Hard, Heavy & Happy - Nico Rose - E-Book
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Hard, Heavy & Happy E-Book

Nico Rose

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Beschreibung

Ohne Metal wäre das Leben ein Irrtum!

Zur Einstimmung auf laute Tage und lange Nächte präsentiert Nico Rose vom »Ministerium für Schwermetall« erhellende Erkenntnisse rund um die Psychologie des Metalheads.

In Hard, Heavy & Happy gehen wir der Frage auf den Grund, wie Metal das Leben bereichert und einfach glücklich macht – oder manchmal: etwas weniger unglücklich. Wir werfen einen meist heiteren, bisweilen aber auch melancholischen Blick auf die besonderen Sitten und Gebräuche der Szene.

Als Psychologe beleuchtet Nico Rose insbesondere die seelisch-emotionale Seite dieser außergewöhnlichen Musik. So erfährst du unter anderem, wie dieser schaurig-schöne Lärm dabei hilft, mit Ängsten und Depressionen zu leben, warum Metal hören voll schlau macht – und wie viele Kalorien du beim Headbangen verbrennst.

»Unser Kumpel Nico arbeitet die Besonderheiten von Metal als Leidenschaft und Lifestyle so präzise und bisweilen mit überraschenden Erkenntnissen heraus, dass auch wir bei der Lektüre einiges lernen und manche Eigenart endlich einordnen konnten. Unterhaltsam ist das Ganze auch noch, da bleiben keine Wünsche offen.« Thomas Jensen und Holger Hübner, Gründer des Wacken Open Air

Zum Inhalt:

»Es gibt Bücher über Metal im Nahen Osten, über die Typografie von Bandlogos und über die Rolle von Gott und Teufel in den Lyrics. Was es noch nicht gibt, ist ein Buch über … dich! Einen Schmöker, der nicht so sehr die Musik oder die Szene ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt, sondern das krachverehrende Individuum an sich: den Metalhead (w/m/d) und seine/ihre seelisch-emotionale Verfassung. An diesem Punkt will ich eine kleine Delle ins Universum hauen. Ich möchte wissen:

• Was macht die Musik mit uns?

• Was machen wir mit unserer Musik?

• Wie hilft Metal uns dabei, ein gutes Leben zu führen?

Hard, Heavy & Happy will informieren, faszinieren und inspirieren. Das Buch darf zum Schmunzeln anregen, wird bisweilen aber auch todtraurig und existenziell. Ich kann ohne den geringsten Zweifel sagen, dass diese Musik mir mindestens einmal das Leben gerettet hat. Wie steht es mit dir?«

Nico Rose

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Seitenzahl: 320

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Zum Buch:

Warum Metalfans die glücklichsten Menschen der Welt sind

Achtung: Dies ist ein Sachbuch mit Augenzwinkern. Ernst gemeint, aber nicht bierernst. Manchmal todtraurig. Immer heavy.

Anhand genretypischer Aspekte erfahren Fans und Sympathisanten, wie Metal das Leben bereichert und einfach glücklich macht – oder zumindest: weniger unglücklich. Das Werk bietet einen heiteren, bisweilen aber auch tiefgründig-melancholischen Blick auf die besondere Kultur und die Gepflogenheiten der Szene. Dem akademischen Hintergrund des Autors gemäß werden dabei auch relevante psychologische Aspekte der Metal-Kultur beleuchtet.

So erfahren Freunde des gehobenen Krachs unter anderem, wie Metal ihnen dabei hilft, negative Gefühle zu verarbeiten; warum Metal schlau macht und wie viele Kalorien sie beim Headbangen verbrennen.

Ihren Ritterschlag erhalten Nico Roses Erkenntnisse von Musikern und Machern aus der Szene, darunter Thomas Jensen und Holger Hübner, Organisatoren des Wacken Open Air, Marcus Bischoff von Heaven Shall Burn und Thomas Gurrath von Debauchery.

Zum Autor:

Im richtigen Leben ist Dr. Nico Rose freischaffender Autor und Begleiter von Menschen sowie Organisationen. Bis Anfang 2022 war er Professor für Wirtschaftspsychologie an einer renommierten Business School. Zuvor hat er 15 Jahre in der freien Wirtschaft gearbeitet, zuletzt als Vice President im Stab des HR-Vorstands eines Medienkonzerns. Im anderen richtigen Leben ist Rose leidenschaftlicher Metalfan und hat seit seinem 15. Lebensjahr hunderte Konzerte besucht. Auf Facebook besitzt er eine alternative Persona und leitet dort das »Ministerium für Schwermetall«, ein Forum mit rund 46.000 Fans.

NICO ROSE

HARD,

HEAVY

&

HAPPY

HEAVY METAL UND DIE KUNST DES GUTEN LEBENS

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Originalausgabe 2022

Copyright © 2022 by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München.

Redaktion: Lars Zwickies, Bielefeld

Covergestaltung: Nele Schütz, Memmingen

unter Verwendung eines Motivs von Shutterstock Images LLC (442250) Bildnummern

(333195158, 565889851, 566472385, 642004081)

Illustrationen der Metalpersonas: Stephan Baumgarten, Osnabrück

Coverfoto: Heinz Feußner, Hamm

Satz und e-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN: 978-3-641-29132-7V005

www.heyne.de

Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum.

— Friedrich Nietzsche

Thousands of cars and a million guitars

Screaming with power in the air

We’ve found the place where the decibels race

This army of rock will be there

— Judas Priest

I bin da Heavy-Metal-Pepi, nur wenn’s laut is, bin i happy.

— Erste Allgemeine Verunsicherung

Ich widme dieses Buch, ohne bestimmte Reihenfolge: Uli Jon Roth, Kai Hansen, Timo Tolkki, Joey DeMaio sowie Jon Oliva – und den Menschen, mit denen sie ihre Musik erschaffen haben. Ohne sie wäre ich heute nicht mehr.

PLAYLIST

Vorwort

Libro Cornuto

Der gemeine Headbanger von nebenan

Warum gibt es dieses Buch?

Metal ist Teamsport

Waschzettel

Das gute Leben

Emotion

Wenn du Krach brauchst: Ein Erklärungsversuch

Die Härte und die Schwere

Mit dem ganzen Körper hören

Abhärtung und Aushärtung

Glücklich wie ein Headbanger

Was mich nicht umbringt …

Zeigt her eure Narben

Die Sau rauslassen

»Angry music for happy people« | Interview mit Kerstin Dämon und Michael Bohmann

Musik für schwarze Hunde

Tot? Kann auch nicht viel schlimmer sein …

Euphorie und Dysphorie

Kein Licht ohne Schatten

»Ich hatte immer schon extrem viel Energie« | Interview mit Sabina Classen

Relation

Brothers everywhere

Der friedlichste Ort der Welt

Harter Gleichmacher

»Wer im Moshpit des Lebens hinfällt, dem helfen wir wieder auf« | Interview mit Claudia Witte und Florian Döring

Alles geregelt

Kontrolliertes Chaos

Gefühlsverstärker auf Elf

Die menschliche Turnmatte

Lieb streiten unter Brüdern (und Schwestern)

Harte Burschen und weiche Eier

Trauer um die Jugend

»Du wirst als Fan gestaltender Teil der Szene« | Interview mit Alexander Prinz

Jung bleiben, um gut alt zu werden

Interludium

Fit wie ein Headbanger

Metal ist gut fürs Herz

Stress lass nach

Expression

Gegen Kultur

Outlaw

Bürohengst und Metal God

Im Exil

»Jede Currywurst beinhaltet mehr Gewalt als alle meine Songs zusammen« | Interview mit Thomas Gurrath

Es kommt (nicht) auf Äußerlichkeiten an

Waidmanns Heil

Göttliche Funken

Kampf um die Reliquie

Wochenend-Wikinger

Kanalisierte Krieger

Harte Heldenreisen

Herz schmerzt

»Metal ist wie die Schweiz« | Interview mit Jörg Scheller

Expertise

Alles awesome

Gesprengte Grenzen

Metal macht voll schlau

Denk doch mal nach, ey!

Großvater, erzähl mir eine Geschichte!

Der metallische Bildungskanon

Das ist ein Klassiker

Paganini on Speed

Wenn du den falschen Wagner gebucht hast

»Metal heißt: Ja zum Leben sagen« | Interview mit Rainer Sontheimer

Überlanges Solo

To the Metal: Wie man Headbanger wird

1978: We’ll Burn the Sky

1986: Money for Nothing

1988: My Mind’s Eye

1991, zum Ersten: In Trance

1991, zum Zweiten: November Rain

1992: Livin’ Ain’t No Crime

1995: Against the Wind

Transzendenz

Krieg ist scheiße …

Gott ist tot, aber sonst geht’s ihr ganz gut

Feuerbringer

Alles stirbt

Wider die Vergänglichkeit

Es geht um »Work-Live-Balance« | Interview mit Marcus Bischoff

Ironische Distanz

Fun? Metal!.

Auf den Schirm

Das ist (nicht) mein Ernst

Outro

Alles hat ein Ende …

Hidden Track: Auszug aus der Metalstudie

Einführung

Stichprobe

Eine schrecklich nette Familie

Persönlichkeit: Headbanger vs. Normalos

Sind Metaller glücklich?

Was machen Metalheads mit ihrer Musik?

Rettet Metal Leben?

Dank

Autor

Literatur

Anmerkungen

Stichwortverzeichnis

VORWORT

von Holger Hübner und Thomas Jensen

Liebe Headbangerinnen und Headbanger (und solche, die es werden wollen), seit über dreißig Jahren widmen wir uns privat und beruflich der schönsten Hauptsache der Welt: Heavy Metal. Als in uns damals die (Schnaps-)Idee reifte, ein Festival in unserem Dorf zu veranstalten, hatten wir natürlich nicht den blassesten Schimmer, wo das hinführen würde. Uns ging es um das Jetzt, das unserer Meinung nach so laut wie möglich sein sollte.

Ein Mantra, das uns seitdem begleitet, lautet: von Fans für Fans! Damit wollen wir zum Ausdruck bringen, warum – und vor allem, wie wir es tun. Es ist nämlich so: Metalfan zu sein bedeutet mehr, als Freude an derben Gitarrenriffs und donnernden Drums zu haben. Es ist eine Lebenseinstellung. Eine, die im beruflichen und privaten Alltag begleitet, die Orientierung schafft und – Obacht, großes Wort – Sinn stiftet. Für alle Lebenslagen, nicht zuletzt die schwierigen, haben Lemmy, Ronnie oder Bruce den richtigen Ratschlag parat. Gerade in den vergangenen Pandemie-Jahren, die uns das genommen haben, wofür wir und unser Team brennen, fanden wir in der Musik immer wieder den Arschtritt, den es nach Rückschlägen braucht. Weitermachen, weitermachen – nö sleep ‘til W:O:A!

Für uns ist das Festival mehr als eine riesige Party mit Freundinnen und Freunden aus aller Welt. Dieses jährliche Aufeinandertreffen unserer heiligen Dreifaltigkeit aus Fans, Bands und Crew vor, auf und hinter den Bühnen ist der Ausgangspunkt all der großartigen Aktivitäten, die unsere Metal-Family auch außerhalb des Holy Ground umsetzt. Die Verantwortlichen unserer Wacken Foundation und des W:O:A Metal Battle betreiben Nachwuchsförderung und leisten einen Beitrag dazu, dass die Szene auch zukünftig vital und vielfältig bleibt. Zusammen mit unserer Community können wir Organisationen wie DKMS, WWF, STARK gegen KREBS oder Metality bei ihren wichtigen Aufgaben im Sinne der Allgemeinheit unterstützen. Schließlich sind da noch die verschiedensten Fan-Gruppierungen rund um den Globus, die Zusammenhalt und Miteinander so vorleben, wie wir es uns auch anderswo wünschen würden.

Das deckt noch lange nicht ab, was wir in der Metal-Community erleben und beobachten: Ausgehend von der geteilten Liebe für die Musik entstehen Allianzen, für die weitere Faktoren unerheblich sind, anhand derer sich andernorts leider oftmals noch voneinander abgegrenzt wird. Herkunft? Job? Sexualität? Egal, united we stand! Wieso das so ist? Ganz genau können wir es nicht erklären, aber dafür haben wir ja unseren Kumpel Nico. Mit seinem Buch geht er dieser Frage nach und arbeitet die Besonderheiten von Metal als Leidenschaft und Lifestyle so präzise und bisweilen mit überraschenden Erkenntnissen heraus, dass auch wir bei der Lektüre einiges lernen und manche Eigenart endlich einordnen konnten. Unterhaltsam ist das Ganze auch noch, da bleiben keine Wünsche offen. Uns bleibt an dieser Stelle nur noch zu sagen: IN METAL WE TRUST!

INTRO

Libro Cornuto

I’d sign a contract with the devil

In the book of heavy metal

Dream Evil, »The Book of Heavy Metal«

Kennst du das Gefühl? Dieses Gefühl, wenn du noch ganz frisch verliebt bist? Wenn du dich so leidenschaftlich nach einem anderen Menschen verzehrst, dass es, abgesehen von den seelischen Qualen, geradezu körperlich wehtut, dieser Person nicht nah sein zu können? Diesen Schmerz spüre ich heute, obwohl ich kürzlich meinen zehnten Hochzeitstag feiern konnte und, inklusive zweier hinreißender Kinder, glücklich verheiratet bin. Die Ursache für diese Pein ist so simpel wie niederschmetternd: Ich schreibe diese Zeilen am 1. Juni 2021. Heute Mittag wurde das Wacken Open Air abgesagt, zum zweiten Mal nach 2020. Corona ist ein Arschloch!

Nun könnte jemand leichtfertig sagen: »Kopf hoch, ist doch nur ein Festival. Es gibt Schlimmeres.« Im großen Lauf der Dinge und der Welt als solcher ist das einerseits zutreffend. Andererseits – und ich sage das mit dem gebotenen Respekt – können mir solche Menschen gehörig den Schritt shampoonieren. Erklär mal einem fünfjährigen Kind, dass in diesem Jahr sein Geburtstag, Weihnachten und Ostern komplett ins Wasser fallen – und dass darüber hinaus alle Spielplätze dauerhaft geschlossen sind. So in etwa fühlt sich das für mich an.

Zudem bin ich beileibe nicht der einzige Mensch, dem Metal1 so richtig ans Herz geht. Da wäre die Mutter aus Neuseeland, die ihre drei Kinder Metallica, Slayer und Pantera genannt hat.2 Vielleicht ist das ein bisschen drüber, aber ich bin nicht hier, um den ersten Stein zu werfen. Schauen wir uns stattdessen den Schweden Roger Tullgren an: Er bezieht seit über einem Jahrzehnt eine Art Invalidenrente. Der schwedische Staat hat bestätigt, dass Tullgren unter Heavy-Metal-Sucht leidet, und diese Malaise als eine besondere Form der Behinderung anerkannt. Weil er sich zum Erhalt seiner seelischen Gesundheit zu viel auf Konzerten rumtreiben muss, gilt er als nicht voll erwerbsfähig und erhält fünfundzwanzig Prozent Lohnzuschuss vom Amt. Klingt komisch, ist aber so.3 Bei mir ist es noch nicht ganz so weit gediehen, aber ich fürchte, der deutsche Sozialstaat würde mir auf Nachfrage sowieso den amtlichen Stinkefinger zeigen.

Mittlerweile schreiben wir Silvester 2021. Die ersten Konzerte und auch kleinere Festivals konnten wieder stattfinden, ich selbst habe es im Spätsommer immerhin zu Blind Guardian nach Krefeld geschafft. Vor dieser Erquickung war mein letztes Live-Erlebnis ein Autokonzert mit einem scheintoten Interpreten von Kinderliedern im Sommer 2020. Und was soll ich sagen: Ich habe es genossen. Doch an meiner Pinnwand überlagern sich die Karten für verschobene Konzerte aus den Jahren 2020 und 2021. Ist okay, ich kann warten. Aber Wacken ist nur einmal im Jahr.

Für viele Menschen in der Metalszene ist das Wacken Open Air (W:O:A) so etwas wie das Hochamt, das absolute Highlight im Metalkalender.4 Das W:O:A ist überlebensgroß, ein Mythos, ein Sehnsuchtsort. Es findet in einem Paralleluniversum statt, das für Menschen wie mich ein besserer Ort ist, besser als die echte Welt. Das liegt natürlich an der wunderbaren Kraft der Musik – aber da ist noch so viel mehr. Das Wichtigste: Wacken ist ein Ort, an dem Menschen wie ich die Normalen sind, nicht die Verrückten. Im Grunde ist es dort egal, wer oder was du bist, und das kann man nicht von vielen Gestaden auf diesem Planeten sagen. Wacken ist ein heiliger Ort. Nicht umsonst wird die weite Fläche vor den Hauptbühnen als »Holy Ground« bezeichnet. In den meisten Wochen des Jahres ist es nur ein Acker. Doch für wenige Tage im Sommer verwandelt sich dieser Acker in einen Ort, in eine Gemeinschaft, in der Menschen wie ich heil sein dürfen.5

Der gemeine Headbanger von nebenan

Da stellt sich die Frage: Menschen wie ich – wer soll das bitte schön sein? Im richtigen Leben bin ich Mitte vierzig und – wie schon berichtet – verheiratet, habe zwei Kinder und zwei Katzen, lebe in einem gemütlichen, immer leicht unordentlichen Haus mit einem gemütlichen, immer leicht unordentlichen Garten.6 Ich war zuletzt eine Zeit lang Professor für Wirtschaftspsychologie, habe das aber im Lauf der Arbeit an diesem Buch an den Nagel gehängt. Davor war ich lange Jahre Manager in der Wirtschaft, gehobene Führungsposition. In vielerlei Hinsicht also ein ziemlich bürgerliches Leben, am Ende des Tages. Im anderen richtigen Leben bin ich seit drei Jahrzehnten eingefleischter Headbanger, Metalhead, ein langhaariger Bombenleger (wenn auch nur im Herzen), wie manche Menschen zu sagen pflegen. Seit einigen Jahren betreibe ich auf Facebook das Ministerium für Schwermetall, eine Seite zur amtlichen Verehrung schwermetallischer Musik. Und für Quatsch. Aber hauptsächlich: Metal.7 Diese Musik spielt eine außerordentlich große Rolle in meiner Existenz, neben meiner Familie und der Arbeit. Sie definiert einen wichtigen Teil meiner Persönlichkeit. Ich höre die Musik nicht einfach nur seit Jahrzehnten – dieser Krach macht enorm viel von dem aus, wer und was ich bin.

Nico Rose, mit Kater

Von Menschen wie mir, von Metalheads, handelt dieses Buch. Ich werde naturgemäß viel über die Musik sprechen, aber noch mehr geht es um die besondere Spezies Mensch, die sich zu dieser einzigartigen klanglichen Sphäre hingezogen fühlt, sie bisweilen so sehr braucht wie Luft zum Atmen. Es geht um das Lebensgefühl als Headbanger, um die positiven Seiten, die negativen – und die komischen, um Karl Valentin die Ehre zu geben.

Warum gibt es dieses Buch?

Eine einfache Antwort: Weil es keiner verhindert hat, doch ich schätze, das bringt uns nicht weiter. Also mit etwas mehr Anlauf: Die Band Dream Evil singt in ihrem eingangs zitierten Song über das »Buch des Heavy Metal«. In jenes Buch werde ich mich vermutlich nicht mehr eintragen können. Meine Fender Stratocaster steht seit rund fünfzehn Jahren unberührt im Keller. Ich werde also mit hoher Wahrscheinlichkeit in meinem Leben kein Metal God mehr. Doch möglicherweise reicht für den Seelenfrieden statt einer Erwähnung im Buch vom Heavy Metal auch ein Buch über Heavy Metal? Ich möchte es zumindest drauf ankommen lassen.

Dies ist das Buch eines Metalfans für Metalfans – und Menschen, die es vielleicht noch werden wollen.8 Ich werde beleuchten, wie Metal das Leben bereichert und einfach verdammt glücklich macht. Oder manchmal: ein bisschen weniger unglücklich. Dafür werfe ich immer wieder heitere, bisweilen aber auch melancholische Blicke auf die Kultur und die Gepflogenheiten der Szene. Im Kern interessiert mich als Psychologe vor allem der Metalhead (w/m/d) als solcher. Ich möchte wissen:

Was macht die Musik mit uns?Was machen wir mit der Musik?Wie hilft Metal uns dabei, ein gutes Leben zu führen?

Ich bin schwer davon überzeugt, dass im schwermetallischen Literaturkanon noch gut und gerne Platz ist für ein solches Buch. Metal ist nicht zwingend ein Allerweltsthema, trotzdem gibt es schon das eine oder andere Werk, vom kurzen Essay bis hin zum ausgewachsenen Türstopper. Die meisten dieser Texte widmen sich jedoch der Musik als solcher – oder auch der Metalszene als mehr oder weniger abgrenzbarer (Sub-)Kultur. So gibt es schon wunderbare Bücher über die:

Geschichte des Metal (Empfehlung: Höllen-Lärm von Ian Christe; wenn möglich, die englische Ausgabe lesen),soziologisch-ethnografischen Besonderheiten der Szene (Empfehlung: Heavy Metal: The Music and its Culture von Deena Weinstein),musiktheoretische Einordnung des Schwermetalls (Empfehlung: Schwermetallanalysen von Dietmar Elflein; wobei das für Leute ohne Kenntnisse in Musiktheorie durchaus ein hartes Brett ist),Geschlechter- und Machtdynamiken in der Szene(Empfehlung: Running with the Devil von Robert Walser), kunsthistorisch-ästhetische Dimension der Musik (Empfehlung: Metalmorphosen von Jörg Scheller).

Es gibt Essays über Metal in Afrika, im Nahen Osten oder in der DDR, über die Typografie von Bandlogos, über die Rolle von Gott und Teufel in den Lyrics,9 über spezifische Festivals und wie man sie durchsteht, ohne dass Leib und Seele Schaden nehmen. Und natürlich reichlich (Auto-) Biografien von Bands oder einzelnen Künstlern. Was es, wie schon erwähnt, meines Wissens noch nicht gibt, ist ein Buch, dass nicht so sehr die Musik oder die Szene ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt, sondern das metalverehrende Individuum sui generis: den Fan und seine Psychologie. An diesem Punkt möchte ich eine kleine Delle ins Universum hauen.

Dazu sei gesagt: Ich will gar nicht erst den Eindruck erwecken, ich sei ein oberkrasser Metalexperte. Ich bin kein Musikjournalist, auch kein Edelfan oder Musiknerd. Weder bin ich mit meiner Lieblingscombo auf Weltreise gegangen noch habe ich über die Jahre mit Myriaden von Bands im Backstage-Bereich von verr(a)uchten Konzertbühnen herumgelungert. Ich besitze auch keine streng limitierten Sonderpressungen von Metalmeilensteinen aus dem frühen 1980ern in grünem Vinyl. Ich bin einfach ein Fan, habe in meinem Leben einige Hundert Konzerte und Festivals besucht, haufenweise Bandshirts gekauft (und zerschlissen) und besitze auch heute noch einige Hundert CDs.

Aber ich bin ein metalfanatischer Psychologe und Autor von bislang sechs Büchern. Damit muss doch irgendetwas anzufangen sein.10 Gemäß meinem Hintergrund werde ich also regelmäßig psychologische Erkenntnisse bemühen, um das eine oder andere schwermetallische Phänomen zu illuminieren. Zudem habe ich zur Vorbereitung auf dieses Buch eine Studie unter mehr als sechstausend Metalfans im deutschsprachigen Raum durchgeführt. Dafür habe ich die Headbanger zu ihrer Persönlichkeit befragt, wollte wissen, ob und warum sie glücklich sind und welchen (psychologischen) Nutzen der Metal in ihrem Leben stiftet. Zentrale Auszüge aus dieser Studie finden sich im Anhang (»Hidden Track«). Auch diese Erkenntnisse werde ich regelmäßig in das Buch einfließen lassen.

Hard, Heavy & Happy möchte informieren, faszinieren und inspirieren. Das Buch darf zum Schmunzeln anregen, wird bisweilen aber auch todtraurig und existenziell. Aus eigener Erfahrung wie auch dem Austausch mit Fans (und Ergebnissen der bereits erwähnten Studie) darf ich davon ausgehen, dass der Anteil von Menschen mit Depressionen und artverwandten psychischen Störungen unter Metalfans höher ist als in der allgemeinen Bevölkerung. Ich kann ohne den geringsten Zweifel sagen, dass diese Musik mir mindestens einmal das Leben gerettet hat. Und ich bin ums Verrecken – darauf verwette ich sämtliche meiner Iron-Maiden-Tonträger – nicht der einzige Mensch, dem es so ergangen ist, wie auch die Ergebnisse meiner Studie andeuten.

Metal ist Teamsport

Ergänzt werden meine Einlassungen und die Befunde aus der Forschung durch Interviews mit Musikern, Machern und Fans aus der Szene. Auch diese Gespräche drehen sich weniger um die Musik an sich, sondern eher um deren Wirkung und das begleitende Lebensgefühl. Hier ein kurzer Überblick, in alphabetischer Reihenfolge:

Mit Marcus Bischoff, Sänger von Heaven Shall Burn, habe ich darüber gesprochen, wie es sich anfühlt, wenn dein Album auf Platz eins der Charts steht und du an einem Tag beim W:O:A vor sechzigtausend Menschen spielst – und am kommenden Tag wieder Dienst als Krankenpfleger schiebst.Sabina Classen ist die Sängerin der deutschen Thrash-Legende Holy Moses und bietet in ihrem bürgerlichen Leben seit vielen Jahren Psychotherapie an. Wir unterhalten uns ausführlich über die Parallelen ihrer beiden Berufungen. Kerstin Dämon und Micha Bohmann sind einfache Fans, leben die metallische Leidenschaft jedoch mit besonderem Nachdruck aus. Mit den beiden spreche ich darüber, wie sich Metal in ein bürgerliches Leben integrieren lässt. Wie kann man in einer Volksbank arbeiten, wenn man ausschaut, als sei man gerade vom Filmset einer Wikinger-Serie getürmt? Thomas Gurrath, kreativer Kopf hinter der Death-Metal-Band Debauchery und weiteren musikalischen Leckerbissen, hat mir erzählt, woher er seine Inspiration bezieht, was er von der Aussage hält, Metal sei gewaltverherrlichend – und wie es ist, wenn man wegen der musikalischen Leidenschaft gezwungen wird, seinen bürgerlichen Beruf aufzugeben.Mit Alexander Prinz (aka Der dunkle Parabelritter) spreche ich über die Frage, wie es sich als Deutschlands wohl bekanntester Metal-Influencer lebt, wie man mit dem zugehörigen »Hate« umgeht und warum der gemeine Metalhead so allergisch auf »Kommerzkacke« reagiert.Mit dem Kunsthistoriker Prof. Dr. Jörg Scheller habe ich einen bunten Strauß an Themen abgeklappert. Ist Metal mittlerweile im Mainstream angekommen? Warum kann sich praktisch jeder Headbanger genau an den Moment erinnern, als er oder sie Metalfan wurde? Und warum ist Metal eigentlich immer harte Arbeit, für die Macher wie auch die Fans? Dr. Rainer Sontheimer ist Soziologe und hat schon seine Diplomarbeit über Metal verfasst. Mit ihm diskutiere ich, warum Metal im Grunde konservativ ist, ob die Fans am Ende des Tages Schisser sind und warum Friedrich Nietzsche Rammstein gehört hätte.Claudia Witte und Florian Döringsind ebenfalls Fans, aber auch in metallischer Mission unterwegs. Sie sind Mitglieder im Vorstand von Metality e.V., einem Verein, der sich auf die Fahnen geschrieben hat, die Werte des Metal in die Welt zu tragen und nebenbei Gutes zu tun. Was treibt sie um, was treibt der Verein?

Waschzettel

Das Buch besteht, neben Intro, Outro und dem im Metal unvermeidlichen überlangen Solo und einem Interludium, aus Essays von unterschiedlicher Länge, die sich auf fünf übergreifende Sinneinheiten aufteilen. Einige davon sind ein Stück wissenschaftlich geprägt, andere haben einen stärker autobiografischen Touch, die meisten verknüpfen das eine mit dem anderen. Auch wenn ich an vielen Stellen wissenschaftliche Literatur bemühe, so unterliegt das Buch doch notwendigerweise voll und ganz meiner persönlichen Perspektive. Hinzu gesellen sich die schon erwähnten Interviews.

Die Themen der fünf übergreifenden Teile sind nicht unmittelbar auf meinem Mist gewachsen, sondern basieren auf Daten aus meiner Metalstudie. Ich hatte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer neben vielen anderen Dingen gefragt, welchen (psychologischen) Nutzen sie aus der Beschäftigung mit ihrer Musik ziehen. Dabei haben sich fünf Themenbereiche ergeben, die nun als Gerüst für die einzelnen Kapitel dienen:

Emotion: In diesen Kapiteln geht es um die Frage, wie Metal den Fans dabei hilft, ihre emotionale und mentale Welt zu regulieren. Sprich: bei Laune und bei Verstand zu bleiben.Relation: Die Kapitel thematisieren verschiedene Aspekte des Eingebundenseins in die Gemeinschaft der Metalheads sowie das oft herzliche und manchmal komplizierte Verhältnis der Headbanger untereinander. Expression: Der Abschnitt behandelt den Aspekt des persönlichen Ausdrucks und die Frage, wie Metal Headbanger dabei unterstützt, ihr wahres Selbst auszuleben.Expertise: Hier geht es um den Stellenwert von Werkkenntnis und darum, wie Metalfans mithilfe ihrer Musik ihre Welt verstehen, organisieren und Brücken in andere Bereiche des Lebens schlagen.Transzendenz:Im letzten Teil geht es um die Frage, wie Metal es den Fans ermöglicht, sich spirituellen und metaphysischen Aspekten des Lebens zu stellen.

Du musst das Buch aber keinesfalls von vorne bis hinten durchlesen. Mein Opa mütterlicherseits, Lemmy hab ihn selig, hatte zeit seines Lebens reichlich gute Sprüche auf Lager. Einerseits ergaben die meisten davon keinen Sinn, was jedoch andererseits dazu führte, dass sie im Grunde zu jeder Gelegenheit passten. Sein liebstes Bonmot lautete: »Junge, merk dir eins: Vom Denken sterben die meisten Hühner.« Gemäß dieser Einsicht möchte ich dir eine Empfehlung für den Genuss dieses Buches geben: Du bist herzlich eingeladen, hinten, in der Mitte oder sonst irgendwo zu beginnen. Drück ganz nach Bedarf auf »Fast Forward«, »Repeat« oder »zufällige Wiedergabe«.

So wie es nur wenige perfekte Musikalben gibt, so werden auch die Texte in deinen Augen unterschiedliche Qualität haben. Die verschiedenen Parts können gut für sich stehen, aber ich werde an geeigneter Stelle thematische Bezüge herstellen. Die Aufteilung in die übergeordneten Abschnitte lässt sich mit dem Trommelspiel von Lars Ulrich vergleichen: mit Inbrunst vorgetragen, aber unter Umständen nicht immer ganz treffsicher.

Viel wichtiger: Lies (oder höre) dieses Buch unbedingt LAUT! Leg deine Lieblingsalben ein und dreh alle Regler auf Elf. Für die weitere Inspiration findet sich auf Spotify eine Playlist mit allen im Text erwähnten Musikern, Bands und Musikstücken.11

Das gute Leben

Bevor es richtig losgeht, bleibt noch eine Sache zu klären. Im Titel dieses Buches steht – neben Metal – bekanntlich etwas von der Kunst des guten Lebens. Da gebietet es sich, zumindest kurz darauf einzugehen, was denn damit gemeint sein könnte. Nun ist die Frage, was ein gutes Leben ausmacht, in etwa so alt wie die Menschheit selbst. Spätestens seit den griechischen Philosophen gibt es auch schriftliche Abhandlungen dazu. Ich möchte im Folgenden kurz ein psychologisches Modell12 vorstellen, das einerseits nicht zu viel Komplexität erzeugt, andererseits nach meinem Dafürhalten jedoch erhellend ist und einigen Nutzen stiften kann.

Auf einer grundlegenden Ebene lassen sich zwei Dimensionen des psychologischen Wohlbefindens unterscheiden: die hedonische und die eudaimonische Achse. Sie sind verwandt, aber gut unterscheidbar, und sie tragen auf unterschiedliche Weise zu einem erfüllenden Leben bei. Verkürzt lässt sich die hedonische Dimension als Lustachse bezeichnen, während die eudaimonische Dimension sich mit dem Titel Sinnachse schmücken könnte. Die hedonische Achse steht für das Ich, das Nehmen, die Sorge um sich selbst. Sie ist auf das Jetzt oder die nahe Zukunft fokussiert, auf die Erfüllung von Bedürfnissen, Spaß und Vergnügen. Es geht ums Wollen und alles, was sich gut anfühlt.

Die eudaimonische Achse steht für das, was Nicht-Ich ist, für das Geben und Kultivieren, für die Sorge um andere, für die langfristige Perspektive und Ziele höherer Ordnung. Es geht ums Sollen und alles, was richtig ist.

Zusammengefasst beschreibt die hedonische Achse, ganz im Sinne ihres Namens, das schöne Leben. Sie thematisiert das Streben nach angenehmen, genussvollen und energetisierenden Erfahrungen. Die eudaimonische Achse hingegen ist angelehnt an Aristoteles’ Konzeption eines guten Lebens, das aus seiner Sicht eine ethisch wertvolle Existenz sein muss: Im Kern geht es hier um Mäßigung, Tugenden, um Dienst an der Gemeinschaft. Ebenfalls auf dieser Achse kann man das Streben nach Exzellenz und Auslotung des ureigenen Potenzials verorten. In ihrer komplementären Natur lassen sich die beiden Dimensionen zu einem Vier-Felder-Schema aufspannen.13

Anhand dieser Darstellung soll (auch) deutlich gemacht werden, dass beide Dimensionen von komplementärer Natur sind, sich befruchten, bisweilen aber auch gegenseitig behindern können. Sich sinnlichen Ergüssen hinzugeben, verschafft unmittelbare Befriedigung, verhindert aber bisweilen, dass man sich zur rechten Zeit anderen, langfristig wichtigeren Themen zuwendet. Oder wie es der Volksmund ausdrückt: Das letzte Bier war meistens schlecht. Ganz konkret kennt praktisch jeder Mensch die Erfahrung, sich ab und an entscheiden zu müssen: zum Beispiel zwischen der ausgewachsenen Party am Wochenende (Lustgewinn in der Gegenwart) und dem Lernen für eine nahende Prüfung (Potenzialerweiterung in die Zukunft hinein).

Das gute Leben: wenn Spaß und Sinnerleben sich gegenseitig befruchten

Übergreifend kann man außerdem nachvollziehen, dass die relative Bedeutung beider Achsen typischen Veränderungen über den Lebensverlauf unterworfen ist. In dem Maße, wie wir zum Beispiel als Eltern Verantwortung für Nachwuchs übernehmen, aber auch in dem Maße, wie wir uns allgemein Erkenntnis und Weisheit aneignen, die wir weitergeben können (z. B. als Führungskraft oder Mentor), steigt die Relevanz der eudaimonischen Achse, während das Streben nach unmittelbarer Belohnung typischerweise ein wenig abnimmt. Klingt jetzt nicht nach Metal, ist aber so.

Die hedonische Achse erscheint gemäß den Beschreibungen weniger gewichtig als die eudaimonische Dimension. Man sollte jedoch nicht zu dem Schluss kommen, sie sei per se belanglos(er). Denn Menschen brauchen regelmäßig kleine und größere Glückskicks im Alltag. Sie funktionieren wie Kraftquellen, die uns Energie spenden und in die Zukunft treiben. »… and don’t forget to rock ’n’ roll!«, hätte Lemmy an dieser Stelle sicher gesagt. Aus gutem Grund gehören Niedergeschlagenheit und ein Mangel an Freude im Alltag über einen längeren Zeitraum zu wichtigen Kriterien für die Diagnose einer Depression.

Kernaussage der obigen Vier-Felder-Matrix ist die Idee, dass wir für ein gelingendes Leben immer wieder beide Achsen in ausreichendem Maße bedienen müssen. Werden beide zu wenig angesteuert, gleicht das einem Zustand des Dümpelns, im schlimmsten Fall der Apathie. Wird die hedonische Achse dauerhaft im Übermaß bespielt, ergibt sich ein von sinnlichen Genüssen geprägtes Leben. Das klingt erst mal angenehm, ist aber langfristig ein wenig sinnbefreit.14 Überwiegt hingegen die eudaimonische Achse zu oft und zu deutlich, mündet das mit einiger Wahrscheinlichkeit in ein blutarmes Leben, eine Existenz in Sorge um andere, die im Extremfall bis zur Selbstaufgabe reicht. Auch das ist, in langen Zeiträumen gedacht, keine sonderlich verlockende Perspektive. Idealerweise gilt es also, beide Achsen immer wieder in ausreichendem Maße zu bespielen – am besten jede zu ihrer Zeit.

Wie passt nun Metal in dieses Bild? Es ist natürlich reizvoll, die Musik mit allem Drum und Dran streng auf der hedonischen Achse zu verorten. Gerade die Metalszene mit ihrem Hang zu – ich sag mal – dionysischen Tendenzen15 legt diesen Schluss nahe. Und natürlich ist da eine Menge dran. Ich vermisse aktuell nichts so sehr wie Konzerte: die Musik, die Lautstärke, dieses Gefühl in den Eingeweiden, wenn dir eine Doublebass-Salve das Zwerchfell püriert, das gemeinsame Singen,16 das Brennen von Pyros auf der Haut. Verdammt, im Augenblick vermisse ich sogar diese Empfindung, wenn sich der Mattenträger neben dir ins Propeller-Headbanging reinsteigert und du im Viervierteltakt von schwitzigen Haarspitzen ausgepeitscht wirst.

Doch es wäre zu kurz gesprungen, Metal ausschließlich auf Spaß und Exzess zu reduzieren. Ich bin fest davon überzeugt (und versuche im Lauf des Buches zu zeigen), dass Headbanger auch auf der eudaimonischen Seite von ihrer Musik profitieren. Es ist jetzt nicht so, dass Metalheads ständig die Welt retten (wollen), doch ich glaube, dass die intensive Beschäftigung mit der Musik durchaus zur Persönlichkeitsbildung beitragen kann und unter Umständen einen tieferen Sinn im Leben stiftet. Wie hat Franz Beckenbauer gesagt: »Schaun mer mal, dann sehn mer scho.«

EMOTION

Wenn du Krach brauchst: Ein Erklärungsversuch

We came to feel the thunder

The lightning and the heat

We came to hail the metal gods

Banging to the beat

Gamma Ray, »To the Metal«

Ein Essay heißt Essay (französisch für »Versuch«), weil man versucht, sich einem Thema in Schriftform anzunähern. Der Begriff »Versuch« wiederum legt nahe: Man kann dabei vortrefflich scheitern. Ich vermute, so wird es mir auf den kommenden Seiten ergehen. Jedoch macht Versuch bekanntlich kluch, also Augen auf und durch.

Ich habe mich schon oft gefragt, wie ein Mensch zu seinem Musikgeschmack kommt. Natürlich gibt es die Fraktion »Ich hör halt das, was im Radio läuft«.17 Für mich war dieser Satz als Jüngling immer der mächtigste Abturner beim ersten Date, aber diese geschmacksverarmten Gesellinnen und Gesellen möchte ich hier bewusst ignorieren. Mir stellt sich die Frage, warum manche Menschen eine Musik irgendwann so sehr lieben, dass sie gewissermaßen zu einem Teil ihrer selbst wird. Vor allem möchte ich wissen, warum etwa zehn Prozent der Menschen (in Deutschland) die Götter des Metal hochleben lassen, so wie es Gamma Ray in ihrem Song »To the Metal« beschreiben. Das Lied der Mannen um Kai Hansen ist nur eines von vielen, das die energetisierende Komponente und die besondere Anziehungskraft des Metal selbst zum Thema hat.

Gewiss braucht es zunächst Exposition: Irgendwie, irgendwo, irgendwann muss man zum allerersten Mal mit einer Musikrichtung konfrontiert werden – durch den Freundeskreis, durch die Eltern oder Geschwister, vielleicht auch nur durch Zufall, weil etwas im Radio läuft. Doch was genau passiert in diesem Moment? Ich kann mich noch glasklar daran erinnern, als ich um meinen vierzehnten Geburtstag herum zum ersten Mal die Musik von Helloween vernahm (siehe auch »Überlanges Solo«). Und ich weiß noch, dass es sich um eine ganzkörperliche Erfahrung handelte. Irgendetwas an oder in meinem Körper wurde geweckt – etwas, das sich bis zu diesem Moment in einem erwartungsvollen Ruhezustand befunden hatte.

Trotz der Härte: Mit Metal wurde für mich alles heller, klarer, lebendiger. Offenbar erzeugt diese Musik eine Art Schwingung, die mein Körper und mein Geist brauchen. Ich kann auch fast jeder anderen Form der Musik punktuell etwas abgewinnen, aber wenn ich die Wahl habe, strebt mein gesamter Organismus zielstrebig in Richtung schwer verzerrter Gitarren und gepflegter Doublebass-Attacken.

In diesem Sinne stelle ich mir manchmal die Frage, ob wir uns die Musik aussuchen – oder ob nicht die Musik uns aussucht. Was lässt den einen zum Schlagerfuzzi mutieren, einen anderen zum Jazzenthusiasten und wieder einen anderen zum Metalhead? Hat es etwas mit der Persönlichkeit zu tun? Gibt es so etwas wie eine körperlich-seelische Resonanz, die von Mensch zu Mensch unterschiedlich angesteuert muss? Oder ist aller purer Zufall?

Ich erinnere mich an eine Szene aus dem Film Pretty Woman:18 Millionär Edward (Richard Gere) lädt die Prostituierte Vivian (Julia Roberts) in die Oper ein und philosophiert darüber, was passiert, wenn Menschen zum ersten Mal mit der besonderen Atmosphäre dort konfrontiert werden. (Im Film ist es La Traviata von Verdi.) »Entweder mögen sie die Oper, oder sie hassen sie. Wenn sie die Oper lieben, dann ist es für immer. Die anderen … tun mir leid«, sagt er zu ihr. Ich war in den vergangenen Jahren einige Male in der Oper zu Baden-Baden, habe mir beispielsweise Mozarts Don Giovanni angeschaut. Und was soll ich sagen? Es war hinreißend, es hat mich berührt – aber … mehr ist da nicht.

Ich werde bestimmt noch einige Male in die Oper gehen, doch ihre Abwesenheit hinterlässt nicht diese schmerzliche Leere, die ich fühlte, als mir klar wurde, dass Wacken manchmal keinmal im Jahr ist. Möglicherweise hat Edward/Richard recht: Vielleicht war dieser besondere Platz in meinem musikalischen Herzen schon besetzt, als ich zum ersten Mal mit der Oper konfrontiert wurde. Vielleicht hätte sie diesen Platz aber auch nie einnehmen können, weil sie mir nicht die Form von Energie vermittelt, nach der sich mein gesamter Organismus so sehr verzehrt.

Die Härte und die Schwere

Letztlich glaube ich, dass es die Härte und die Schwere der Musik selbst sind, die Metalheads wie mich glücklich machen und andere Menschen wiederum nie berühren werden. Perfekt beschrieben fühle ich mich in den Worten des Journalisten Dan Franklin. In seinem Buch Heavy: How Metal Changes the Way We See the World von 2020 erzählt er, dass er eine recht normale Kindheit hatte, sich geliebt fühlte, so gar nicht dem Klischee vom wütenden Teenager entsprach. Trotzdem fühlte er sich magisch zur Heavyness hingezogen. Er schreibt:19

Heavyness ist schonungslos, beängstigend, beglückend und süchtig machend. Überdies fühlt sie sich zwingend notwendig an, wie ein Aderlass für die überbordende Seele. Sie ist gemacht für jene Person, die sich mit sich selbst und ihren Gefühlen beschäftigt, die manchmal zu viel fühlt und von Schall und Heftigkeit verschlungen werden möchte.

Die überbordende Seele, die manchmal zu viel fühlt – welch schönes Bild. Es spiegelt einen Befund, der sich auch in meiner Metalstudie zeigt. Der gemeine Metalhead ist allem Anschein nach oft aufgewühlter als Otto Normalverbraucher. Als ich die Menschen fragte, wozu sie Metal hören, zeigte sich folglich, dass dem bewussten Heraufbeschwören von positiven Emotionen und dem Abdämpfen von negativen Emotionen eine besondere Rolle zukommt.

Gerade im letztgenannten Punkt liegt für mich eines der großen Geheimnisse dieser Musik: Nicht wenige Menschen empfinden sie als brutal und aggressiv, eine längere Exposition würde sie massiv verstören. Den Fan allerdings vermag Metal zu beruhigen und auszugleichen, erist für den Headbanger ein fabelhafter Weg, sich von Frust zu befreien.20 Dies passt zu der Beobachtung, dass es eine Form des konstruktiven Ärger(n)s gibt, ein bewusstes Hineingehen in diese an sich negative Emotion.21 Oder wie es Marcus Bischoff von Heaven Shall Burn im Interview ausdrückt: Nach einer Probe fühlt er sich wie gewaschen und gebügelt.

Aus eigener Erfahrung und Gesprächen mit vielen Fans weiß ich, dass bei Headbangern hingegen ausnehmend negative Reaktionen auf normale Musik entstehen können. Ich fahre ungern und daher selten Auto. Wenn ich aber doch einmal unsere Familienkutsche bemühen muss und das von meiner Gattin eingestellte Radio anspringt, kriege ich in aller Regel nach ein paar Minuten schlechte Laune. Das anämische Pop-Soft-Rock-Hip-Hop-Gemisch der meisten größeren Sender lässt mich zu Beginn ratlos zurück, nach einer Weile werde ich aber regelrecht grantig. Zunächst gibt es nur diesen typischen »Hier rein – da raus«-Effekt, die Musik macht einfach nichts mit mir. Später gesellt sich allerdings verlässlich eine Empfindung hinzu, die ich nur schwer in Worte fassen kann. Im Amerikanischen gibt es den schönen Begriff »hangry«, eine Mischung aus »hungrig« (»hungry«) und »wütend« (»angry«). Ich kenne das hautnah von meiner Frau. Wenn die zu wenig Kohlenhydrate intus hat, wird es schnell zappenduster. Als Metapher mag das gut passen: Wenn man Headbanger zu ausgiebig mit softer Musik füttert, tritt eine körperliche Mangelerscheinungauf, weil der Organismus nicht die Nährstoffe erhält, nach denen es ihn gelüstet.

Mit dem ganzen Körper hören

Jede Musik hat per se auch eine körperliche Dimension. Oft soll sie zum Tanzen oder zumindest zum Mitklatschen und -singen anregen, manchmal aufwühlen, erheitern oder beruhigen. Ich kenne jedoch keine andere Musik, die so sehr nicht nur am, sondern im Körper arbeitet, wie Metal in seinen verschiedenen Spielarten. Er hat eine hochgradig viszerale Qualität, wie es auch Jörg Scheller im Interview anmerkt. Diese Wirkung im Inneren des Körpers wird regelmäßig auch in den Lyrics thematisiert. Lemmy von Motörhead singt im Klassiker »Overkill«:

On your feet you feel the beat

It goes straight to your spine

Shake your head, you must be dead

If it don’t make you fly

Wie Deena Weinstein in ihrem schon erwähnten Buch beschreibt, lässt sich Metal neben der allgemeinen Wucht und hohen Geschwindigkeit (nicht immer, aber oft) vor allem durch eine besondere Dynamik in den tiefen Tonfrequenzen charakterisieren: in Form des verzerrten Basses, der Präsenz des Schlagzeugs und der mit schöner Regelmäßigkeit heruntergestimmten Gitarren.22 Vielleicht erklärt das diese besondere Schwingung, die der Metalhead so sehr begehrt?23

Eine Gruppe von Forschern hat festgestellt, dass Musik, in der die tiefen Frequenzen besonders präsent sind, Gefühle von Kraft bzw. Macht hervorruft.24 Dies ist wiederum eine Wahrnehmung, die Metal – neben weiteren Emotionen wie Freude und innerem Frieden – beständig bei Fans auslöst.25 Es lässt sich folgern: Auf eingefleischte Headbanger wirkt der Genuss von Metal »empowering«, also ermächtigend und bestärkend, auf den Normalo hingegen »overpowering« – überwältigend im negativen Sinn.

Doch wozu braucht der Metal(fan) überhaupt Macht? Deena Weinstein bemerkt, dass die Lyrics im Metal, neben der Beschreibung von Ausschweifungen (Sex, Partys, Alkohol, dem Rausch der Musik selbst), vor allem das Chaos thematisieren. Wobei Chaos weit gefasst wird im Sinn von Kräften, die Unordnung stiften, angestammte Muster aufbrechen und Beziehungen zerstören: zuvorderst Krieg, Gewalt, Monster und Dämonen.26 Metal malt gerne den Teufel an die Wand (aus Schall), all das, was im Fernsehgarten und beim Festival der Volksmusik gnadenlos ausgeblendet wird. Die Forscher Cheung und Feng haben genau hingeschaut und mehr als tausend Metalsongs inhaltlich analysiert.27 Die Analyse ergab, dass …

Metal-Texte in Bezug auf den Affekt in der Regel ein Gefühl der Unsicherheit, der Entfremdung, der Traurigkeit und der Sehnsucht nach Tod und Erlösung vermitteln. Hinsichtlich der Werte heben die Metal-Texte […] Eroberung sowie die Verurteilung von Kriegen und Scheinheiligkeit hervor.

Vielleicht braucht es die Tiefe, die Kraft, die Macht dieser besonderen Musik, um jene Themen zu bannen, sie in ihre Schranken zu weisen und dadurch beherrschbar zu machen. Folglich spricht Jörg Scheller in seinem Buch Metalmorphosen vom Metal als einer »Immunisierungsstrategie gegen Ängste«.28 Da passt es doch wie Arsch auf Eimer, dass Rainer Sontheimer den gemeinen Metaller im Interview als Schisser tituliert. Klingt nach Frevel, ist aber alles andere als verkehrt, wie wir im Lauf des Buches noch besser verstehen werden.