Handlungskompetenz und  Patientensicherheit - Jörg Holländer - E-Book

Handlungskompetenz und Patientensicherheit E-Book

Jörg Holländer

0,0
4,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die aktuellen berufspolitischen Diskussionen um eine rechtssichere Freigabe von invasiven Maßnahmen für Notfallsanitäter werden oft von der Angst begleitet, dass in einer dreijährigen Berufsausbildung nicht genügend Handlungssicherheit vermittelt werden könne. Es mangelt an Vertrauen in die Handlungskompetenzen der zukünftigen Fachkräfte am Notfallort. Im Band wird begründet dargestellt, dass es mit Hilfe von Checklisten möglich ist, den SchülerInnen in der Ausbildung Maßnahmen auf einem hohen Standard transparent zu vermitteln und diese abzuprüfen. Es wird dargelegt, welchen Beitrag Checklisten im präklinischen Setting zur Patientensicherheit und zur Notfallbearbeitung im Rettungsteam leisten können und wie sie im Rahmen der berufsschulischen Ausbildung ihre Wirkung zur Förderung beruflicher Handlungskompetenz entfalten können. Der Autor, Jörg Holländer, Berufspädagoge im Gesundheitswesen Fachrichtung Rettungswesen B.A., Notfallsanitäter, Heilerziehungspfleger, Fachwirt im Gesundheitswesen und Qualitätsbeauftragter ist stellvertretender Schulleiter der BRK Berufsfachschule für Notfallsanitäter*innen in Würzburg. Dort implementierte er die präklinische Notfallsimulation in die Ausbildung und baute das Simulationszentrum simPARC auf, das er heute leitet.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 66

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Reihe: Pädagogische Praxisimpulse

Herausgeber: Prof. Thomas Prescher

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Checklisten und eigenverantwortliches Handeln: Zwischen Selbstständigkeit und Taylorismus

2.1 Handlungskompetenz: Selbstständiges Arbeiten in der Schule und Beruf

2.2 Checklisten: Selbstständigkeit trifft auf Vorbestimmtheit

2.3 Fazit

3 Patientensicherheit im Notfall: Kompetenzanforderungen im Alltag und bei seltenen Ereignissen.

3.1 Hochrisikoumfeld Akutmedizin und Human Factors

3.2 Fehler in der Notfallmedizin: Tragisches Ereignis oder Normalität?

3.3 Fehlerklassifikation: Von Patzern und Schnitzern

3.4 Stress: Rettungsdienst zwischen Langeweile und Überforderung

3.5 Fazit

4 Checklisten in der Notfallmedizin: Lebensrettendes Werkzeug oder Zeitverschwendung?

4.1 Checklisten als must have einer High Responsibility Organization (HRO): Forderungen der WHO und anderer Organisationen

4.2 Checklisten: Für jede Anwendung die richtige

4.3 Checklisten im Rettungsdienst und in der BFS: Anlassbezogene Anwendung

4.4 Fazit

5 Lernort Berufsfachschule: Methodenanalyse für den Unterricht

5.1 Emergency Reflex Action Drills (ERADS): Kein Drill ohne Checkliste

5.2 4-Step-Approach: Der korrekte Weg ist das Ziel

5.3 Simulation: Den Ernstfall ohne Hilfsmittel üben?

5.4 Fazit

6 Implementierung von Checklisten in Lehre und Praxis

6.1 Bisherige Benutzung von Checklisten im Unterricht

6.2 Beispiele für Checklisten im schulischen Umfeld

6.3 Implementierungsschritte

6.4 Checklisten im operativen Geschäft: Lernortkooperation neu gedacht

6.5 Kriterien zur Erstellung von Checklisten im Rettungsdienst

6.6 Fazit

7 Diskussion

8 Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Human Factors (Neumayr, Schinnerl, & Baubin, 2016, S. 17)

Abbildung 2 Schweizer-Käse-Modell nach Reason (2000, S. 769) modifiziert nach Lazarovici (2017, S. 127)

Abbildung 3 Klassifikation von Fehlern Eigene Darstellung

Abbildung 4 Medikamentenampel 1C schuleigene Darstellung

Abbildung 5 Checkliste Intramuskuläre Injektion Eigene Darstellung

Abbildung 6 Checkliste Geburtsbegleitung Eigene Darstellung

Abbildung 7 RSI-Schablone mit freundlicher Genehmigung (Rothkötter, Fischer, & Schmidt-Torner , 2019) ..

Abbildung 8 RSI Medikamente mit freundlicher Genehmigung (Rothkötter, Fischer, & Schmidt-Torner , 2019)

Abbildung 9 RSI-Checkliste mit freundlicher Genehmigung (Rothkötter, Fischer, & Schmidt-Torner , 2019)

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 Checklistenarten und Anwendungen: Eigene Darstellung (St.Pierre, Hofinger, & Buerschaper, 2014, S. 322), (Neumayr, Schinnerl, & Baubin, 2016, S. 96)

Tabelle 2 Kriterien zur Erstellung von Checklisten im Rettungsdienst eigene Darstellung angelehnt an Hales und Burian

Abkürzungsverzeichnis

ÄLRD

Ärztlicher Leiter Rettungsdienst

BFS

Berufsfachschule

BRK

Bayerisches Rotes Kreuz

CRM

Crew Resource Management

DBRD

Deutscher Berufsverband Rettungs dienst

DOPES

Dislokation, Obstruktion, Pneumothorax, Equipmentversagen, Stomach

EKG

Elektrokardiograph

ERADS

Emergency Reflex Action Drills

HRO

High Reliability Organization

KMK NFS

Kultusministerkonferenz Notfallsanitäterschüler*innen

NotSan

Notfallsanitäter

NotSan-APrV

Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter

NotSanG

Notfallsanitätergesetz

PDCA

Plan – Do – Check – Act

RettAss

Rettungsassistent

RSI

Rapid Sequence Induction

RTW

Rettungswagen

SACAG

Stanford Anesthesia Cognitiv Aid Group

SOP

Standard Operating Procedure

WHO

Weltgesundheitsorganisation

1 Einleitung

Eine Checkliste zu schreiben ist nichts Besonderes, viele Menschen schreiben sich täglich Merkhilfen. Wir schreiben Einkaufslisten für den Gang zum Supermarkt, damit wir auch tatsächlich das kaufen, was wir benötigen. Wir können im Internet auf diverse Checklisten für jede Lebenslage zugreifen, sei es zum Thema Urlaub, Hauskauf oder Beerdigung. Checklisten sind im privaten Alltag völlig normal, denn durch sie gelingt es, an alle wichtigen Punkte zu denken, nichts zu vergessen und nicht ständig über dasselbe Thema grübeln zu müssen.

Wie ist es aber mit Checklisten im beruflichen Umfeld des Notfallsanitäters/der Notfallsanitäterin bestellt? Wenn uns Merkhilfen beim Einkaufen von Lebensmitteln unterstützen, nichts zu vergessen, können sie dies doch auch in einem Notfalleinsatz? Ist es sinnvoll oder gar nötig, dieses Hilfsmittel in die berufliche Bildung und in die Berufswelt zu übertragen?

Die aktuellen berufspolitischen Diskussionen um eine rechtssichere Freigabe von invasiven Maßnahmen für Notfallsanitäter1 werden oft von der Angst begleitet, dass in einer dreijährigen Berufsausbildung nicht genügend Handlungssicherheit vermittelt werden könne.

Es mangelt an Vertrauen in die Handlungskompetenzen der zukünftigen Fachkräfte am Notfallort. Mehr noch, den Berufsfachschullehrern wird die Fähigkeit abgesprochen, Handlungskompetenzen zu vermitteln und die Schüler auf ihre Aufgaben im Berufsleben vorzubereiten. Können Checklisten hier helfen? Wie kann die Berufsfachschule sicherstellen, dass der Aspekt der Patientensicherheit in der Kompetenzentwicklung der Berufsfachschüler auf allen Ebenen sichergestellt wird? Wie kann der Erwerb von Handlungskompetenz in der Ausbildung zum Notfallsanitäter mit standardisierten Arbeitstechniken in Form von Checklisten didaktisch gestaltet und organisiert werden?

Hierzu wird in diesem Band das Bildungsziel des eigenständigen Handelns betrachtet und in Verbindung mit der Problematik der sog. Human Factors gebracht. Der Begriff der Checkliste wird definiert und in die konkrete Anwendung auch im Methodenpool einer Berufsfachschule (BFS) eingeordnet, die Implementierung im schulischen Kontext beleuchtet und die Einbeziehung durch die Praxisanleiter begründet. Abschließend werden Aufbau und Design von Checklisten unter Einbeziehung der Anwenderanforderungen besprochen.

1 Hinweis zur geschlechtergerechten Sprache: Die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in allen Bereichen ist im Menschenbild des Autors fest verankert. Nach Möglichkeit werden geschlechtsneutrale Formulierungen verwendet. Wo sich dies nicht umsetzen lässt, wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum verwendet. Selbstverständlich sind dabei Frauen eingeschlossen.

2 Checklisten und eigenverantwortliches Handeln: Zwischen Selbstständigkeit und Taylorismus

Checklisten sind technische Dokumente, die in elektronischer Form oder auf Papier vorgehalten werden. Sie sind im Voraus programmierte Handlungs- und Entscheidungsstrukturen in Form von Handlungsanweisungen. (Hofinger & Heimann , 2016, S. 111) Eine Checkliste ist somit ein vordefiniertes Werkzeug zur Strukturierung eines spezifischen Prozesses. Sie enthält Informationen und unterstützt Prozesse in Form von logisch aufeinander folgenden Schritten. (Hales, Terblanche, Fowle, & Sibbal, 2008, S. 22) Checklisten stellen ein Arbeitswerkzeug dar, das als Erinnerungshilfe eingesetzt wird oder auch, um Prozesse und Handlungen gleichbleibend zu strukturieren.

„Wie im Flugzeugcockpit können Checklisten im Krankenhaus eingesetzt werden, um wichtige Dinge in Erinnerung zu rufen, Prozesse zu strukturieren und Aufgabenverteilungen zu regeln.“ (Bauer, 2010, S. 10)

Eine Checkliste ist eine Liste von konsistent angeordneten Elementen, die Aufgaben oder Verhaltensweisen und Informationen erhalten. Der Nutzer erkennt so das Vorhandensein oder Fehlen der einzelnen aufgelisteten Elemente. In der Regel wird jedes Element abgehakt oder mündlich bestätigt.

„Generell bieten Checklisten eine Chance, medizinische Fehler, Vergessen wichtiger Details und andere Versäumnisse zu reduzieren. Dies gilt auch in prähospitalen Notfallsituationen, da auch hier stressbelastete Rahmenbedingungen Defizite von Erinnerungsvermögen, Vigilanz und kognitiven Funktionen triggern.“ (Neumayr, Schinnerl, & Baubin, 2016, S. 97)

Der Notfallsanitäter (NotSan) soll auf der einen Seite eine selbstständig agierende Fachkraft in der präklinischen Patientenversorgung sein. Er muss am Einsatzort unter hohem zeitlichen und emotionalen Druck arbeiten und hier eigenständig Entscheidungen treffen. Dabei muss er Erlerntes abrufen können und sich mit seinem Handeln zwingend an die Vorgaben der Leitlinien und Standard Operating Procedures (SOPs), die auf ihn Anwendung finden, halten. Allerdings hat er keine Therapiefreiheit, da diese ein wesentliches Element der ärztlichen Professionalität ist. Wie kann es gelingen, diese Gegensätze im beruflichen Alltag zu leben, in der Ausbildung zu vermitteln und zu trainieren? Können Checklisten hier einen Beitrag liefern?

2.1 Handlungskompetenz: Selbstständiges Arbeiten in der Schule und Beruf

Aufgrund der normativen Vorgaben (Notfallsanitätergesetz u. A.) ist es ein Ziel der Berufsfachschulen (BFS), durch die dreijährige Ausbildung zum Notfallsanitäter handlungskompetente Fachkräfte für den Arbeitsmarkt zu generieren. Die Handlungskompetenz als zentraler Mittelpunkt der Ausbildung wurde bereits bei der Ausbildung zum Rettungsassistenten (RettAss) eingefordert. (Enke & Kuhnke, 2013, S. 41) Auch in der curricularen Arbeit in den Gesundheits- und Pflegeberufen wird die Entwicklung von Handlungskompetenz sowie die Persönlichkeitsentwicklung als übergeordnetes Element verstanden. (Prescher, et al., 2019, S. 6) Ebenso betonte die Kultusministerkonferenz (KMK) 2007, dass die Pädagogik an der Handlungsorientierung auszurichten sei:

„Die Zielsetzung der Berufsausbildung erfordert es, den Unterricht an einer auf die Aufgaben der Berufsschule zugeschnittenen Pädagogik auszurichten, die Handlungsorientierung betont und junge Menschen zu selbstständigem Planen, Durchführen und Beurteilen von Arbeitsaufgaben im Rahmen ihrer Berufstätigkeit befähigt.“ (Kultusminister Konferenz, 2007, S. 12)

Die KMK definierte den Kompetenzbegriff 2018 wie folgt:

„Zentrales Ziel von Berufsschule ist es, die Entwicklung umfassender Handlungskompetenz zu fördern. Handlungskompetenz wird verstanden als die Bereitschaft und Befähigung des Einzelnen, sich in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen sachgerecht durchdacht sowie individuell und sozial verantwortlich zu verhalten.“ (Kultusminister Konferenz, 2018, S. 32)