Hände in die Erde! - Jürgen Herler - E-Book

Hände in die Erde! E-Book

Jürgen Herler

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Beschreibung

Dieses Buch ist ein Leitfaden für alle, die sich ökologisch und gesund ernähren wollen – durch den eigenen Anbau von Obst und Gemüse –, aber auch für Architekten und Gartenplaner, die neue Wege gehen wollen. Der Biologe Jürgen Herler veranschaulicht die Bedeutung von urbanem Grün und die Möglichkeiten, dieses durch vertikalen Gartenbau auch in Ballungsgebieten umzusetzen – auf Balkonen, Terrassen, an Hauswänden. Praktische Tipps gibt er für den vertikalen Low-Energy-Gemüseanbau im Winter, dazu stellt er 30 frostresistente Sorten in Wort und Bild vor. Intensiv setzt er sich auch mit den Problemen der industriellen Landwirtschaft auseinander, dem Boom der Biolandwirtschaft, gesunden Lebensmitteln, der Mikrobiomforschung und Biodiversität in Anbau und Ernährung. Der Autor entwickelt selbst innovative Vertikalbeete. Seine Vision sind grüne, »essbare« Häuser und Städte. Mit diesem Buch regt er zum Nachdenken an und fordert zum Handeln auf.

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Seitenzahl: 325

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Jürgen Herler

HÄNDE IN DIE ERDE!

Vertical Gardening

Für grüne, essbare Städte der Zukunft

ENNSTHALER VERLAG STEYR

Erklärung

Die Anwendung der in diesem Buch angeführten Ratschläge geschieht nach alleinigem Gutdünken des Lesers. Autor, Verlag, Berater, Vertreiber, Händler und alle anderen Personen, die mit diesem Buch in Zusammenhang stehen, können weder Haftung noch Verantwortung für eventuelle Folgen übernehmen, die direkt oder indirekt aus den in diesem Buch gegebenen Informationen resultieren oder resultieren sollten.

www.ennsthaler.at

ISBN 978-3-7095-0101-6

Jürgen Herler • Hände in die Erde!

Alle Rechte vorbehalten

Copyright © 2019 by Ennsthaler Verlag, Steyr

Ennsthaler Gesellschaft m.b.H. & Co KG, 4400 Steyr, Austria

Umschlaggestaltung: Thomas Traxl und Ennsthaler Verlag

Umschlagbild: © wayra / iStockphoto.com

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH

Inhalt

Vorwort von Wolfgang Palme

Einleitung

Kapitel 1 – Der Garten: Quelle unserer Gesundheit

Eine gute Basis

Geht’s den Bakterien gut, geht’s auch uns gut

Was ist natürlich?

Zu wenig des Guten, zu viel des Schlechten

Wir sind, wie wir essen

Pflanze gesund, Mensch gesund

Das reichhaltige »Arme-Leute-Essen«

Essen gut, alles gut

Die Planetendiät

Die Frische macht’s

Vielfalt schafft Gesundheit

Verhungern bei vollen Tellern

Grün ist gesund

Biophilie: Warum sind wir gern draußen?

Grün in der Stadt

Kapitel 2 – Die Welt ist, wie sie isst

Die Transformation der Welt

Die »grüne« Revolution?

Vom Bauernhof zum Agrarriesen

Die Lösung der Verschmutzung ist die Verdünnung?

Stickstoff und Phosphat

Pflanzenschutzmittel

Die Zerstörung der Vielfalt

Let me tell you ’bout the birds and the bees …

Landwirtschaft und Klimawandel

Von rülpsenden Kühen und lachenden Böden

Die Ineffizienz der Intensivierung

Hoher Ertrag, geringe Effizienz

Die 3-Liter-Tomaten

Kapitel 3 – Die Bio-Revolution

Warum bio?

Wie alles begann

Bio wächst

Die Kommerzialisierung von Bio

Das gute Geschäft mit Bio

Die Sache mit dem guten Gewissen

Ist Bio überhaupt besser?

Ertragsunterschiede

Keine Rechnung ohne den (Land-)Wirt!

Bio 3.0

Die Rettung der Bauernhöfe und Bioläden

Best Practice: Niedrigenergiegemüse

Rollen statt pflügen

Kostenwahrheit

Alles bio?

Gesund leben und die Welt retten

Die Grenzen der regionalen Versorgung

Kapitel 4 – Selbstversorgung

Die Geschichte der Selbstversorgung

Leistungsfähiger Gartenbau

Datscha – der russische Weg

Datschas bei uns

Stadtbauernhof: »Urban Homestead«

Erhalt der Vielfalt

Saisonale Vielfalt

Der Vielfaltszüchter

Der »Extreme Salad Man«

Warum Urban Gardening?

Die essbare Stadt

Privates Grün

Klein- und Kleinstgärten

Ein Königreich für einen Balkon

Der Bio-Balkon

Kapitel 5 – Essbare Häuser, grüne Städte

Vom »Green Building« zur »Green City«

Grüne Häuser: Nichts Neues aus dem Westen

Die multifunktionale Gebäudebegrünung

Grün ist cool

Regenwasserspeicherung

Das Haus wird Teil urbaner Natur

HerBios: Meine Vision von grünen Städten

Vom Meersalat zum Pflücksalat

Die Entwicklung der Vertikalbeete

Essbare Häuser?

Kapitel 6 – Der Vertikalgarten

Vertikalbeete sind multifunktional

Der 5-Zonen-Garten

Wandverkleidung

Abtrennungen und Zäune

Das essbare Geländer

Vertikale Dachgärten

Kapitel 7 – Ökologisch vertikal anbauen

Die wichtigsten Anbauregeln

Vielfalt in Raum und Zeit

Mehrzonenanbau

Mehrsaisonenanbau

Wintergemüse: Mehr als Kraut und Rüben

Der optimale Standort

Die besten Wintersorten

Gewürzkräuter

Salatkräuter

Blattsalate, Blatt- und Stängelgemüse

Gemüse zum Dünsten oder Kochen

Knollen- und Wurzelgemüse

Ökologisch gärtnern

Der Niedrigenergiegarten

Gute Erde

Manche mögen’s heiß

Da ist der Wurm drin

Permanente Bodenbedeckung

Regenwasser

Ist Stadtgemüse gesund?

Keine Angst vor schmutzigen Fingernägeln!

Danksagung

Endnoten

Bildnachweis

Über den Autor

Vorwort

von Wolfgang Palme

City Farm Augarten und Höhere Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Gartenbau Schönbrunn*, Buchautor

Städte sind keine sehr natürlichen Lebensräume. Der gewachsene, gesunde Boden hat Seltenheitswert. Standraum für Nutzpflanzen ist Mangelware. Ich bin von der Sinnhaftigkeit urbaner vertikaler Strukturen im Sinne einer optimalen Platzausnutzung sehr überzeugt. Meiner Meinung nach muss es vorrangiges Ziel sein, Raum für möglichst belebte Erdkörper zu bieten und Restflächen effizient zu bepflanzen. Für eine vollständige Versorgung der städtischen Bevölkerung mit Nahrungsmitteln wird das nicht reichen. Viele europäische Großstädte liegen aber mitten in Agrargebieten. Sie sind von gutem Ackerland umgeben. Auch in Wien ist das der Fall. Diese landwirtschaftliche Fläche wirksam und zugleich ressourcenschonend zu nutzen, bei kurzen Transportwegen, muss oberstes Ziel einer zukunftsfähigen Agrarpolitik sein.

Seit vielen Jahren forschen wir an unserer Versuchsstation Zinsenhof im Bezirk Melk an der Entwicklung alternativer Produktionsentwürfe. Es geht um einen ökologischen, vielfältigen, kleinstrukturierten, regenerativen und konsumentennahen Gemüseanbau, wie wir ihn in unseren agroindustriellen, übertechnisierten Produktionssystemen leider nicht mehr kennen.

Das Gemüseanbausystem, das wir in unseren experimentellen Forschungen anstreben, könnte man als »biointensiv« bezeichnen. Es ist in seiner Vielfalt und Saisonalität produktiv, ohne ausbeutend zu sein, und setzt sparsam einfache Technik dort ein, wo sie wirklich notwendig ist. Viel Kreativität ist noch gefragt, denn es geht nicht um eine Rückkehr in primitive Urformen der Landwirtschaft, sondern um eine neue, intelligente Einfachheit.

Ich möchte Ihnen ein Beispiel geben: Unsere Versuche haben gezeigt, dass viele Gemüsepflanzen wesentlich frostfester sind, als wir ihnen das jemals zugetraut haben. Salate überstehen schadlos Temperaturen unter minus 10 °C. Das steht noch in keinem Gemüselehrbuch. So kann aber mitten im Winter frisches Gemüse geerntet werden, ohne quer durch ganz Europa transportiert oder in regionalen High-Tech-Gewächshäusern völlig saisonfremd produziert werden zu müssen. Auf den Energieeinsatz zur Beheizung dieser Winterkulturen können wir mit allen ökologischen und ökonomischen Vorteilen für Gesellschaft und Gartenbaubetrieb getrost verzichten.

Ich plädiere dafür, so viele innerstädtische Freiflächen wie nur möglich für den Ganzjahresanbau von Gemüse zu nutzen. Dabei soll weniger die Ertragsmaximierung im Vordergrund stehen als die Partizipation. Immer mehr Großstädterinnen und Großstädter können durch eigene Anbauaktivitäten wieder Bezug zu einem der grundlegendsten Lebensprozesse finden, die wir auf unserem Planeten kennen: dem Wunder von Keimung, Pflanzenwachstum, Ernte und der Freude am Genuss. Genau deshalb habe ich die City Farm im Wiener Augarten gegründet. In diesem pädagogischen Garten der Gemüsevielfalt im Herzen Wiens vermitteln wir Kindern und Erwachsenen tagtäglich die Freude an Boden, Pflanze und allem Lebendigen. Wir wollen so der Entfremdung unserer Gesellschaft von Landwirtschaft, Lebensmittelentstehung und ökologischen Zusammenhängen entgegenwirken, weil wir überzeugt sind, dass ein nachhaltiges Zusammenspiel von Pflanze, Mensch und Tier nur über die natürlichen Lebenszyklen laufen kann.

Ich kenne und schätze Jürgen Herler seit einigen Jahren. Mit seiner Firma »HerBios« ist er Kooperationspartner der City Farm Augarten. Er schafft im städtischen Raum Boden, wo es keinen solchen gab.

Jetzt geht es daran, diesen Boden gemeinsam ökologisch zu nutzen, mit essbarem Grün zu bepflanzen und ausgiebig zu genießen!

* City Farm Augarten – Verein zur Förderung von Urban Gardening, Gartenpädagogik und ökologischer Bildung. https://www.cityfarm.wien

HBLFA Schönbrunn – Höhere Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Gartenbau und Österreichische Bundesgärten, Schönbrunn, Wien. www.gartenbau.at

Einleitung

Erst wenn wir Menschen begriffen haben, dass wir ein integraler und untrennbarer Teil der Natur sind, werden wir zu einem nachhaltigen Lebensstil finden. Das wird keine Technologie ändern können. Und auf dieser Reise ins Ungewisse sitzen wir alle im selben Boot.

Stellen wir uns einen üppigen Garten vor, mit seltenen Schmetterlingen und Wildbienen, die um uns herum fliegen. Ein Beet mit frischen Erdbeeren, Pflücksalaten und allerlei Gemüse. Wir holen uns zwischendurch ein paar Radieschen und etwas Beerenobst zum Naschen, schneiden Salat für das Mittagessen und freuen uns, dass wir von so viel Grün umgeben sind. Man trifft die Nachbarn, die ebenfalls einen Garten haben. Man tauscht Pflanzen und plaudert über Gemüseraritäten.

An der schattenspendenden Laube wachsen Säulen- und Beerenobst. Auch im Winter, der Jahreszeit, wo die Supermärkte nur importiertes oder in Glashäusern hergestelltes Gemüse anbieten, gehen wir hinaus in den Garten und ernten frische Salate und anderes Gemüse. Ohne Beleuchtung, ohne Heizung. Ökologisch, einzig auf Basis von Sonnenlicht. In natürlicher Erde gewachsen. Ohne Energieverschwendung – und vor allem gesund. Gedüngt mit Kompost, unter Schließung der biologischen Kreisläufe direkt bei uns zu Hause. Und stellen wir uns vor: das alles passiert mitten in der Stadt. Utopisch? Überhaupt nicht!

Wenn ein kleiner Reihenhausgarten oder auch nur ein Balkon oder eine Terrasse zur Verfügung stehen, gibt es großartige Möglichkeiten, diese in lebende, begrünte Oasen umzuwandeln. Vor allem durch vertikales Gärtnern (Vertical Gardening) kann man die sonst ungenutzten Wände oder Geländer in grüne Gärten verwandeln, ohne viel horizontale Fläche zu verbrauchen. Im Winter wird die Sonne dort so gut ausgenutzt, dass wir keine technischen Vorkehrungen brauchen, um Lebensmittel anzubauen. Damit ist ein biologischer, saisonaler und energiesparender Garten geschaffen, der uns das ganze Jahr über mit frischem und gesundem Gemüse, Kräutern und Obst versorgt.

Viele Studien belegen, dass es für unser Wohlbefinden möglichst viel Grün braucht. Das gilt vor allem auch für unsere Kinder. Je näher an unserem Wohnort, desto besser. Was ist also naheliegender, als unseren eigenen Garten, Balkon oder Terrasse ökologisch und »essbar« zu gestalten. Zum einen versorgen wir uns selbst mit frischen Lebensmitteln, zum anderen können wir – als Nebeneffekt – die immer heißer werdenden Sommer im Schatten des kühlen Grüns verbringen. Die natürliche Klimaanlage »Pflanze« macht es möglich!

Selbstversorger am Balkon? »Das geht nie!«, hört man die Skeptiker rufen. Das mag teilweise stimmen. Aber zumindest frisch geerntete Salate und Kräuter, das ganze Jahr über, mitten in der Stadt – das geht, und das ist schon was! Es braucht nur wenige Quadratmeter, und schon muss man keine Küchen-, Gewürz- oder Salatkräuter mehr kaufen. Dazu kommen noch einige Gemüsesorten, die man laufend ernten und schneiden kann, wie etwa diverse Blattkohle, aber auch Stängelgemüse wie Stangensellerie oder Porree. Essbare Blumen, die der Handel gar nicht kennt, dürfen dazwischen wachsen und erfreuen auch eine Menge Insekten.

Im eigenen Biogarten können wir getrost auf die chemischen und umweltfeindlichen Mittel der industriellen Landwirtschaft verzichten. Wir wollen es ja gerade hier, an unserem Wohnort, anders machen: keine synthetischen Dünger, Herbizide oder Pestizide verwenden. Denn diese verschmutzen nicht nur unsere Böden, sondern auch unsere Gewässer, bis hin zu den Seen und Meeren. – Diese Tatsache hat mich persönlich betroffen gemacht. Ich habe mich daher nach 15 Jahren in der Meeresforschung einem neuen Thema gewidmet: der ökologischen Landwirtschaft in oder, besser gesagt, an den eigenen vier Wänden.

An unserem Wohnort wollen wir selbstredend ein gesundes Umfeld und biologische Lebensmittel schaffen. Die Wissenschaft ist zurzeit eifrig damit beschäftigt, zu erforschen, wie wichtig der nicht mit dem freien Auge sichtbare Teil der Biosphäre für uns Menschen ist: das Mikrobiom. Bakterien, Viren und Pilze, die überall um uns herum leben. In der Luft, im Boden, im Wasser, auf Pflanzen und Tieren – und auf und in uns. Die uns gesund halten oder krank machen, je nachdem, in welcher Mischung sie vorliegen. Wir können sie ohne technische Hilfe nicht sehen, aber was immer wir tun, hat einen enormen Einfluss auf ihre Vielfalt und unsere Gesundheit.

Viele Aspekte haben zu diesem Buch geführt: umfangreiche Recherchen in Dutzenden wissenschaftlichen Publikationen, viele Gespräche mit Menschen aus der Landwirtschaft, dem Gartenbau, der Wissenschaft und dem Handel, gepaart mit meinen eigenen Erfahrungen aus dem Bereich des biologischen, vertikalen Lebensmittelanbaus.

Ich will damit zeigen, dass in einer urbanen Umgebung, auch wenn noch so verdichtet, die Schaffung von üppigem Grün und gesunden Lebensmitteln möglich ist – als Beitrag zu einer ökologischen Lebensweise. Und Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, damit einen Leitfaden geben für die Beantwortung der Frage nach dem Warum und Wie des raum- und energiesparenden eigenen Lebensmittelanbaus. Die umfassenden Inhalte in diesem Buch werden durch Bilder und Grafiken unterstützt.

Viel Spaß beim Lesen!

Kapitel 1

DER GARTEN: QUELLE UNSERER GESUNDHEIT

Eine gute Basis

Die Weichenstellung für unsere Gesundheit erfolgt schon sehr früh im Leben. Unabhängig von unserer genetischen Ausstattung entscheiden bereits die Art der Geburt, der letzte Kontakt mit den inneren Organen der Mutter und der erste mit der Außenwelt, wie es mit uns weitergeht. Auch ob und wie lange wir gestillt werden, wie unsere Ernährung – und sogar jene der Eltern – von Anfang an aussieht, trägt dazu bei, ob wir später gesund und munter durchs Leben wandern oder von chronischen Krankheiten geplagt werden.

Nicht zu vergessen die Billionen Bakterien auf und in uns. Unsere Erstausstattung und unser gesamter Lebensstil beeinflusst diese, und wir erhalten von ihnen ein entsprechendes Feedback. Die Wissenschaft hat erst in den letzten Jahren dieses neue Forschungsgebiet entdeckt: das Mikrobiom. Wir sind erst ganz am Anfang zu verstehen, was die unzähligen Bakterien in uns, im Boden, in der Luft und auf Hunderttausenden Pflanzen für unsere Gesundheit bedeuten. Eines ist aber klar und gilt in allen Ökosystemen: je höher die Vielfalt, desto höher die Stabilität des Systems. In der Folge möchte ich einen Einblick in den Zusammenhang zwischen Ernährung, Darmmikrobiom und Gesundheit geben.

Schematische Darstellung der Beziehung zwischen Mensch und Mikroorganismen am und im Körper und in der Umwelt.

Geht’s den Bakterien gut, geht’s auch uns gut

Noch vor einigen Jahren galten Bakterien als etwas grundsätzlich Feindseliges. Sie verursachen Vergiftungen, Infektionen und erfordern immer wieder die Einnahme von Antibiotika. Warum sollten sie also gut für uns sein? Nun, wir leben seit Millionen von Jahren mit ihnen zusammen. Bakterien gehören zu den ersten Organismen, die auf der Erde entstanden sind. Natürlich gibt es darunter auch krankheitserregende (pathogene). Wäre aber die große Masse der Bakterien gesundheitsschädlich – die Entstehung und Entwicklung des Menschen wäre unwahrscheinlich, ja eigentlich unmöglich gewesen.

Bakterien sind überall zu finden, sie sind Teil von uns. Bakterien leben auf unserer Haut, den Haaren, in den Atemwegen und vor allem in unserem Darm. Die meisten davon sind gutmütige Helfer, und wir brauchen sie dringend, um gesund zu bleiben. Unsere kostenlosen Bodyguards sozusagen. Manche von ihnen, wie bestimmte Milchsäurebakterien (Lactobacillus), halten etwa krankheitserregende Pilze im Körper in Schach.

Im Darm kommen Bakterien so häufig vor, dass allein dort mehr Bakterienzellen zu finden sind, als wir selbst Zellen haben. Man schätzt ihre Zahl auf 100 Billionen, mit bis zu 1000 verschiedenen Arten. Ihre Masse steuert etwa zwei Kilogramm zu unserem Körpergewicht bei. Diese Bakterien sind Teil des sogenannten Darmmikrobioms. Auch Viren und Pilze zählen dazu. Wir haben also ein gewaltiges Ökosystem in uns.

Damit dieses in Balance bleibt, müssen wir es pflegen. Übertriebene Hygiene und laufende Sterilisation unserer Körperoberfläche und unserer Umgebung, meist aus Angst vor Krankheitserregern, ist gut gemeint, aber kontraproduktiv. Chemische Reinigungsmittel unterscheiden nicht zwischen Feind und Freund, sie räumen alles weg, auch unsere Helfer.

Bakterien stellen circa neunzig Prozent des Darmmikrobioms und haben als Gesundheitswächter in den vergangenen Jahren sehr an Aufmerksamkeit gewonnen. Da viele Bakterien schwer bestimmbar und schlecht zu kultivieren sind, konnte man die Vielfalt des Darmmikrobioms lange nur schwer einschätzen. Erst mit der Entwicklung moderner genetischer Methoden und günstigerer Massenanalysen wurde es möglich, über die Vielfalt von bakteriellen Genen in den Proben Aussagen zu treffen. Mittlerweile weiß man, dass diese außergewöhnliche Wohngemeinschaft etwa drei Millionen Gene in unser eigenes Genom einbringt. All das zusammen bildet das sogenannte Metagenom. Unser Organismus ist also eine riesige Lebensgemeinschaft, ein Superorganismus, der sogenannte Holobiont. Diese enorme Vielfalt an Untermietern beginnt man nun in ihren Funktionen aufzuschlüsseln.

Wie stieß man überhaupt auf die große Bedeutung dieses Mikrobioms? Auffallend war, dass bei Menschen mit chronischen Erkrankungen, wie Allergien und Autoimmunerkrankungen, die Darmflora anders zusammengesetzt war als bei Gesunden. Anlass genug, dieses Mikrobiom bei gesunden wie auch kranken Menschen genauer zu erforschen.

Wissenschaftler haben herausgefunden, dass das Darmmikrobiom von Kindern, die durch Kaiserschnitt geboren wurden, anders aussah als jenes von vaginal geborenen Kindern. Bei der Passage des Babys durch die Vagina erfolgt die Erstinfektion des bis dahin keimfreien Säuglings. In diesem Fall eine gute Infektion. Die Mutter überträgt bei der Geburt Bakterien (vorwiegend Milchsäure- und Bacteroides-Bakterien, die zu den häufigsten Darmbakterien gehören) auf das Kind, die auch in dessen Verdauungsapparat gelangen und eine bessere Verwertung der Muttermilch ermöglichen. Der Darm von Kaiserschnittkindern dagegen ist hauptsächlich mit Hautbakterien (z. B. Staphylokokken) besiedelt. Aufgrund dieser Erkenntnis gibt es bereits Geburtskliniken, die Müttern anbieten, bei einem Kaiserschnitt einen Vaginalabstrich auf das Kind zu übertragen, das sogenannte »Vaginal Seeding«, das vaginale Aussäen von Bakterien.

Je höher die Artenvielfalt auf und in uns, desto besser die »Starthilfe« für unsere Kinder. Das mag für manche unappetitlich oder unhygienisch klingen, aber ich denke, wir müssen hier einige Tabus ablegen, um unsere »Natürlichkeit« und unseren Platz mitten in dieser Welt besser zu verstehen. Und ein ganz wesentlicher Teil dieser Welt ist für unser freies Auge unsichtbar.

Doch zurück zum Säugling. Mit der Weiterentwicklung nach der Geburt verändert sich auch das Darmmikrobiom ständig.1 Während des Stillens haben Babys ein sehr variables Mikrobiom (mehr sauerstoffliebende Bakterien, viele Bifido-Bakterien). Werden sie mit der Flasche gefüttert, haben sie eine andere Bakteriengemeinschaft (mehr anaerobe, z. B. Clostridien). Mit der Umstellung auf feste Nahrung entsteht langsam ein Mikrobiom, das stabil ist und jenem von Erwachsenen entspricht. In Hinsicht auf unsere bakteriellen Freunde kann man also sagen, wir sind schon mit etwa drei Jahren erwachsen.

Das Darmmikrobiom eines gesunden Menschen besteht im Wesentlichen aus vier großen Bakterienstämmen. Dominant sind die Bacteroidetes und Firmicutes, und in kleinerer Zahl kommen Actino- und Proteo-Bakterien vor. Alle diese Stämme haben eine Vielzahl an Familien, Gattungen und Arten. Erwähnenswert sind hierbei die Gattungen Bacteroides und Prevotella aus dem Stamm Bacteroidetes sowie die Ruminococcus aus dem Stamm der Firmicuten. Nach der Häufigkeit dieser drei Gattungen unterteilt man auch drei Darmtypen2, die sogenannten Enterotypen.

Bacteroides sind typisch bei Menschen mit hohem Fleischanteil in der Nahrung, Prevotella eher bei vegetarisch ausgerichteten. Firmicutes, zu denen auch die Milchsäurebakterien zählen, können Nahrung, besonders Fette, sehr gut verwerten und führen, wenn im Übermaß vorhanden, leicht zu Übergewicht. Bei fettleibigen Menschen ist daher oft der Anteil der Firmicuten erhöht.3

Der Darm ist zugleich einer der wichtigsten Teile unseres Immunsystems, da etwa achtzig Prozent der Immunzellen dort zu finden sind. Unser Lebensstil, allen voran unsere Ernährung, hat einen wesentlichen Einfluss auf das Darmmikrobiom und damit auch auf unsere Abwehrkräfte.

Es ist erwiesen, dass eine abwechslungsreiche und vorwiegend pflanzliche und ballaststoffreiche Ernährung zu einem artenreichen Darmmikrobiom führt. Im Gegensatz dazu führt eine ballaststoffarme Ernährung mit hohem tierischen Anteil zur Vermehrung unerwünschter Bakterien und Entzündungsprozesse. Außerdem beobachtet man bei Fettleibigen und bei Menschen mit chronischen Darmentzündungen häufig ein verarmtes Darmmikrobiom. Je artenreicher das Mikrobiom, desto mehr »gute« Bakterien besitzen wir, die auch daran interessiert sind, dass wir gesund bleiben – und desto weniger Chancen haben die »bösen« Bakterien, die Krankheitserreger. Wer also glaubt, er müsste alles um sich herum sterilisieren und steril hergestelltes oder zu Tode gekochtes Essen zu sich nehmen, der irrt. Gerade die Krankheitserreger sind sehr widerstandsfähig und besiedeln gern Oberflächen, die immer wieder sterilisiert werden.

Die Entwicklung unserer Ernährung und die Veränderung der Landwirtschaft, sterile Lebensumgebungen und künstliche Umwelten haben einen großen, nicht immer positiven Einfluss auf unser Mikrobiom. Wie sollen wir also feststellen, was gut und natürlich ist und was nicht? Ein Blick in die Vergangenheit ist nicht möglich. Wir können uns aber andere aktuelle Lebensweisen und Kulturen ansehen, die unserer Vergangenheit ähneln.

Was ist natürlich?

In Anbetracht der Evolution vom Jäger und Sammler zum Bauern und schließlich zum Fast Food essenden Stadtbewohner – und des damit einhergehenden veränderten Ernährungsverhaltens – stellt sich die Frage, wie unsere Natur in Hinblick auf unser Darmmikrobiom eigentlich aussieht. Dazu untersuchen Wissenschaftler seit einigen Jahren Menschen mit Jäger- und Sammler-Eigenschaften aus verschiedenen Kulturen. Ein internationales Forscherteam4 hat 2015 zum Beispiel die Yanomami-Indianer aus dem Amazonasgebiet mit anderen südamerikanischen Ureinwohnern, Afrikanern aus Malawi und US-Bürgern verglichen. Dabei fand sich bei den Yanomami eine mehrfach höhere bakterielle Vielfalt, vor allem im Vergleich zum artenärmsten Mikrobiom der US-Bewohner.

Forscher5 haben auch den afrikanischen Jäger-und-Sammler-Stamm der Hadza aus Tansania mit Bewohnern aus Italien verglichen. Auch hier hatten die Jäger und Sammler ein deutlich artenreicheres Mikrobiom, mit einer auffälligen Abnahme von Bifido-Bakterien und einem Vorherrschen von Prevotella-Bakterien, die eine Verwertung ballaststoffreicher, pflanzlicher Nahrung ermöglichen. Weitere Untersuchungen6 der Hadza zeigten, dass das Mikrobiom starken Schwankungen unterliegt, die mit den unterschiedlichen Bedingungen in den Regen- und Trockenzeiten zusammenhängen. Eine saisonale Ernährung ist also auch dort etwas ganz Typisches.

Der Vergleich von 18 Bevölkerungsgruppen aus 16 Ländern zeigte viele Ähnlichkeiten in den Bakteriengemeinschaften, die sehr stark mit der Modernisierung des Lebensstils zusammenhängen. Die Bewohner von Industrieländern, egal welcher Kontinent, ähneln sich im Darmmikrobiom frappant. Sie haben zum Beispiel deutlich weniger Prevotella-Bakterien als die Ureinwohner, das heißt die Jäger-und-Sammler-Kulturen auf den verschiedenen Kontinenten.

Nicht nur der Entwicklungsgrad einer Kultur, sondern auch die Urbanisierung hat einen wesentlichen Einfluss auf die Darmflora. In einer Studie7 wurde die Ernährungsweise von afrikanischen Kindern am Land und aus der Hauptstadt von Burkina Faso (Westafrika) verglichen. Sie zeigte auf, dass sich die Stadtkinder wiederum sehr ähnlich ernährten wie eine Vergleichsgruppe von Kindern aus Europa (Florenz, Italien): alle aßen weniger Getreide, Hülsenfrüchte, Gemüse und Obst, dafür mehr Fleisch- und Milchprodukte. Das wirkte sich auch auf deren Darmmikrobiom aus: Die Landbewohner in Afrika hatten signifikant weniger Bacteroides- und Milchsäurebakterien als die Stadtkinder, und mehr als die Hälfte ihres Darmmikrobioms bestand aus den für die pflanzliche Ernährung typischen Prevotella-Bakterien. Bei den europäischen Kindern fehlten diese fast gänzlich! Dafür war eine Anhäufung von Proteo-Bakterien zu beobachten, deren Zunahme man mit Darmerkrankungen in Verbindung8 bringt.

Auch eine Vergleichsstudie9 zwischen Ureinwohnern aus Papua-Neuguinea und Einwohnern aus den USA verdeutlichte, dass eine abwechslungsreiche Ernährung mit Frischkost und ein weniger steriles Umfeld zu einer vorteilhaften höheren Artenvielfalt im Darm führt.

Aber »westliche« Ernährung heißt nicht automatisch fehlernährt, wie wir gleich sehen werden.

Zu wenig des Guten, zu viel des Schlechten

In den westlichen Industrieländern führen vor allem drei Faktoren zu häufigen Zivilisationskrankheiten wie Allergien, Autoimmunerkrankungen oder Depressionen: zu viele Medikamente, Stress und eine ungesunde Ernährung. Wie man durch jüngste Studien weiß, beeinflussen alle diese Faktoren auch das Darmmikrobiom. Meist nicht zu unserem Besten. Die negativen Folgen von Antibiotika kennt man. Sie heilen nicht nur, sondern führen auch zu einem Kahlschlag, indem sie viele unserer guten Darmbakterien abtöten. Dadurch wird wiederum Platz für Krankheitserreger frei, es kommt häufig zu Entzündungen und Durchfall. Mit Probiotika kann man dem teilweise vorbeugen. Ähnlich ist es bei Stress und Aufregung. Auch diese verursachen ein Ungleichgewicht im Darm. Wie aktuelle Studien an Mäusen10, aber auch an Menschen11 zeigen, können sogar Depressionen auf Veränderungen im Darmmikrobiom zurückgeführt werden.

Aktuelle Untersuchungen12 einer deutschen Forschergruppe über die Auswirkungen von nicht-antibiotischen Medikamenten auf Darmbakterien haben gezeigt, dass ein Viertel von insgesamt 1000 (!) getesteten Medikamenten mindestens eine Gruppe von Bakterien im Wachstum hemmt. Besonders auffällig waren dabei die Antidepressiva. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass diese Medikamente bestimmte Bakterienstämme ausschalten und somit eigentlich antibiotisch wirken. Die meisten Wirkungsweisen von Antidepressiva sind noch völlig unbekannt, wie mir die Grazer Wissenschaftlerin und Gastroenterologin Vanessa Stadlbauer-Köllner in einem Interview bestätigte. Vor allem Antidepressiva und Protonenpumpenhemmer (Magenschutzmedikamente) dürften sich negativ auf die Darmflora auswirken. Die Folge sind vermehrte Infektionen im Darm, wodurch die Darmwand durchlässiger wird. Stoffwechselprodukte von Bakterien kommen dann leichter in den Blutkreislauf und überfordern das Immunsystem, chronische Krankheiten entstehen.

Wir haben Bakterien im Darm, die sogar unsere Stimmung beeinflussen. Kein Wunder, werden doch 95 Prozent des Glückshormons Serotonin dort produziert.13 Gebildet wird Serotonin aus der Aminosäure Tryptophan, die wiederum von im Darm lebenden Bifidobakterien produziert wird. Diese Bakterien kommen auch in Joghurt vor. Wie sich in einem Versuch einer amerikanischen Forschergruppe gezeigt hat, konnte die Einnahme von Joghurt tatsächlich Depressionen verbessern. Darmbakterien beeinflussen auch die Produktion von Dopamin, das ähnlich wie Serotonin wirkt, aber langfristiger für gute Stimmung sorgt. Störungen des Darmmikrobioms können also auch Depressionen auslösen.

Der Darm hat nach dem Gehirn die meisten Nervenzellen, ist also quasi unser »Bauchhirn«. Unser sprichwörtliches »Bauchgefühl« ist daher keine Einbildung, sondern hat seine Grundlage in einem gut ausbalancierten Darmmikrobiom. Wie man inzwischen weiß, tauscht sich der Darm über die Darm-Hirn-Achse intensiv mit dem Gehirn aus. Man sollte den Darm also gut behandeln: nur absolut nötige Medikamente einnehmen, Stress reduzieren und den Verdauungsapparat nicht mit schlechtem Essen quälen. Wenn man bereits krank ist, dann können Probiotika helfen, den Darm wieder auf Vordermann zu bringen. Die gibt es auch in unserer täglichen Nahrung (z. B. nicht pasteurisiertes Joghurt, Kefir und Apfelessig oder Sauerkraut).

Die Forscherin Stadlbauer-Köllner sagt dazu: »Probiotika sind lebensfähige Keime, die die Gesundheit fördern. Das umfasst nicht nur Bakterien, sondern auch Pilze. Inzwischen gibt es schon gute Studiendaten zur positiven Wirkung von Probiotika. Lactobazillen und Bifidobakterien sind die ältesten und klassischen. Sie waren auch namensgebend für die Probiotika. Das Wort stammt vom russischen Nobelpreisträger Ilja Iljitsch Metschnikow. Er hat Anfang des 20. Jahrhunderts jene Teile von Russland erforscht, in denen die Menschen überdurchschnittlich alt wurden. Das hohe Alter hat er schließlich auf die Ernährung zurückgeführt, vor allem auf Lactobacillus-fermentierte Lebensmittel wie Milchprodukte und Sauerkraut.«

Auf meine Frage nach der Bedeutung von Bakterien für das Gesundbleiben, antwortete Stadlbauer-Köllner: »Untersuchungen von gesunden Menschen sind diesbezüglich schwer. Man bräuchte eine riesige Anzahl von Menschen, um nachzuweisen, dass eine bestimmte Erkrankung bei einer bestimmten Ernährung nicht auftritt. Eine vielfältige Ernährung und wenig verarbeitete Lebensmittel sind jedenfalls wichtig. Aber nicht nur die Nährstoffe sind wesentlich, sondern auch die Mikroben auf dem Gemüse selbst. Rohkost sollte man daher möglichst viel essen. Und man weiß, dass Gemüse, das man lokal am Bauernmarkt kauft, eine höhere Diversität an Bakterien hat als zum Beispiel ein Brokkoli aus dem Supermarkt, der in Plastik eingepackt und bestrahlt wurde.«

Durchschnittskonsumenten essen zu viel Fleisch, Fett und Zucker, zu wenig Gemüse und kaum frische Rohkost. Letztere ist wegen ihrer begrenzten Haltbarkeit und der komplizierten Logistik des Großhandels vielfach gar nicht im Handel erhältlich. Die sogenannte »Western Diet« (westliche Ernährung, Fast Food, fleisch- und zuckerlastig) führt zu Übergewicht und chronischen Krankheiten wie Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Typisch ist diese aber nicht mehr nur für westliche Industrieländer, sie betrifft inzwischen auch die Bewohner großer Städte weltweit.

Die Industrieländer haben auch ihre Lebensmittelerzeugung stark industrialisiert. Es gelangt nur eine sehr geringe Lebensmittelvielfalt in die Supermärkte, viele Nahrungsmittel haben einen hohen Verarbeitungsgrad. Dabei wird häufig der Geschmack intensiviert, sie sind dann zu süß, zu salzig, zu fettig – und obendrein noch mit Konservierungsstoffen bestückt.

Hoch verarbeitete, industriell hergestellte und vielfach importierte Nahrungsmittel sind eine relativ neue Erscheinung. Unsere Großeltern kannten das noch kaum. Die Menschen hierzulande aßen vor 50 Jahren noch viel Gemüse, sehr oft selbst angebaut, und wenig Fleisch. Und sie aßen saisonal. Sie hatten vergleichsweise auffallend weniger ernährungsmitbedingte Krankheiten.

Langsam erkennt man die Vorteile dieser Ernährung wieder. Oder wie es der US-amerikanische Journalist und Sachbuchautor Michael Pollan pointiert (in seinem Buch »64 Grundregeln Essen«) ausdrückt: »Essen Sie nichts, was Ihre Großmutter nicht als Essen erkannt hätte.« Wie kommen wir nun aber zu einer gesünderen Ernährungsweise? Sollen wir warten, bis die Evolution uns an die industriell hergestellten und bearbeiteten Lebensmittel anpasst? Besser nicht!

Wir sind, wie wir essen

Unsere Ernährung hängt natürlich auch mit unserem Geschmack zusammen. Und dieser ist etwas sehr Individuelles. Die Erkenntnis: »Über Geschmack lässt sich nicht streiten« gilt nicht nur für die Kunst, sie lässt sich speziell auch auf unsere Lebensmittel anwenden. Jeder scheint etwas anderes zu mögen. Manche stehen auf süß, die anderen (Glücklichen) lieben den bitteren Geschmack. Einigen schmecken Fenchel und Kohlgemüse besonders, andere verziehen das Gesicht dabei. Veganer streiten sich in sozialen Netzwerken mit Fleischessern bis in die frühen Morgenstunden, was die »richtige« Ernährung sei, ohne eine Einigung oder einen Kompromiss zu erzielen. Wie können wir angesichts dieser Umstände überhaupt eine befriedigende Lösung in der umstrittenen Diskussion um gesunde Ernährung erzielen?

Unser Darmmikrobiom ist ein Spiegel unserer Ernährung, es beeinflusst diese gleichzeitig wiederum über das, was uns persönlich schmeckt. Ein Überblick14 über verschiedene Studien zum Einfluss der Ernährung auf das Darmmikrobiom zeigt, dass die Zusammensetzung der Darmbakterien moderner Menschen jener von allesfressenden Primaten am meisten ähnelt. Die bakterielle Vielfalt steigt vom Fleischfresser über den Allesfresser zum Pflanzenfresser und ist am höchsten, wenn auch der Anteil an Obst, Gemüse und Ballaststoffen hoch ist. Also sollten wir vielfältig essen, möglichst pflanzlich und am besten frisch und roh.

Die gute Nachricht aus der Forschung: Man weiß mittlerweile vonseiten des Darmmikrobioms sehr gut, was eine »ungesunde Ernährung« ist: zu viel Fleisch und gesättigte Fette, zu viel Zucker, zu wenig Gemüse und Obst sowie zu wenig Rohkost.

Für den schnitzel- und schweinsbratenverliebten Menschen ist das wohl keine gute Nachricht. Doch Geschmack lässt sich ändern. Er wird ebenfalls von unserem Darmmikrobiom beeinflusst. Daraus folgt: Wenn sich die Bakterien ändern, so ändern sich auch unsere Vorlieben. Und dem können wir nachhelfen, indem wir uns »umtrainieren«.

Keine Angst, ich meine damit keine Radikaldiät. Wie die meisten Ökosysteme mag auch unser Darmmikrobiom keine plötzlichen und massiven Störungen. Man muss das behutsam angehen, dafür aber auf Dauer. Nicht Diäten, die meist nur kurzfristige Erfolge bringen, sind gefragt, sondern eine dauerhafte Ernährungsumstellung. Untersuchungen15 an fettleibigen Menschen mit jeweils einer kohlenhydrat- und fettreduzierten Ernährung haben gezeigt, dass beide Umstellungen eine Senkung von »dick machenden« Firmicutes-Bakterien und eine Steigerung der Bacteroidetes-Bakterien bewirken. Letztere waren anfangs kaum vorhanden, der Anteil lag nach einem Jahr aber schon bei rund zwanzig Prozent. Und dieser Anteil korrelierte mit der Gewichtsabnahme, wobei die fettarme Ernährung den Gewichtsverlust im Vergleich zur kohlenhydratarmen Ernährung verdoppelte. Man sieht also, dass eine »Verschiebung« möglich ist – weg von jenen Bakterien, die Nahrung sehr gut verwerten und uns dick machen.

Als empfehlenswerte Ernährungsform für Menschen in Industrieländern gilt die mediterrane Kost.16 Dazu gehören Fleisch, jedoch nur ein paar Mal im Monat, Fisch, Milchprodukte (v. a. Käse, Joghurt), Nüsse sowie Olivenöl mehrmals die Woche. Fixpunkte sind auch Gemüse, Hülsenfrüchte, Samen, Vollkornbrot und -nudeln sowie täglich Obst. Diese Form der Ernährung bildet sich auch im Darmmikrobiom ab. Ein großer Bestand an Prevotella-Bakterien ist zum Beispiel typisch17 und spiegelt die vorwiegend pflanzliche Ernährung wider.

Eine weitere Studie18 an gesunden Menschen hat gezeigt, dass die mediterrane Kost den Anteil an Firmicutes-Bakterien senkt und eine geringere Aufnahme von tierischem Protein die Anzahl der Bacteroidetes-Bakterien steigert. Das bedeutet, dass wir nicht erst krank werden müssen, um zu wissen, was mit uns nicht stimmt. Wir können dem gut vorbeugen, indem wir uns einfach gesünder ernähren. Schweinsbraten, Käsekrainer und Schnitzel ja, aber eine kleinere Portion, Bohnen, Erbsen, Fisolen oder dergleichen als Beilage dazu – und schon geht es ab in die gesunde Richtung. Nach einiger Zeit stellt sich auch der Geschmack um, wie ich an mir selbst mehrfach erfahren habe.

Wie funktioniert das nun ganz konkret, seinen Geschmack umzuprägen? Ich schildere dies gern anhand eines Selbstversuchs. Bis vor circa zehn Jahren habe ich eine ganze Reihe von Gemüse und Kräutern nicht essen wollen. Dazu zählten Fenchel, Sellerie, Dill, Anis und Ähnliches. Diese Geschmacksrichtungen waren regelrecht grauenhaft für mich. Dann bekam ich plötzlich über mehrere Monate hinweg aus unbekannten Gründen Verdauungsprobleme. Es ist bekannt, dass genau die oben erwähnten Nahrungsmittel dagegen helfen. Was also tun? Medikamente wollte ich nicht nehmen. Noch dazu war ja nicht klar, wogegen eigentlich.

Ich überwand mich und probierte den Zugang über Fencheltee. Den konnte man am besten dosieren. Das Teesackerl hielt ich nur kurz ins heiße Wasser, dann mit etwas Honig süßen und runter damit. Jeden Tag blieb das Sackerl ein bisschen länger drin, der Honig wurde weniger. Ich trank zwei- bis dreimal am Tag eine Tasse Fencheltee. Schon nach wenigen Tagen merkte ich eine deutliche Verbesserung der Verdauung. Als Nächstes begann ich, das Gemüse gekocht und dann auch roh zu essen! Nach ein bis zwei Monaten aß ich regelmäßig Fenchel, Sellerie und Dill. Ich fing sogar an, sie besonders zu mögen. Roher Stangensellerie und gedünsteter Fenchel gehören inzwischen zu meinem Lieblingsgemüse.

Die Ernährungswissenschaftlerin und Köchin Andrea Fičala bestätigte mir in einem Interview: »Solche Umstellungen dauern circa vier Wochen. Neues am besten in kleinen Dosen probieren, ohne Druck, dafür mit Lebensmitteln kombinieren, die man bereits gerne mag. Die Darmflora reagiert sehr schnell auf eine Ernährungsumstellung, und man darf auch die Sensorik mit dem neuen Geschmack nicht überfordern.«

Ich ließ es zwar nie messen oder testen, aber ich bin überzeugt, ich konnte durch diese stufenweise Umstellung bzw. Ergänzung meiner Ernährung meine Balance im Darmmikrobiom wiederherstellen. Dieses positive Feedback hat schlussendlich auch meine Geschmackswahrnehmung geändert. Chronische Verdauungsprobleme kenne ich nicht mehr. Und sollten akut welche auftreten, erhöhe ich die Dosis dieser gesundheitsfördernden Gemüse und erlebe meist rasche Besserung.

Das, was uns schmeckt, ist also nicht festgeschrieben. Wir haben in einem gewissen Rahmen die Möglichkeit, unseren Geschmack durch Verhaltensveränderung zu beeinflussen. Das kann zu einer nachhaltigen Verschiebung unseres Nahrungsspektrums führen. Schritt für Schritt, ohne Verzicht. Der Wille und Spaß am Selbstexperiment sind natürlich Voraussetzung. Und ein wenig Durchhaltevermögen muss man schon aufbringen. Sich selbst zu quälen, wie bei manchen Diäten, ist tabu und bringt wenig, denn die Freude am Essen und Trinken, am Genuss, ist ein ganz wesentlicher Teil unserer Gesundheit.

Mit einer Änderung der Ernährung stellen sich auch unsere Darmflora und unser Geschmack um – zu unserem Vorteil. Das bislang »Unvorstellbare« wird oft ganz normal, alltäglich. Probieren Sie es selbst einmal aus, seien Sie offen! Versuchen Sie zum Beispiel etwas gesundes Bitteres, vor dem Sie bisher einen Respektabstand hielten. Wie wäre es mal mit Radicchio-Salat oder Chicorée?

In den letzten Jahren widmete sich die Forschung verstärkt der Untersuchung des Darmmikrobioms und seines Zusammenspiels mit der Ernährung, aber auch des Mikrobioms auf Nahrungspflanzen. Man weiß bislang aber nur wenig darüber, wie die mit dem Essen aufgenommenen Bakterien in unseren Darm gelangen und sich dort ansiedeln. Das betrifft symbiontische Bakterien, die uns gesund halten, wie auch krankheitserregende. Man kennt natürlich die wichtigen probiotischen Milchsäurebakterien, die nicht nur in teuren Tabletten enthalten sind, sondern auch in natürlichen, fermentierten Lebensmitteln wie frischem Joghurt, Sauerteigbroten und Sauerkraut, aber auch auf frischen Pflanzen leben. Wie und ob jedoch andere wichtige Bakterienstämme direkt aus der Nahrung in unseren Darm kommen, ist noch unzureichend erforscht. Sehr wahrscheinlich ist die orale Aufnahme, da auch die Erstinfektion des Säuglings auf diesem Weg erfolgt.

Pflanze gesund, Mensch gesund

An der Technischen Universität Graz, Institut für Umweltbiotechnologie, arbeitet eine Gruppe rund um die Wissenschaftlerin Gabriele Berg intensiv an der Erforschung des Mikrobioms an Nahrungspflanzen. Es geht um die potenzielle Bedeutung für die Gesundheit der Pflanzen und Menschen. Ein artenreiches Pflanzenmikrobiom hält auch die Pflanzen gesund, indem Krankheitserreger wie Pilze oder pathogene Bakterien in Schach gehalten werden. Die Auswirkungen des Artenreichtums des Pflanzenmikrobioms auf die Gesundheit der Menschen wiederum könnte auf zweierlei Arten19 erfolgen:

•zum einen wird die Diversität unseres Darmmikrobioms erhöht,

•zum anderen das Immunsystem stimuliert.

Im ersten Fall spielt die Aufnahme von Bakterien (vor allem Probiotika) samt ihren Stoffwechselprodukten eine Rolle, vor allem über rohe Pflanzen, wie Gemüse, Obst, Kräuter und Nüsse. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass sich die Diversität auf Wurzeln, Blättern und Früchten jeweils unterscheidet. Auch die Bakterien innerhalb der Pflanzengewebe sind äußerst vielfältig. Isst man »alles«, ergibt das auch eine hohe Vielfalt.

Im zweiten Fall sind es vor allem Enterobakterien, zu denen auch viele Krankheitserreger zählen, und die von ihnen produzierten Endotoxine. Diese können immunschwache Menschen krank machen, gesunde Menschen aber vor Allergien schützen und deren Immunsystem stärken.

Enterobakterien sind natürlicherweise auf Nahrungspflanzen vertreten und erfüllen dort wichtige Funktionen für die Pflanzengesundheit. Auch in unserem Körper sorgen sie für eine ausgewogene Darmflora. Durch Störungen kann es aber zu einem Ungleichgewicht in der mikrobiellen Gemeinschaft und zum Ausbruch von Krankheitserregern (ebenfalls häufig Enterobakterien) kommen. Zu diesen Störungen zählt unter anderem die intensive Ausbringung von Pestiziden in der Landwirtschaft. Wie amerikanische Wissenschaftler20 herausfanden, ist die Bakteriendiversität auf Biogemüse höher und die Zahl der Enterobakterien geringer als bei konventionell angebautem Gemüse. Eine optimale, natürliche Pflanzenkultivierung ist daher ebenso Voraussetzung für den Erhalt unserer Gesundheit wie ein funktionierendes Immunsystem.

Eine finnische Wissenschaftlerin21 geht in ihrem 2015 publizierten Bericht über die Bedeutung des Pflanzenmikrobioms so weit zu behaupten, dass es einer der Hauptfaktoren für die gesundheitsfördernde Wirkung von Nahrungsmitteln ist.

Es gibt erstaunliche Parallelen22 in der Funktionalität zwischen menschlichem und pflanzlichem »Unterkunftgeber« und Mikrobiom. Pflanzen geben Stoffe in das Erdreich ab, um fördernde Bakterien anzulocken. In unserem Darm übernimmt dies die Darmschleimhaut. Die Bakterien wiederum beliefern den Wirt mit Hilfsstoffen oder auch mit Abwehrstoffen gegen Krankheitserreger.

Die funktionelle Beziehung zwischen unserem Darm und dem Mikrobiom ist vergleichbar mit dem zwischen Mikroben, Pflanzen und dem Boden.

In der Gruppe von Wissenschaftlerinnen um Gabriele Berg an der TU Graz arbeitet Birgit Wassermann, die ich interviewt habe, an einer Apfel-Studie23. Sie erzählt über die noch laufenden Untersuchungen: »Wir fanden auf frischen Bio-Äpfeln eine wesentlich größere Vielfalt an Bakterien als auf konventionell produzierten aus dem Supermarkt. Der Apfel hat auch noch verschiedene artenreiche Kleinstlebensräume. Auf der Schale sitzen andere Bakterien als am Stiel, und im Fruchtfleisch leben nicht dieselben Mikroben wie im Kerngehäuse.« Vermutlich heißt es auch deshalb, man sollte immer alle Teile des Apfels essen.

Auch im Hinblick auf die Bedeutung von Heilpflanzen spielt die Erforschung des ausgeprägten Pflanzenmikrobioms eine große Rolle. Viele Wirkstoffe werden erst durch Bakterien oder die Interaktion von Bakterien mit der Wirtspflanze erzeugt. Im Johanniskraut24 zum Beispiel hat man Stoffe gefunden, die eine antimikrobielle Wirkung haben. Betreffend die Häufigkeit dieser Stoffe entdeckten Forscher einen Zusammenhang mit der Anzahl potenziell schädlingsbekämpfender, kultivierbarer Bakterien, die im Gewebe der Pflanze leben. Dies ist insofern interessant, als diese Substanzen zum Beispiel die Wurzelpilze von Tomaten vernichten. Man hofft also in Zukunft auch für den Pflanzenschutz wichtige Bakterien zu finden, durch die sich der Pestizid- und Herbizid-Einsatz reduzieren lässt. Das eröffnet völlig neue Dimensionen des biologischen Pflanzenschutzes.

Erst kürzlich hat die Wissenschaft begonnen, sich auch mit der Veränderung des Pflanzenmikrobioms durch Zucht zu beschäftigen. Man hat zum Beispiel herausgefunden, dass Zuchtformen25 weniger Bacteroidetes und mehr Actino- und Proteobakterien als die Wildformen aufweisen. Das betrifft besonders das Wurzelmikrobiom, das mit dem Boden in Austausch steht. Interessant ist, dass solche Verschiebungen auch im Darmmikrobiom von in Zoos lebenden Säugetieren – im Vergleich zu ihren wilden Artgenossen – beobachtet wurden. Vor allem fiel auf, dass sich die Bacteroides (eher bei Fleischessern) vermehrten und die Zahl der Prevotella (vor allem bei Pflanzenfressern) sank. Das gleiche Muster wurde bei Bewohnern in westlichen Industrieländern festgestellt. Wie sich derartige Verschiebungen auf das Pflanzenwachstum, die Inhaltsstoffe und schließlich auf unsere Ernährungsgesundheit auswirken, wird Gegenstand der Forschung der nächsten Jahre werden.

Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeitsgruppe an der TU Graz ist die Erforschung des Mikrobioms von Pflanzensamen. Die Mutterpflanzen statten ihre Samen bereits mit einer sehr typischen Bakteriengemeinschaft aus, die sich von jenen anderer Pflanzenteile unterscheidet und für eine optimale Keimung und Entwicklung des Sämlings notwendig ist.

Bei Tomaten hat ein österreichisch-deutsches Forscherteam26 kürzlich entdeckt, dass unter normalen Anbaubedingungen die Samen eher Bakterien trugen, die gegen Krankheitserreger schützen. Pflanzen hingegen, die unter erreger- und nährstoffarmen experimentellen Bedingungen aufwuchsen, hatten in ihren Samen eher Bakterien, die die Nährstoffaufnahme begünstigten. Die Eigenschaften dieses Mikrobioms werden also durch die vorherrschende Umwelt beeinflusst.

Auch hier spielt die Zucht eine Rolle. Um eine hohe Diversität zu erreichen, müssen möglichst viele verschiedene Sorten kultiviert werden. Die Forschergruppe um Gabriele Berg27 wird sich dazu in naher Zukunft auch die Unterschiede zwischen den Samen-Mikrobiomen von Wildformen und kultivierten Pflanzen ansehen. Es gilt herauszufinden, ob nützliche Elemente des Pflanzenmikrobioms durch die Zucht verloren gehen. Birgit Wassermann hat zum Diversitätsverlust Stellung genommen: »Dieses Thema wird bei uns gerade intensiv bearbeitet. Die Homogenisierung des Saatguts, also die Verwendung von Samen von sehr wenigen großen Saatgutherstellern, deren Saatgut auf der ganzen Welt verwendet wird, ist ein Problem für die Diversität.«

Genau hier setzt die kleinstrukturierte Biolandwirtschaft an. Sie pflanzt alternative, ältere und seltene Sorten und bietet diese auch zum Verkauf an. Und auch hier können wir als kleine Gartenbesitzer und urbane Vertikalgärtner aktiv werden und mehr für die Sortenvielfalt und Abwechslung in unserer Ernährung tun! Zum Wohle der Gesundheit.

Dass es Sinn macht, Pflanzen im eigenen Garten anzubauen, zeigt uns allein schon das Mikrobiom auf den Pflanzen. Zum Beispiel bei Kreuzblütlern wie Kohlgemüsen und Salaten.

Das reichhaltige »Arme-Leute-Essen«