Happy Ever After – Wo das Glück zu Hause ist - Jenny Colgan - E-Book
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Happy Ever After – Wo das Glück zu Hause ist E-Book

Jenny Colgan

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Beschreibung

Ein Roman für Bücherwürmer: die besondere Liebesgeschichte einer Bibliothekarin, die sich mit einem Bücherbus selbstständig macht   Auf in die Highlands: Leseratte Nina bringt in dieser romantischen Road-Novel mit dem Bücherbus Glück in jedes Dorf und sucht selbst nach der großen Liebe. Für Fans von Manuela Inusa und Mary Simses.    Nina ist am Boden zerstört, als sie ihren Job als Bibliothekarin verliert. Ein reiner Brotjob macht sie nicht glücklich. Also macht sie sich mit einem Bücherbus selbstständig und will Leseglück in die Dörfer der schottischen Highlands bringen. Dabei stößt sie auf ungeahnte Hindernisse. Wird sie die Liebe ihres Lebens finden? Oder sucht sie am falschen Ort?   Jenny Colgan hat mit »Happy Ever After – Wo das Glück zu Hause ist« eine Hommage an das Lesen verfasst. Die SPIEGEL-Bestsellerautorin ist bekannt für romantische  Frauenromane wie »Die kleine Bäckerei am Strandweg« und »Die kleine Sommerküche am Meer« und hat allein in Deutschland Millionen von treuen Leserinnen. Ihre Romane verzaubern mit charmanten Charakteren, die nach Glück und Liebe streben und diese oft woanders finden, als sie vermutet haben.   Eine Liebesgeschichte über das Lesen   »Happy Ever After – Wo das Glück zu Hause ist« ist nicht einfach nur eine Liebesgeschichte und ein Roman über einen Neuanfang. Zuallererst ist dieses Werk von Jenny Colgan ein Buch über Bücher, über das Lesen und den Effekt, den es auf Menschen hat. Denn mit Romanen kann Nina helfen: Sie weiß, welches Buch zu welcher Stimmung passt und wie sie ihre Kunden glücklicher macht.   Die Bestsellerautorin von »Die kleine Bäckerei am Strandweg«   Nur wenigen Autoren gelingt es so wie Jenny Colgan, mit ihren Büchern eine kleine Flucht aus dem Alltag zu ermöglichen. Mit »Happy Ever After – Wo das Glück zu Hause ist« startet die Bestsellerautorin eine herzerwärmende Trilogie. Die perfekte Sommerlektüre für alle, die romantische Bücher schätzen und sich dabei in die schottischen Highlands entführen lassen wollen.  

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Aus dem Englischen von Sonja Hagemann

 

© Jenny Colgan 2016Titel der englischen Originalausgabe:»The Little Shop of Happy Ever After«, Sphere, London 2016© der deutschsprachigen Ausgabe:Piper Verlag GmbH, München 2020Redaktion: Kerstin KubitzCovergestaltung: zero-media.net, Münchennach einem Entwurf von Little, Brown Book GroupIllustration Cover: Kate Forrester

 

Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken. Die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ist ausdrücklich untersagt und kann zivil-und/oder strafrechtliche Folgen haben.

 

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Inhalt

Cover & Impressum

An meine Leser

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Danksagung

Zitat

Lasst uns lesen und lasst uns tanzen; diese beiden Vergnügenwerden der Welt niemals schaden.

Voltaire

An meine Leser

In diesem Buch findet sich keine Widmung, weil der ganze Roman euch gewidmet ist – den Lesern. Allen Lesern.

Hier geht es nämlich ums Lesen und um Bücher sowie darum, auf welche Art diese Dinge das Leben verändern. Ich finde, das tun sie stets zum Guten hin. Mein Roman handelt auch davon, wie es sich anfühlt, umzuziehen und einen Neuanfang zu wagen (wie ich es im Leben schon oft getan habe), und vom Einfluss unseres gewählten Wohnortes auf unsere Gemütslage. Ebenfalls erörtert er die Frage, ob man im echten Leben eigentlich so eine Liebesgeschichte wie in Büchern erleben kann, und es geht auch um Käse. Ich bin nämlich gerade an einen Ort gezogen, an dem viel Käse hergestellt wird, und kriege einfach nicht genug davon. Es kommt auch ein Hund namens Parsley vor.

Vor allem aber viele Bücher, weil unsere Heldin, Nina Redmond, davon träumt, eine Buchhandlung zu eröffnen.

Deshalb folgen jetzt ein paar nützliche Tipps dazu, wo man am besten liest, man sollte es dabei nämlich so bequem wie möglich haben. Falls ich einen wirklich offensichtlichen Ort vergessen haben sollte oder ihr das alles ganz anders macht, dann schreibt mir doch auf Facebook oder unter @jennycolgan bei Twitter. Ich bin nämlich der altmodischen Überzeugung, dass Lesen ein schützenswertes Gut ist. Und ich hoffe wirklich, dass ihr bei der Lektüre dieses Buches so viel Freude habt wie ich beim Verfassen, wo auch immer ihr es lesen mögt.

Badewanne

Ich entspanne mich gern abends um Viertel vor zehn in der Wanne, was meinen Ehemann in den Wahnsinn treibt. Er ist nämlich für die Temperatur zuständig (die nur etwas unter der der Sonne liegen sollte) und muss ständig Wasser nachlaufen lassen. Für mich ist die Wanne ein wahrer Luxus, nur Badeöle mag ich gar nicht. Die machen alles klebrig, deshalb finde ich sie eher eklig. Egal, darum geht es auch gar nicht, sondern ums Schmökern in der Wanne. Natürlich sind Taschenbücher dafür ideal, und im schlimmsten Fall kann man sie nachher auf der Heizung wieder trocknen (wie bei den von Leser zu Leser weitergegebenen Harry Potter-Büchern meiner Kinder, die alle verzogen und gewellt sind). Aber ich lese im Bad auch viel auf meinem E-Reader und verrate euch jetzt ein Geheimnis: Dabei blättere ich mit der Nase um. Vielleicht seid ihr ja nicht mit so einer prächtigen schottisch-italienischen Peter-Capaldi-Nase gesegnet wie ich. Aber mit ein bisschen Übung werdet ihr schnell feststellen, dass man so problemlos eine Hand im Wasser liegen lassen und trotzdem leicht umblättern kann. Falls bei euch zu Hause gern Leute unangemeldet ins Badezimmer platzen, solltet ihr aber vielleicht die Tür abschließen. Meiner Erfahrung nach sorgt dieser Anblick nämlich für große Heiterkeit.

Meine Freundin Sez benutzt beide Hände, steckt ihren E-Reader vorher aber in eine Plastiktüte. Sehr vernünftig.

Bett

Das einzige Problem beim Lesen im Bett besteht darin, dass es ein viel zu kurzes Vergnügen ist – nur zwei, drei Seiten, und der Schlaf gewinnt die Überhand. Falls es ein besonders langer Tag war, nickst du vielleicht ein paarmal kurz ein und reißt dich wieder zusammen, bevor du endgültig einschläfst. Und wenn du beim nächsten Mal wieder zu diesem Buch greifst, fragst du dich vielleicht, ob es darin wirklich um ein rosafarbenes Einhorn ging, das du im Schlafanzug durch einen Prüfungsraum verfolgt hast. Nein, lautet dann die Antwort, das alles wirst du in diesem Buch nicht finden. Du bist einfach nur eingeschlummert und musst deshalb wohl ein paar Seiten zurückblättern.

Ich habe aber vorsorglich allen Figuren in meinem Roman ganz unterschiedliche Namen gegeben. Es gibt nichts Schlimmeres, als spätabends irgendetwas über eine Cathy und eine Katie zu lesen, und man muss den Leuten das Leben ja nicht unnötig schwer machen.

Sonnenliege

In den Ferien ist so eine Liege einfach perfekt zum Schmökern, und ich konnte im Laufe meines Lebens oft am abends vorhandenen Sonnenbrand die Qualität der jeweiligen Lektüre ablesen.

Allerdings stellt man sich da schon die Frage, wie man das Buch am besten hält. Wenn man es in die Luft reckt, werden die Arme irgendwann schwer. Mal abgesehen davon, wird die Urlaubsbräune dann von einem großen buchförmigen Fleck gestört (der in manchen Kreisen allerdings als cool gilt, glaube ich). Da man mit Blick in die Sonne liest, kneift man dabei auch sehr unansehnlich die Augen zusammen.

Mit dem Buch im Schneidersitz auf einem Handtuch zu hocken ist auch nicht sehr elegant (zumindest nicht bei mir, weil ich einen leichten Buckel habe).

Positioniert man sich bäuchlings, schwitzt man auf das Buch, außerdem bohrt sich einem das Plastik der Liege in den Körper. Am besten besorgt man sich eine von diesen fantastischen Liegen für alte Damen, die einen eigenen kleinen Sonnenschirm haben. Ja, natürlich sehen die albern aus. Aber hey, man ist trotzdem allen anderen überlegen, finde ich, weil man auf diese Weise bequem lesen kann.

Auf der Straße

Früher war es einmal völlig akzeptabel, mit einem Buch vor der Nase die Straße entlangzulaufen. Die Leute sind dann mit nachsichtigem Lächeln beiseitegetreten, weil sie sich nur zu gut an Situationen erinnert haben, in denen sie selbst eine Lektüre einfach nicht aus der Hand legen konnten. (Ich habe mal in der Londoner U-Bahn beobachtet, wie eine junge Frau sich das Handgelenk in einem Halteriemen verrenkt hat, weil sie in Bank umsteigen und gleichzeitig Eine gute Partie zu Ende lesen wollte.)

Heutzutage starren jedoch alle unentwegt auf ihr blödes Handy, um es bloß nicht zwei Sekunden zu spät mitzubekommen, falls irgendjemand ein Hundefoto auf Facebook liken sollte. Einfach nur die Straße entlangzugehen ist daher auch ohne Taschenbuch vor der Nase zum reinsten Hindernislauf geworden. Lasst deshalb die gebotene Vorsicht walten!

Lesekreis

Wenn du meinen Roman für einen Lesekreis liest, dann kann ich mich nur entschuldigen, weil du vermutlich gerade um 2.15 Uhr in der Nacht vor dem Treffen damit anfängst. Ich fühle mich ja immer ein bisschen in die Schulzeit zurückversetzt, wenn mich jemand zur Lektüre eines bestimmten Buches zwingt. Und hey, wenn ich Lust auf Hausaufgaben hätte, würde ich mich doch für diesen Abendkurs einschreiben, den ich schon ewig machen will, für den ich aber irgendwie nie die Zeit finde.

Wenn man ein Buch in Eile lesen muss, dann meistens für den Fall, dass jemand fragt: »Und, wie fandest du das Ende?« Sonst muss man nämlich mit wissender Miene nicken und dabei verzweifelt hoffen, dass der Autor nicht auf der Zielgeraden getrickst und die ganze Geschichte noch einmal auf den Kopf gestellt hat. (Ist mir das schon einmal passiert? Na, und ob!) Lasst mich euch daher versichern: Dieser Roman nimmt keine überraschende Wendung. Obwohl ich natürlich genau das behaupten würde, wenn ich mit dem Schluss überraschen wollte …

Hängematte

Als ich jünger war, habe ich einen wunderbaren Mann kennengelernt, der mir eine Hängematte gekauft und sie für mich auf meiner winzigen und äußerst gefährlichen Dachterrasse aufgehängt hat. Dort habe ich viele schöne Stunden damit verbracht, einfach nur hin und her zu schaukeln und zu lesen, Käsechips zu knabbern und an meinen tollen, gut aussehenden Freund zu denken.

Dann, mein teurer Leser, habe ich ihn geheiratet, und wir haben uns einen Haufen Kinder sowie einen Hund zugelegt und sind an einen Ort gezogen, an dem es immer regnet. Die Hängematte muss in irgendeinem Lagerraum gelandet sein. Und das, meine Freunde, ist wohl das viel beschworene Happy End.

Gemopste Lesezeit

Ah, meine liebste Gelegenheit zum Lesen! Ich komme oft absichtlich zehn Minuten zu früh, wenn ich die Kinder vom Schwimmen abholen muss, oder bleibe nach dem Einkaufen noch eine Viertelstunde im Auto sitzen, um der Welt ein bisschen Zeit für mich und mein Buch abzutrotzen. Die haben wir beide uns verdient, und ich genieße sie ganz besonders.

Pendeln

Pendeln ist einfach perfekt, wenn man den Dreh erst raushat. Guckt euch doch mal den glasigen Blick der Menschen an, die diesen komplizierten, zauberhaften Tanz durch öffentliche Verkehrsmittel jeden Tag auf sich nehmen. Aber gerade deshalb, weil Pendeln so ein straff organisierter Vorgang ist, kann uns das Gehirn für exakt die wenige zur Verfügung stehende Zeit in ferne Welten entführen. Packt euer Handy weg – dieser ganze Mist kann auch noch warten, bis ihr bei der Arbeit seid. Das hier ist eure Belohnung dafür, dass ihr pendeln müsst.

Auf Reisen

Reisen ist nicht dasselbe wie Pendeln. Wie ihr euch vorstellen könnt, bin ich absolut dagegen, dass man bald auch in Autos und Flugzeugen Zugang zum WLAN hat, obwohl es natürlich so kommen muss. Reservier im Flieger immer im Voraus einen Fensterplatz, stöpsel Kopfhörer ein, und such im Bordradio nach irgendetwas Entspannendem. Dann darfst du dich für ein paar Stunden in dein Buch vertiefen.

Gut, vermutlich wirst du kurz abgelenkt sein, wenn sich der Getränkewagen nähert. Aus Angst, übersehen zu werden, wird man dann ganz kribbelig und kann sich nicht mehr konzentrieren. Leg das Buch in diesem Moment besser beiseite, und wirf einen Blick in eine Zeitschrift. Tu so, als wärst du ganz relaxed und würdest dir keine Gedanken darüber machen, ob du gleich bedient wirst oder nicht.

Ich hab auch schon mal versucht, auf einem Billigflug gleichzeitig zu essen, zu trinken, Musik zu hören und zu lesen. Probier das lieber nicht, falls du nicht ein ordentliches Budget für die Reinigungskosten deiner Mitreisenden hast.

Züge hingegen sind geradezu fürs Lesen gemacht. Meiner Ansicht nach ist es besser, gute Kopfhörer mitzubringen, als sich in den Ruhebereich zu setzen und sich dort mit lauten Idioten herumzustreiten. Ich will ja gar nicht sagen, dass die eine Gefängnisstrafe verdient hätten, aber das Gegenteil würde ich jetzt auch nicht behaupten.

Am Feuer

Falls du kein offenes Feuer hast, tut es auch eine Kerze. Wenn die Tage kürzer werden, freue ich mich wirklich auf ein großes gemütliches Feuer und ein gutes Buch – je dicker, desto besser. Ich liebe richtig, richtig lange Romane, und je nachdem, wie nah das Wochenende ist (oder was ich momentan als Wochenende definiere), entweder eine große Tasse Tee oder ein Glas Wein, dazu ein wenig Ruhe und Frieden.

Ein Hund ist dabei auch sehr hilfreich. Hunde können uns nämlich wunderbar vormachen, dass man für ein glückliches Leben nicht alle zwei Sekunden aufs Handy schauen muss.

Im Krankenhaus

Aus dem ein oder anderen Grund habe ich im Laufe meines Lebens viel Zeit in Kliniken verbracht: In einer habe ich gearbeitet und in einer anderen mehrere Kinder zur Welt gebracht. Diese Kinder sind dann von Bäumen gefallen und haben sich Gliedmaßen gebrochen, etc., etc.

Im Krankenhaus scheint die Zeit ganz eigenen Regeln zu folgen. Sie verstreicht dort viel langsamer, und das ist auch nachts der Fall. Außerdem schwingt dort in allem eine gewisse Ehrfurcht vor den Geschehnissen um uns herum mit, vor Grenzerfahrungen, die jeden irgendwann betreffen: Verluste und neues Leben, Glück und tiefste Trauer. All dies bündelt sich hier auf den Stockwerken des sterilen, überhitzten Gebäudes, in dem rasche, professionelle Schritte auf dem glänzend polierten Linoleum Angst, Schmerz oder Freude mit sich bringen.

Ich finde es nicht so einfach, in Kliniken zu lesen. Dieser Prozess kommt mir vor, als würde sich ein großes Schiff durch schwieriges Gewässer vorankämpfen. Derweil führen die Menschen draußen an Land ihr normales Leben weiter und ahnen nichts von der schweren See, die ganz in ihrer Nähe durchpflügt wird.

Meiner Meinung nach sind Gedichte fürs Krankenhaus gut geeignet. Das sind kurze Texte, von denen man problemlos aufschauen kann, und man fühlt sich durch sie nicht so verletzlich, nicht ganz so von der Welt abgeschnitten. In solchen Situationen haben wir uns doch alle schon einmal wiedergefunden oder werden es eines Tages tun.

Ein Krankenhaus ist außerdem ein guter Ort, um sich zu jemandem zu setzen und ihm leise vorzulesen. Aus diesem Grund kann ich die Empörung nicht nachempfinden, wenn andere Leute darüber klagen, dass die Klinikcafeteria Kuchen und Eis anbietet. In Krankenhäusern sollte es auf jeden Fall Kuchen geben, das ist doch das Mindeste.

Im Schatten eines Baumes in einem sonnigen Park

Aber natürlich, und dazu bitte ein Eis von Mr Whippy, nicht dieses feste Zeug.

Sonstiges

Zu meinen wichtigsten Errungenschaften gehört es, dass ich herausgefunden habe, wie man am besten in folgenden Situationen liest: beim Stillen (indem man ein Kissen UNTER den Kopf des Babys legt), beim Haareföhnen (ich habe schreckliche Haare), beim Zähneputzen (hingegen habe ich gute Zähne, vermutlich, weil ich viel länger putze als empfohlen), beim Warten an der roten Baustellenampel, auf einer Toilette eingeschlossen bei einer furchtbar langweiligen Hochzeit (nicht meiner eigenen), auf dem Indoor-Spielplatz (am vermutlich besten Tag unseres Lebens habe ich dort mal einen kompletten Roman verschlungen, während sich meine Kinder im Bällebad vergnügt haben), bei der Pediküre (zur Maniküre gehe ich nie, weil ich dabei nicht lesen kann), beim Schlangestehen, in einem Cabrio (knifflig), in der Kirche (was eine Sünde war, für die ich auch angemessen bestraft wurde), auf Geschäftsreisen, bei denen ich allein in Restaurants essen musste (mit einem Buch ist man nie einsam), und ganz früher, als alles angefangen hat, auf dem rechten Rücksitz im alten grünen Saab 99 meines Vaters, genüsslich an einem Fab-Eis lutschend und mit dem Lockenkopf meines schlafenden jüngsten Bruders auf dem Schoß.

Also, erzählt ihr mir doch mal, wo ihr lest. Jeder Tag mit einem Buch ist nämlich besser als einer ohne, und ich wünsche euch nur allerglücklichste Tage.

So, und jetzt kommt mal mit und lernt Nina kennen …

Jenny XXX

Kapitel 1

Das Problem an tollen Sachen ist, dass sie sich oft als schreckliche Ereignisse verkleiden. Es wäre doch schön, wenn uns bei jeder üblen Erfahrung jemand auf die Schulter tippen und erklären würde: »Keine Sorge, das ist es wirklich wert. Im Moment kommt es dir zwar furchtbar vor, aber ich verspreche dir, dass am Ende alles gut wird.«

Dann könntest du sagen: »Danke, gute Fee!« Oder du könntest auch fragen: »Werde ich denn irgendwann diese drei Kilo wieder los?«, und dann würde die Antwort lauten: »Natürlich, mein Kind!«

Das wäre echt nützlich, leider läuft das so aber nicht, und deshalb quälen wir uns oft viel zu lange mit Dingen herum, die uns gar nicht glücklich machen. Oder wir geben viel zu schnell bei einer Sache auf, die am Ende vielleicht doch gelingen würde. Meistens kann man nur schwer unterscheiden, um welche der beiden Möglichkeiten es sich denn nun handelt.

Das Leben vorwärts zu leben ist manchmal wirklich nervig. Das ging zumindest Nina durch den Kopf.

 

Nina Redmond, neunundzwanzig, mahnte sich selbst, bloß nicht in der Öffentlichkeit zu weinen. Falls du dir je gut zuzureden versucht hast, weißt du ja sicher, dass das meistens nicht gut klappt. Aber sie war hier schließlich bei der Arbeit, verdammt. An seinem Arbeitsplatz sollte man nicht heulen.

Sie fragte sich, ob andere es vielleicht trotzdem taten. Dann überlegte sie, ob es womöglich sogar alle taten, selbst Cathy Neeson mit ihren unbeweglichen, zu blonden Haaren, dem dünnen Mund und ihren Tabellenkalkulationen.

Die stand in diesem Moment mit verschränkten Armen in einer Ecke und betrachtete mit finsterem Blick den Raum. Cathy hatte dem kleinen Team, dem Nina angehörte, gerade eine mit Fachjargon gespickte Rede über die allgemeinen Kürzungen gehalten. An Sparpolitik müsse man sich eben gewöhnen, und Birmingham könne sich einfach nicht mehr all seine Büchereien leisten.

Nein, dachte Nina jetzt, vermutlich weinte Cathy eher nicht. In manchen Menschen steckte eben nicht eine einzige Träne.

(Nina wusste natürlich nicht, dass Cathy Neeson sowohl auf dem Weg zur Arbeit als auch später auf dem Heimweg weinte – den sie meistens erst nach acht Uhr abends antrat –, und zwar jedes Mal, wenn sie jemanden wegrationalisieren musste. Sie vergoss jedes Mal Tränen, wenn sie bei einem ohnehin schon winzigen Budget noch ein paar Prozent abknapsen musste, jedes Mal, wenn sie neue qualitätsbezogene Unterlagen liefern sollte, und jedes Mal, wenn ihr Chef ihr am Freitagnachmittag um vier noch jede Menge Verwaltungsarbeit aufs Auge drückte, während er selbst sich mal wieder – wie so oft – auf den Weg in den Skiurlaub machte.

Irgendwann würde Cathy es aufgeben und sich einen Job in einem Souvenirladen des National Trust suchen. Der würde zwar bloß ein Fünftel ihres bisherigen Gehalts, dafür aber auch nur die Hälfte an Arbeitsstunden und überhaupt keine Tränen mit sich bringen. Allerdings geht es in dieser Geschichte nicht um Cathy Neeson.)

Nina dachte mit einem Kloß im Hals daran, dass sie doch bloß eine ganz kleine Bücherei waren.

Am Dienstag und Donnerstag gab es dort vormittags eine Vorlesestunde für Kinder, am Mittwochnachmittag machten sie früh zu. Die Bücherei befand sich in einem etwas heruntergekommenen, altmodischen Gebäude mit schäbigem Linoleum-Fußboden, in dem es manchmal leicht muffig roch, das stimmte wohl. Und die große, tropfende Heizung brauchte morgens eine Weile, um in die Gänge zu kommen, woraufhin sie augenblicklich zu warm wurde. Das brachte Gerüche in Wallung, vor allem den ganz eigenen Mief vom alten Charlie Evans, der immer kam, um im Warmen ganz langsam den Morning Star von vorne bis hinten zu lesen.

Nina fragte sich, wo die Charlie Evans dieser Welt denn nun hinsollten.

Cathy Neeson erklärte, dass man das Büchereiangebot im Zentrum der Stadt bündeln wollte. Dort würde ein »Hub intersensorischer Erfahrungen« entstehen, was auch immer das sein mochte, mit »multimedialem Erlebnisbereich« und einem Café. Aber leider lag die Innenstadt für ihre Kunden mit Kinderwagen oder im fortgeschrittenen Alter mindestens zwei Busreisen zu weit entfernt.

Das Grundstück des freundlichen, schäbigen kleinen Büchereigebäudes mit Giebeldach würde verkauft werden, und es würden darauf Managerwohnungen entstehen, die für jemanden mit dem Gehalt eines Bibliothekars unerschwinglich wären.

Nina Redmond, neunundzwanzig, war ein Bücherwurm mit langem, wirrem Haar in Kastanienbraun und heller Haut mit ein paar Sommersprossen hier und da. Ihre Schüchternheit war derart ausgeprägt, dass sie oft in den unpassendsten Momenten rot wurde oder am liebsten in Tränen ausgebrochen wäre. Und nun hatte sie das Gefühl, dass man sie in eine Welt hinausschickte, in der ein rauer Wind wehte und wo sich auf einmal viele erwerbslose Bibliothekare zugleich auf dem Arbeitsmarkt tummelten.

»Also«, beendete Cathy Neeson ihre Ansprache, »Sie können quasi sofort damit anfangen, die ›Bücher‹ zusammenzupacken.«

»Bücher« sprach sie aus, als fände sie das Wort angesichts ihrer glänzenden Vision des neuen Multimedia-Angebots irgendwie geschmacklos. All diese schmuddeligen, sperrigen Dinger.

 

Mit bangem Herzen und geröteten Augen schleppte sich Nina ins Hinterzimmer, wo die anderen zum Glück ähnlich mitgenommen aussahen. Ihre Kollegin Rita O’Leary hätte eigentlich schon vor gut zehn Jahren in den Ruhestand gehen sollen. In ihrem Alter konnte sie die Zahlen der Dewey-Dezimalklassifikation nicht mehr so gut lesen und sortierte die Bücher mehr oder weniger nach Gutdünken ein. Darüber hatten aber immer alle gern hinweggesehen, weil sie den Kunden gegenüber so herzlich war.

Nun brach Rita in Tränen aus, und Nina konnte einen Moment ihre eigene Traurigkeit vergessen, als sie die ältere Kollegin tröstete.

 

Viel zu schnell wurde ein Ausverkauf organisiert, bei dem die meisten der Leser ihre alten Lieblingsbücher aus der 10-Pence-Kiste durchblätterten und die schicken Neuanschaffungen links liegen ließen.

Im Laufe der nächsten Tage sollten die Angestellten eigentlich die restlichen Bücher zusammenpacken und zur Zentralbibliothek schicken.

Griffins normalerweise schon so mürrische Miene war dabei noch finsterer als sonst. Ninas Kollege trug einen langen, unangenehm dünnen Bart und zeigte sich den Menschen gegenüber herablassend, die seine literarischen Vorlieben nicht teilten. Da er nur wenig bekannte, längst vergriffene Romane aus den 1950ern über frustrierte junge Trinker in Fitzrovia mochte, hatte er häufig Gelegenheit, seine Attitüde zu perfektionieren.

»Na ja, wenigstens finden all die Bücher in der neuen großen Einrichtung in der Innenstadt ein schönes Zuhause«, sagte Nina zu ihm. Sie brachte es nicht einmal über sich, »Medienzentrum« zu sagen.

Griffin schnaubte. »Hast du die Pläne denn nicht gesehen? Kaffee, Computer, DVDs, Pflanzen, Verwaltungsbüros … Und dann die Mitarbeiter, die Kosten-Nutzen-Analysen anfertigen und Arbeitslose schikanieren – ach, entschuldige, ›Achtsamkeitsworkshops‹ anbieten. Im ganzen verdammten Gebäude ist kein einziger Bereich für Bücher vorgesehen.« Er deutete auf die Dutzende von Kisten. »Die sind nur noch Müll. Wahrscheinlich werden die zu Straßenbelag verarbeitet.«

»Werden sie nicht!«

»Und ob! Das macht man nämlich mit toten Büchern, wusstest du das nicht? Die werden beim Straßenbau als unterste Schicht benutzt, damit große dicke Autos über Jahrhunderte von Gedankengut und Ideen und Gelehrsamkeit rollen können. So stampfen sie mit ihren dämlichen fetten Reifen metaphorisch die Liebe zum Lernen in Grund und Boden, während polternde Top-Gear-Idioten unseren Planeten zugrunde richten.«

»Du hast heute Morgen aber keine besonders gute Laune, oder, Griffin?«

»Könnten Sie beide hier vielleicht ein bisschen Gas geben?«, drängte nun eine hektisch hereinstürmende Cathy Neeson. Durch das winzige Budget hatten sie die Lieferwagen nur für einen einzigen Tag mieten können und würden ernsthafte Probleme bekommen, wenn sie nicht rechtzeitig alles einluden.

»Jawoll!«, zischte Griffin mit leiser Stimme militärisch, während Cathy mit ihrem stets unbeweglichen blonden Bob wieder nach draußen eilte. »Gott, ich kann nicht fassen, wie bösartig diese Frau ist.«

Aber Nina hörte schon gar nicht mehr hin. Stattdessen betrachtete sie verzweifelt die Tausende von Büchern um sie herum, die mit ihren wunderschönen Covern und den optimistischen Klappentexten so hoffnungsfroh wirkten. Der Gedanke, dass auch nur ein einziges davon auf der Müllkippe landen könnte, brach ihr das Herz. Das waren doch schließlich Bücher! Für Nina war das so, als würde man ein Tierheim schließen. Und sie würden heute auf keinen Fall alles wegschaffen können, egal, wie Cathy Neeson sich das vorstellte.

Aus diesem Grund war Ninas Auto, ein Mini Metro, bis obenhin mit Büchern vollgeladen, als sie sechs Stunden später vor der Haustür des kleinen Häuschens parkte, in dem sie mit ihrer Mitbewohnerin lebte.

 

»Auf keinen Fall!«, versetzte Surinder, als sie an die Tür kam und die Arme vor ihrem ziemlich beeindruckenden Busen verschränkte. Sie hatte eine grimmige Miene aufgesetzt, die sie von ihrer Mutter, einer Polizeikommissarin, geerbt hatte. Bei Nina wendete sie diesen Gesichtsausdruck oft an.

»Die kommen mir nicht ins Haus. Ausgeschlossen!«

»Es ist ja nur … Ich meine, die sind schließlich in makellosem Zustand!«

»Darum geht es doch gar nicht«, wandte Surinder ein. »Und schau mich jetzt nicht so an, als würde ich hier gerade Waisenkinder verstoßen.«

»Na ja, in gewisser Hinsicht …«, sagte Nina und versuchte, nicht allzu flehentlich zu gucken.

»Ich hab’s dir schon mal gesagt, Nina, das halten die Balken im Haus nicht aus.«

Nina wohnte seit ihrem Umzug von Chester nach Edgbaston vor vier Jahren zusammen mit Surinder in einem winzigen Reihenhaus. Sie hatten einander vorher nicht gekannt und deshalb die wunderbare Gelegenheit gehabt, befreundete Mitbewohnerinnen zu werden, statt Freundinnen zu sein, die sich durchs Zusammenleben zerstreiten würden.

Nina machte sich ständig Sorgen, dass Surinder irgendwann einen festen Freund finden würde, der dann zu ihr ziehen wollte, oder dass sie sich gemeinsam etwas Neues suchen würden. Doch trotz ihrer vielen Verehrer war dies bislang nicht geschehen, was wirklich ein Segen war.

Surinder wies Nina gern darauf hin, dass sie ja nicht die Einzige war, der so etwas passieren könnte. Aber wegen Ninas lähmender Schüchternheit und ihres ziemlich einsamen Hobbys – des Lesens – waren sie sich ziemlich sicher, dass es wohl bei Surinder als Erstes so weit sein würde.

Nina war immer die Stille gewesen, die im Hintergrund blieb und die Dinge durch die Linse ihrer geliebten Romane betrachtete.

Nach einem weiteren unbehaglichen Abend im Kreise der unbeholfenen Freunde von Surinders neuester Männerbekanntschaft dachte Nina, dass sie einfach noch nie jemandem wie den Helden aus ihren geliebten Büchern begegnet war. Einem Mr Darcy oder Heathcliff oder vielleicht sogar einem Christian Grey, wenn ihr gerade der Sinn danach stand …

Die aufgeregten jungen Männer mit feuchten Händen, bei denen ihr nie irgendetwas Witziges oder Geistreiches einfiel, konnten da einfach nicht mithalten. Sie marschierten nicht finster und wutentbrannt über Moore in Yorkshire. Sie schlugen keinen Tanz in der Brunnenhalle aus, obwohl sie doch in Wirklichkeit schon ihr Leben lang für die verschmähte Tanzpartnerin schwärmten. Sie betranken sich einfach nur wie Griffin bei der Weihnachtsfeier und versuchten dann, mit einem Zungenkuss bei ihr durchzukommen, während sie die Beziehung zu ihrer Freundin als gar nicht so verbindlich hinstellten.

Egal. Jetzt schäumte Surinder jedenfalls vor Wut, und das Schlimmste an der Sache war, dass sie recht hatte. Für mehr Bücher war im Haus einfach kein Platz, weil schon überall welche standen und lagen: im Eingangsbereich, auf der Treppe und in Ninas Zimmer, das bis in den letzten Winkel vollgestopft war. Auch im Wohnzimmer waren etliche säuberlich aufgereiht, ebenso auf der Toilette, nur für alle Fälle. Nina hatte in einer Krise immer gern Betty und ihre Schwestern in Reichweite.

»Ich kann die doch nicht draußen in der Kälte lassen«, bettelte sie nun.

»Nina, das ist bloß ein Haufen TOTES HOLZ! Und zum Teil mieft es ganz schön!«

»Aber …«

Surinders Gesichtsausdruck blieb hart, als sie ihrer Mitbewohnerin streng in die Augen sah. »Nina, das reicht jetzt, die Sache gerät gerade langsam außer Kontrolle. Und wenn ihr in der Bücherei noch die ganze Woche mit Zusammenräumen beschäftigt seid, wird es nur noch schlimmer!«

Surinder trat aus dem Haus und nahm das oberste Buch von dem Stapel, den Nina vor sich hertrug. Es war ein dicker Liebesroman.

»Jetzt guck mal, den hast du doch schon!«

»Ja, ich weiß, aber das ist eine Hardcover-Erstausgabe. Sieh mal, wie schön! Dieses Buch hat noch nie zuvor jemand gelesen!«

»Und dazu wird es wohl auch nie kommen, weil dein Stapel mit noch zu lesenden Büchern größer ist als ich!«

Zornentbrannt baute sich Surinder im Vorgarten vor Nina auf. »Nein!«, sagte sie wieder und wurde jetzt laut. »Dieses Mal lasse ich mich nicht erweichen!«

Nina spürte, wie sie zu zittern begann. Sie standen kurz vor einer ernsthaften Auseinandersetzung, und sie konnte Streit und jegliche Art von Konfrontation einfach nicht ertragen. Was Surinder natürlich wusste.

»Bitte«, sagte Nina wieder.

Surinder reckte die Hände in die Luft. »Gott, ich komme mir vor, als würde ich einen Welpen treten. Sag mal, um eine neue Arbeit hast du dich auch noch nicht bemüht, oder? Nein, du rollst dich einfach auf die Seite und stellst dich tot.«

»Außerdem«, flüsterte Nina und fixierte die Gehwegplatten, als die Tür zufiel, »habe ich heute Morgen meinen Hausschlüssel vergessen. Ich glaube, wir haben uns ausgesperrt.«

 

Surinder starrte Nina wütend an. Nachdem ihr Kommissarinnengesicht seine Schuldigkeit getan hatte, brach sie aber in Gelächter aus.

Dann schlenderten sie zu einem netten kleinen Pub an der nächsten Straßenecke, in dem es heute ausnahmsweise mal nicht proppenvoll war, und suchten sich einen gemütlichen Tisch.

Surinder bestellte eine Flasche Wein, die Nina misstrauisch beäugte. Wein war normalerweise kein gutes Zeichen und der Auslöser für ein »Was mit Nina nicht stimmt«-Gespräch, das meistens nach dem zweiten Glas losging.

Aber so ein Dasein wie ihres war doch in Ordnung, oder nicht? Es war schließlich okay, Bücher zu lieben und seine Arbeit zu mögen und sein Leben so zu führen. Ein nettes, gemütliches kleines Leben mit einer Routine, das bislang niemanden gestört hatte.

»Nein«, sagte Surinder nach dem zweiten Glas und stellte es seufzend auf den Tisch.

Nina richtete sich aufs Zuhören ein und setzte eine leidgeprüfte Miene auf.

Surinder arbeitete bei einer Importfirma für Schmuck im Büro, wo sie die Buchhaltung machte und die Diamantenhändler an der kurzen Leine hielt. Sie war großartig in ihrem Job, und alle hatten Angst vor ihr. Sowohl ihr Händchen fürs Administrative als auch ihr geschickt eingefädeltes häufiges Fehlen waren legendär.

»Es reicht einfach nicht, oder, Niens?«

Nina konzentrierte sich auf ihr Glas und wünschte wirklich, nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen.

»Was hat denn der Berufsberater gesagt?«

»Er hat gesagt … dass es nach den Kürzungen eben nicht mehr viele Stellen für Bibliothekare gibt. Man wird vor allem Ehrenamtliche einsetzen.«

Surinder gab ein schnaubendes Geräusch von sich. »So nette alte Damen?«

Nina nickte.

»Aber die können den Leuten doch gar nicht die richtigen Romane empfehlen! Und sie wissen auch nicht, was ein Neunjähriger nach Harry Potter als Nächstes lesen sollte.«

»New World – Die Flucht«, sagte Nina automatisch.

»Genau das meine ich. Solches Fachwissen! Und kommen die überhaupt mit dem Klassifikationssystem klar? Mit der Ablage? Dem ganzen Verwaltungskram?«

Nina schüttelte den Kopf. »Eher nicht.«

»Und wo sollst du hin?«

Nina zuckte mit den Achseln. »Im neuen Medienhub gibt es wahrscheinlich Stellen für Informationsvermittler, aber dafür müsste ich an einem Kurs für Teambuilding teilnehmen und mich dann neu bewerben.«

»An einem Kurs für Teambuilding?«

»Ja.«

»Du?« Surinder lachte. »Und, hast du dich dafür angemeldet?«

Nina schüttelte den Kopf. »Aber Griffin macht da mit.«

»Und dir wird wohl auch nichts anderes übrig bleiben.«

Nina seufzte schwer. »Vermutlich nicht.«

»Du verlierst deine Stelle, Nina! Du wirst arbeitslos! Den ganzen Nachmittag herumzugammeln und Georgette Heyer zu lesen wird daran auch nichts ändern, oder?«

Nina schüttelte den Kopf.

»Also reiß dich jetzt mal zusammen!«

»Wenn ich das mache, dürfen die Bücher dann ins Haus?«

»Nein!«

Kapitel 2

Am Tag des Teambuilding-Kurses war Nina aufgeregt, weil sie keine Ahnung hatte, was sie dort erwartete. Außerdem war ihr Auto ja immer noch bis unters Dach voll mit Büchern.

Auch Griffin nahm an dem Kurs teil und hatte ganz lässig die Beine übergeschlagen, so als wollte er sich als der entspannteste Typ aller Zeiten präsentieren. Das klappte allerdings nicht besonders gut. Sein Pferdeschwanz baumelte schlapp über sein leicht ergrautes T-Shirt, und seine Brille war schmierig.

»Diese Kursteilnehmer-Pappnasen«, flüsterte er Nina zu, um sie aufzuheitern.

Das half aber nicht, danach fühlte sie sich nur noch übler und zupfte nervös an ihrer Blümchenbluse herum.

Draußen war der Frühling so bewegt wie ein auf den Wellen hüpfendes Boot, Regenschauer und Sonnenschein wechselten einander ab.

Surinder hatte recht: Es war wirklich an der Zeit, dass sich Nina am Riemen riss. Aber manchmal kam es ihr eben so vor, als sei die Welt einfach nicht für Leute wie sie gemacht.

Selbstbewusste, charismatische Menschen wie Surinder konnten das nicht verstehen. Wer nicht extrovertiert war, sich nicht dauernd in den Mittelpunkt drängte, keine Selfies postete, nicht ständig redete und nach Aufmerksamkeit verlangte, wurde schlicht übersehen. Und normalerweise war es Nina ja ganz recht, wenn andere geradewegs durch sie hindurchguckten.

Doch jetzt wurde ihr klar, dass sie Gefahr lief, sich selbst zu übersehen. Was auch immer sie versuchte, wie viele Romane sie auch rettete, ihre Bücherei würde schließen. Ihren Arbeitsplatz würde es nicht mehr geben, und es ging ja nicht einfach nur darum, irgendwo einen neuen zu finden. Da überall Bibliothekare arbeitslos wurden, würden sich auf jede neue Stelle dreißig Kandidaten bewerben. Das war so wie bei Schreibmaschinenreparateuren oder Herstellern von Faxgeräten. Mit nur neunundzwanzig fühlte sich Nina fast schon überflüssig, den Anforderungen des Lebens nicht mehr gewachsen.

Sie hatte sich für den Kurs mit ihren Kollegen und den Mitarbeitern der beiden anderen schließenden Büchereien der Region im hinteren Saal des Gebäudes zusammengefunden.

Es wurde viel gemurmelt und geklagt, über die verdammte Regierung und darüber, wie ätzend alles war. Begriffen die Menschen denn nicht, war ihnen gar nicht bewusst, was Büchereien alles für die Allgemeinheit taten?

Nina glaubte eher, dass sie es sehr wohl wussten, sich aber einfach nicht darum scherten.

Nun sprang ein junger Mann auf das kleine Podium vorne und rief zur Begrüßung: »Hey!« Er trug Jeans und ein rosafarbenes Hemd mit offenem Kragen.

»Ich frage mich, was sie dem für diesen Kurs eigentlich bezahlen«, flüsterte Griffin. »Mehr als uns, würd ich mal wetten.«

Nina kniff die Augen zusammen. Des Geldes wegen hatte sie sich ihren Beruf jedenfalls nicht ausgesucht.

»Hallo, alle zusammen!«, rief der junge Mann. Er gehörte zu diesen Leuten, bei denen der Tonfall am Ende immer hochging. Deshalb klang bei ihm jeder Satz wie eine Frage. »Also, ich weiß, dass die Situation hier nicht ideal ist?«

»Ach, was!«, schnaubte Griffin.

»Aber ich bin mir sicher, dass wir uns am Ende des Tages alle super verstehen werden … wenn wir unseren Teamgeist und unser Selbstbewusstsein gestärkt haben, ja?«

Griffin schnaubte wieder, Nina lehnte sich jedoch ein wenig vor. Ihr Selbstbewusstsein stärken? Das könnte wirklich nicht schaden.

 

Inzwischen war etwa eine Stunde verstrichen, und sie waren mit Spielen zur Vertrauensbildung beschäftigt. Damit sollten sie den Glauben an irgendetwas zurückerlangen, obwohl sie doch später alle im Kampf um die verbleibenden Stellen gegeneinander antreten würden.

Nina war mit verbundenen Augen durch den Raum gelaufen und hatte sich dabei nur von den Stimmen der anderen leiten lassen.

Der junge Kursleiter, der sich ihnen als Mungo vorgestellt hatte, war wirklich sehr motivierend. »Sie müssen die Vorstellung aufgeben, dass Sie manche Dinge einfach nicht können!«, rief er.

»Ach?«, seufzte Griffin.

Nina hingegen schaute Mungo an. War an der Sache vielleicht doch was dran?

»Man kann alles schaffen, man muss es nur versuchen.«

»Oh, gut, dann stoße ich am besten zum olympischen Tauchteam dazu«, lautete Griffins Antwort darauf.

Mungo lächelte unbeirrbar. Dann zog er eins seiner Hosenbeine hoch, und der ganze Raum keuchte hörbar auf, als darunter eine Kunststoffprothese zum Vorschein kam.

»Ich würde es zumindest versuchen«, sagte er. »Na los, was würden Sie wirklich gern tun?«

»Eine Abteilung für Medientechnik leiten«, antwortete Griffin rasch.

Nina wusste, dass er Mungo für einen Spitzel der Büchereileute hielt.

Mungo nickte bloß. »Machen wir es doch einfach so, dass jeder etwas dazu sagt«, schlug er vor. »Seien Sie ehrlich. Hier gibt es keine Spione.«

Nina sank auf ihrem Stuhl in sich zusammen. In der Öffentlichkeit zu sprechen war für sie eine Qual.

Ein grantiger Mann, den sie nicht kannte, meldete sich ganz hinten im Raum. »Ich wollte eigentlich immer gern mit Tieren arbeiten«, erklärte er. »Draußen in der freien Wildbahn. Sie beobachten und katalogisieren … Wissen Sie, was ich meine?«

»Das klingt ja super«, sagte Mungo, und es hörte sich an, als meine er es auch so. »Toll! Kommen Sie doch mal nach vorne!«

In Nina zog sich alles zusammen, als sie sich rund um einen Tisch aufstellen mussten, den der Mann nun erklomm, um sich fallen zu lassen und von der Gruppe aufgefangen zu werden.

»Ich träume schon lange davon, Maskenbildnerin beim Film zu werden«, verriet nun eine junge Rezeptionistin aus der Zentrale. »Die großen Stars zu schminken und so.«

Mungo nickte, sie trat vor und ließ sich ebenfalls fallen. Nina konnte nicht fassen, wie problemlos sich alle darauf einließen.

»Ich will einfach nur mit Büchern arbeiten«, sagte Rita. »Das ist alles, was ich mir im Leben wünsche.«

Fallen lassen musste sie sich allerdings nicht, wegen ihrer Hüfte.

Es wurden noch weitere Ideen vorgebracht, die mit viel Nicken und dem ein oder anderen Applaus vom Rest der Gruppe bedacht wurden.

Selbst Griffin nahm seine erste Antwort zurück und murmelte, dass er eigentlich gern Comics zeichnen würde.

Nina hingegen sagte nichts, obwohl es hinter ihrer Stirn fieberhaft arbeitete. Schließlich wurde ihr klar, dass Mungo sie anstarrte.

»Ja?«

»Na los, Sie sind die Letzte. Verraten Sie uns bitte, was Sie gern tun würden. Und seien Sie ehrlich.«

Widerwillig schob sich Nina in Richtung Tisch. »Darüber habe ich eigentlich noch nie nachgedacht.«

»Und ob Sie das haben«, widersprach Mungo. »Wie jeder andere auch.«

»Es klingt aber ganz schön albern. Vor allem unter den gegebenen Umständen.«

»Wir lassen uns gerade rückwärts vom Tisch fallen«, wandte er ein. »Albern ist hier gar nichts.«

Als Nina auf den Tisch kletterte, sah der Rest der Gruppe sie erwartungsvoll an. Ihr Mund war ganz trocken, und plötzlich hatte sie einen Blackout.

»Na ja«, sagte sie und spürte, wie ihre Wangen zu brennen begannen. Sie schluckte schmerzhaft. »Also … ich meine. Tja. Ich hab immer schon … immer schon davon geträumt, eines Tages meine eigene Buchhandlung zu führen. Nur eine ganz kleine.«

Er herrschte kurz Schweigen, und dann erklangen von überall her Stimmen.

»Ich auch!«

»O ja!«

»Das klingt einfach WUNDERBAR!«

»Schließen Sie die Augen«, bat Mungo behutsam.

In diesem Moment kniff Nina die Augen ganz fest zu, lehnte sich zurück und fiel in wartende Arme, die sie auffingen und dann vorsichtig auf dem Boden absetzten.

Und als Nina die Augen wieder aufschlug, fragte sie sich …

 

In der Pause nahm Mungo Nina beiseite, um mit ihr über ihren Traum zu sprechen.

Nina erklärte ihm, dass sie sich Dingen wie Betriebskosten oder Lagerbeständen oder Angestellten oder all den anderen großen Verpflichtungen, die ein Geschäft eben mit sich brachte, nicht gewachsen fühle.

Er nickte sanft. Als sie ihm gestand, dass sie genug Bücher für einen ganzen Laden in ihrem Auto zwischenlagerte, lachte er und hob eine Hand. »Wissen Sie«, sagte er, »man braucht für so etwas nicht unbedingt einen festen Standort.«

»Wie meinen Sie das?«

»Na ja, statt ein Ladenlokal zu mieten, das ja entsprechende Kosten mit sich bringt, könnten Sie doch etwas anderes probieren.«

Er zeigte ihr Fotos auf der Website einer Frau, die eine Buchhandlung auf einem Frachtkahn führte. Davon hatte Nina schon gehört und seufzte neidisch.

»Es muss auch nicht unbedingt ein Schiff sein«, fügte er hinzu. »Ich kannte mal eine Frau, die in Cornwall eine Bäckerei in einem Lieferwagen eröffnet hat.«

»Eine ganze Bäckerei?«

»Eine ganze Bäckerei! Die Leute sind meilenweit dafür gefahren.«

Nina sah ihn skeptisch an. »Ein Lieferwagen?«

»Warum nicht? Haben Sie denn den Führerschein?«

»Ja.«

»So einen Wagen könnte man doch hübsch herrichten, meinen Sie nicht?«

Nina erwähnte an dieser Stelle nicht, dass sie ewig gebraucht hatte, um zu lernen, wie man im Rückwärtsgang wendete. Mungos überschwänglicher Enthusiasmus war so allumfassend, dass es leichter schien, dem jungen Mann einfach zuzustimmen.

 

»EIN LADEN?« Griffin musste natürlich wieder stänkern. »EINE BUCHHANDLUNG? Ja, bist du denn VERRÜCKT?«

Nina zuckte mit den Achseln. »Ich weiß auch nicht«, sagte sie. »Ich könnte doch deine Comics bei mir verkaufen.«

Sie fühlte sich immer noch seltsam inspiriert. Nun zeigte sie Griffin eine Anzeige, die sie während der Pause mithilfe des begeisterten Mungo gefunden hatte. »Schau dir das mal an.«

»Was ist das?«

»Ein Lieferwagen.«

»Ein stinkender alter Imbisswagen?«

»Ein stinkender alter Imbisswagen«, musste Nina widerwillig zugeben. »Gut, der wäre wahrscheinlich nicht ideal. Aber was ist denn mit diesem hier?«

»Du scheinst Lieferwagen ja für die Lösung aller Probleme zu halten«, knurrte Griffin. »Dabei sind die bestimmt voller Ungeziefer.«

»Ich hab doch gerade gesagt, dass ich Imbisswagen ausschließe!« Ninas leicht gereizte Stimme ließ Griffin überrascht von seinem Pint Bier aufschauen. Es kam ihm wohl vor, als hätte da eine Maus gebrüllt.

»Jetzt bleib bitte mal ernst, und schau dir den hier an.«

»Oh, ein Lieferwagen!«, rief Griffin übertrieben sarkastisch aus. »Ich weiß wirklich nicht, was du von mir hören willst.«

»Na, zum Beispiel: ›Wow, Nina, das ist ja toll! Wer hätte gedacht, dass du dein Leben in die Hand nehmen und dir so was einfallen lassen würdest?‹«

»Hat dir dieser Mungo etwa den Kopf verdreht?«

»Nein, Griffin, der ist doch nur ein Kind. Aber mir gefällt seine Einstellung.«

»Das verstehe ich nicht«, murmelte Griffin. »Ein Lieferwagen. Ich dachte, du wolltest eine Buchhandlung eröffnen?«

»Das will ich auch!«, fuhr Nina fort. »Aber ein Ladenlokal kann ich mir ja wohl nicht leisten, oder?«

»Nein«, sagte Griffin. »Du wärst als Kreditnehmer ein viel zu großes Risiko für jede Bank. Schließlich hast du überhaupt keine Erfahrung darin, ein Geschäft zu leiten.«

»Stimmt«, nickte Nina. »Aber dafür weiß ich alles über Bücher, oder?«

Griffin sah sie an. »Ja«, musste er widerwillig zugeben, »was Bücher angeht, bist du ziemlich gut.«

»Und ich kriege doch eine Abfindung«, sagte Nina. »Außerdem könnte ich den Mini Metro verkaufen. Ich meine, ich könnte … Ich könnte mir einen Lieferwagen leisten … so gerade eben. Und Ware hab ich schließlich genug, hier aus der Bücherei und … na ja, eben aus meinem Leben. Bei mir stehen ja überall Bücher rum, mit denen könnte ich den Wagen erst einmal vollmachen und dann gucken, wie es weitergeht.«

»Du hast wirklich zu viele Bücher«, seufzte Griffin. »Ich hätte ja nie gedacht, dass ich das mal über jemanden sagen würde.«

»Also«, murmelte Nina. »Wenn ich den Warenbestand schon habe … und dazu noch einen Lieferwagen …«

»Ja?«

»Ich meine, warum sollte ich damit dann nicht durch die Gegend fahren und die Bücher verkaufen?«

So langsam steigerte sie sich da richtig hinein und spürte ein aufgeregtes Kribbeln in der Brust. Warum denn nicht? Wieso sollten alle anderen ihre Träume verwirklichen dürfen, nur sie nicht?

»Wo denn, etwa in Edgbaston?«

»Nein, es müsste irgendwo sein, wo das Parken nicht so streng geregelt ist«, überlegte Nina

»Also nirgendwo.«

»Irgendwo, wo ich nicht störe. Wo ich einfach meine Bücher verkaufen darf.«

»Ich glaube nicht, dass das so funktioniert«, wandte Griffin ein.

»Das wäre wie bei Bauernmärkten, wo die Händler einmal die Woche ihre Ware anbieten.«

»Du willst also nur einmal die Woche arbeiten und dich den Rest der Zeit um deine Bücherplantage kümmern?«, fragte Griffin.

»Jetzt hör schon auf, mir die Sache schlechtzureden!«, schimpfte Nina.

»Ich bin doch nur realistisch. Soll ich jetzt etwa sagen: ›Klar, Nina, pfeif auf die Möglichkeit einer neuen Anstellung und lass mit fast dreißig alles stehen und liegen, um einem Traum hinterherzujagen!‹? Dann wäre ich dir wohl kein guter Freund.«

»Hm«, machte Nina, der er damit ziemlich den Wind aus den Segeln genommen hatte.

»Ich meine«, fuhr Griffin fort, »du bist nicht gerade ein risikofreudiger Mensch. In den vier Jahren, die ich dich nun kenne, bist du kein einziges Mal zu spät aus der Mittagspause zurückgekommen. Du hast nie irgendeinen Änderungsvorschlag für die Mitarbeiter eingebracht oder dich über irgendetwas beschwert, bist niemals während eines Feueralarms einen Kaffee trinken gegangen – nichts. Du bist die Kleine Miss Perfekte Angestellte, die Kleine Miss Ideale Bibliothekarin … Und jetzt willst du dir einen Lieferwagen kaufen und damit draußen in der freien Wildbahn Bücher verkaufen? Um damit dein Geld zu verdienen?«

»Klingt das denn so verrückt?«, fragte Nina.

»Ja«, sagte Griffin.

»Hm«, kam es wieder von Nina. »Und was hast du vor? Dich bei Illustratoren und in Comicläden und so vorstellen?«

Einen Moment wirkte Griffin verlegen. »Oh«, hauchte er. »Du liebe Güte, nein, natürlich nicht. Ich werde mich vermutlich einfach um eine der neuen Stellen bewerben. Du weißt schon … der Sicherheit wegen. Als Wissensvermittler.«

Nina nickte traurig. »Ja, ich wohl auch.«

»Mit dir als Konkurrentin werde ich die Stelle sicher nicht kriegen.«

»Jetzt sei nicht albern, natürlich wirst du das«, wandte Nina ein und konzentrierte sich peinlich berührt auf die Anzeige. »Dieser Wagen steht bestimmt sonst wo.«

Griffin beugte sich über die Annonce und brach dann in schallendes Gelächter aus. »Nina, den kriegst du sowieso nicht.«

»Warum denn nicht? Das ist der, den ich will!« Sie verbesserte sich: »Das ist der, den ich gewollt hätte.«

Er war blau, geräumig und altmodisch, mit großen Scheinwerfern. Er konnte nicht nur hinten geöffnet werden, sondern hatte auch noch eine seitliche Tür mit einer kleinen Metalltreppe, die man ausklappen konnte. Der Wagen war wirklich schön und strahlte ein gewisses Retroflair aus. Und vor allem war im Inneren jede Menge Platz für Regale, da es sich um einen ehemaligen Brotwagen handelte. Das Ding war einfach umwerfend.

»Na, dann viel Glück«, schnaubte Griffin und deutete aufs Kleingedruckte. »Guck, der steht nämlich in Schottland!«

Kapitel 3

Cathy Neeson ließ jeden Mitarbeiter einzeln in ihr Büro kommen, um sich die »Entwicklung seiner Schlüsselqualifikationen« anzusehen. Um ein Bewerbungsgespräch handelte es sich dabei aber nicht. Nein, natürlich nicht. Es war einfach nur Folter, eine grausame Qual, aber das wagte selbstverständlich niemand zu sagen.

Als Nina schließlich das Büro betrat, zitterte sie vor Aufregung.

Cathy schaute auf und sah sie an, als würde sie Nina gar nicht wiedererkennen. (Und das tat sie wirklich nicht, da ihr Kind Keuchhusten hatte und erst gegen drei Uhr morgens zur Ruhe gekommen war.)

Deren Selbstbewusstsein war das leider nicht sehr zuträglich.

Rasch warf Cathy einen Blick in ihre Unterlagen. »Ah, Nina«, sagte sie. »Schön, Sie zu sehen.« Sie überflog die Papiere erneut und runzelte ein wenig die Stirn. »Sie haben also gern hier in der Bücherei gearbeitet, nicht wahr?«

Nina nickte. »Ja, sehr gern.«

»Aber Sie freuen sich doch sicher auf die neuen Herausforderungen, oder?«

»Ich fand den Kurs für Teambuilding sehr hilfreich«, antwortete Nina. Ehrlich gesagt hatte sie seitdem nur an eins gedacht. Daran, wie der Lieferwagen wohl geparkt aussah, ganz glänzend und einladend, wie sie ihn einrichten würde und wie viel Ware sie wohl brauchen würde, um immer die Bücher dazuhaben, die die Leute mochten. Sie fragte sich, woher sie wohl andere Secondhand-Bücher bekommen könnte, wenn in der Bücherei alle aussortiert waren, und …

Nina merkte, dass sie in Gedanken abgeschweift war und dass Cathy Neeson sie fragend anstarrte.

(Cathy Neeson hasste diesen Teil ihrer Arbeit so sehr, dass sie sich am liebsten mit einem Messer darauf gestürzt hätte. Es ging darum, ungeeignete Kandidaten davon abzubringen, dass sie sich überhaupt bewarben. So würde beim Auswahlverfahren später Zeit gespart. Aber in Wahrheit stand Cathy diesen lauten jungen Dingern, die sie an The Apprentice erinnerten und heutzutage alle Jobs abzugreifen schienen, skeptisch gegenüber. Verfügten diese Kandidaten wirklich über die Eigenschaften, die sie hier brauchten? Cathy selbst fand ja gute Manieren und gesunden Menschenverstand im Job weitaus wichtiger. Aber mit solchen Argumenten durfte man den hohen Tieren nicht kommen, die großspurige Ankündigungen von Visionen und laute, selbstbewusste Bemerkungen liebten.)

»Sie planen also immer noch, sich zu bewerben?«

»Wieso?«, fragte Nina, während ein panischer Ausdruck über ihre Miene huschte. »Sollte ich das denn nicht?«

Cathy Neeson seufzte. »Sie müssen sich einfach gut überlegen, wie Ihre Kernkompetenzen da hineinpassen. Viel Erfolg!«

Was soll das denn heißen?, fragte sich Nina, während sie zögerlich aufstand.

 

Eigentlich hätte sich Nina auf ihr Bewerbungsgespräch vorbereiten sollen, stattdessen studierte sie weiter wie besessen Kleinanzeigen für Lieferwagen. So etwas Hübsches wie den alten blauen Wagen entdeckte sie aber nirgendwo sonst. Mit seiner lustigen kleinen Schnauze und dem abgerundeten Dach war er einfach perfekt.

Es half nichts, sie würde wohl nach Schottland fahren müssen.

Griffin trat von hinten an sie heran und spähte auf die Anzeigen. »Das darf doch wohl nicht wahr sein!«, murmelte er.

»Ich möchte ihn mir bloß einmal angucken«, wandte sie ein. »Es ist doch nur eine Idee.«

»Das ist jetzt wirklich nicht der richtige Zeitpunkt für irgendwelche verrückten Ideen«, fand Griffin. »Äh, darf ich dich vielleicht um einen Gefallen bitten?«, fügte er noch hinzu.

»Warum geht es denn?«, fragte Nina misstrauisch.

»Könntest du dir mal meine Bewerbung anschauen?«, bat er verschämt.

»Aber Griffin, du weißt doch, dass ich mich auf dieselbe Stelle bewerbe!«

»Hm-hm. Aber du bist bei solchen Sachen einfach viel besser als ich.«

»Ich könnte dir doch lauter falsche Ratschläge geben, damit du eine ganz furchtbare Bewerbung einreichst!«, sagte Nina.

»Dafür bist du viel zu nett.«

»Vielleicht ist das ja auch nur ein Trick von mir, damit du dich in Sicherheit wähnst!«

»Und den hast du vier Jahre lang angewendet?«

»Wer weiß!«

»Nö«, erwiderte Griffin mit einem so selbstgefälligen Gesichtsausdruck, dass Nina ihm am liebsten ihren Kaffee über den Kopf geschüttet hätte. »Nicht so ein braves Mädchen wie du. Du bist zu brav, um mir nicht zu helfen, und auch zu brav, um einen Lieferwagen zu fahren.«

»Meinst du?«, fragte Nina.

»O ja.«

Er schob ihr die Unterlagen hinüber. »Könntest du nicht einfach einen Blick darauf werfen? Und mir den ein oder anderen Tipp geben? Komm schon, das Vorstellungsgespräch bleibt ja ohnehin keinem erspart. Da kannst du deinem ungebildeten Kumpel doch genauso gut helfen.«

Nina sah ihn an. Ihr war bewusst, dass ihr Termin mit Cathy nicht gut gelaufen war. Und jetzt kam es ihr fast so vor, als würde sie sich durch diesen Gefallen für Griffin selbst sabotieren. Andererseits hatte er die Hilfe dringend nötig …

Mit einem Seufzer griff Nina nach seiner Bewerbung und vertiefte sich in verklausulierte Absichtserklärungen über Multimedia, den Blick nach vorne und Crowdsourcing-Inhalte. Je mehr sie las, desto deprimierter wurde sie. Ging es heutzutage denn nur noch um solche Dinge? In diesem Fall war sie nämlich nicht sicher, ob sie da mithalten könnte. Sie versuchte Griffin an einigen Stellen mit seiner unverständlichen Satzstellung zu helfen, verglich dabei aber automatisch seine Ausführungen über Konzepte und das Ausloten neuer Grenzen und Nachhaltigkeitsziele mit ihrer eigenen Bewerbung. Sie selbst hatte sich auf kurze, klare Aussagen darüber beschränkt, dass Büchereien das Herz der Gemeinschaft darstellten und Kindern durchs Lesen dabei halfen, ihr volles Potenzial zu entfalten. Griffin, so viel war klar, hatte viel größere Ambitionen.

Nina seufzte und warf noch einen Blick auf die Anzeige.

Der Lieferwagen war lang, so ähnlich wie ein Eiswagen, und sah von vorne altmodisch aus. Von den Fotos aus dem Innenraum wusste sie, dass er komplett leer war. Sie würde also genug Platz haben, um auf beiden Seiten hohe Regale einzubauen. Tatsächlich hatte sie dafür schon eine Zeichnung angefertigt. Eine Ecke bot sich für einen Sitzbereich mit Couch und Kinderbüchern an … Vielleicht mit ein paar Sitzsäcken … Nina ertappte sich dabei, wie sie durch das offene Fenster verträumt in den geräuschvollen Birminghamer Abend hinausschaute.

Draußen stritten zwei Männer laut über einen betrügerischen Autoverkauf, ein paar Teenager gingen kreischend und lachend die Straße entlang, aus irgendeinem Grund hupten an der nächsten Kreuzung vier Busse, und dazu kam noch das endlose Rauschen der nahe gelegenen Hochstraße.

Aber von dem ganzen Radau bekam Nina gar nichts mit. Sie sah alles genau vor sich, malte sich die Dinge bis ins letzte Detail aus. Ein gefüllter Tank und ihre Bücher – viele davon waren doch brandneu und in makellosem Zustand. Und wo jetzt lauter Büchereien zumachten … Hatte so etwas Schreckliches am Ende vielleicht auch sein Gutes?

Wieder starrte Nina auf die Adresse. Kirrinfief. Sie schaute nach, wie man dort hinkommen könnte. Die schnellen Verbindungen waren nicht billig, und die billigen …

Aber sie hatte ja noch mehrere Wochen Urlaub übrig, den sie nie genommen hatte. Wenn sie keine neue Stelle bekam, würde der ohnehin verfallen, oder? Deshalb könnte sie die letzten freien Tage, für die sie je bezahlt wurde, genauso gut nutzen.

Ehe sie sichs versah, hatte sie Griffins tolle Bewerbung überarbeitet – und sich eine Fahrkarte für den Fernbus gekauft.

Kapitel 4

Nina ließ das Buch auf den Schoß sinken, denn langsam fielen ihr die Augen zu.

Es war Abend, und sie hatte den ganzen Tag im Bus gesessen. Nur bei einigen viel zu kurzen Pausen hatte sie einen Moment Gelegenheit, sich an Autobahntankstellen ein wenig die Beine zu vertreten – nicht gerade die idealen Orte zum Entspannen. Jetzt neigte sich der Tag, doch hier blieb es viel länger hell als in Birmingham. Die Sonne stand immer noch hoch am Himmel und fiel warm durch das linke Fenster herein, an das sich Nina lehnte, als sie die Forth Road Bridge überquerten. Der Firth of Forth glühte rosafarben, und es fühlte sich einen Moment so an, als würde der Bus zwischen den weißen Drahtseilen der Brücke hindurchfliegen.

Nina war noch nie in Schottland gewesen. Die Fahrkarte hierher hatte weniger gekostet als ein Abend im Pub, und beim Buchen hatte Nina bei sich gedacht, dass sie mit ihren neunundzwanzig Jahren an vielen Orten noch nicht gewesen war.

Natürlich hatte sie Narnia und Unsere kleine Farm und das Wunderland besucht, aber jetzt stieg ihr bei der Anfahrt auf Edinburgh tatsächlich der kräftige, intensive, hefige Geruch der alten grauen Straßen in die Nase. Als sie die Kopfsteinpflastergassen sah, wäre sie am liebsten hier und jetzt ausgestiegen, wo der stahlgraue Himmel sich in den Fenstern hoher Häuser spiegelte. In dieser Stadt gab es die ältesten Wolkenkratzer der Welt und verwinkelte Gässchen, die hierhin und dorthin führten und sich mit breiteren Straßen kreuzten. Nina setzte sich begeistert auf und betrachtete die schmucklose Burg auf einem Felsen, die aussah, als wäre sie vom Himmel mitten in die geschäftige Stadt herabgefallen.

Aber hier war die Reise ja noch längst nicht zu Ende: Es ging ohne Unterlass nordwärts, und der Himmel wurde immer weiter, als sie eine riesige Brücke überquerten, die parallel zu einer eisernen Bahnbrücke verlief.

Während sie unter dem endlosen bewölkten Himmel durch hügelige Felder, raue, schroffe Landschaften und weitläufige Moore fuhren, nahm der Verkehr um sie herum immer mehr ab.

Und im Bus saßen auch nach und nach weniger Fahrgäste. In Newcastle, Berwick und Edinburgh waren viele Leute aus- und zugestiegen, aber jetzt waren nur noch Nina und ein paar ältere Leute übrig, außerdem geduldig dasitzende Männer, die wie Ölarbeiter aussahen. Sie waren ohne Begleitung zugestiegen, zäh wirkende Burschen, die einander zugrunzten und mit gleichmütiger Miene dessen harrten, was sie erwartete.

Wenn Nina von ihrem Buch aufschaute, sah sie mal eine große braune Ebene vor sich, auf der goldenes Licht das Heidekraut umspielte, dann wieder ließ der Anblick eines Fischadlers sie hochschrecken, der auf dem Weg zu einem See über die Straße flog. Als sie beim Überqueren einer Hügelkuppe in einen Sonnenstrahl gehüllt wurden, packte Nina ihr Buch ganz weg.

Wäre dieses Frühlingswochenende verregnet gewesen, wäre womöglich alles ganz anders gekommen.

Nina hätte sich tief in ihre Jacke gekuschelt und die Nase im Buch vergraben, hätte ein paar Worte mit dem Lieferwagenverkäufer gewechselt, sich dann höflich bei ihm bedankt und wäre nach Hause zurückgekehrt, um alles neu zu überdenken.

Wenn der Wind von der See her gekommen wäre; wenn wegen starker Böen die Brücke für hohe Fahrzeuge gesperrt gewesen wäre … Es hätten tausend scheinbar unbedeutende Dinge passieren können.

So ist das nämlich im Leben, oder? So viele Kleinigkeiten können uns von unserem Weg abbringen oder in die eine oder andere Richtung lenken, manchmal mit positiven, manchmal mit negativen Auswirkungen. Wenn man darüber mal genau nachdenken würde, würde man vermutlich in Angststarre verfallen.

Und so läuft das bei einigen Menschen ja wirklich. Manche taumeln durchs Leben, ohne je wirklich Entscheidungen zu treffen, weil sie genau das nicht wollen. Sie haben viel zu viel Angst vor den Konsequenzen, um je etwas Neues auszuprobieren.

Aber natürlich ist auch das eine Art von Entscheidung. Das Leben geht trotzdem weiter, ob man sich nun anstrengt oder nicht. Etwas Neues in Angriff zu nehmen ist hingegen mühsam, doch ein paar Dinge können dabei helfen.

Als Nina an diesem Abend zum ersten Mal in Schottland ankam, war es dort nicht stürmisch und nass und finster, mit so tief hängenden Wolken, dass sie die Baumkronen zu streifen schienen. Stattdessen sah es aus, als hätte sich das ganze Land extra für sie in Schale geworfen. Es war ein goldener Abend mit wunderlichem, zauberhaftem Licht.

Nina kam es so vor, als stünden überall Schlösser aus grauem Stein, und als eröffneten sich immer neue Panoramen. Wohin ihr Blick während der Fahrt auch fiel, sah sie hüpfende Lämmer und Rehe, die sich in der Ferne ins Gehölz retteten.

Zwei alte Männer, die in Edinburgh eingestiegen waren, begannen ein leises Gespräch auf Gälisch, und Nina lauschte dem Klang ihrer Worte, die ihr eher Lied als Sprache zu sein schienen. Sie war verblüfft und begeistert darüber, dass ihr hier alles so seltsam und fremd erschien, obwohl sie sich theoretisch noch in Großbritannien befand, wo sie ihr ganzes Leben verbracht hatte.

Die Straße stieg immer mehr an, schien in der unberührten Landschaft aber niemals zu enden und stattdessen über die Wiesen voller Heidekraut hinwegzugleiten.

Nina ertappte sich dabei, dass sie den Bus innerlich antrieb, immer weiter und weiter zu fahren, an einen Ort, an dem es keine Autos mehr gab, und noch weniger Städte und Menschen.

Ende der Leseprobe