hat sie nicht gelesen und sollte ruhig sein. 1. Mos 1 und 2 ist das für alle selbst zu lesen, wer’s mir nicht glaubt. Und es ist eher peinlich, dass wir – auch unter Menschen, die sich auf den christlichen Glauben beziehen – die Gleichberechtigungs-Diskussion immer noch haben.
Ich bin die Frau von Kain. Man hat mich leider nicht namentlich erwähnt in der Bibel. Dabei kann ich gar nichts dafür, was Kain gemacht hat. Erst nach seinem Mord an Abel haben wir uns kennengelernt. Er kam als Flüchtling. Verängstigt. Runtergerissen. Verschwitzt. Halb verhungert. Fast irre vor Angst. Man sah gleich, dass was nicht stimmte. Aber das hat auch mein Mitleid geweckt. Und es ist Gott, der sagt, dass ein Mensch einen Wert für sich selbst hat, als sein Geschöpf. Und ein hübscher gutaussehender Kerl war es ja! Und dann war da die Stimme in meinem Kopf: "Jemand muss sich jetzt um ihn kümmern, so verloren wie der daherkommt."
Na gut, ich hab's gemacht. Und es war nicht zu mein Schaden. Macht nicht jeder mal Mist in seinem Leben? Kain hat es bereut und bitter dafür bezahlt. Jede Nacht, so lange er lebte, wachte er auf und rief nach seinem Bruder. Das ist einfach Scheiße, wenn Du einen umbringst. Das kannst Du nicht mehr zurückdrehen. Das passiert in einem Moment im Zorn, durch Eifersucht, aus der Wut heraus, und dauert Dein ganzes restliches Leben. Eine Sekunde – und nichts ist mehr wie vorher! Nie mehr!
Hätte ich ihm keine zweite Chance geben sollen? Wir waren doch so oft glücklich und hatten Kinder und die haben uns eine große Familie beschert. Wie wunderbar. Und wer kann schon über seinen Mann sagen, dass er mit seiner Sippe eine ganze Stadt gebaut hat. Da sieht man doch, wie fleißig er war und wie mutig, und was er alles draufhatte. Das war echt keine Kaffeefahrt! Das war Organisation, und Planung, und schlaflose Nächte, und Verhandlungen, und Risiko, und in Vorleistung gehen. Und immer hat er mich gefragt, nach meiner Meinung, was ich da noch berücksichtigen würde, was für Hausfrauen und Mütter gut wäre, wo ein Spielplatz hinsoll, und welche Geschäfte es braucht, wie auch die Bedürfnisse von Kindern berücksichtigt wären und so. Ja, er hat mir voll vertraut und mich mit eingebunden und ernst genommen. In seinen Augen war ich wer. Ganz anders als das Ansehen für eine Frau sonst so ist, in der Gesellschaft. Ich denke das ist gelebte Gleichberechtigung und ernst genommener Glaube, wenn Mann und Frau zusammen etwas schaffen und jede und jeder das Beste, was er hat und weiß, dazu beiträgt. Ja, die ganzen Anfeindungen von außen haben uns innen stark gemacht.
Der Kain jedenfalls, da bin ich ganz sicher, hatte aus seinem Fehler viel gelernt. Ich will's nicht für gut erklären! Aber Fehler sind normal, und wenn man dabei klüger wird und danach um so mehr richtig macht, dann sind sie in gewisser Weise sogar lebensnotwendig.
Wir Frauen sind es, die oft so etwas wieder gut machen. Dafür werden wir dann nicht einmal mit dem Namen genannt. Was hätte denn Kain ohne mich machen sollen? Er wäre verreckt! Gott hat schließlich gesagt, dass es blöd war, aber dass er dafür nicht umgebracht werden soll. Damit habe ich ernst gemacht. Gott ist klug genug, dass er weiß, dass Rache keine Lösung, sondern nur der Beginn einer Kette von immer neuen Problemen ist. Also, wie hätte es weiter gehen sollen? Hä? Zum Glück war ich da. Ja, ich habe ihn genommen und aufgepäppelt und geheiratet, und ich würde es sofort wieder tun. Und jetzt ignorieret und verachtet man mich. So sind die Menschen.
Aber mal ehrlich: Wer von Euch hat keinen Dreck am Stecken und nur immer alles richtig gemacht? Also! Dann ist das doch wieder mal ein Fall von Diskriminierung. Oder wie würden Sie das nennen? So viele unbedeutende Namen werden in der Bibel genannt, und den Kain, den kennt doch Jede*r. Ist doch so. Aber wer hat sich mal Gedanken gemacht über mich, und wie es mir dabei geht? Typisch! Oder? Ach, da seid ihr noch gar nicht draufgekommen? Ich sag's ja. Alle versuchen immer nur immer ihren eigenen Hintern zu sehn und weil ihnen das nicht gelingt, halten sie sich für Saubermänner.
Wussten Sie z.B., dass es laut UNESCO jährlich fast 500.000 Mörder gibt? Die meisten von ihnen wandern in den Knast und sind dann für immer versaut. Nur ein Promillesatz findet danach in ein ganz normales bürgerliches Leben zurück und kann wieder ganz integriert werden. Ich habe bei Kain ein Sozialisationsprogramm erfolgreich durchgeführt. Er musste gar nicht erst in den Knast, er hat mich geheiratet. Jetzt lachen Sie nicht. Ich weiß das klingt doof. Aber es zeigt auch, wie es besser geht. Einen Menschen lieben, ihm vergeben und an die Hand nehmen und ihm eine neue Chance zeigen, das wäre wahrscheinlich auch für viele andere Knastis besser als der Bau.
Ich jedenfalls hab's geschafft mit meinem Kain. Weil ich gesehen habe, dass er nur ein Mensch ist, ein ganz normaler, der einen schweren Fehler gemacht hat. Ich wills ja gar nicht schön reden, es war Scheiße, seinen Bruder umzubringen. Und warum, das konnte er nie so ganz plausibel erklären. Das war mehr so ein Kurzschluss aus einer miesen Laune raus. Ernte im Arsch, Wetter schlecht, Maschinen verreckt, - da kann Dir der Kamm schon mal schwellen. Und dann sieht er wie der Abel selbstgefällig ein fettes Schaf opfert! Da hätt's mir vielleicht auch gelangt. Na gut so fest zuschlagen hätte er nicht müssen, dass der Abel gleich stirbt. Aber das hatte er eben da nicht mehr so ganz im Griff. Aber mich hat er nie geschlagen. Nicht einmal, nicht mal annähernd so getan als ob. Und jede Nacht hat er es gebüßt, das mit seinem Bruder. Und dann kam er zu uns gelaufen, hierher in unser Land, weil er nicht mehr ein noch aus wusste. Verstehen Sie, dass ich da helfen musste!
Ich könnt darüber ein Buch schreiben, was ich nur alles aushalten musste, weil ich einen Flüchtling geheiratet habe. Aus einem fremden Land, der anders aussah und dann habe ich auch noch Kinder mit ihm gekriegt. "Bei der langst nicht für einen Einheimischen", haben sie hinter meinem Rücken getuschelt, wenn ich auf dem Markt war. Und selbst meine Freundinnen, die sogenannten, haben über mich geredet, ich hab's am Klo zufällig gehört: "Na der muss ja gut im Bett sein, wenn sie sich an so einen hängt! Ein Krimineller ist das doch, sagt man! Eigentlich gehört er eingesperrt! Die Kinder werden alle auch kriminell sein!" Aber über die halbe Million, die Gerdi's Mann mit seinen Geldwäschegeschäften in seinem Autohaus verdient hat, da drüber haben sie nicht geredet. Oder über Manni, den Mann von Ute, der zweimal die Woche ins Puff geht. Da drüber wird geschwiegen. Das ist alles normal oder wie?
Mein Kain war noch nie im Puff und hat keine krummen Geschäfte gemacht. Geschuftet hat er, um auf einen grünen Zweig zu kommen, und Erfolg hat er gehabt, und das für mich und die Kinder und für viele andere. Eine ganze Stadt, wie gesagt hat er gebaut! So ist ein guter Mann! Aber dann hast Du die Neider auch noch am Hals. Die das Maul so groß aufreißen aber nichts in der Hose haben. Die vom Wirtshaus kommen und dann ihre Frauen prügeln. Oder ihnen nur knapp Haushaltsgeld geben, das hinten und vorne nicht reicht, damit sie jede Woche selber ins Stadion zum FC gehen können. Das hat mein Kain alles nicht gemacht.