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In der heutigen Arbeitswelt kommen nahezu alle technischen Berufe in Kontakt mit öffentlichen Vergaben. Um erfolgreich an Vergabeverfahren teilzunehmen, ist ein fundiertes Verständnis der Grundprinzipien des Vergaberechts unerlässlich. Zusätzlich sind Kenntnisse des Zivilrechts erforderlich, um vergebene Verträge zu verstehen und rechtliche Risiken besser einzuschätzen zu können. Dieses Handbuch bietet eine praxisorientierte Einführung in die Grundlagen des Vergabeverfahrens und Vertragsrechts und gibt wertvolle Tipps und Empfehlungen für die praktische Umsetzung im beruflichen Alltag. Ziel ist es, Fehler im Vergabeprozess zu vermeiden, die zu einem Ausscheiden aus dem Vergabeverfahren und somit wirtschaftlichen Konsequenzen für den auftragslosen Bieter führen können. Diese Publikation richtet sich speziell an Technikerinnen und Techniker sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter technischer Unternehmen, die ihr Verständnis der rechtlichen Rahmenbedingungen von Vergaben verbessern möchten. Vergaberechtsexpertin Melissa Aspalter gibt Ihnen das nötige Rüstzeug mit, um erfolgreich an öffentlichen Ausschreibungen teilzunehmen und so Ihre Erfolgschancen bei Vergabeverfahren zu steigern.
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Seitenzahl: 126
978-3-85402-422-4
Auch als Buch verfügbar
978-3-85402-421-7
1. Auflage 2023
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ProjektManagement
Gertraud Reznicek
Lektorat
Anna Giricz
Cover – Fotocredit
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Satz/gestaltung
Martin Aschauer
Druck
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Abkürzungsverzeichnis
Vorwort
1 Vergaberecht – Was ist das?
1.1 Wozu wird Vergaberecht gebraucht?
1.2 Anwendungsbereich des Vergaberechts
1.3 Öffentliche Auftraggeber
1.3.1 Vergebende Stelle
1.4 Auftrag
1.4.1 Bauaufträge
1.4.2 Lieferaufträge
1.4.3 Dienstleistungsaufträge
1.5 Konzessionsvergabeverfahren
1.6 Ausnahmen vom BVergG 2018
1.6.1 Nichtanwendung des BVergG 2018 auf bestimmte Aufträge
1.6.2 Besondere Dienstleistungen
1.7 Rechtsquellen des Vergaberechts
1.7.1 ÖNORMEN
1.7.2 Exkurs: Suche nach Gesetzen und Verordnungen
2 Vor der Vergabe – Auf der Suche nach dem geeigneten Vergabeverfahren
2.1 Einleitung
2.2 EU-weite Veröffentlichungen – TED
2.3 Nationale Veröffentlichungen
2.4 Exkurs: Vorarbeiten
3 Arten von Vergabeverfahren
3.1 Allgemeines
3.2 Die einzelnen Verfahren
3.2.1 Das offene Verfahren
3.2.2 Das nicht offene Verfahren
3.2.3 Das Verhandlungsverfahren
3.2.4 Das dynamische Beschaffungssystem
3.2.5 Der wettbewerbliche Dialog
3.2.6 Die Innovationspartnerschaft
3.2.7 Die Direktvergabe
3.2.8 Die Rahmenvereinbarung
3.2.9 Rahmenvertrag
3.2.10 Die elektronische Auktion (kein eigenes Vergabeverfahren)
3.3 Oberschwellen- und Unterschwellenbereich
4 Die Ausschreibungsunterlagen
4.1 Aufbau einer Ausschreibung
4.2 Veröffentlichung im einstufigen und zweistufigen Verfahren
4.3 Reihung der Ausschreibungsunterlagen
4.4 Rechtsschutz – Anfechtung der Ausschreibung
5 Verfahrensbestimmungen
5.1 Inhalte von Verfahrensbestimmungen
5.2 Mögliche Fallen bei den Verfahrensbestimmungen
5.2.1 Ist das Erstangebot zuschlagsfähig?
5.2.2 Behebbare/unbehebbare Mängel
5.2.3 Formvorschriften und elektronische Signatur
5.2.4 Zuschlagskriterien
6 Eignung
6.1 Eignungskriterien
6.1.1 Befugnis
6.1.2 Berufliche Zuverlässigkeit
6.1.3 Exkurs: Problematik Strafregisterauszüge
6.1.4 Technische Leistungsfähigkeit
6.1.5 Finanzielle/wirtschaftliche Leistungsfähigkeit
6.2 Eigenerklärung
6.3 Vorlage von Nachweisen
6.3.1 Prozedere
6.3.2 eCertis
6.3.3 Liste geeigneter Unternehmer
6.3.4 Fehlerhafte Vorlage von Nachweisen
6.4 Verlust der Eignung
7 Der Leistungsvertrag
7.1 Inhalte des Leistungsvertrags
7.2 Definition der Vertragsparteien
7.3 Vertragsdauer
7.4 Abnahme der Leistung/Abnahmeprozess
7.5 Gewährleistung und Geltendmachung von Mängeln
7.5.1 Gesetzliche Grundlagen zur Gewährleistung
7.5.2 Typische Fallen und Fehler bei den Gewährleistungsregelungen
7.6 Rechnungslegung, Zahlungsmodalitäten, Wertsicherung
7.7 Verzugsregelungen
7.8 Schadenersatz/Haftung
7.9 Vertragsstrafen/Pönalen
7.10 Regelung zu bestehenden und entstehenden Immaterialgüterrechten (Urheberrecht, Patente/Gebrauchsmuster)
7.11 Kündigung/Vertragsbeendigung
7.12 Vertraulichkeit
7.13 Datenschutz/DSGVO
7.14 Anzuwendendes Recht und Gerichtsstand
7.15 Sonstige rechtliche Schlussbestimmungen
7.15.1 Salvatorische Klausel
7.15.2 Interpretationsbestimmungen zu Lasten des Bieters
7.16 Checkliste
8 Leistungsbeschreibung und technische Unterlagen
8.1 Allgemeines
8.2 Leistungsbeschreibung
8.3 Lastenheft und Pflichtenheft
8.4 ÖNORMEN als Hilfsmittel
8.5 Gleichwertige Produkte
9 Bietergemeinschaften und Subunternehmer
9.1 Allgemeines
9.2 Bietergemeinschaften
9.3 Subunternehmer
9.3.1 Hilfsunternehmer
9.4 Wechsel von Subunternehmern
10 Während der Ausschreibung – Kommunikation mit dem Auftraggeber
10.1 Fristenmanagement
10.2 Bieterfragen zur Ausschreibung
10.3 Begleitschreiben zu Angeboten
10.4 Vertiefte Angebotsprüfung
10.5 Ausscheiden
11 Das Finale des Vergabeverfahrens: Zuschlag, Unterliegen, Widerruf
11.1 Wie endet das Vergabeverfahren?
11.2 Zuschlag und Stillhaltefrist
11.3 Widerruf
12 Rechtsschutz im Vergabeverfahren: Bekämpfung von Entscheidung des Auftraggebers
12.1 Wie erfährt man von einer rechtswidrigen Vergabe?
12.2 Zuständiges Gericht
12.3 Nachprüfungsantrag
12.3.1 Interesse am Vertragsschluss
12.3.2 Entstandener oder drohender Schaden
12.3.3 Gesondert anfechtbare Entscheidungen
12.3.4 Fristen für Nachprüfungsanträge
12.4 Feststellungsantrag
12.4.1 Abgeschlossenes Vergabeverfahren
12.4.2 Wahl einer der möglichen Feststellungen
12.5 Einstweilige Verfügung
12.6 Pauschalgebühren
12.7 Schadenersatzansprüche
13 Nach der Vergabe
13.1 Abwicklung des geschlossenen Vertrages
13.2 Vertragsänderungen
13.2.1 Wesentliche Vertragsänderungen
13.2.2 Unwesentliche Vertragsänderungen
13.2.3 Prüfschema Vertragsänderungen
14 Vergaberecht in ÖNORMEN
14.1 Allgemeines zu ÖNORMEN
14.2 ÖNORM A 2050
14.3 ÖNORM B 2110
14.3.1 Vollständigkeit der Leistungsbeschreibung
14.3.2 Verbot von Mischpreispositionen
14.3.3 Bekanntgabe bedeutsamer Umstände, Besichtigung und Prüfung
14.3.4 Verweis auf andere Normen
14.3.5 Verhältnis der ÖNORM zu den Ausschreibungsunterlagen
15 Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Stichwortverzeichnis
Die Autorin
Abbildungen sind, wenn nicht anders angegeben, eigene Erarbeitungen.
Abbildung 1 RIS, https://www.ris.bka.gv.at/Bund/
Abbildung 2 RIS, https://www.ris.bka.gv.at/Bundesrecht/
Abbildung 3 Suchmaske TED,
Abbildung 4 Offenes Verfahren
Abbildung 5 Nicht offenes Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung
Abbildung 6 Nicht offenes Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung
Abbildung 7 Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung
Abbildung 8 Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung
Abbildung 9 Einheitliche Europäische Eigenerklärung, https://espd.eop.bg/espd-web/
Abbildung 10 eCertis, https://ec.europa.eu/tools/ecertis/#/search
Abbildung 11 Verpflichtungserklärung Subunternehmer
Abbildung 12 Prüfschema Vertragsänderungen
aaO
am angegebenen Ort
ABGB
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch
AGB
Allgemeine Geschäftsbedingungen
AVB
Allgemeine Vertragsbedingungen
ANKÖ
Auftragnehmerkataster Österreich
BGBl.
Bundesgesetzblatt
BlgNR
Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrats
BVA
Bundesvergabeamt
BVergG 2018
Bundesvergabegesetz 2018
BVergGKonz 2018
Bundesvergabegesetz Konzessionen 2018
B-VG
Bundes-Verfassungsgesetz
BVwG
Bundesverwaltungsgericht
CPV
Common Procurement Vocabulary
DSGVO
Datenschutzgrundverordnung
ErlRV
Erläuterungen zur Regierungsvorlage
EU
Europäische Union
EuGH
Europäischer Gerichtshof
GISA
Gewerbeinformationssystem Austria
idF
in der Fassung
LGBl
Landesgesetzblatt
LgU
Liste geeigneter Unternehmen
OGH
Oberster Gerichtshof
RIS
Rechtsinformationssystem
Rz
Randziffer
SLA
Service Level Agreement
StGB
Strafgesetzbuch
stRsp
ständige Rechtsprechung
TED
Tenders Electronic Daily
UGB
Unternehmensgesetzbuch
UStG
Umsatzsteuergesetz
UWG
Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb
vgl.
vergleiche
VPI
Verbraucherpreisindex
VwGH
Verwaltungsgerichtshof
WKStA
Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft
wobl
Wohnrechtliche Blätter
WVRG
Wiener Vergaberechtsschutzgesetz
WVPVO 2020
Wiener Vergabe-Pauschalgebührenverordnung 2020
Als ich meine zweite Stelle als Rechtsanwaltsanwärterin angetreten habe, war das Vergabeverfahren für mich ein Buch mit sieben Siegeln. Ich habe jedoch schnell bemerkt, dass die Vergabe von Aufträgen kein Thema ist, das sich aus Büchern erlernen lässt, sondern die Anwendung der rechtlichen Regelungen in der Praxis erprobt werden muss, um sie zu verstehen. Paradoxerweise habe ich nun doch mit diesem Handbuch ein Buch zur Praxis geschrieben.
Wer sich im Vergabeverfahren geschickt bewegen kann, erspart sich nicht nur viel Ärger, sondern kann auch in der grundsätzlich unterlegenen Position als Bieter viel für sich bzw. sein Unternehmen herausholen. Klar ist, dass Technikerinnen und Techniker Aufträge im Normalfall zunächst aus technischer Perspektive bearbeiten. Das hat zur Folge, dass Juristinnen und Juristen oft erst dann zu Rate gezogen werden, wenn es vergaberechtlich schon „zu spät“ ist. Ziel dieser Publikation ist, Ihnen aus rechtlicher Perspektive aufzuzeigen, wo die Fallen und Stolpersteine im Vergabeverfahren liegen, um sie vermeiden zu können, und was zu tun ist, wenn doch etwas schiefgelaufen ist.
Dafür sind nicht nur Kenntnisse des Vergaberechts, sondern auch des allgemeinen Zivilrechts notwendig. Viele Handbücher zum Vergaberecht ziehen eine scharfe Grenze zum Zivilrecht. Aus Bietersicht ist es jedoch sinnvoll, beim Prüfen von Ausschreibungen sowohl einen Blick auf die vergaberechtlichen Regelungen als auch die zivilrechtlichen Inhalte des Leistungsvertrages zu haben. Denn das Vergaberecht ist keine Rechtsmaterie im „luftleeren Raum“, sondern mit anderen Rechtsgebieten sowie den technischen Fachgebieten untrennbar verknüpft.
Bei der Aufarbeitung der verschiedenen rechtlichen Themen war mir ein Anliegen, die oft sperrigen Formulierungen der Gesetzestexte und Entscheidungen so zusammenzufassen, dass der Sinn und Hintergrund der Regelungen schnell zu erfassen ist. So können rasch Entscheidungen getroffen werden, wie mit rechtlichen Fragestellungen im Vergabeprozess umzugehen ist.
In diesem Werk habe ich versucht, eine gendergerechte Schreibweise umzusetzen. Bei Begriffen, mit denen eine Rolle im Vergabeverfahren gemeint ist (etwa „Bewerber“, „Bieter“, „öffentlicher Auftraggeber“) wird jedoch zum leichteren Verständnis die maskuline Form als Standardform verwendet.
Über Ihre Kommentare, Ihr Feedback und Ihre Verbesserungsvorschläge freue ich mich unter [email protected].
Mein besonderer Dank gilt an dieser Stelle meinen „rechtlichen Wegbereitern“ Alexander Hiersche, Martin Oder, Martin Stempkowski, Kerstin Holzinger und Wilhelm Bergthaler, die mir einerseits das rechtliche Rüstzeug, andererseits die Leidenschaft für das juristisch fundierte Arbeiten vermittelt haben.
Ebenso danke ich Gertraud Reznicek von Austrian Standards für ihre Unterstützung und ihre unermüdlichen Anstrengungen, die dieses Buchprojekt erst möglich gemacht haben. Und zuletzt gilt mein Dank meiner Familie und meinem Mann, die mich jeden Tag dazu motivieren, Neues zu wagen – etwa dieses Buch.
Wien, Juni 2023
Melissa Aspalter
Der Staat muss sich zur Erfüllung seiner Aufgaben Dinge oder Leistungen von „außen“ zukaufen: vom Druckerpapier für Büros bis zur Errichtung von Bahnhöfen oder Schulen. Um zu erkennen, wieso Vergaberecht wichtig ist, ist es am einfachsten, sich zunächst einmal eine Welt ohne Vergaberecht vorzustellen. Von wem würden öffentliche Auftraggeber wie Bund oder Länder Leistungen vorwiegend beschaffen? Vom besten Bieter? Vom günstigsten? Von dem, der mit den Entscheidungsträgern am besten bekannt ist? Von dem, der den Entscheidungsträgern am meisten „unter der Hand“ zahlt?
Vergaberecht ist also primär ein Mittel gegen Korruption, das die öffentlichen Auftraggeber zu wirtschaftlichem Handeln zwingt. Das kommt wiederum den Steuerzahlerinnen und -zahlern zugute.
An das Vergaberecht halten müssen sich öffentliche Auftraggeber bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. Um zu wissen, ob auf das jeweilige Projekt grundsätzlich Vergaberecht anzuwenden ist, muss daher geprüft werden, ob es sich
1.um einen öffentlichen Auftraggeber und
2.um einen Auftrag im Sinne des Vergaberechts handelt.
Wer öffentlicher Auftraggeber ist, ist manchmal gar nicht so einfach zu beantworten. Jedenfalls fallen darunter:
+der Bund,
+die Länder und
+die Gemeinden und Gemeindeverbände.
Der Kreis der öffentlichen Auftraggeber geht jedoch noch weiter: Als öffentliche Auftraggeber zählen auch alle Einrichtungen, die gegründet wurden, um im Allgemeininteresse liegende Aufgaben[1] nicht gewerblicher Art[2] zu erfüllen, und die zumindest teilrechtsfähig[3] sind.
Zusätzlich muss eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt sein: Sie müssen entweder
+überwiegend von öffentlichen Auftraggebern finanziert werden (z. B. Sozialversicherungskassen)[4],
+von diesen beaufsichtigt werden (z. B. vom Rechnungshof kontrollierte Ordensspitäler[5]) oder
+die Mitglieder der Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgane werden mehrheitlich von öffentlichen Auftraggebern ernannt (z. B. Österreichischer Rundfunk – ORF[6]).
Auch Verbände, bei denen mindestens ein öffentlicher Auftraggeber Mitglied ist, sind öffentliche Auftraggeber.
Ein Sonderfall sind die sogenannten Sektorenauftraggeber. Damit sind Auftraggeber gemeint, die in einem speziellen Wirtschaftssektor auftreten, der besonders geschützt werden soll. Für diese Wirtschaftssektoren soll ein gewisses Maß an Kontrolle und Transparenz der Auftragsvergabe gegeben sein. Umfasst sind einerseits öffentliche Auftraggeber, die eine Sektorentätigkeit ausüben, andererseits auch private Unternehmen, die aufgrund besonderer Rechte im Sektorenbereich tätig sind. Zu diesen Wirtschaftssektoren zählen:
+Gas, Wärme und Elektrizität,
+Wasser,
+Verkehrsleistungen,
+Postdienste,
+Förderung von Erdöl und Gas und Exploration oder Förderung von Kohle oder anderen festen Brennstoffen,
+Häfen und Flughäfen.
Für sie gelten ähnliche Regelungen wie für „klassische“ öffentliche Auftraggeber.
Manchmal wird in Ausschreibungen neben dem öffentlichen Auftraggeber auch eine „vergebende Stelle“ genannt. Damit gemeint ist eine vom Auftraggeber bevollmächtigte Organisation oder ein Unternehmen, die bzw. das das Vergabeverfahren für den öffentlichen Auftraggeber durchführt. In der Praxis sind das oft Rechtsanwaltskanzleien.
Um zur Anwendung des Vergaberechts zu kommen, muss ein öffentlicher Auftrag vorliegen. Damit ist gemeint, dass ein öffentlicher Auftraggeber in Form eines entgeltlichen Vertrages Leistungen von einem Dritten beschafft. Nicht umfasst sind hoheitliche Tätigkeiten aufgrund des „staatlichen Gewaltmonopols“, die von Privaten nicht durchgeführt werden könnten (etwa Beschaffungen durch die Erlassung von Bescheiden oder Verordnungen).
Ebenso wenig vom Vergaberecht umfasst sind unentgeltliche Verträge, bei denen der Auftragnehmer keine Gegenleistung erhält. Der Begriff der Gegenleistung ist hier aber weit zu verstehen. Erhält der Auftragnehmer beispielsweise lediglich die ihm entstehenden Kosten ersetzt, darüber hinaus aber kein Entgelt für seine Tätigkeit, kann trotzdem ein öffentlicher Auftrag vorliegen.[7]
Im Vergaberecht werden drei Arten von Aufträgen kategorisiert:
1.Bauaufträge,
2.Lieferaufträge,
3.Dienstleistungsaufträge.
Diese Kategorisierung ist deshalb wichtig, weil für unterschiedliche Arten von Aufträgen unterschiedliche Regelungen gelten. So sind etwa die Schwellenwerte[8] für Bauaufträge, da diese naturgemäß ein sehr großes Auftragsvolumen haben, viel höher als bei Lieferaufträgen.
Bauaufträge betreffen – wie bereits aus der Bezeichnung hervorgeht – Bauleistungen. Umfasst sind davon insbesondere die Leistungen, die in der „Statistischen Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft (NACE)“ unter die Einordnung „Baugewerbe“ fallen. Diese Leistungen sind auch in Anhang I zum Bundesvergabegesetz 2018 (BVergG 2018) explizit genannt und reichen von vorbereitenden Baustellenarbeiten wie Abbrüchen über Hoch- und Tiefbau, Installationsarbeiten bis zur Vermietung von Baumaschinen und -geräten mit Bedienungspersonal.
Aber auch Bauleistungen, die nicht in der Liste genannt sind, können Bauaufträge darstellen, wenn sie ein „Bauvorhaben“ betreffen. Gemeint sind damit alle Bauleistungen, die zur Erstellung eines Bauwerkes, für Revitalisierungen von Gebäuden, Umbauten, Instandsetzungen und Reparaturen bei Gebäuden notwendig sind.[9] Planungsleistungen für die darauffolgende Errichtung eines Gebäudes können Teil eines Bauauftrages sein, wenn insgesamt gesehen die Bauleistungen gegenüber den Planungsleistungen überwiegen.[10]
Lieferaufträge sind Verträge über den Kauf, das Leasing, die Miete oder Pacht von Waren. Der Begriff „Waren“ ist weit zu verstehen. Auch „unkörperliche Sachen“ (Dinge, die nicht gesehen oder berührt werden können) wie Strom und Gas sind Waren.[11] Umfasst sind auch mit dem Kauf etc. verbundene Nebenarbeiten wie das Verlegen und die Installation von gekauften Waren, z. B. der Einbau und die Inbetriebnahme gekaufter Klimaanlagen.[12]
Dienstleistungsaufträge werden nur als Auffangtatbestand definiert: Dienstleistungsaufträge sind alle Aufträge, die keine Bau- oder Lieferaufträge sind. Der Auftragnehmer erbringt dabei gegen Entgelt Dienstleistungen, z. B. Softwareprogrammierungen.
Aus verschiedenen Gründen entscheiden öffentliche Auftraggeber, dass bestimmte öffentliche Aufgaben an Private ausgelagert werden sollen. Diese „Beleihung“ soll ebenso wie die Vergabe von Leistungen einem transparenten Regime folgen. Dazu wurde das Bundesvergabegesetz Konzessionen 2018 (BVergGKonz 2018) geschaffen.
Konzessionen sind entgeltliche Verträge, mit denen ein Auftraggeber einen Unternehmer mit der Erbringung von Bau- oder Dienstleistungen beauftragt, wobei die Gegenleistung entweder in dem Recht zur Nutzung des Bauwerkes oder zur Verwertung der Dienstleistungen mit oder ohne zusätzliche Zahlung eines Preises besteht.[13] Vereinfacht gesagt: Dem Unternehmer wird erlaubt, etwas zu bauen oder eine Dienstleistung anzubieten. An diesen Leistungen hat er ein Nutzungsrecht.
Der Konzessionsnehmer („Konzessionär“) erhält daher das Entgelt für die von ihm erbrachten Leistungen nicht bzw. nicht hauptsächlich vom öffentlichen Auftraggeber, sondern durch Zahlungen von Personen, die die Leistung des Konzessionärs tatsächlich in Anspruch nehmen.[14] Klassisches Beispiel ist der Betrieb von Seilbahnen oder Sesselliften: Der Unternehmer betreibt den Schilift und erfüllt damit eine öffentliche Aufgabe. Er darf sich dafür den Erlös aus den Lifttickets behalten.
Manche Aufträge[15] sind aus besonderen Gründen von der Anwendbarkeit des BVergG 2018 ausgenommen. Dazu zählen etwa eine Reihe von Aufträgen im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich, bei denen Geheimhaltungsinteressen des Staates betroffen sind. Auch Verträge über Erwerb, Miete oder Pacht von Grundstücken oder vorhandenen Gebäuden zählen dazu.
Manche Kategorien von Aufträgen zählen zu den sogenannten „besonderen Dienstleistungen“. Auf diese Aufträge sind nur einige wenige Bestimmungen des BVergG 2018 anwendbar. Im Anhang des BVergG 2018 gibt es eine ausführliche Liste dieser besonderen Dienstleistungen. Folgende Auftragskategorien sind beispielsweise betroffen:
+Dienstleistungen für das Gesundheits- und Sozialwesen,
+Dienstleistungen im Sozial-, Bildungs-, Gesundheits- und kulturellen Bereich,
+Dienstleistungen im Rahmen der gesetzlichen Sozialversicherung,
+Beihilfen, Unterstützungsleistungen und Zuwendungen,
+Dienstleistungen von religiösen, sozialen oder politischen Vereinigungen,
+Dienstleistungen von Gaststätten und im Beherbergungsgewerbe,
+Juristische Dienstleistungen,
+Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung und kommunale Dienstleistungen,
+Dienstleistungen für Haftanstalten, Dienstleistungen im Bereich öffentliche Sicherheit und Rettungsdienste,
+Dienstleistungen von Detekteien und Sicherheitsdiensten,
+Internationale Dienstleistungen,
+Postdienste.
Bei einem Auftrag über eine solche besondere Dienstleistung sollten Bieter beachten, dass der öffentliche Auftraggeber viel größere Freiheiten genießt und nur einem „Vergaberecht light“[16] unterliegt.