Handbuch zum Asyl- und Wegweisungsverfahren - Schweizerische Flüchtlingshilfe SFH - E-Book

Handbuch zum Asyl- und Wegweisungsverfahren E-Book

Schweizerische Flüchtlingshilfe SFH

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Beschreibung

Das Standardwerk zum Asylverfahren der Schweiz Die dritte, aktualisierte und erweiterte Auflage des Handbuchs zum Asyl- und Wegweisungsverfahren bietet einen umfassenden und detaillierten Überblick über das am 1. März 2019 in Kraft getretene Schweizer Asylverfahren. Weitere Themengebiete: Sachverhaltsfeststellung und Glaubhaftmachung im Asylverfahren, nationale und internationale Rechtsmittelwege, Neuerungen in Bezug auf die Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft, der Asylgewährung und der Prüfung von Wegweisungshindernissen, die Anwendung der Dublin-Verordnung und die Härtefallregelungen. Dieses Handbuch enthält zudem eine übersichtliche Darstellung von Rechten und Pflichten, die sich aus dem jeweiligen asyl- oder ausländerrechtlichen Status oder aus der Zugehörigkeit zu einer besonderen Personengruppe ergeben. Es umfasst sowohl Grundlagen als auch aktuelle politische und rechtliche Entwicklungen. Dadurch stellt es ein praktisches und unverzichtbares Nachschlagewerk für die juristische Praxis im Asylbereich dar.

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EPUB

Seitenzahl: 1551

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Schweizerische Flüchtlingshilfe SFH (Hrsg.)

Handbuch zum Asyl- und Wegweisungsverfahren

Schweizerische Flüchtlingshilfe SFH (Hrsg.)

Handbuch zum Asyl- und Wegweisungsverfahren

3., aktualisierte und erweiterte Auflage

Haupt Verlag

3. Auflage: 2021

2. Auflage: 2015

1. Auflage: 2009

ISBN: 978-3-258-08184-7 (Buch)

ISBN: 978-3-258-48184-5 (E-Book)

E-Book Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim

Umschlaggestaltung: Konzept von Daniela Vacas, Bern

Gestaltung und Satz: Die Werkstatt Medien-Produktion GmbH, D-Göttingen

Der Haupt Verlag wird vom Bundesamt für Kultur für die Jahre 2021– 2024 unterstützt.

Alle Rechte vorbehalten.

Copyright © 2021 Haupt Verlag, Bern

Jede Art der Vervielfältigung ohne Genehmigung des Verlags ist unzulässig.

Wir verwenden FSC-Papier. FSC sichert die Nutzung der Wälder gemäß sozialen, ökonomischen und ökologischen Kriterien. Gedruckt in Deutschland

Diese Publikation ist in der Deutschen Nationalbibliografie verzeichnet. Mehr Informationen dazu finden Sie unter http://dnb.dnb.de.

Wir verlegen mit Freude und großem Engagement unsere Bücher. Daher freuen wir uns immer über Anregungen zum Programm und schätzen Hinweise auf Fehler im Buch, sollten uns welche unterlaufen sein. www.haupt.ch

Vorwort

von Walter Stöckli

Am Anfang war fast nichts. Ein Hauch von Erinnerung an das ach so volle Boot während des Zweiten Weltkrieges, eine Flüchtlingskonvention aus dem Jahr 1951, ein 1981 in Kraft getretenes Asylgesetz und drei Juristen, die 1984 an diversen Tagungen die an den Asylbefragungen teilnehmenden Hilfswerkvertreter*innen ausbildeten. Im Herbst 1984 wurden zwölf Referate zusammengestellt, die ein halbes Jahr später vom SFH-Rechtsdienst als 30-seitige Zusammenfassung herausgegeben wurden. Daraus erwuchs der blaue Gattiker, eine hellblaue Broschüre von Mario Gattiker, welche von 1989 bis 1999 unter dem Titel «Asylund Wegweisungsverfahren» in drei Auflagen vertrieben wurde. Zehn Jahre später gab die SFH ein von einem Kollektiv von Autorinnen und Autoren verfasstes Handbuch zum Asylund Wegweisungsverfahren heraus. Und heute, 37 Jahre nach den ersten Schulungsversuchen und nach unzähligen Asylgesetzrevisionen, haben Sie das Glück, dessen 3. Auflage mit über 700 Seiten vor sich zu haben.

Die Leute, die in der Seenotrettung oder in einem Auffanglager in Griechenland tätig sind, Leute, die dort helfen, wo Not am Mann, an der Frau, am Kind ist, haben ein gänzlich anderes Bild von der «Asylsituation» als wir mit unseren Paragraphen, die wir gemütlich in geheizten Wohnzimmern und Büros sitzen. Sie vergleichen die Situation auf dem Mittelmeer und an den Aussengrenzen Europas mit derjenigen eines Feuerwehrmannes, der zuoberst auf der Leiter steht, um den Menschen im fünften Stock aus dem brennenden Haus zu helfen. Statt sie so schnell wie möglich hinunter zu lassen, fragt er: «Warum sind Sie in diesem Haus? Wann und wie sind Sie hineingekommen? Zeigen Sie Ihre Hausschlüssel!» Kriegt er befriedigende Antworten, dürfen sie nach unten, wo vermeintlich das Glück, in Tat und Wahrheit aber der eigentliche Parcours beginnt. Nach dem Ausfüllen diverser Formulare und dem Beantworten unzähliger Fragen geht der Daumen rauf oder runter. Die Hälfte der vermeintlich Geretteten wird ins noch immer brennende Haus zurückspediert. So die Wahrnehmung derer, die zum Beispiel in Moria auf Lesbos mit der alltäglichen Not, dem Leid und der Traumatisierung der Überlebenden der Wüstendurchquerung, der Brutalität der libyschen Schleppermafia und der Überfahrt übers Mittelmehr zu tun haben – und die nicht können oder nicht wollen, die Not der Hilfsbedürftigen in Kategorien von solchen, die Hilfe verdienen, und solchen, denen sie zu verweigern ist, einzuteilen.

Für Sie, die Sie dieses Buch in Händen halten, geht es hingegen durch Ermitteln der Fluchtgründe darum, den Menschen, die nun als Asylsuchende in der Schweiz sind – da wo die Menschenrechte zu Hause sind und wo alles so gut, so geordnet, so rechtsstaatlich und so wohlhabend ist – zu ihrem Recht zu verhelfen. So wie die Kapitänin auf dem Mittelmeer, wie die Lagerchefs in der Türkei, auf den griechischen Inseln oder in den libyschen Auffanglagern und wie die an der Schweizer Grenze Kontrollierenden bei ihrer Tätigkeit immer auchMenschlichkeit zulassen müssen, ist es Sache von Ihnen, die Juristerei mit Menschlichkeit zu vereinen. Auf dass wenigstens für einen Teil der Angekommenen das Postkartenbild der Schweiz in Form von etwas persönlichem Glück wahr werde.

Do the right thing, jeder an seinem Platz, jede an ihrem Ort!

Walter Stöckli

Evilard, im Juli 2020.

Inhaltsübersicht

Vorwort von Walter Stöckli

Vorwort der Herausgeberin

I Die Geschichte des Asyls in der Schweiz

II Anwendbares Recht

III Die Prüfung eines Asylgesuchs: Übersicht über den verfahrensrechtlichen Ablauf und mögliche Ergebnisse

IV Das erstinstanzliche Asylverfahren

V Nichteintreten und die Zuständigkeit für die Prüfung eines Asylgesuchs («Dublin-Verfahren»)

VI Flüchtlingseigenschaft

VII Asyl (Asylgewährung, -ausschluss und -beendigung)

VIII Wegweisungsvollzugshindernisse

IX Sachverhaltserstellung, Nachweis und Glaubhaftmachung

X Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht

XI Beschwerde an internationale Instanzen

XII Rechtsstellung von Personen des Asylbereichs in ausgewählten Gebieten

XIII Wegweisungsvollzug und Zwangsmassnahmen

XIV Härtefallregelungen

XV Asylverfahren bei ausgewählten Personengruppen

Anhang

Abkürzungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

Materialienverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Verzeichnis der Autor*innen

Stichwortverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Vorwort von Walter Stöckli

Vorwort der Herausgeberin

I Die Geschichte des Asyls in der Schweiz

1 Einleitung

2 Während dem Zweiten Weltkrieg

3 Nach dem Zweiten Weltkrieg

4 Die Hilfswerksvertretung

5 Das erste Asylgesetz und die Verschärfungen

6 Die jüngste Entwicklung: Die Neustrukturierung des Asylbereichs

7 Die Schweiz als Teil von Europa

II Anwendbares Recht

1 Zuständigkeit der Schweiz

2 Landesrecht

2.1Asylrecht

2.2Ausländerrecht

2.3Allgemeines Verfahrensrecht

2.4Sozialversicherung

2.5Informationssysteme und Datenschutz

3 Völkerrecht

3.1Universelle völkerrechtliche Verträge

3.2Soft Law

3.2.1UNHCR-Empfehlungen und -Richtlinien
3.2.2Istanbul-Protokoll

3.3Verträge im Rahmen des Europarates

3.3.1Europäische Menschenrechtskonvention
3.3.2Bekämpfung von Menschenhandel und Gewalt gegen Frauen

3.4Bilaterale Zusammenarbeit

4 Gemeinsames Europäisches Asylsystem (GEAS)

4.1Entstehungsgeschichte

4.2Instrumente

4.2.1Für die Schweiz direkt verbindliche Rechtsakte
4.2.2Für die Schweiz indirekt relevante Rechtsakte

4.3Agenturen

4.3.1EASO
4.3.2Frontex

III Die Prüfung eines Asylgesuchs: Übersicht über den verfahrensrechtlichen Ablauf und, mögliche Ergebnisse

1 Allgemeines

2 Zugang zum Asylverfahren

3 Die Prüfungsreihenfolge

3.1Eintreten auf ein Asylgesuch

3.2Das Dublin-Verfahren

3.3Das materielle Asylverfahren (beschleunigtes und erweitertes Verfahren)

3.4Das Wegweisungsverfahren

3.5Formlose Abschreibung

4 Entscheide und Rechtsfolgen

4.1Der Nichteintretensentscheid (NEE)

4.2Der Asylentscheid

4.2.1Gutheissung
4.2.2Ablehnung

4.3Die Anordnung der Wegweisung

4.3.1Die Aussetzung des Wegweisungsvollzugs zugunsten einer vorläufigen Aufnahme
4.3.2Anordnung des Wegweisungsvollzugs

5 Beschwerde

6 Schutzquote

IV Das erstinstanzliche Asylverfahren

1 Einleitung

2 Asylgesuch

2.1Überblick

2.2Höchstpersönliches Recht

2.3Sachliche Zuständigkeit

2.4Örtliche Zuständigkeit

2.5Exkurs: Einreise

2.5.1Legale Einreise (humanitäres Visum)
2.5.1.1Rechtliche Grundlage und Kriterien für die Erteilung eines Visums
2.5.1.2Antragstellung
2.5.1.3Prüfung des Gesuchs
2.5.2Illegale Einreise

3 Verfahrenssprache

4 Verfahrensbeteiligte

5 Verfahrensdauer

5.1Überblick

5.2Behandlungsfristen im erstinstanzlichen Verfahren

5.3Exkurs: Rechtsverzögerung und Rechtsverweigerung

5.3.1Abgrenzung: Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung
5.3.2Rechtsverzögerung
5.3.3Rechtsverweigerung

6 Verfahrensablauf

6.1Überblick

6.2Vorbereitungsphase

6.3Dublin-Verfahren

6.4Beschleunigtes Verfahren

6.4.1Anhörung zu den Asylgründen
6.4.2Entscheidentwurf und Stellungnahme
6.4.3Eröffnung und Zustellung des Entscheids

6.5Zuteilung ins erweiterte Verfahren

6.6Zuweisung in den Kanton

6.7Exkurs: Verfahrensablauf am Flughafen

6.7.1Verfahrensüberblick
6.7.2Bewilligung der Einreise
6.7.3Vorläufige Verweigerung der Einreise
6.7.4Aufenthalt und Unterbringung

7 Die Bundesasylzentren (BAZ)

7.1Überblick

7.2Funktion der BAZ

7.3Rechte und Pflichten während des Aufenthalts in den BAZ

7.3.1Ein- und Ausgangsmodalitäten, Kontakt zur Aussenwelt
7.3.2Unterbringung, Betreuung und Verpflegung
7.3.3Arbeitsverbot, Hausarbeiten, Beschäftigungsprogramme und Freizeitangebote
7.3.4Taschengeld
7.3.5Gesundheitsversorgung
7.3.6Disziplinarmassnahmen
7.3.7Sicherheits- und Schutzmassnahmen

7.4Exkurs: Besondere Zentren

V Nichteintreten und die Zuständigkeit für die Prüfung eines Asylgesuchs («Dublin-Verfahren»)

1 Allgemeines

2 Nichteintreten – Drittstaatenfälle

2.1Sichere Drittstaaten (Art. 31a Abs. 1 lit. a AsylG)

2.1.1Kriterien für sichere Staaten für Drittstaatsangehörige
2.1.2In anderen Dublin-Staaten als schutzberechtigt anerkannte Personen

2.2Dublin-Verfahren (Art. 31a Abs. 1 lit. b AsylG)

2.2.1Der Dublin-Raum und die Assoziierung der Schweiz
2.2.2Zuständigkeitsbestimmung
2.2.2.1Unbegleitete Minderjährige
2.2.2.2Familienangehörige
2.2.2.3Aufenthaltstitel und Visum
2.2.2.4«Illegale» Einreise und illegaler Aufenthalt
2.2.2.5Visafreie Einreise und Antrag im Transitbereich eines internationalen Flughafens
2.2.2.6Abhängige Personen
2.2.2.7Zuständigkeitsbegründung durch Asylgesuchstellung
2.2.3Abweichung von der Zuständigkeitsbestimmung
2.2.3.1Selbsteintrittsrecht und humanitäre Klausel
2.2.3.2Überstellungsverbote
2.2.4Ablauf des Dublin-Verfahrens und Verfahrensarten
2.2.4.1Aufnahme- und Wiederaufnahmeverfahren
2.2.4.2Antragsfristen
2.2.4.3Antwortfristen und mögliche Konsequenzen
2.2.4.4Spezifische Rechte der Asylsuchenden in Dublin-Verfahren
2.2.5Entscheid und Überstellung
2.2.6Überstellungsfrist
2.2.7Vorgaben für den Rechtsschutz nach der Dublin-III-VO

2.3Exkurs: Dublin-Überstellungen in die Schweiz

2.4Andere Drittstaaten-Fälle

3 Nichteintreten aus anderen Gründen

3.1Art. 31a Abs. 1 lit. f AsylG

3.2Keine Eröffnung des Anwendungsbereichs des AsylG (Art. 31a Abs. 3 AsylG)

3.3Nicht bezahlter Gebührenvorschuss (Art. 111d Abs. 3 AsylG)

4 Sonderregelungen im Kontext von Nichteintretensfällen

4.1Abschreibungen statt Nichteintretensentscheid

4.2Gehörsgewährung statt Anhörung (Art. 36 Abs. 1 AsylG)

4.3Exkurs: Gehörsgewährung in materiellen Asylfällen

5 Exkurs: Sichere Heimat- und Herkunftsstaaten (Art. 6a Abs. 2 lit. a AsylG)

VI Flüchtlingseigenschaft

1 Übersicht

2 Einschlussgründe

2.1Aufenthalt ausserhalb des Heimatstaates

2.2Verfolgung

2.2.1Übersicht
2.2.2Intensität
2.2.3Gezieltheit der Verfolgung
2.2.3.1Kollektivverfolgung
2.2.3.2Reflexverfolgung
2.2.3.3Gezieltheit der Verfolgung bei Krieg und Bürgerkrieg
2.2.4Beachtung frauenspezifischer Fluchtgründe

2.3Fehlender Schutz durch den Heimatstaat

2.3.1Anforderungen an den staatlichen Schutz
2.3.2Interner Schutz

2.4Verfolgungsmotive

2.4.1«Rasse» und «Nationalität»
2.4.2«Religion»
2.4.3«Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe»
2.4.3.1Völkerrechtliche Definition
2.4.3.2Schweizer Praxis
2.4.4«Politische Anschauungen»
2.4.4.1Politische Delikte
2.4.4.2Verfolgung wegen Refraktion oder Desertion
2.4.5Abgrenzung zwischen legitimen und illegitimen Verfolgungshandlungen
2.4.6Kausalität (Nexus)
2.4.7Geschlechtsspezifische Verfolgung

2.5Begründete Furcht

2.5.1Vorverfolgung und Aktualität der Verfolgung
2.5.2Subjektives und objektives Element der begründeten Furcht
2.5.3Vermeidung der Verfolgung durch diskretes Verhalten?

3 Ausschlussgründe

3.1Übersicht

3.2Schutz durch die Vereinten Nationen

3.3Schutzunwürdigkeit aufgrund schwerer Verbrechen

3.3.1Übersicht
3.3.2Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit
3.3.3Schwere gemeinrechtliche Verbrechen
3.3.4Verstoss gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen
3.3.5Beweismass

3.4Dienstverweigerung und subjektive Nachfluchtgründe (Art. 3 Abs. 3 und 4 AsylG)

4 Beendigungsgründe

4.1Übersicht

4.2Freiwillige Unterschutzstellung

4.3Freiwilliger Erwerb einer Staatsbürgerschaft

4.4Freiwillige Rückkehr und Niederlassung

4.5Wegfall der fluchtbegründenden Umstände

4.6Erschleichen der Flüchtlingseigenschaft

VII Asyl (Asylgewährung, -ausschluss und -beendigung)

1 Übersicht

2 Asylgewährung

3 Ausschluss von der Asylgewährung

3.1Übersicht

3.2Asylunwürdigkeit

3.2.1Asylunwürdigkeit infolge verwerflicher Handlungen
3.2.2Asylunwürdigkeit infolge Gefährdung der inneren oder äusseren Sicherheit der Schweiz
3.2.3Asylunwürdigkeit infolge einer strafrechtlichen Landesverweisung
3.2.4Asylunwürdigkeit aufgrund unerlaubter Reise in den Heimat- oder Herkunftsstaat

3.3Subjektive Nachfluchtgründe

3.3.1Vorfluchtgründe und Nachfluchtgründe
3.3.2Subjektive Nachfluchtgründe im Einzelnen

3.4Ausnahmesituationen

4 Beendigung des Asyls

4.1Widerruf

4.1.1Erschleichung, Angabe falscher oder Verschweigen wesentlicher Tatsachen
4.1.2Vorliegen eines Grundes gemäss Art. 1 C Ziff. 1–6 FK
4.1.3Heimatreisen
4.1.4Verletzung oder Gefährdung der Sicherheit der Schweiz oder besonders verwerfliche Handlungen

4.2Erlöschen

4.3Rechtsfolgen

VIII Wegweisungsvollzugshindernisse

1 Allgemeines

1.1Prüfung durch SEM oder Kantone

1.2Beweisstandard und Beweislastumkehr

1.3Alternativität der Wegweisungsvollzugshindernisse versus Vorrang der Unzulässigkeitsprüfung

1.4Vorläufige Aufnahme und subsidiärer Schutz (EU)

2 Unzulässigkeit des Wegweisungsvollzugs: Völkerrechtliche Grenzen

2.1Rückschiebungsschutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention

2.1.1Persönlicher Anwendungsbereich: Refoulement-Schutz für Flüchtlinge
2.1.2Sachlicher Anwendungsbereich: Umfang der Schutzverpflichtung
2.1.3Ausnahmen vom Refoulement-Schutz gemäss Art. 33 Abs. 2 FK
2.1.4Praktische Anwendung

2.2Rückschiebungsschutz bei Folter oder unmenschlicher Behandlung

2.2.1Rückschiebungsschutz nach der UNO-Anti-Folterkonvention
2.2.2Rückschiebungsschutz nach dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte
2.2.3Rückschiebungsverbot aus Art. 3 EMRK
2.2.3.1Allgemeine Ausführungen
2.2.3.2Der Begriff der Folter, unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung oder Strafe
2.2.3.3Quellen der Gefahr
2.2.3.4Erhebliche Wahrscheinlichkeit der Gefahr («real risk»)
2.2.3.5Massgeblicher Zeitpunkt der Risikoabschätzung
2.2.3.6Kenntnis oder Kennenmüssen des wegweisenden Staates
2.2.3.7Ausgewählte Rechtsprechung zu Art. 3 EMRK

2.3Weitergehender Rückschiebungsschutz nach der Europäischen Menschenrechtskonvention

2.3.1Rückschiebungsverbot aus Art. 2 EMRK
2.3.2Rückschiebungsverbot aus Art. 4 EMRK
2.3.3Rückschiebungsverbot aus Art. 6 EMRK
2.3.4Rückschiebungsverbot aus Art. 8 EMRK

2.4Exkurs: Rückschiebungsschutz im Rahmen von Auslieferungsverfahren und bei diplomatischen Zusicherungen

2.4.1Auslieferungsverfahren
2.4.2Diplomatische Zusicherungen

3 Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs

3.1Allgemeine Ausführungen

3.1.1Der humanitäre Charakter des Vollzugshindernisses
3.1.2«Konkrete Gefährdung» und «Unzumutbarkeit»

3.2Kriegssituation und Situation allgemeiner Gewalt

3.3Medizinische Gründe

3.4Kindeswohl und Wegweisungsvollzug

3.5Gemischtnationale Ehe

3.6Kumulation von Gründen

4 Unmöglichkeit des Wegweisungsvollzugs

5 Ausschlussgründe von der vorläufigen Aufnahme

5.1Anwendung und Prüfungsreihenfolge

5.2Die Ausschlussgründe im Einzelnen

5.3Verhältnismässigkeitsprüfung

6 Beendigung der vorläufigen Aufnahme

6.1Aufhebung der vorläufigen Aufnahme

6.2Erlöschen der vorläufigen Aufnahme

IX Sachverhaltserstellung, Nachweis und Glaubhaftmachung

1 Einleitung

2 Grundsätze der Sachverhaltserstellung

2.1Untersuchungsgrundsatz

2.2Mitwirkungspflicht

2.2.1Inhalt und Umfang
2.2.2Einschränkungen bzgl. Inhalt und Umfang der Mitwirkungspflicht
2.2.3Folgen einer Mitwirkungspflichtverletzung

2.3Asylrechtliche Spezialbestimmungen

3 Rechtliches Gehör

3.1Recht auf Akteneinsicht (Art. 26–28 VwVG)

3.2Recht auf Mitwirkung am Beweisverfahren (Art. 33 VwVG)

3.3Begründungspflicht (Art. 35 VwVG)

4 Beweislast

5 Beweismass

5.1Glaubhaftmachung gemäss Schweizer Praxis

5.1.1Substanziiertheit der Vorbringen
5.1.2Schlüssigkeit der Angaben
5.1.3Plausibilität der Vorbringen
5.1.4Persönliche Glaubwürdigkeit der asylsuchenden Person

5.2Kritik und Praxisvorschlag

5.3Zu berücksichtigende Faktoren

5.3.1Hintergrund der asylsuchenden Person
5.3.1.1Alter
5.3.1.2Psychische Beeinträchtigungen, insb. Trauma und posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)
5.3.1.3Frauen
5.3.1.4Sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität (SOGI)
5.3.1.5Religion bzw. Weltanschauung
5.3.2Übermittlung von Informationen
5.3.2.1Soziokulturelle Faktoren
5.3.2.2Verdolmetschung
5.3.2.3Protokoll
5.3.2.4Hintergrund der anhörenden Person

6 Beweismittel

6.1Zulässigkeit von Beweismitteln

6.2Asylspezifische Beweismittel

6.2.1Anhörung zu den Asylgründen i. S. v. Art. 29 AsylG und ergänzende Anhörungen
6.2.2Eingereichte Dokumente und Überprüfung der Echtheit
6.2.3Medizinische Beweismittel
6.2.4Altersschätzung
6.2.5Sprach- und Herkunftsanalysen
6.2.5.1LINGUA-Analysen
6.2.5.2Herkunftsabklärung durch das SEM
6.2.6Botschaftsabklärungen
6.2.7Auskünfte und Stellungnahmen des NDB
6.2.8Herkunftsländerinformationen

7 Exkurs: Herkunftsländerinformationen (COI) im Asylverfahren

7.1Rolle von Herkunftsländerinformationen (COI)

7.2Grenzen der COI-Recherche

7.3COI-Qualitätsstandards

7.4COI-Recherche in der Praxis

7.5Nutzung von COI durch Asylbehörden in der Schweiz

X Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht

1 Das Beschwerdeverfahren (ordentliches Rechtsmittelverfahren)

1.1Zuständigkeit

1.2Anfechtungsobjekte – die Verfügungen des SEM

1.3Formlose Abschreibung durch das SEM

1.4Zwischenverfügungen des SEM

2 Besonderheiten des asylrechtlichen Beschwerdeverfahrens

2.1Überprüfungsbefugnis

2.2Partei- und Prozessfähigkeit

2.3Vertretung

2.4Beschwerdelegitimation

3 Form und Frist

3.1Fristen

3.2Formelles

3.3Aufschiebende Wirkung

3.4Behandlungsfristen

4 Spruchgremien und Urteilsarten

5 Ablauf des Beschwerdeverfahrens

6 Verfahrenskosten, Verbeiständung und Entschädigung

6.1Verfahrenskosten

6.2Unentgeltliche Rechtspflege

6.2.1Unentgeltliche Prozessführung
6.2.2Amtliche Rechtsverbeiständung

6.3Rechtsschutz in beschleunigten Verfahren

6.4Parteientschädigung

7 Ausserordentliche Rechtsmittel und Mehrfachgesuche

7.1Wiedererwägung

7.2Mehrfachgesuche

7.3Revision

XI Beschwerde an internationale Instanzen

1 Beschwerde an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)

1.1Einleitung

1.2Gegenstand der Beschwerde

1.3Zulässigkeitsvoraussetzungen

1.3.1Form der Beschwerde (Art. 45 und 47 VerfO EGMR)
1.3.2Anonymität (Art. 35 Abs. 2 lit. a EMRK)
1.3.3Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtsweges (Art. 35 Abs. 1 EMRK)
1.3.4Wahrung der Beschwerdefrist (Art. 35 Abs. 1 EMRK)
1.3.5Res iudicata/Litispendenz (Art. 35 Abs. 2 lit. b EMRK)
1.3.6Offensichtliche Unbegründetheit (Art. 35 Abs. 3 EMRK)

1.4Vorläufige Massnahmen

1.5Verfahrensablauf

1.6Tragweite der Urteile, Bindungswirkung und Umsetzung durch die Schweizer Behörden

2 Beschwerde an die UNO-Ausschüsse

2.1Einleitung

2.2Beschwerde an den UNO-Ausschuss gegen Folter (CAT)

2.2.1Gegenstand der Beschwerde
2.2.2Besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen
2.2.3Vorläufige Massnahmen
2.2.4Tragweite und Umsetzung der Entscheide

2.3Beschwerde an den UNO-Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau (CEDAW)

2.3.1Gegenstand der Beschwerde
2.3.2Besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen
2.3.3Vorläufige Massnahmen
2.3.4Tragweite und Umsetzung der Entscheide

2.4Beschwerde an den UNO-Ausschuss für die Rechte des Kindes (CRC)

2.4.1Gegenstand der Beschwerde
2.4.2Besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen
2.4.3Vorläufige Massnahmen
2.4.4Tragweite und Umsetzung der Entscheide

2.5Beschwerde an den UNO-Ausschuss gegen Rassendiskriminierung (CERD)

2.5.1Gegenstand der Beschwerde
2.5.2Besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen
2.5.3Vorläufige Massnahmen
2.5.4Tragweite der Entscheide

2.6Beschwerde an den UNO-Ausschuss gegen das Verschwindenlassen (CED)

2.6.1Gegenstand der Beschwerde
2.6.2Vorläufige Massnahmen
2.6.3Tragweite der Entscheide

3 Wahl des internationalen Gremiums

XII Rechtsstellung von Personen des Asylbereichs in ausgewählten Gebieten

1 Einleitung

2 Asylsuchende (Ausweis N)

2.1Ausweis N

2.2Anwesenheitsberechtigung

2.3Unterkunft

2.4Kantonszuweisung

2.5Kantonswechsel

2.6Erwerbstätigkeit

2.7Ausbildung

2.8Familienzusammenführung

2.9Heirat

2.10Reisen ins Ausland

2.11Soziale Sicherheit

2.11.1Sozialhilfe
2.11.2Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung
2.11.3Krankenversicherung
2.11.4Kinderzulagen

2.12Integration

2.13Exkurs: Rechtsstellung nach Einreichung von Wiedererwägungs- und Mehrfachgesuchen

3 Flüchtlinge mit Asyl (Ausweis B und C)

3.1Ausweis B und C

3.2Beendigung des Asyls

3.3Kantonszuweisung und Kantonswechsel

3.4Erwerbstätigkeit

3.5Ausbildung

3.6Familienzusammenführung

3.6.1Familienasyl
3.6.1.1Voraussetzungen
3.6.1.2Besondere Umstände
3.6.1.3Familienangehörige in der Schweiz
3.6.1.4Familienangehörige im Ausland
3.6.1.5Rechtsstellung der einbezogenen Person
3.6.2Ausländerrechtlicher Familiennachzug

3.7Reisen ins Ausland

3.8Soziale Sicherheit

3.8.1Sozialhilfe (inkl. Wohnkosten)
3.8.2Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung
3.8.3Krankenversicherung
3.8.4Kinderzulagen

3.9Integration

3.10Besonderheiten bei der Aufnahme von Flüchtlingen

3.10.1Resettlement
3.10.1.1Rechtliche und/oder physische Schutzbedürfnisse des Flüchtlings im Erstaufnahmeland
3.10.1.2Überlebende von Gewalt und/oder Folter
3.10.1.3Medizinischer Bedarf
3.10.1.4Gefährdete Frauen und Mädchen
3.10.1.5Familienzusammenführung
3.10.1.6Gefährdete Kinder und Jugendliche
3.10.1.7Kurzfristiges Fehlen anderer nachhaltiger Lösungen
3.10.1.8Verfahren und Entscheid
3.10.1.9Resettlement-Progamm der Schweiz
3.10.2Zweitasyl
3.10.3Freizügigkeit von Flüchtlingen

4 Vorläufig aufgenommene Flüchtlinge (Ausweis F)

4.1Ausweis F (Flüchtling)

4.2Aufhebung und Erlöschen der vorläufigen Aufnahme

4.3Kantonszuweisung und Kantonswechsel

4.4Erwerbstätigkeit

4.5Ausbildung

4.6Familienzusammenführung

4.7Reisen ins Ausland

4.8Soziale Sicherheit

4.9Integration

5 Vorläufig aufgenommene Ausländer*innen (Ausweis F)

5.1Ausweis F (Ausländer*in)

5.2Aufhebung und Erlöschen der vorläufigen Aufnahme

5.3Kantonszuweisung und Kantonswechsel

5.4Erwerbstätigkeit

5.5Ausbildung

5.6Familienzusammenführung

5.7Reisen ins Ausland

5.8Soziale Sicherheit

5.8.1Sozialhilfe
5.8.2Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung
5.8.3Krankenversicherung
5.8.4Kinderzulagen

5.9Integration

6 Abgewiesene Asylsuchende

6.1Wegfall der Anwesenheitsberechtigung

6.2Kantonswechsel

6.3Erwerbstätigkeit

6.4Ausbildung

6.5Familienzusammenführung

6.6Heirat

6.7Soziale Sicherheit

6.7.1Sozialhilfe/Nothilfe
6.7.2Krankenversicherung
6.7.3Kinderzulagen

6.8Integration

7 Übersicht über die asylrechtlichen Ausweise und die wichtigsten Statusrechte

8 Schutzstatus S

XIII Wegweisungsvollzug und Zwangsmassnahmen

1 Einleitung

2 Die Anordnung des Wegweisungsvollzugs

2.1Wegweisungsverfügung im Asylverfahren

2.2Ausnahmen von einer Wegweisungsverfügung im Asylverfahren

3 Einheit der Familie

4 Einreiseverbot

5 Rückkehrberatung und Rückkehrhilfe

5.1Rückkehrberatung

5.2Rückkehrhilfe

6 Zwangsweise Rückführung

6.1Voraussetzungen

6.2Vorbereitung und zuständige Behörden

6.3Anwendung von Zwangsmitteln

7 Haft

7.1Allgemeine Voraussetzungen

7.1.1Beschleunigungsgebot
7.1.2Untertauchensgefahr
7.1.3Ultima Ratio

7.2Haftarten

7.2.1Kurzfristige Festhaltung (Art. 73 AIG)
7.2.2Ein- und Ausgrenzung (Art. 74 AIG)
7.2.3Vorbereitungshaft (Art. 75 AIG)
7.2.4Die Ausschaffungshaft (Art. 76 AIG)
7.2.5Haft im Rahmen des Dublin-Verfahrens (Art. 76a AIG)
7.2.6Ausschaffungshaft wegen fehlender Mitwirkung bei der Papierbeschaffung (Art. 77 AIG)
7.2.7Durchsetzungshaft (Art. 78 AIG)

7.3Haftanordung und -überprüfung

7.3.1Haftanordnung
7.3.2Haftüberprüfungsverfahren
7.3.3Haftentlassungsgesuch
7.3.4Anspruch auf Rechtsvertretung bzgl. Haft

7.4Haftbedingungen (Art. 80, 80a, 81 AIG)

7.5Dauer der Haft

7.6Freiheitsentzug und Ausreisebereitschaft

XIV Härtefallregelungen

1 Allgemeines

2 Personen des Asylbereichs: Härtefallregelung gemäss Art. 14 Abs. 2 AsylG

2.1Voraussetzungen

2.1.1Formelle Voraussetzungen
2.1.2Schwerwiegender persönlicher Härtefall (Art. 31 VZAE)
2.1.2.1Integration der gesuchstellenden Person
2.1.2.2Familienverhältnisse
2.1.2.3Finanzielle Verhältnisse
2.1.2.4Dauer der Anwesenheit in der Schweiz
2.1.2.5Gesundheitszustand
2.1.2.6Möglichkeiten für eine Wiedereingliederung im Herkunftsstaat
2.1.2.7Offenlegung der Identität
2.1.3Keine Widerrufsgründe
2.1.4Sonderfall: Berufliche Grundbildung (Art. 30a VZAE)

2.2Verfahren

2.2.1Verfahren vor der kantonalen Behörde
2.2.2Zustimmungsverfahren vor dem SEM
2.2.3Sistierung des Wegweisungsvollzuges

3 Vorläufig Aufgenommene: Härtefallregelung gemäss Art. 84 Abs. 5 AIG

3.1Voraussetzungen

3.2Verfahren

4 Kantonale Ermessensausübung im Spannungsfeld zwischen Recht und Politik

5 Exkurs: Anspruch auf Regelung des Aufenthalts gestützt auf Art. 8 EMRK

6 Übersicht Härtefallregelungen

XV Asylverfahren bei ausgewählten Personengruppen

1 Einleitung

2 Kinder

2.1Einführung

2.2Internationaler Rechtsrahmen

2.3Nationaler Rechtsrahmen

2.4Unterbringung

2.4.1In den Bundesasylzentren
2.4.2Am Flughafen
2.4.3In den Kantonen

2.5Bildung

2.6Beistandschaft, Vormundschaft und Vertrauenspersonen

2.7Kinderspezifische Fluchtgründe

2.8Asylverfahren

2.8.1Erstbefragung
2.8.2Zuständigkeit der Schweiz
2.8.3Recht auf Anhörung
2.8.4Prozessfähigkeit
2.8.5Altersschätzung
2.8.6Dauer des Verfahrens
2.8.7Durchführung der Anhörung
2.8.8Glaubhaftigkeit
2.8.9Wegweisungsvollzugshindernisse
2.8.10Kostenvorschuss

3 Frauen

3.1Einführung

3.2Internationaler Rechtsrahmen

3.3Nationaler Rechtsrahmen

3.4Unterbringung

3.5Flüchtlingsbegriff: Geschlechtsspezifische Fluchtgründe

3.5.1Häusliche Gewalt – Zwangsheirat – Ehrenmord
3.5.2Sexualisierte Gewalt
3.5.3Weibliche Genitalverstümmelung (FGM)
3.5.4Diskriminierende Gesetzgebung
3.5.5Ein-Kind-Politik/Zwangsabtreibung/Zwangssterilisation
3.5.6SOGI

3.6Asylverfahren

3.6.1Durchführung der Anhörung
3.6.2Glaubhaftigkeit
3.6.2.1Mangel an Details
3.6.2.2Medizinische Berichte
3.6.2.3Nonverbales Verhalten
3.6.2.4Verspätete Vorbringen

3.7Wegweisungsvollzugshindernisse

4 LGBTIQ-Personen

4.1Begriffe und Definitionen

4.2Übersicht

4.3Der LGBTIQ-spezifische Verfolgungsbegriff

4.3.1Intensität der Verfolgung bei LGBTIQ-Personen
4.3.1.1Relevanz der Strafbarkeit im Herkunftsstaat
4.3.1.2Unerträglicher psychischer Druck und Diskretion
4.3.1.3Verfolgung von trans- und intergeschlechtlichen Menschen
4.3.2Gezieltheit der Verfolgung

4.4Fehlender Schutz durch den Heimat- oder Herkunftsstaat

4.5Verfolgungsmotiv

4.6Abgrenzung von Vor- und Nachfluchtgründen

5 Opfer von Menschenhandel

5.1Definition von Menschenhandel und Relevanz im Asylverfahren

5.2Verfahrensrechtliche Aspekte

6 Die Rechte von Folteropfern in Asylverfahren

6.1Verfahrenspflichten der nationalen Behörden

6.2Materielle Rechte von Folteropfern

7 Menschen mit Behinderung

7.1Übersicht

7.2Der behindertenspezifische Verfolgungsbegriff

7.2.1Intensität der Verfolgung bei Menschen mit Behinderung
7.2.2Reflexverfolgung

7.3Fehlender Schutz durch den Herkunftsstaat

7.3.1Anforderungen an den staatlichen Schutz
7.3.2Interner Schutz

7.4Verfolgungsmotiv der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe

7.5Begründete Furcht

7.6Zulässigkeit des Wegweisungsvollzugs

8 Staatenlose Personen

8.1Rechtslage

8.2Verfahren

8.3Ansprüche von als staatenlos anerkannten Personen

Anhang

Abkürzungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

Materialienverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Verzeichnis der Autor*innen

Stichwortverzeichnis

Vorwort der Herausgeberin

Das vorliegende Handbuch zum Asyl- und Wegweisungsverfahren ist die dritte, aktualisierte und erweiterte Auflage des von Ruedi Illes, Nina Schrepfer und Jürg Schertenleib verfassten Handbuches aus dem Jahr 2009. Diese erste Auflage beruhte auf einer grundlegenden Überarbeitung des 1999 in der 3. Auflage von Mario Gattiker bearbeiteten Standardwerks zum Asyl- und Wegweisungsverfahren. 2015 erschien die zweite, vollständig überarbeitete Auflage des Handbuches zum Asyl- und Wegweisungsverfahren. Seit der zweiten Auflage 2015 haben sich die asylrechtlichen Grundlagen im schweizerischen Kontext stark gewandelt, so dass eine erneute Überarbeitung des Handbuches notwendig wurde.

Nicht verändert hat sich das Ziel des Handbuches: Rechtsvertretende und Beratende von Asylsuchenden und Flüchtlingen sowie Studierende und weitere Interessierte, die sich mit Fragen des Asylrechts befassen, sollen hier einen raschen Überblick über die aktuelle Rechtslage erhalten und zugleich präzise Informationen zu Rechtsgrundlagen, Rechtsprechung und Praxis einfach auffinden können.

Das Handbuch orientiert sich in der Struktur an der zweiten Auflage und beschreibt die Grundlagen und die Durchführung des Asyl- und Wegweisungsverfahrens sowie dessen Implikationen für die Betroffenen. Es ist somit nicht allein auf die Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft, der Asylgewährung sowie der Prüfung von Wegweisungsvollzugshindernissen beschränkt, sondern geht auch auf neuere politische und rechtliche Entwicklungen sowie auf besondere Fallkonstellationen im Asylbereich ein, die möglichst umfassend und trotzdem in der gebotenen Kürze übersichtlich aufgearbeitet und dargestellt werden.

Die Rechtsprechung und die rechtlichen Grundlagen sind bis Ende Oktober 2020 berücksichtigt. Die zitierten Webseiten wurden allesamt am 30. Oktober 2020 zuletzt aufgerufen.

Wir danken denjenigen Autor*innen der zweiten Auflage, die in dieser Auflage nicht mehr mitgewirkt haben für ihr Einverständnis, auf der Grundlage ihres Werkes von 2015 eine dritte Auflage erstellen zu dürfen. Dies hat das Erscheinen der Neuauflage überhaupt erst möglich gemacht. Namentlich sind dies Marie Khammas, Olivia Le Fort Mastrota und Johan Rochel.

Ebenfalls bedanken möchten wir uns beim Staatssekretariat für Migration SEM, welches die Publikation dieser Auflage mit einem grosszügigen Beitrag unterstützt hat.

Ein besonderer Dank der SFH geht an alle Autor*innen der vorliegenden Auflage, insbesondere danken wir aber den externen Autor*innen Susanne Bolz, Alexandra Büchler, Nula Frei, Teresia Gordzielik, Constantin Hruschka, Raffaella Massara, Stephanie Motz, Sarah Progin-Theuerkauf und Boris Wijkström, welche ihre Texte mit grossem Engagement und Sachkunde zu Papier gebracht haben. Desweiteren bedanken wir uns bei den Autor*innen aus dem UNHCR Büro für die Schweiz und Liechtenstein.

Ein weiterer und besonderer Dank geht an Alberto Achermann, assoziierter Professor für Migrationsrecht, Universität Bern, der die vorliegende Auflage wissenschaftlich begleitet hat.

Für die Übersetzung ins Französische bedanken wir uns erneut ganz herzlich bei Olivier von Allmen, Richard Greiner und Emmanuel Gaillard (SFH).

Innerhalb der SFH bedanken wir uns bei Josua Rüegger, der das Projekt aufgegleist hat. Bei Sarah Frehner, Lucia Della Torre, Judith Nydegger, Laura Rezzonico, Adrian Schuster, Tobias Heiniger, Ozan Turhan und Michael Pfeiffer für das Verfassen und Redigieren der Texte. Ein besonderer Dank geht an Marc Schärer für seinen Einsatz und seine Flexibilität bei der Finalisierung des Projektes. Ein weiterer ganz besonderer Dank gebührt Angela Stettler, die beim Verfassen, Redigieren und Finalisieren eine riesige Unterstützung war. Ein grosser Dank geht zudem an Nina Gutweniger und den ganzen Bereich Recht, ohne deren Inputs und Unterstützung die Umsetzung eines so grossen Projektes nicht möglich gewesen wäre.

Dem Verlag Haupt danken wir herzlich für das immer offene Ohr und die vertrauensvolle und äusserst angenehme Zusammenarbeit bei der Publikation des Handbuches.

Bei allen erwähnten und nicht erwähnten, aber am Rande beteiligten Personen bedanken wir uns ganz herzlich für ihre Flexibilität, ihren Einsatz und für alle Inputs und Ideen zur Verbesserung und Praktikabilität dieses Handbuches. Wir hoffen, das Buch erweise allen seinen Nutzer*innen gute Dienste und vermöge möglichst viele Fragezeichen mit Antworten zu füttern.

Für die Schweizerische Flüchtlingshilfe,

Adriana Romer

Seraina Nufer

Bern, im Januar 2021

IDie Geschichte des Asyls in der Schweiz

Adriana Romer

1 Einleitung

2 Während dem Zweiten Weltkrieg

3 Nach dem Zweiten Weltkrieg

4 Die Hilfswerksvertretung

5 Das erste Asylgesetz und die Verschärfungen

6 Die jüngste Entwicklung: Die Neustrukturierung des Asylbereichs

7 Die Schweiz als Teil von Europa

1Einleitung

Das Thema Asyl steht seit Jahren im Fokus politischer und gesellschaftlicher Diskussionen. Rund 80 Millionen Menschen befinden sich weltweit auf der Flucht,1 das sind doppelt so viele wie noch vor 20 Jahren. Lediglich ein Bruchteil davon sind Asylsuchende, schätzungsweise 3,5 Millionen Menschen. Die Zahl derer, die Europa erreichen, ist nochmals um einiges kleiner. Das Jahr 2015, welches aufgrund der verstärkten Fluchtbewegungen als historisches Jahr in die europäische Asylgeschichte einging, entfachte eine neue politische Debatte über den Umgang mit Geflüchteten. Verschiedene Nationalstaaten haben ihre Gesetzgebungen seither verschärft und auch auf europäischer Ebene wurden Gesetzesrevisionen angestrebt. Worte wie Solidarität blieben und bleiben weitestgehend Papiertiger, Einigkeit herrscht nur hinsichtlich dem verstärkten Grenzschutz und der effizienten Ausschaffung derer, denen kein Schutzstatus gewährt wurde.2 Die Festung Europa nimmt dafür in Kauf, dass Menschen an ihren Grenzen sterben, auf dem zentralen Mittelmeer, in der Ägäis und an den Landgrenzen. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass sich die Flüchtlingspolitik in den letzten hundert Jahren trotz einiger Verbesserungen hinsichtlich des Rechtsschutzes der betroffenen Personen im Kreis gedreht hat. Bereits der 1920 gegründete Völkerbund, dem auch die Schweiz angehörte, setzte in akuten Krisensituationen auf einberufene Konferenzen, bei denen es darum ging, Lösungen für bestimmte Flüchtlingsgruppen auszuhandeln. Das System basierte auf der freiwilligen Übernahme von Verantwortung für Flüchtlinge.3 Unweigerlich wird man an die hundert Jahre später stattfindenden Szenarien der sog. Koalition der Willigen erinnert, die sich bereit erklären, einen Teil der aus Seenot geretteten Menschen aus Italien, Malta oder der unbegleiteten minderjährigen Kinder von den griechischen Inseln aufzunehmen. Um die Dynamiken sowie die Entstehung der heutigen Gesetzgebung zu verstehen, lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit.

2Während dem Zweiten Weltkrieg

Die Flüchtlingspolitik der Schweiz im Zweiten Weltkrieg wird oft wegen ihrer von Abwehr geprägten Haltung kritisiert. Die Zurückweisung von Schutzsuchenden an der Grenze sowie die eingeschränkte Rechtsstellung der meist nur vorübergehend aufgenommenen Flüchtlinge stellen ein dunkles Kapitel in der Schweizer Geschichte dar.

Um diejenigen, die es dennoch in die Schweiz geschafft haben, kümmerten sich private Hilfswerke – getragen von Freiwilligen und finanziert durch Spenden. Die Hilfswerke vermittelten Unterkünfte, verteilten Kleidung und halfen bei der Weiterreise, sie stiessen jedoch bald an ihre Grenzen. Mit gebündelten Kräften wollten sie die knappen Ressourcen gemeinsam nutzen. Dazu gründeten 13 Hilfswerke am 17. Juni 1936 die Zentralstelle für Flüchtlingshilfe – die heutige Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH). Die Dachorganisation sollte die Arbeit der Hilfswerke koordinieren, den Kontakt zu internationalen Organisationen sichern und die Interessen der Flüchtlinge gegenüber den Behörden vertreten. Die Hilfswerke waren in den verschiedensten politischen, sozialen und religiösen Milieus verankert, Grundsatzdebatten um die Inhalte, Methoden und Ziele der Interessenvertretung für Flüchtlinge waren denn auch von Beginn an eine Konstante der SFH. Der Spagat zwischen Kooperation und Konfrontation mit den Behörden prägt die Arbeit der Dachorganisation bis heute.4

3Nach dem Zweiten Weltkrieg

Die aktuelle Gesetzgebung findet ihren Ursprung in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Vor dem Hintergrund der Kritik an der Flüchtlingspolitik während dem Krieg und dem dadurch herrschenden Druck trat die Schweiz im Jahr 1955 diskussionslos der Flüchtlingskonvention der Vereinten Nationen von 1951 («Genfer Flüchtlingskonvention», FK5) bei. Im Jahr 1957 erklärte der Bundesrat die Asylgewährung zur staatspolitischen Maxime: «Das schweizerische «Asylrecht» ist nicht bloss Tradition, sondern staatspolitische Maxime; es ist Ausdruck der schweizerischen Auffassung von Freiheit und Unabhängigkeit. […] Aus der Entwicklung des Flüchtlingswesens während des Zweiten Weltkrieges ergibt sich der Schluss, dass die Schweiz ausländische Flüchtlinge, d. h. Menschen, die wegen ernsthafter Gefahr für Leib und Leben in unserem Lande Zuflucht suchen möchten, so lange aufnehmen sollte, als ihr das möglich ist und dass die Behörden grundsätzlich auch keine zahlenmässige Beschränkung festlegen sollten. […] Im Hinblick auf die Pflicht, eine der schweizerischen Tradition entsprechende Asylpraxis einzuhalten, ist eine freie, weitherzige Aufnahme von Flüchtlingen in Aussicht zu nehmen.»6 Damit galt die Aufnahme von verfolgten Menschen als zentrale Aufgabe des Gemeinwesens und als Richtschnur für staatliches Handeln und den Gesetzgeber.

Bis Anfang der Achtzigerjahre stand in der schweizerischen Asylpolitik die Aufnahme verfolgter Flüchtlingsgruppen im Gefolge von politischen Unruhen, Kriegen und Bürgerkriegen im Vordergrund, so aus Ungarn (1956), Tibet (1962), Tschechoslowakei (1968), Chile (1973), Indochina (1975) und Polen (1982). Flüchtlinge wurden kollektiv aufgenommen, ohne dass eine mit dem heutigen Asylverfahren vergleichbare Prüfung des Einzelfalls vorgenommen worden wäre. Es wurde i. d. R. aufgenommen, wer den Nachweis erbringen konnte, zur Gruppe zu gehören, welche vom Bundesrat zur Aufnahme bestimmt worden war. Parallel dazu wurde die Einwanderung von Gastarbeitenden seit Ende der 1960er-Jahre äusserst kontrovers diskutiert. Der Diskurs war in dieser Zeit von der im Jahr 1970 mit 54% abgelehnten «Schwarzenbach-Initiative» mitgeprägt.7 Damals basierte die Aufnahme von Flüchtlingen auf einzelnen Normen des allgemeinen Ausländerrechts (Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer – ANAG8, welches ursprünglich 1934 in Kraft trat und kein Asylgesetz im eigentlichen Sinn darstellte, sowie dessen Verordnungen) und auf Kreisschreiben.

4Die Hilfswerksvertretung

Ein Durchbruch zur Stärkung der Rechte von Asylsuchenden gelang 1968, als der Bundesrat das Modell der sog. Hilfswerksvertretung (HWV) genehmigte, welche als teilnehmende Beobachtende bei den Anhörungen zugelassen wurden. Dabei handelt es sich um eine spezifische Form des Verfahrensschutzes, welche fortan über fünfzig Jahre einen charakteristischen Zug des Schweizer Asylverfahrens darstellte und als Wegbereiter des heutigen Systems gesehen werden darf.9

5Das erste Asylgesetz und die Verschärfungen

Das erste Asylgesetz erliess der Gesetzgeber erst im Jahr 1979, es trat am 1. Januar 1981 in Kraft.10 Das liberale Gesetz war Ausdruck des Zeitgeistes und kodifizierte die bis dahin grosszügige Asylpraxis auf der Basis der FK sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK11). Doch in den folgenden Jahren änderte sich der öffentliche Diskurs um das Thema Migration. Grund dafür war einerseits die Veränderung der Herkunft der Asylsuchenden, es kamen vermehrt Schutzsuchende aus der Türkei, aus Sri Lanka und aus afrikanischen Staaten in die Schweiz. Andererseits stieg die Anzahl der Asylgesuche rapide an und erreichte in den 1990er Jahren während der Balkankriege einen historischen Höchststand, der bis heute unerreicht ist.

Anzahl Asylgesuche in der Schweiz 1980-2020

Abbildung 1: Anzahl Asylgesuche in der Schweiz 1980–2020

Seit seiner Entstehung unterlag das Asylrecht zahlreichen Revisionen und Verschärfungen. Diese widerspiegeln die starke Politisierung des Asylthemas. 1998 kam es zur Totalrevision des Asylgesetzes, in den darauffolgenden Jahren zu weiteren Teilrevisionen. Zahlreiche Verschärfungen waren das Resultat von parlamentarischen Vorstössen und Volksinitiativen, die auf eine Begrenzung der Zuwanderung abzielten. So etwa die Ausschaffungsinitiative (2010 angenommen von Volk und Ständen) und die Masseneinwanderungsinitiative (2014 angenommen von Volk und Ständen).

Zudem erfolgten schrittweise verschiedene Einschränkungen von Rechten von Schutzsuchenden und Schutzberechtigten, so etwa der Sozialhilfestopp 2004 für Personen mit Nichteintretensentscheid, und dessen Ausdehnung 2008 auf Asylsuchende mit negativem Asylentscheid.12 Auch wurden die Reisemöglichkeiten für vorläufig Aufgenommene und anerkannte Flüchtlinge in den letzten Jahren aufgrund von Diskussionen um «missbräuchliche» Heimatreisen zunehmend eingeschränkt. Ende September 2012 wurde die Möglichkeit, auf einer Schweizer Botschaft im Ausland um Asyl zu ersuchen (Botschaftsverfahren) abgeschafft.13 Mit der Definition von Integrationskriterien im neuen Ausländer- und Integrationsgesetz (AIG) wurde zudem die Möglichkeit eingeführt, bei Nichterfüllen der Kriterien oder Nichteinhaltung einer Integrationsvereinbarung eine Aufenthaltsbewilligung zu entziehen oder eine Niederlassungsbewilligung durch eine Aufenthaltsbewilligung zu ersetzen.

Dem gegenüber wurden andere Versuche, die Zuwanderung zu beschränken, an der Urne gestoppt, wie z. B. die Volksinitiative «gegen Asylmissbrauch» 2002 (auch wenn diese nur sehr knapp abgelehnt wurde), die Initiative «Zur Durchsetzung der Ausschaffung krimineller Ausländer» (Durchsetzungsinitiative) 2016, die Initiative «Schweizer Recht statt fremde Richter» (Selbstbestimmungsinitiative) 2018.14 Im September 2020 kam die Initiative «Für eine massvolle Zuwanderung» (Begrenzungsinitiative) zur Abstimmung, die eine eigenständige Regelung der Zuwanderung durch die Schweiz und damit die Abschaffung der Personenfreizügigkeit forderte, sie wurde mit 61,71% abgelehnt. Es gibt zudem auch positive Entwicklungen im Hinblick auf die Anerkennungspraxis und –quoten, so wurde der Flüchtlingsbegriff zunehmend auch auf nicht-staatliche Verfolgung ausgedehnt, und Asylsuchende werden aufgrund subjektiver Nachfluchtgründe als Flüchtlinge anerkannt.

Das Bundesgesetz über Ausländerinnen und Ausländer (AuG15), das 2005 vom Parlament verabschiedet wurde und am 1. Januar 2008 in Kraft getreten ist, formulierte das neue Integrationsverständnis als beidseitigen Prozess von ausländischer Bevölkerung und Aufnahmegesellschaft,16 was ebenfalls positiv zu werten ist.

6Die jüngste Entwicklung:Die Neustrukturierung des Asylbereichs

Die Neustrukturierung des Asylbereichs wurde ab 2010 vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) unter Bundesrätin Simonetta Sommaruga vorbereitet. In der Abstimmung vom 5. Juni 2016 hat die Schweizer Bevölkerung die Volksabstimmung für neue beschleunigte Asylverfahren mit 66.78% angenommen. Seit dem 1. März 2019 ist das neue Schweizer Asylverfahren in Kraft.17

Das Kernstück der Neustrukturierung des Asylbereichs sind beschleunigte Verfahren in dezentralen Bundesasylzentren der neu geschaffenen sechs Asylregionen. Das erstinstanzliche Verfahren wurde stark getaktet, und die Ordnungs- sowie die Beschwerdefristen verkürzt. Die grosse Neuerung des Verfahrens besteht in der unentgeltlichen und unabhängigen Beratung und Rechtsvertretung aller Asylsuchenden. Dadurch sollen die durch die Verfahrensbeschleunigung bestehenden Nachteile für die Asylsuchenden aufgefangen werden. Komplexe Fälle werden ins erweiterte Verfahren mit Unterbringung in den Kantonen verwiesen, wo längere Fristen gelten und für das erstinstanzliche Verfahren ebenfalls ein Zugang zu unentgeltlicher Rechtsvertretung besteht.

Zu den Akteuren des neu geschaffenen Rechtsschutzes gehört die Beratung sowie die Rechtsvertretung. Während sich letztere mit der rechtlichen Unterstützung und Vertretung der asylsuchenden Person beschäftigt, arbeitet die Beratung im Hintergrund als Verbindungsglied zwischen den Asylsuchenden und den weiteren Akteuren im Verfahren und berät die Asylsuchenden bei ihren Anliegen und Fragen zum Asylverfahren. Damit trägt sie erheblich zu den wichtigen Elementen des beschleunigten Asylverfahrens bei, insb. dem Vertrauensaufbau der Asylsuchenden gegenüber dem Rechtsschutz und der höheren Akzeptanz der Asylentscheide.

Das neue Verfahren hat mehrere neue praktische Herausforderungen und rechtliche Fragen aufgeworfen. Dazu gehört z. B. die Frage der Abklärung gesundheitlicher Probleme (inklusive Zugang zu ärztlicher Beurteilung und Zugang der Rechtsvertretung zu Arztberichten) innert kurzer Frist, oder die Verweisung von komplexen Fragen ins erweiterte Verfahren. Diese Fragen hat das Bundesverwaltungsgericht teilweise bereits aufgenommen und geklärt. Weitere grundsätzliche Fragen werden in den nächsten Jahren zu klären sein mit dem Ziel, das neue Verfahren so umzusetzen, dass trotz der starken Verfahrensbeschleunigung ein effektiver Rechtsschutz gewährleistet werden kann.

7Die Schweiz als Teil von Europa

Auch wenn der Umgang mit ausländischen Staatsangehörigen eine Kernkompetenz eines souveränen Staates darstellt, ergibt sich ein gewisser Rahmen für Asylverfahren und insb. für die Schutzgewährung aus den von der Schweiz zu beachtenden völkerrechtlichen Verpflichtungen. Diese haben einen beachtlichen Einfluss auf das nationale Recht und die Praxis.

Seit rund zwanzig Jahren beeinflusst das europäische Asylsystem die Schweiz in massgeblicher Weise. Mit bilateralen Abkommen dehnte die Schweiz die Zusammenarbeit mit den europäischen Staaten laufend aus. Im Jahr 2005 wurde der Bundesbeschluss über die Genehmigung und die Umsetzung der Bilateralen Abkommen II zwischen der Schweiz und der EU über die Assoziierung an Schengen18 und Dublin19 im Rahmen einer Volksabstimmung angenommen.20 Damit wurde eine entscheidende Weiche für die Zusammenarbeit zwischen der EU und der Schweiz im Asylbereich gestellt. Mit den beiden Assoziierungsabkommen ist die Schweiz stark an das europäische Asylsystem und dessen Weiterentwicklung angebunden. Einige dieser Entwicklungen sind für die Schweiz zwingend zu übernehmen, während andere sie in indirekter Weise beeinflussen. Eine Gesamtbetrachtung der geltenden Bestimmungen verlangt somit auch das Verständnis der manchmal komplexen Zusammenhänge zwischen dem schweizerischen Recht, dem europäischen Recht sowie den Bestimmungen des Völkerrechts.

Weiterführende Informationen:

•Übersicht Referenden:www.bk.admin.ch/bk/de/home/politische-rechte/referenden.html

•Übersicht Volksinitiativen:www.bk.admin.ch/bk/de/home/politische-rechte/volksinitiativen.html

•Asylpraxis der Schweiz von 1979 bis 2019, Stephan Parak, Staatssekretariat für Migration SEM, 2020: www.bundespublikationen.admin.ch

•Schweizerische Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht SBAA:https://beobachtungsstelle.ch/de/hauptmenu/aktuell/

•Global Trends UNHCR (erscheinen jährlich, hier 2019): www.unhcr.org/unhcr-global-trends-2019-media.html

•Aktuelle Zahlen von UNHCR zu den Ankünften über das Mittelmeer:https://data2.unhcr.org/en/situations/mediterranean

•Latest asylum trends (EASO):https://easo.europa.eu/latest-asylum-trends

•Missing migrants project (IOM):https://missingmigrants.iom.int/region/mediterranean

1 UNHCR, Global Trends 2019, www.unhcr.org/globaltrends2019/.

2 Jüngstes Beispiel dafür ist der von der EU-Kommission am 23. September 2020 vorgestellte Pakt zu Migration und Asyl.

3 Vgl. dazu Holenstein, A. et al., Schweizer Migrationsgeschichte: Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Baden 2018, S. 250 ff.

4 Meier, P., Von der Clearingstelle zum Engagement für die Rechte von Flüchtlingen, in: Eidgenössische Migrationskommission EKM, terra cognita 34, Zur Geschichte des Asyls in der Schweiz, Bern 2019, S. 58 ff.

5 Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, SR 0.142.30 (Genfer Flüchtlingskonvention – FK). Der Anwendungsbereich der FK wurde mit dem sog. New Yorker Protokoll vom 31. Januar 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (SR 0.142.301) erweitert. In diesem Handbuch meint der Verweis auf die «FK» immer das Abkommen von 1951 in Gestalt des New Yorker Protokolls.

6 Bericht des Bundesrates vom 1. Februar 1957 betreffend «Grundsätze für die Handhabung des Asylrechts in Zeiten erhöhter Spannung und eines Krieges», veröffentlicht im Kontext des sog. Bericht Ludwig (Ludwig, C., Die Flüchtlingspolitik der Schweiz seit 1933 bis 1955, Bericht an den Bundesrat zuhanden der eidgenössischen Räte). Vgl. Beilage zum Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 13. September 1957 über die Flüchtlingspolitik der Schweiz seit 1933 bis zur Gegenwart, S. 403 ff., BBl 1957 II 658.

7 Eidgenössische Volksinitiative «Überfremdung», vgl. dazu die Botschaft des Bundesrates, BBl 1969 II 1044. Die Abstimmung erfolgte am 7. Juni 1970, BBl 1970 II 301.

8 Bundesgesetz vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer, SR. 142.20. Heute Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration, AIG.

9 Zur Hilfswerksvertretung vgl. 2. Aufl. dieses Buches, S. 90 f.

10 Vgl. zur historischen Entwicklung: Eidgenössische Migrationskommission EKM, terra cognita 34, Zur Geschichte des Asyls in der Schweiz, Bern 2019; Holenstein, A. et al., a. a. O.

11 Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, SR 0.101.

12 Vgl. dazu SEM, Monitoring über den Sozialhilfestopp im Asylbereich, www.sem.admin.ch/sem/de/home/publiservice/berichte/monitoring_sozialhilfestopp.html.

13 Dies erfolgte aufgrund einer dringlich erklärten Änderung des Asylgesetzes, AS 2012 5359, in der Volksabstimmung vom 9. Juni 2013 bestätigt.

14 Für eine Übersicht über ältere Initiativen siehe Eidgenössische Migrationskommission EKM, Initiativen zur Begrenzung der Zuwanderung und gegen Überfremdung, www.ekm.admin.ch/ekm/de/home/zuwanderung---aufenthalt/zuwanderung/geschichtliches/volksinitiativen.html.

15 Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer vom 16. Dezember 2005, SR 142.20. Heute Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration, AIG.

16 Holenstein, A. et al., a. a. O.

17 In Zürich wurde das neue Asylverfahren zwischen Januar 2014 und Februar 2019 getestet und durch eine externe Evaluation ausgewertet: www.sem.admin.ch/dam/data/sem/asyl/beschleunigung/testbetrieb/ber-sem-ergebnisse-eval-testbetrieb-d.pdf. Im April 2018 wurde in der Romandie ein zusätzlicher Pilotbetrieb eröffnet.

18 Abkommen vom 26. Oktober 2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die Assoziierung dieses Staates bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen Besitzstands, SR 0.362.31.

19 Abkommen vom 26. Oktober 2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags, SR 0.142.392.68.

20 Bundesbeschluss vom 17. Dezember 2004 über die Genehmigung und die Umsetzung der bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU über die Assoziierung an Schengen und an Dublin, SR 362.

IIAnwendbares Recht

Seraina Nufer1

1 Zuständigkeit der Schweiz

2 Landesrecht

2.1Asylrecht

2.2Ausländerrecht

2.3Allgemeines Verfahrensrecht

2.4Sozialversicherung

2.5Informationssysteme und Datenschutz

3 Völkerrecht

3.1Universelle völkerrechtliche Verträge

3.2Soft Law

3.2.1UNHCR-Empfehlungen und -Richtlinien
3.2.2Istanbul-Protokoll

3.3Verträge im Rahmen des Europarates

3.3.1Europäische Menschenrechtskonvention
3.3.2Bekämpfung von Menschenhandel und Gewalt gegen Frauen

3.4Bilaterale Zusammenarbeit

4 Gemeinsames Europäisches Asylsystem (GEAS)

4.1Entstehungsgeschichte

4.2Instrumente

4.2.1Für die Schweiz direkt verbindliche Rechtsakte
4.2.2Für die Schweiz indirekt relevante Rechtsakte

4.3Agenturen

4.3.1EASO
4.3.2Frontex

1Zuständigkeit der Schweiz

Ein Staat ist ab dem Zeitpunkt verantwortlich, einer Person Schutz zu gewähren, ab dem sie unter seiner Hoheitsgewalt steht. Dabei müssen, neben den in der eigenen Verfassung anerkannten Rechten und Grundsätzen, sämtliche Vereinbarungen und internationalen Verträge berücksichtigt werden, zu deren Einhaltung sich der betreffende Staat verpflichtet hat. Wenn eine asylsuchende Person sich an die Grenze eines Staates begibt, fällt sie mit der Stellung des Asylgesuchs unter dessen Hoheitsgewalt. Die Beurteilung der Zuständigkeit wird schwieriger, wenn ein Staat ausserhalb seiner Grenzen handelt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in einem Urteil2 von 2012 die Hoheitsgewalt und damit die Verantwortung Italiens beim Aufgreifen von Bootsflüchtlingen auf dem Mittelmeer bestätigt.3 Dies beinhaltet nicht die automatische Asylgewährung, jedoch eine korrekte Behandlung allfälliger Asylgesuche. Ist die Zuständigkeit der Schweiz gegeben, kommen die im Folgenden aufgeführten Rechtsakte zur Anwendung.

2Landesrecht

2.1Asylrecht

Bundesverfassung vom 18. April 1999 (BV, SR 101)

Die BV enthält in Art. 121 die Kompetenz des Bundes zur Asylgesetzgebung. In Art. 25 Abs. 2 und Abs. 3 BV wird ausdrücklich sowohl das flüchtlingsrechtliche als auch das menschenrechtliche Rückschiebungsverbot (Refoulement-Verbot oder Non-Refoulement-Gebot) erwähnt. Damit wird das Grundrecht von ausländischen Personen festgehalten, bei drohender Verfolgung, Folter oder unmenschlicher Behandlung nicht zurückgewiesen zu werden. Das Verbot der Ausschaffung bei drohender Folter gehört zum «zwingenden Völkerrecht» (ius cogens) und kann nicht eingeschränkt werden.4

Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG, SR 142.31)

Das Asylgesetz ist in elf Kapitel gegliedert, daneben enthält es Schlussbestimmungen und Übergangsbestimmungen hinsichtlich der einzelnen Teilrevisionen und Anhänge. Es regelt die wichtigsten Grundsätze (u. a. Flüchtlingsbegriff und Non-Refoulement-Gebot) und beinhaltet Bestimmungen für Asylsuchende (Ablauf des Asylverfahrens, Voraussetzungen der Asylgewährung, Rechtsstellung), Flüchtlinge (Asylausschlussgründe, Asyl für Gruppen, Rechtsstellung) und Schutzbedürftige (Voraussetzungen der Gewährung vorübergehenden Schutzes z. B. bei Krieg oder Situationen allgemeiner Gewalt, Rechtsstellung). Weitere Kapitel sind der Sozial- bzw. Nothilfe, den Beiträgen des Bundes an die Kantone, der Bearbeitung von Personendaten, dem Rechtsschutz, der internationalen Zusammenarbeit und den Strafbestimmungen gewidmet.

Konkretisiert wird das Asylgesetz durch eine Reihe von Verordnungen:

•Asylverordnung 1 über Verfahrensfragen vom 11. August 1999 (AsylV 1, SR 142.311)

•Asylverordnung 2 über Finanzierungsfragen vom 11. August 1999 (AsylV 2, SR 142.312)

•Asylverordnung 3 über die Bearbeitung von Personendaten vom 11. August 1999 (AsylV 3, SR 142.314)

• Verordnung des EJPD über den Betrieb von Zentren des Bundes und Unterkünften an den Flughäfen vom 4. Dezember 2018 (SR 142.311.23)

Zusätzlich von Bedeutung sind die Weisungen an die rechtsanwendenden Behörden und die Kreisschreiben an die Kantone zum Asylgesetz.5

2.2Ausländerrecht

Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration vom 16. Dezember 2005 (AIG, SR 142.20)

Das AIG und dessen Verordnungen finden auf Asylsuchende, Schutzbedürftige und Flüchtlinge Anwendung, wenn das Asylgesetz keine spezialgesetzlichen Regelungen enthält. In dieser Hinsicht sind die Bestimmungen über die Integration, über die Ausschaffung und Zwangsmassnahmen, die vorläufige Aufnahme, die Staatenlosigkeit, Strafbestimmungen (z. B. die Ahndung der illegalen Einreise), die Voraussetzungen des Erhalts einer Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung oder die Regelungen über die Stellung im Arbeitsmarkt und die Erteilung von Härtefallbewilligungen zu erwähnen. Relevant sind zudem die Bestimmungen zur Integration (Integrationskriterien, Integrationsvereinbarungen und -empfehlungen).

Konkretisiert werden diese Bestimmungen durch folgende Verordnungen:

• Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit vom 24. Oktober 2007 (VZAE, SR 142.201)

• Verordnung des EJPD über die dem Zustimmungsverfahren unterliegenden ausländerrechtlichen Bewilligungen und Vorentscheide vom 13. August 2015 (SR 142.201.1)

• Verordnung über den Vollzug der Weg- und Ausweisung sowie der Landesverweisung

von ausländischen Personen vom 11. August 1999 (VVWAL, SR 142.281)

• Verordnung über die Integration von Ausländerinnen und Ausländern vom 15. August 2018 (VIntA, SR 142.205)

• Verordnung über die Gebühren zum Ausländer- und Integrationsgesetz vom 24. Oktober 2007 (Gebührenverordnung AIG, GebV-AIG, SR 142.209)

• Verordnung über die Ausstellung von Reisedokumenten für ausländische Personen vom 14. November 2012 (RDV, SR 143.5)

• Verordnung über die Einreise und die Visumerteilung vom 15. August 2018 (VEV, SR 142.204)

Überall, wo der Bund Zwang anwendet, sind folgende Rechtsgrundlagen zu beachten:

• Bundesgesetz über die Anwendung polizeilichen Zwangs und polizeilicher Massnahmen im Zuständigkeitsbereich des Bundes vom 20. März 2008 (Zwangsanwendungsgesetz, ZAG, SR 364)

• Verordnung über die Anwendung polizeilichen Zwangs und polizeilicher Massnahmen im Zuständigkeitsbereich des Bundes vom 12. November 2008 (Zwangsanwendungsverordnung, ZAV, SR 364.3)

Die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF) ist das Kontrollorgan bzgl. aller Arten von Freiheitsentzug, darunter auch Zwangsmassnahmen beim Vollzug von Wegweisungen.

Zusätzlich von Bedeutung sind die Weisungen an die rechtsanwendenden Behörden und die Kreisschreiben an die Kantone zum Ausländerrecht.6

2.3Allgemeines Verfahrensrecht

Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren vom 20. Dezember 1968 (VwVG, SR 172.021)

Das VwVG gilt bzgl. Asylverfahren und Rechtsschutz subsidiär, wenn das AsylG keine speziellen Regelungen enthält (Art. 6 AsylG). Art. 19 VwVG verweist für das Beweisverfahren auf die ergänzenden Bestimmungen im Bundesgesetz über den Bundeszivilprozess vom 4. Dezember 1947 (BZP, 273).

Bundesgesetz über das Bundesverwaltungsgericht vom 17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32)

Das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) beurteilt Beschwerden gegen Verfügungen im Asylbereich. Das VGG enthält Bestimmungen zum Beschwerdeverfahren. Das Geschäftsreglement für das Bundesverwaltungsgericht vom 17. April 2008 (VGR, SR 173.320.1) enthält Regelungen zur Organisation des Gerichts, der Rechtsprechung und der Geschäftsabwicklung.

Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG, SR 173.110)

Das BGG regelt den Zugang zum und das Verfahren vor dem Bundesgericht (BGer). Art. 82 regelt, gegen welche Entscheide eine Beschwerde ans BGer zulässig ist, Art. 83 sieht die Ausnahmen dazu vor (insb. Asylentscheide sowie bestimmte ausländerrechtliche Entscheide).

2.4Sozialversicherung

Bundesbeschluss über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und Staatenlosen in der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung vom 4. Oktober 1962 (FlüB, SR 831.131.11)

2.5Informationssysteme und Datenschutz

Allgemeine Gesetze:

• Bundesgesetz über den Datenschutz vom 19. Juni 1992 (DSG, SR 235.1)

• Bundesgesetz über den Nachrichtendienst vom 25. September 2015 (NDG, SR 121)

Spezielle Gesetze im Migrationsbereich:

• Bundesgesetz über das Informationssystem für den Ausländer- und den Asylbereich vom 20. Juni 2003 (BGIAA, SR 142.51)

•Asylverordnung 3 über die Bearbeitung von Personendaten vom 11. August 1999 (AsylV 3, SR 142.314)

• Verordnung über das Zentrale Migrationsinformationssystem vom 12. April 2006 (ZEMIS-Verordnung, SR 142.513)

• Verordnung über das zentrale Visa-Informationssystem und das nationale Visumsystem vom 18. Dezember 2013 (VISV, SR 142.512)

3Völkerrecht

Bei der Umsetzung des Asylverfahrens und der Schutzgewährung ist die Schweiz verpflichtet, ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen zu berücksichtigen. Diese internationalen Verträge – insb. die FK und die EMRK – und ihre Auslegung durch die entsprechenden Organe sind damit bedeutend für das Schweizer Recht und die Praxis.

3.1Universelle völkerrechtliche Verträge

•Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (Flüchtlingskonvention, FK, SR 0.142.30)

Die FK ist für die Schweiz seit dem 21. April 1955 verbindlich und ist das grundlegende völkerrechtliche Instrument des Flüchtlingsrechts. Dieses Abkommen ist der Ursprung des modernen Asylrechts, und die darin enthaltene Flüchtlingsdefinition stellt das Richtmass für die nationalen Gesetzgebungen dar. Sie definiert, wer als «Flüchtling» gilt und enthält einen detaillierten Katalog von Mindestrechten, die Flüchtlingen im Aufnahmeland einzuräumen sind. Die FK sieht vor, dass anerkannte Flüchtlinge in zahlreichen Bereichen (Arbeit, Unterkunft, Unterstützung) gleich wie andere ausländische Staatsangehörige auf dem Staatsgebiet oder wie eigene Staatsangehörige behandelt werden müssen. Zentral ist Art. 33 FK, der verbietet, Flüchtlinge in den Verfolgerstaat zurückzuschicken (Non-Refoulement-Gebot). Das Abkommen wird ergänzt durch das Protokoll vom 31. Januar 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (SR 0.142.301), womit die zeitliche und geografische Beschränkung auf Flüchtlinge des Zweiten Weltkrieges in Europa aufgehoben wurde.

•UNO-Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984 (UNO-Anti-Folterkonvention FoK, SR 0.105)

Relevant für das Asylrecht ist insb. das Rückschiebungsverbot bei drohender Folter gemäss Art. 3 FoK. Die Schweiz hat eine Erklärung nach Art. 22 FoK abgegeben, wonach der UNOAusschuss gegen Folter (CAT, Art. 17 FoK) Mitteilungen von Einzelpersonen entgegennehmen kann. Die Möglichkeit einer solchen Mitteilung besteht auch im Zusammenhang mit einer Foltergefahr, wie sie durch die Wegweisung in einen anderen Staat entstehen kann.7

•UNO-Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen vom 28. September 1954 (StÜ, SR 0.142.40)

Das Übereinkommen ist für die Schweiz am 1. Oktober 1972 in Kraft getreten. Es enthält Definition und Rechtsstellung von Staatenlosen und wurde per Bundesbeschluss genehmigt (SR 855.1). Die gesetzliche Grundlage für die Umsetzung findet sich im AIG.

•Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 16. Dezember 1966 (UNO-Pakt I, SR 0.103.1)

•Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 16. Dezember 1966 (UNO-Pakt II, SR 0.103.2)

Art. 7 UNO-Pakt II kennt ebenfalls ein Verbot der Folter und unmenschlichen Behandlung.

•UNO-Übereinkommen über die Rechte des Kindes vom 20. November 1989 (UNOKinderrechtskonvention, KRK, SR 0.107)

• Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend ein Mitteilungsverfahren vom 19. Dezember 2011 (3. FP-KRK, SR 0.107.3)

Die UNO-Kinderrechtskonvention (KRK) spielt für den Asylbereich in der Schweiz eine wichtige Rolle. Mit ihrer Ratifikation verpflichtete sich die Schweiz, das Kindeswohl bei sämtlichen Massnahmen und Entscheiden, die Kinder betreffen, vorrangig zu berücksichtigen. Dieses Prinzip muss in Bezug auf begleitete und unbegleitete minderjährige Kinder in der Schweiz – ungeachtet ihres Status – eingehalten werden. Seit die Schweiz 2017 dem 3. Fakultativprotokoll zur UNO-Kinderrechtskonvention beigetreten ist, kann ein Kind bzw. seine Vertretung mit einer Individualbeschwerde an den UNO-Kinderrechtsausschuss (CRC) gelangen, wenn seine Rechte aus der KRK verletzt wurden und der innerstaatliche Instanzenzug ausgeschöpft ist.8

Weitere Abkommen und Konventionen mit spezifischen Schutzbereichen z. B. zum Schutz der Rechte von behinderten Personen, von Menschenhandelsopfern9, von Folteropfern10 oder zur Beseitigung von Diskriminierungen von Frauen können im Asylbereich ebenfalls relevant sein. Hier ist insgesamt eine Weiterentwicklung der menschenrechtlichen Standards hin zu einem umfassenderen Schutz erkennbar. Dies könnte im Asylbereich noch stärker berücksichtigt werden, als dies bis anhin der Fall ist. Die Schweiz wurde denn auch verschiedentlich von internationalen Organen im Rahmen von Staatenberichtsverfahren auf entsprechenden Handlungsbedarf hingewiesen.

•UNO-Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau

vom 18. Dezember 1979 (CEDAW, SR 0.108)

• Fakultativprotokoll zum Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau vom 6. Oktober 1999 (FP-CEDAW, SR 0.108.1)

•UNO-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 13. Dezember 2006 (UNO-Behindertenrechtskonvention, BRK, SR 0.109)

•Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung vom 21. Dezember 1965 (UNO-Rassendiskriminierungskonvention, CERD, SR 0.104)

•Internationales Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen vom 20. Dezember 2006 (UNO-Konvention gegen Verschwindenlassen, CED, SR 0.103.3)

In Bezug auf individuelle Beschwerdeverfahren sind zusätzlich die Verfahrensordnungen der verschiedenen Ausschüsse zu beachten.11

• Zusatzprotokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insb. des Frauen- und Kinderhandels zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität vom 15. November 2000 (Palermo-Protokoll, SR 0.311.542).

3.2Soft Law

3.2.1UNHCR-Empfehlungen und -Richtlinien12

Eine besondere Bedeutung bei der Auslegung und Fortentwicklung des Flüchtlingsvölkerrechts kommt den Beschlüssen des mit Staatenvertretern besetzten Exekutivkomitees des Flüchtlingshochkommissariats der Vereinten Nationen UNHCR sowie UNHCR-Rechtsstellungnahmen zu. Die sog. Conclusions on International Protection13 des Exekutivkomitees behandeln aktuelle Fragen des Flüchtlingsschutzes und tragen daher zur Interpretation bestehender oder Entwicklung neuer Rechtsstandards bei. Sie werden einstimmig verabschiedet und geben Aufschluss über die geltende Staatenpraxis.

Rechtsstellungnahmen werden von UNHCR in Umsetzung seines internationalen Schutzmandates erstellt, mit dem es von der Staatengemeinschaft beauftragt wurde. Dieses umfasst unter anderem, dass es «den Abschluss und die Ratifizierung von Internationalen Abkommen zum Schutz der Flüchtlinge fördert, ihre Ausführung überwacht und Verbesserungsvorschläge vorbringt». Diese Aufsichtsfunktion wird in Art. 35 FK nochmals wiederholt.

Zudem erlässt UNHCR auch Empfehlungen zur Interpretation und praktischen Umsetzung des Flüchtlingsvölkerrechts. Eine besondere Bedeutung kommt hier dem Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft14 zu. Dieses wurde 1979 zum ersten Mal herausgegeben und im Februar 2019 zuletzt aktualisiert. Das Handbuch wird durch inzwischen insgesamt 13 Richtlinien zum internationalen Schutz ergänzt, die sich spezifischen Aspekten des Flüchtlingsrechts widmen. Handbuch und Richtlinien wurden auf der Grundlage aktueller Staatenpraxis entwickelt. Wenngleich sie rechtlich nicht bindend sind, stellen sie jedoch, angesichts des besonderen Mandates von UNHCR und seiner mittlerweile über 60-jährigen Erfahrung, eine massgebende Interpretation des Flüchtlingsvölkerrechts dar, die von nationalen Entscheidungsträgern und Gerichten regelmässig berücksichtigt wird. Zu erwähnen sind hier etwa die Richtlinien zu folgenden Themen: religiöse Verfolgung (Nr. 6), Opfer von Menschenhandel (Nr. 7), Kinder (Nr. 8), sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität (Nr. 9), Militärdienst (Nr. 10), bewaffnete Konflikte und Gewalt (Nr. 12), palästinensische Flüchtlinge (Nr. 13).15

Des Weiteren veröffentlicht UNHCR auch regelmässig Stellungnahmen zu weiteren Fragen des Flüchtlingsrechts. Das UNHCR Protection Manual16, welches eine Sammlung der wichtigsten Publikationen zum Thema darstellt, umfasst mehr als 1’000 Einträge.

Mit der Erarbeitung von Handbuch, Richtlinien sowie weiteren Publikationen verfolgt UNHCR das Ziel, Entscheidungsträgern Hilfsmittel zur Rechtsauslegung an die Hand zu geben. Gleichzeitig kommt UNHCR auf diese Weise seiner Aufgabe nach, auf die einheitliche Auslegung der Konventionsbestimmungen hinzuwirken.

In Wahrnehmung seiner Aufsichtsfunktion gemäss Art. 8 seiner Satzung sowie gestützt auf Art. 35 und 36 FK sowie Art. II des Protokolls von 1967 nimmt UNHCR ferner zu nationalen Gesetzentwürfen bzw. Praxis Stellung.17 Dabei strebt UNHCR an, sicherzustellen, dass nationale Gesetze und Praxis im Einklang mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen des Staates stehen sowie weitmöglichst bewährte Praxis und Erfahrungen berücksichtigen.

3.2.2Istanbul-Protokoll

• Frewer, A. et al. (Hrsg.), Handbuch für die wirksame Untersuchung und Dokumentation von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder entwürdigender Behandlung oder Strafe («Istanbul-Protokoll»), 2015.18

Das Istanbul-Protokoll wurde interdisziplinär unter Mitwirkung von zahlreichen Gerichtsmediziner*innen, Ärzt*innen, Psycholog*innen, Rechtsanwält*innen und Menschenrechtsbeobachter*innen erarbeitet und gilt international als anerkannter Standard zur Beurteilung und Dokumentation von Folterfällen.

3.3Verträge im Rahmen des Europarates

3.3.1Europäische Menschenrechtskonvention

•Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK, SR 0.101)

• Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe vom 28. April 1983 (SR 0.101.06)

• Protokoll Nr. 7 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 22. November 1984 (SR 0.101.07)

• Protokoll Nr. 11 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Umgestaltung des durch die Konvention eingeführten Kontrollmechanismus vom 11. Mai 1994 (SR 0.101.09)

• Protokoll Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe vom 3. Mai 2002 (SR 0.101.093)

Die EMRK ist ein Menschenrechtsabkommen für alle Staaten des Europarats. Sie ist für die Schweiz seit dem 28. November 1974 verbindlich. Für das Asylrecht von Bedeutung ist das menschenrechtliche Rückschiebungsverbot gemäss Art. 3 EMRK. Relevant sind auch Art. 5 EMRK betreffend den Freiheitsentzug, Art. 8 EMRK für die Frage des Familiennachzugs und im Bereich der Härtefallbewilligungen sowie Art. 13 EMRK bzgl. der Anforderungen an das Verfahren bei Beschwerden gegen Wegweisungen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mit Sitz in Strassburg (Frankreich) überprüft auf Individualbeschwerde hin die Einhaltung der in der EMRK verbrieften Menschenrechte. Dazu muss zuerst der innerstaatliche Instanzenzug ausgeschöpft werden. Auch Asylurteile des BVGer können an den EGMR weitergezogen werden.19

•Verfahrensordnung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte 4. November 1998 (VerfO EGMR, SR 0.101.2)

• Protokoll Nr. 14 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Änderung des Kontrollsystems der Konvention vom 13. Mai 2004 (SR 0.101.094)20

• Europäisches Übereinkommen über die an den Verfahren vor der Europäischen Kommission und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte teilnehmenden Personen vom 6. Mai 1969 (SR 0.101.1)

• Europäisches Übereinkommen über Personen, welche an Verfahren vor dem europäischen Gerichtshof für Menschenrechte teilnehmen vom 5. März 1996 (SR 0.101.3)

3.3.2Bekämpfung von Menschenhandel und Gewalt gegen Frauen

•Übereinkommen zur Bekämpfung des Menschenhandels vom 16. Mai 2005 (EMK, SR 0.311.543)

•Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt vom 11. Mai 2011 (Istanbul-Konvention, SR 0.311.35)

3.4Bilaterale Zusammenarbeit

Auf der Grundlage von Art. 100 AIG hat die Schweiz bilaterale Abkommen mit verschiedenen Herkunfts- und Drittstaaten abgeschlossen, um die Zusammenarbeit im Migrationsbereich zu erleichtern. Eine Liste der abgeschlossenen Rückübernahmeabkommen findet sich auf der Website des SEM.21 Zusätzlich gibt es bilaterale Verwaltungsvereinbarungen, welche die operationelle Zusammenarbeit im Rückkehrbereich regeln, z. B. mit Äthiopien.22 Weiter bestehen Abkommen über die Zusammenarbeit im Migrationsbereich, die über die Rückübernahmeabkommen hinausgehen.23 Hinzu kommen verschiedene bilaterale Migrationsdialoge24 und Migrationspartnerschaften25.

4Gemeinsames Europäisches Asylsystem (GEAS)

4.1Entstehungsgeschichte

Seit dem Vertrag von Maastricht (1992) anerkennen die Mitgliedstaaten der EU die Asylpolitik als «Angelegenheit von gemeinsamem Interesse». Bis im Jahr 1998 blieb die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten in der Asylpolitik der EU jedoch mehrheitlich informell. Mit dem Amsterdamer Vertrag (1997) und dem Vertrag von Nizza (2000) wurde der Asylbereich vergemeinschaftet. Die Schlüsselelemente des europäischen Asylrechts sind somit das Resultat einer graduellen Kompetenzdelegation von der nationalen zur supranationalen Ebene der Union. Dieser politische Wille wurde mit dem Vertrag von Lissabon (2007) bestätigt. Heute ist die Asylpolitik ein wichtiger Pfeiler der europäischen Migrationspolitik, die nach innen darauf gerichtet ist, einen «Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts» zu schaffen. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) hat die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Asylraumes zum Ziel. Es soll zu hohen gemeinsamen Standards und stärkerer Zusammenarbeit führen, so dass gleiche Rahmenbedingungen geschaffen werden, d. h., dass Asylsuchenden innerhalb der gesamten Union die gleichen Verfahrensgarantien und der gleiche Schutz gewährt werden.26 Im Hinblick darauf geben verschiedene EU-Richtlinien Mindeststandards vor, welche von den Mitgliedstaaten im Asylbereich berücksichtigt werden müssen. Gleichzeitig regelt das Dublin-System seit 1997, welcher Mitgliedstaat für die Prüfung eines Asylgesuchs zuständig ist. Es hat zum Ziel, sowohl Mehrfachgesuche (asylum shopping) als auch sog. refugees in orbit zu verhindern, für die sich kein Staat zuständig erachtet. Vor dem Hintergrund der starken Zunahme der Anzahl Asylsuchenden in Europa 2015 und 2016 wird auf EU-Ebene eine Reform diskutiert.27 Am 23. September 2020 präsentierte die EU-Kommission mit dem Pakt zu Migration und Asyl einen neuen, umfassenden Vorschlag zur Reform des GEAS.28 Aufgrund divergierender Positionen der Mitgliedstaaten ist auch hier zweifelhaft, ob in absehbarer Zeit eine Einigung innerhalb der EU erzielt werden kann.

4.2Instrumente

Mit der Assoziierung an Dublin29 nimmt die Schweiz seit 2008 am System der Zuständigkeitsbestimmung der EU für die Prüfung von Asylgesuchen teil. Die materielle Behandlung von Zweitgesuchen in der Schweiz nach Ablehnung in einem Dublin-Mitgliedsstaat oder umgekehrt sind damit grds. ausgeschlossen. Die Schweiz nimmt auch am europäischen Fingerabdruckvergleichsystem Eurodac teil. Die Assoziierung an Schengen30 bedeutet, dass die Schweiz seit 2008 auf Personenkontrollen an den Grenzen zur EU verzichtet und am System der Visumserteilung und der gemeinsamen Überwachung der EU-Aussengrenze teilnimmt.

Bei der Weiterentwicklung der Zusammenarbeit im Rahmen des Schengen/Dublin-Rechts hat die Schweiz ein gestaltendes Mitspracherecht und arbeitet in einem Gemischten Ausschuss mit. Hingegen kann sie nicht formell mitentscheiden. Ist eine Entscheidung ergangen, kann die Schweiz souverän entscheiden, ob sie diesen neuen Rechtsakt in ihre Rechtsordnung übernehmen will. Jedoch kann die Nichtübernahme in letzter Konsequenz das Ende der Anwendung der Abkommen bedeuten. Die vorgesehene Frist für die Übernahme neuer Rechtsakte beträgt zwei Jahre. Seit Unterzeichnung der Assoziierungsabkommen wurde der Schengen- sowie der Dublin/Eurodac-Besitzstand mehrmals geändert.

Die Übernahme des Dublin-Besitzstands hatte direkte Auswirkungen auf die schweizerische Gesetzgebung, unter anderem in Bezug auf die Strafen für Beförderungsunternehmen, die ihre Kontrollpflichten nicht erfüllen, bei Bestimmungen über die Datenbekanntgabe und den Datenschutz und bei Nichteintretensentscheiden in Dublin-Verfahren. Darüber hinaus hat die EU bei der Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands die «Rückführungsrichtlinie» erlassen, welche die maximale Dauer für eine Inhaftnahme für die Zwecke der Abschiebung auf 18 Monate festlegt. Die Schweiz passte daraufhin ihre eigene Gesetzgebung an, welche eine maximale Inhaftnahme von 24 Monaten vorsah. In den Jahren 2014–2015 hat die Schweiz die Dublin-III-Verordnung und die neue Eurodac-Verordnung übernommen und deshalb das AuG (heute AIG) sowie das AsylG angepasst.31 Die Schweizer Behörden und Gerichte haben die Urteile des EuGH – und ggf. des EGMR – in Bezug auf die Dublin-Verordnung zu beachten.

Neben der Übernahme des Schengen- und Dublin-Besitzstands sind auch die übrigen europäischen Rechtsakte für die Schweiz relevant. Als Teil des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) bilden die Rechtsakte ein Gesamtsystem und verweisen teilweise gegenseitig aufeinander. Wenn die (für die Schweiz verbindliche) Dublin-III-Verordnung also z. B. auf eine Bestimmung der EU-Aufnahmerichtlinie verweist, muss auch diese beachtet werden. Die Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung der Rechtsakte muss von den Schweizer Behörden ebenfalls berücksichtigt werden. Zudem muss bei den Revisionen des Asylgesetzes darauf geachtet werden, dass sie mit dem EU-Recht vereinbar sind und dessen Minimal-standards genügen. Ferner sieht Art. 113 AsylG vor, dass der Bund sich an der Harmonisierung der europäischen Flüchtlingspolitik auf internationaler Ebene beteiligt.

Aktuell legen folgende Richtlinien und Verordnungen die rechtlich verbindlichen Standards für die EU-Mitgliedstaaten im Asylbereich fest. Zur Terminologie: Eine EU-Richtlinie bestimmt den allgemeinen Rahmen. Sie ist nicht direkt anwendbar, sondern muss innerhalb einer bestimmten Frist ins nationale Recht der Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Eine EUVerordnung ist in allen Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in allen EU-Mitgliedstaaten.

4.2.1Für die Schweiz direkt verbindliche Rechtsakte32

•Dublin-III-Verordnung33 (Dublin-III-VO) und Dublin-Durchführungsverordnung34