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Mögen hätt ich schon wollen. aber dürfen hab ich mich nicht getraut", so umreißt Karl Valentin das moralische Dilemma, in dem wir uns täglich wiederfinden. Da will die achtjährige Tochter bei Facebook mitmachen, der christliche Kindergarten der muslimischen Kinder wegen auf Schweinefleisch verzichten, und die Eltern wollen ihre geschiedene Schwiegertochter nicht missen, obwohl der Sohn eine andere Frau liebt. Es sind die scheinbar harmlosen und doch so kniffligen Fragen der Entscheidung, die die Kolumnistin Petra Bahr analysiert und humorvoll auf des Pudels Kern bringt. Die Kulturbeauftragte und promovierte Religionsphilosophin ermutigt zur Gelassenheit bei Fragen des Geschmacks und zu unmisserverständlicher Parteinahme, wo es um Schutzbefohlene und Andersdenkende geht.
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Seitenzahl: 142
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Petra Bahr
HALTUNG, BITTE!
Ethische Alltagsfragen zu Facebook, Fleischkonsum und ehelicher Treue
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek. Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Redaktion
Elke Rutzenhöfer
Titelgestaltung
Kristin Kamprad, Hansisches Druck- und Verlagshaus GmbH
Gestaltung & Satz
Ellina Hartlaub, Hansisches Druck- und Verlagshaus GmbH
Illustrationen
Klaas Neumann
1. digitale Auflage
Zeilenwert GmbH 2014
© Hansisches Druck- und Verlagshaus GmbH, Frankfurt am Main 2013
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Nutzung außerhalb der Grenzen des Urheberrechts ist ohne schriftliche Einwilligung des Verlags unzulässig.
ISBN 9783869211343
Dank an Patrik Schwarz, ohne den es die Kolumne nicht gäbe.
Petra Bahr
COVER
TITEL
IMPRESSUM
DANKSAGUNG
EIN VORWORT VON PATRIK SCHWARZ
VOM ZAUBER UNERSCHROCKENER KOLUMNEN
SCHWIEGERMUTTER, PATIN UND WG:
Fragen rund um Familie und Erziehung
TABUZONE TELEFON
VERGEBEN IST NICHTS FÜR FEIGLINGE
NERVIGES SPIELZEUG
DIE SCHWIEGERMUTTER
NOCH MAL PATIN? NEIN!
SCHWESTERLIEBE
INSELN DES SCHMERZES
FAMILIENFEST MIT DER NEUEN
EINSAM AM KLAVIER
ABSCHALTEN!
FREIHEIT AUF ZEIT
HILFE, SIE BLÜHT AUF!
BLÖDE PUTEN
IM ELTERNSCHATTEN
KINDERSEGEN
ALTERNDES EGO
WEIHNACHTSWUNDER
OMA IST VERWANDELT
TRAUERFEIER-AUSLADUNG
IM DURCHSCHNITT TOLL
WG-GERECHTIGKEIT
VEGETARIER, SELBSTMÖRDER UND INTERNET:
Fragen rund um Alltag und Beruf
DAS HERZ ISST MIT
SEELENMÜLLEIMER
EHRLICHKEIT IST BESSER
BAR JEDER VERNUNFT
SICH SELBST TREU SEIN
WOHNUNG EINES SELBSTMÖRDERS
SEIEN SIE GERNE REICH!
KEIN KINDERSPIEL
TRAUERBEGLEITUNG IM BÜRO
ERFOLG MIT ETHIK
VOLLES STIMMRECHT
DREISSIG PAAR SCHUHE?
DURCH DIE BLUME
GEBEN UND NEHMEN
DÄMLICHE DAME
SIEZGELEGENHEIT
INTERNET-MOBBING
ELTERNABEND FÜR VÄTER
STÜRMER UND DRÄNGLER
MARIA, KIRCHENSTEUER UND ATHEISTENBESTATTUNG:
Fragen rund um Religion und Kirche
SPENDEN STATT KIRCHENSTEUER?
HEILIGER UNGEHORSAM
SEELENFÄDEN SPINNEN
ZWEIFELN IST ERLAUBT
MARIA FÜR EVANGELISCHE
BESTATTUNG EINES ATHEISTEN
KONFIRMATIONSPARTY
GOETHES SEHNSUCHT
FEEL FREE
KATHOLISCHER HIMMEL
ST. MARTIN LUTHER
DER HEILIGE GEIST EIN GESPENST?
IST RELIGIONSUNTERRICHT MISSION?
BANK ODER ZELT
REDEN STATT STREIKEN
WC UND WÜRDE
KORAN, PLAGIATE UND DIE ENERGIEWENDE:
Fragen rund um Politik und Gesellschaft
RENT A MOTHER!
AUTO UND AUTONOMIE
TOTAL INTEGRIERT
WÜRDE WÄRMT
GEISTIGER DIEBSTAHL
ORGANSPENDER JESUS?
SPIEL NICHT MIT DEN SCHMUDDELKINDERN
LIEGE AUF LAMPEDUSA
KINDER IM SCHATTEN
SCHÄUBLE UND DER RELIGIONSGIPFEL
UMSTRITTENER SCHNITT
DRECKIGE THESEN
BÜRGER UNTER STROM
KORAN GESCHENKT
BAUEN SIE BRÜCKEN!
FLEISCHLOSER KINDERGARTEN
ASOZIALE NETZWERKE
UNSER SOHN WILL ZUR BUNDESWEHR
SCHWARM OHNE MORAL
STRÄFLICH MÜTTERLICH
DER FREMDLESER
MITHÖREN NERVT
ÜBER DEN AUTOR
Es gibt keine Frage, auf die sie nicht eine Antwort hätte. „Liebe Dr.Petra Bahr – ich glaube, mein drittes Auge hat sich geöffnet. Bleibt das jetzt so?“, schreibt ein Leser. „Ich mag die Vereinnahmung des dritten Auges durch die Damen mit Kajal-umrandeten Augen nicht“, schreibt die Kolumnistin zurück, „aber den sechsten Sinn, der die Zeichen lesen kann, die für uns sonst unsichtbar bleiben, den haben wir, das glaube ich. Das ist vermutlich das Erbe meiner dem böhmischen Spiritismus nahestehenden Großmutter und gehört sich nicht für eine ausgenüchterte Protestantin. Also nicht weitersagen.“
Das ist Petra Bahr vom Feinsten: unerschrocken vor den zentralen wie den abgelegenen Fragen der Welt, mit leisem Spott für das gar zu Luftige (oder Kajal-kosmetisch Aufgesetzte), und trotzdem getragen von innerem Ernst im Umgang mit den Tiefen und Untiefen des christlichen Glaubens, den nur Verharmloser für eine kirchliche Biedermeierbeigabe bürgerlicher Behaglichkeit halten können.
Petra Bahrs Kolumnen – das sind versammelter Weltwitz und Pastoralernst in einem.
„Machen Sie sich keine zu großen Sorgen“, riet sie darum jenem Leser in womöglich besorgniserregendem Zustand, „das dritte Auge ist immer nur für einen schmalen Zeitspalt geöffnet, in den Ausnahmezuständen der Seele. Sogar Kant glaubte an diesen inneren Sinn!“
Diese Kolumnistin geht ins Risiko, in ihren Texten wie im wirklichen Leben. Als ich sie im Herbst 2010 fragte, ob sie nicht für die neu aufgelegte Publikation „Christ & Welt in der ZEIT“ eine Leserrubrik übernehmen wolle, war sie in Berlin bereits mehrere Jahre überaus erfolgreich als Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) tätig gewesen. Sie hatte ein beachtetes Buch über das Gewissen aus christlicher Perspektive geschrieben, galt als eine der führenden Protestantinnen ihrer Generation und hatte auch sonst wenig Anlass, sich auf Risiken einzulassen. Denn diese Kolumne – das vorauszuahnen war die Autorin erfahren genug im Medien- wie im Kirchengeschäft – würde gleich mehrfach eine kritische Frage aufwerfen: Geht das denn?
Geht das denn, als promovierte Theologin den Kummerpostkasten einer Zeitung zu übernehmen? Sich als Beauftragte für Hochkultur mit Lesersorgen von Facebook-Gebrauch bis Kindererziehung herumzuschlagen? Und, nicht zuletzt, geht es, als evangelische Frontfrau in der katholisch gefärbten „Christ & Welt“ zu schreiben? Die Beilage der ZEIT ist schließlich aus dem Rheinischen Merkur/Christ & Welt hervorgegangen und alleine schon darum nicht mit dem evangelischen Magazin chrismon zu verwechseln.
„Geht das denn?“, diese Frage könnte auch als Titel über den Kolumnen von Petra Bahr stehen, denn die abgedruckten Lesereinsendungen verbindet, dass sie allesamt Fragen an das Gewissen in seiner christlicher Ausprägung darstellen. In „Christ & Welt“ erscheinen die hier versammelten Texte unter einem Rubrikentitel, der ein Imperativ ist: „Haltung, bitte!“ Aus den „Geht-das-denn?“-Einwänden gegen Petra Bahrs Kolumnen aber spricht eine Haltung der Furcht, vor dem Leser, vor der Wirklichkeit, vor einer falsch verstandenen Konkurrenz von Katholisch und Evangelisch.
Natürlich – das darf man vermuten – ist auch Kolumnisten das Empfinden von Furcht nicht fremd. Aber – und das wiederum kann man Woche für Woche in „Christ & Welt in der ZEIT“ nachlesen – Petra Bahrs Antwort auf die Gefahren der Furcht ist einfach, beständig und zutiefst evangelisch: Haltung, bitte!
Wer aber Haltung zeigt, provoziert. Und indem sich die Kolumnistin den Provokationen ihrer Leser aussetzt, provoziert sie ihre theologischen Kollegen. Allzu oft scheut die akademische Theologie, die evangelische wie die katholische, die unausgesetzte Provokation durch die Wirklichkeit. Statt auf die Kraft ihrer Argumente aus Vernunft und Evangelium, aus Zweifeln und Glauben, aus Welt und Christ, zu vertrauen, verschanzen Theologen sich hinter Fragen, die nur wenige interessieren, und hinter Formeln, die nur wenige verstehen. Dahinter steht manchmal Dünkel, oft aber auch nur die Angst, nicht zu bestehen, wenn man auf einmal verstanden würde. Petra Bahrs Einwürfe sind darum Vorbilder für eine angewandte Theologie der Furchtlosigkeit: Theologen müssen ihren Glauben – und sich selbst – nicht verstecken, sie dürfen sich der Welt stellen.
Der Leser, wie der Gläubige, ist immer ein Risiko, denn die Wirklichkeit ist ein Risiko. Petra Bahr sucht das Risiko um der Welt willen und gibt Antworten um Gottes Willen.
PATRIK SCHWARZ,
DIE ZEIT
Fragen rund um Familie und Erziehung
FAMILIE UND ERZIEHUNG
Dürfen wir als Eltern heimlich die Kurznachrichten auf dem Handy unserer vierzehnjährigen Tochter lesen?
Welche Botschaften vermuten Sie dort? Verabredungen, Kommentare über Lehrer, Nachrichten von einem heimlichen Verehrer, Zeilen von einem Mädchen, das Sie nicht gerne in der Nähe Ihrer Tochter sähen? Für Eltern ist es nicht leicht, zuzusehen, wie die eigenen Kinder die kleinen Geräte wie Prothesen am Körper halten, immer in Kontakt zu unsichtbaren Gesprächspartnern. Wenn die Kids auf dem Sofa lümmeln, fliegen die Finger über die Tasten, wenn’s beim Abendbrot piept, springen sie wie von der Tarantel gestochen auf. „Ich hab ne Nachricht“, heißt es dann. Inhalt und Absender werden nicht erwähnt. „Texten“ ist eher eine Lebensform als eine Art, Informationen zu versenden. In den USA ist aus den Ängsten der Eltern längst ein Geschäftsmodell geworden. Mit dem Handy kann man die Kinder den ganzen Tag über orten, ihre Gespräche abhören und ihre Nachrichten mitlesen. Technisch alles kein Problem. Allerdings steht ein anderes Gut auf dem Spiel. Dieses Gut bleibt die Basis für eine gute Beziehung zwischen Kindern und Eltern: Vertrauen. Vertrauen ist ein ebenso teurer Schatz wie die Seltenen Erden in den kleinen Telefongeräten: eine wertvolle Ressource, die Sie auf keinen Fall verschleudern sollten. In der Pubertät steigt der Wert sogar noch. Frage zurück: Würden Sie denn auch im Tagebuch Ihrer Tochter lesen? Öffnen Sie ihre Briefe, falls so etwas Altmodisches dann und wann noch ins Haus flattert? Vermutlich nicht, auch wenn Sie vielleicht schon manchmal kurz davor gestanden haben. Kinder auf dem Weg zum Erwachsenwerden brauchen ihre Geheimnisse. Was würden Sie sagen, wenn Ihre Tochter Sie beim Ausspionieren erwischt? Wie wollen Sie ihr erklären, was Sie taten? Wenn es einen ernsthaften Anlass zur Sorge gäbe, wenn Sie Drogen oder gar Gewalt gegen Ihr Kind vermuten, kann es vielleicht auch einmal eine Ausnahme von der Regel geben. Wenn nicht, lassen Sie die Finger vom Telefon der Tochter. Bleiben Sie stattdessen mit Ihrem Kind im Gespräch. Nehmen Sie so gut es geht Anteil an seinem Leben. Schicken Sie Ihrer Tochter doch ab und zu auch mal eine Nachricht aus dem Büro oder von unterwegs. Sie werden staunen, wie einfallsreich Vierzehnjährige mit wenigen Worten umgehen können.
FAMILIE UND ERZIEHUNG
Vor einigen Jahren habe ich den Kontakt zu meiner Schwester abgebrochen, weil Dinge vorgefallen sind, die mich tief verletzt haben. Nun will unsere alte Mutter, dass wir uns versöhnen, bevor sie stirbt. Meiner Schwester täte alles sehr leid und sie wolle sich entschuldigen. Ich müsse ihr verzeihen, sagt meine Mutter. Muss ich das?
Verzeihung kann niemand erzwingen, nicht einmal die kranke Mutter. Aber haben Sie einmal überlegt, dass Ihre Mutter gar nicht an sich, sondern an Sie, Ihre Tochter, denkt? Wie schlimm mag das, was Ihre Schwester Ihnen angetan hat, sein, wenn Sie Ihre Wunde noch nach Jahren so gut pflegen, dass sie auf keinen Fall vernarben kann? Chronische Verletzungsschmerzen quälen ja vor allem die, die nicht verzeihen können. Unwahrscheinlich, dass für den Gesprächsabbruch nur die Schwester bezahlt, obwohl das Schweigen in einer Familie eine brutale Strafe ist. Nur machen Sie sich doch auch selbst unglücklich. Hannah Arendt, die jüdische Philosophin, die mit knapper Not der Schoah entronnen ist und es sich mit dem Vergebenkönnen wirklich nicht leicht gemacht hat, hat einmal gesagt, Verzeihen sei ein Akt der Freiheit, ohne den eine menschliche Gesellschaft nicht auskommen könne. Nur im Verzeihen sei es möglich, dass die Folgen dessen, was uns geschehen ist (und was wir anderen angetan haben), uns nicht wie eine unsichtbare Fessel binden. Die Vergangenheit ist ein Tyrann, sagt sie. Verzeihen ist ein Akt des Widerstands gegen die Übermacht der schlimmen Taten, aus denen es kein Entrinnen gibt. Im Verzeihen gewinnen wir Freiheit zum Neuanfang zurück. Vergebung erlöst vom Aufrechnen, von Rachegedanken und von dem Wunsch, es dem anderen heimzuzahlen. Die böse Tat wird im Verzeihen keineswegs verharmlost. Aber sie verliert ihre boshaften Folgen über uns. Ein tollkühner Gedanke, den die Philosophin dem Leben Jesu abringt. Vergeben ist nichts für Feiglinge. Eigentlich warten wir darauf, dass uns der befreit, der uns das Leben schwer gemacht hat. Aber dieses Warten macht passiv. Holen Sie sich Ihre Freiheit zurück, indem Sie verzeihen üben. Üben kann durchaus wörtlich gemeint sein. Vergebung ist eine Gabe, die nicht nur einmal und mit großer Geste geschenkt wird. Wenn Sie Ihrer Schwester verzeihen, ist das erlittene Unrecht nicht aus der Welt. Aber es muss sich nicht mehr in den Vordergrund spielen. So kann eine Narbe wachsen und die Beziehung heilen.
FAMILIE UND ERZIEHUNG
Meine Töchter (vier und sechs) bekommen von einer Tante immer Plastikspielzeug, das lärmt und blinkt und mir auf die Nerven geht. Am liebsten würde ich es sofort entsorgen. Mein Mann sagt, das gehöre sich nicht. Wie sehen Sie das?
Die Geschenkediplomatie braucht auch nach Weihnachten jede Menge Feingefühl. Hand aufs Herz: Welche Eltern kennen das nicht: Das eigene Reich scheint von fremden Wesen bevölkert zu sein, die man niemals selber über die Türschwelle gebeten hätte. Figuren, die blinken und Geräusche absondern, bei denen Erwachsene sich fast zu Tode erschrecken, Gummibären, die singen, sonderbare Gegenstände in grellen Farben, die nur dazu hergestellt worden sind, an den Nervenenden zu sägen. In keinem noch so gut behüteten Kinderzimmer lagern nur Bücher und Holzspielzeug. In jeder Familie scheint irgendeine Tante oder Nachbarin ein Abo auf das unliebsame Spielzeug zu haben. Nehmen Sie es vor allem nicht persönlich. Niemand will Ihre Erziehungsmethoden untergraben. Ihre Tante will nur den Großnichten eine Freude machen. Vielleicht ahnt sie auch, dass sie das Herz der kleinen Mädchen am leichtesten gewinnt, wenn sie Dinge verschenkt, die bunt, laut oder schlecht für die Zähne sind. Kinder mögen das. Wenn Ihnen das Plingpling auf die Nerven geht, können Sie ja den Einsatz des Spielzeugs auf eine Stunde pro Tag beschränken. Solange Sie mit Ihren Töchtern Zeit verbringen, wird dieser Plastikkram dem Nachwuchs nicht schaden. Die Liebe zu den Krachmachergeräten verschwindet meist so schnell, wie sie gekommen ist. Heimlich verschwinden lassen? Meinen Sie ernsthaft, die Mädchen merken das nicht? Machen Sie sich klar, dass Sie mit verächtlichen Worten auch die Tante verächtlich machen. Bleiben Sie souverän, bieten Sie den Kindern Alternativen an, wenn sie genug Rosa gesehen haben. Und setzen Sie auf den Faktor Zeit. Die Krachmachersachen halten nie lange. Haben sie ihren Batteriegeist erst mal aufgegeben und liegen stumm in der Ecke herum, werden Ihre Kinder sie selbst in der hinterletzten Ecke ihres Zimmers verstauen. Dann haben Sie Ruhe. Bis nächstes Jahr Weihnachten.
FAMILIE UND ERZIEHUNG
Mein Sohn hat ein inniges Verhältnis zu mir und seiner Familie. Seit sechs Jahren ist er – wie es aussieht glücklich – verheiratet. Doch meine Schwiegertochter ist und bleibt abweisend. Ich habe versucht, ihr mit Liebe und Großzügigkeit zu begegnen. Doch nun bin ich mit meinem Latein am Ende. Mein Sohn will nicht mit ihr reden. Soll ich die Beziehung zu ihr abbrechen?
Böse Schwiegermütter sind ein beliebtes Thema, in Krimis und beim Friseur. Warum redet eigentlich niemand über die böse Schwiegertochter? „Böse“ meint natürlich nicht dämonisch, sondern böse verletzend, schlimm belastet, vielleicht auch unerträglich. „Böse“ ist das Kurzwort für eine belastete oder gar ruinierte Beziehung. Wer sechs Jahre ohne Aussicht auf Besserung leidet, dessen Beziehungskrankheit wird chronisch. Ich kenne zwar nicht die Perspektive der Schwiegertochter, aber weil Menschen selten ohne Grund gemein oder seltsam sind, hat auch die Kälte der Frau Ihres Sohnes einen Grund. Empfindet sie die bleibend innige Beziehung ihres Mannes zu seiner Mutter und seiner Familie als Bedrohung? Oder ist sie so eine heile Familie schlicht nicht gewohnt? Offenbar haben Sie die Kränkung nicht stumm hingenommen. Sie haben die Gesten der Zurückweisung mit dem Angebot der Annäherung beantwortet. Sie haben mit Ihrem Sohn geredet, der Ihnen eine Erklärung aber offenbar schuldig blieb. Haben Sie auch mit Ihrer Schwiegertochter selbst geredet? Vielleicht ist ja die Nähe, die sich darin zeigt, dass Sie mit Ihrem Sohn über seine Frau reden, genau das Problem? Oder haben Sie gehofft, dass Ihre Schwiegertochter Teil der innigen Familienbande wird, aus der diese sich möglicherweise deshalb herauswindet? Schwiegertöchter müssen die angeheiratete Familie nicht lieben. Schwiegermütter müssen kein Freundinnenverhältnis zur Frau des Sohnes entwickeln. Wechselseitiger Respekt reicht. Doch den dürfen Sie verlangen. Leider ist es schwer, mit einem Menschen ins Gespräch zu kommen, der sich jeglicher Annäherung verweigert. Versuchen Sie es trotzdem. Sonst hilft oft ein Moratorium, eine Art Beziehungspause, um die Verletzungen heilen zu lassen. Verzichten Sie ein paar Monate darauf, Ihre Schwiegertochter einzuladen. Geben Sie sie innerlich frei. Dann sind Sie frei, ihr neu zu begegnen – und sie ist es auch.
FAMILIE UND ERZIEHUNG
Da ich selbst keine Familie habe, haben mich Freunde und Geschwister zur Patin gemacht. Ich bin gern mit Kindern zusammen, passe oft auf sie auf und begleite sie gern. Aber nun hat eine sehr gute Freundin mir wieder ein Patenamt angetragen. Mir wird das zu viel. Muss ich diese Ehre annehmen?
Ihre Geschwister, Freunde und Patenkinder sind zu beneiden. Denn sie haben eine Patin wie aus dem Bilderbuch: Sie mögen Kinder und haben offensichtlich einen Sinn für die Verpflichtung, die mit dem Patenamt verbunden ist: sich aktiv an der christlichen Erziehung der Kinder zu beteiligen. Das entlastet die Eltern in einer sehr sensiblen Frage. Dank Ihnen wissen sie, dass sie nicht alleine sind mit der Aufgabe, den Nachwuchs ins Leben zu begleiten. Für die Kinder ist die Zeit mit Ihnen sicher eine tolle Abwechslung. Im ganz normalen Chaos des Erwachsenwerdens können Sie Vermittlerin, Trösterin, Beraterin oder Zuhörerin sein, der keine Kleiderfrage zu banal und kein Liebeskummer zu unbedeutend ist. Und manchmal zu geheim, um ihn mit Eltern zu teilen. Kein Wunder, dass die Wahl bei der Suche nach der geeigneten Patin so oft auf Sie fällt. Vielleicht wollen die, die Sie lieben, Sie insgeheim auch ein wenig für die entgangenen Elternfreuden entschädigen. Als Patentante sind Sie Teil der engen Familienbande, Sie gehören dazu.