Arbeit besser machen - Nico Rose - E-Book

Arbeit besser machen E-Book

Nico Rose

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Beschreibung

Vielen Unternehmen geht es nicht gut, wirtschaftlich wie menschlich betrachtet. Es wird zu wenig oder zu schlecht geführt, notwendiger Wandel ausgesessen. Stattdessen regieren Angst und Zynismus. "Arbeit besser machen" befähigt Sie als Führungskraft oder HR-Verantwortlicher, hier gegenzusteuern. Mit Hilfe der Positiven Psychologie lernen Sie, das Beste aus Organisationen zu machen, was diese sein können: Orte des sinnvollen und profitablen Wachstums für Mensch und Organisation.Mit zahlreichen Werkzeugen, Grafiken sowie 33 Interviews mit herausragenden Forschern und Praktikern.Inhalte:- Grundgedanken und Konzepte der Positiven Psychologie- Warum Unternehmen auf das "abnorm Gute" achten sollten- Dienende Führung und das "psychologische Einkommen" von Mitarbeitern- Positive Emotionen als Treiber des Unternehmenserfolgs- Arbeit mit Sinn: nachhaltiger Gewinn für Mitarbeiter und UnternehmenInterviews von und Beiträge mit:- Vorwort von Dr. Wladimir Klitschko (ehem. Boxweltmeister im Schwergewicht)- Adam Grant (Professor an der Wharton Business School)- Angela Duckworth (Professorin an der University of Pennsylvania)- Tobias Esch (Professor an der Universität Witten-Herdecke, Spiegel-Bestseller-Autor)- Christian Lindner (Vorsitzender der FDP)- Götz Ulmer (Kreativ-Chef bei Jung von Matt)- Tijen Onaran (Autorin, Influencerin, Gründerin von "Global Digital Women")- Thomas Jensen (Mitgründer des legendären Wacken-Festivals)- Bernd Reichart (CEO der Mediengruppe RTL Deutschland)- Fabian Kienbaum (CEO der gleichnamigen Unternehmensberatung)- Leon Windscheid (Millionen-Gewinner bei Günther Jauch, Unternehmer, Bestseller-Autor)- Tatjana Kiel (CEO von Klitschko Ventures)Arbeitshilfen online:- Fragebogen zur Führungsqualität- Linksammlung  

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Seitenzahl: 740

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Inhaltsverzeichnis

InhaltsverzeichnisHinweis zum UrheberrechtmyBook+ImpressumVorwort zur ersten Auflage von Dr. Wladimir KlitschkoEinführung zur zweiten Auflage1 Einklang1.1 Führung ist eminent wichtig – und hat ein ImageproblemFührung als BürdeDie Personalabteilung als Prügelknabe1.2 Warum Arbeit besser machen?Was besser werden muss: Die Perspektive der ArbeitgeberWas besser werden muss: Die Perspektive der ArbeitnehmerWas besser werden muss: Der weitere BlickwinkelDas Rad ölen, nicht neu erfinden1.3 Struktur des BuchesIn welcher Reihenfolge sollten Sie die Kapitel dieses Buchs lesen?Beipackzettel2 Entstehung und Grundgedanken der Positiven Psychologie2.1 Martin Seligman und die Frage nach der Balance in der PsychologiePathogenese vs. SalutogeneseDas Feld gedeihtKritik an der Positiven Psychologie2.2 Auf den Schultern welcher Riesen steht die Positive Psychologie?Die frühe WelleEin gespanntes Verhältnis zur Humanistischen PsychologieÄltere Einflüsse2.3 Die Natur des Positiven in der Positiven PsychologieDas Positive und das Negative: Kontinuum oder unabhängige Dimensionen?Das Kräfteverhältnis von positiver und negativer Dimension2.4 Zwei übergreifende Modelle der Positiven PsychologieHedonisches und eudaimonisches WohlbefindenPERMA: Die fünf Säulen eines erfüllenden Lebens3 Grundgedanken der Positive Organizational Scholarship (POS)3.1 Die Sichtweise der klassischen BetriebswirtschaftslehreVom Arbeitsleid3.2 Positives OrganisierenAlles fließtPositive Praktiken und Unternehmenserfolg3.3 Die Relevanz des abnorm GutenParetos langer SchattenDie Bedingungen für das Auftreten von Performance-StarsDie Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts begünstigt positive DevianzPositive Devianz auf der ethischen und sozialen DimensionWenn es existiert, ist es möglich4 PERMA: Positive Emotionen4.1 Alles, was wir fühlen können4.2 Wozu ist es gut, sich gut zu fühlen?Wachstum und ErweiterungWozu braucht es positive Emotionen in Organisationen?4.3 Der Schneeball-EffektEmotionen fließen (hauptsächlich) von oben nach unten4.4 Ausgewählte positive Emotionen und ihre Rolle in OrganisationenOptimismusDankbarkeitEhrfurcht4.5 Positives Psychologisches Kapital (PsyCap)4.6 Achtsamkeit4.7 Kollegen mit Gefühl5 PERMA: Engagement5.1 Mit ganzem Herzen, mit voller KraftEngagementEmpowerment5.2 Motivation einmal andersIch bin der Käpt’n meiner Seel’Selbstdetermination in New und Old Work5.3 Alles im Fluss5.4 Charakter stärkenStärken bespielen5.5 Mach mal Pause!6 Erstes Intermezzo: Führen – abseits von Command and Control6.1 Transaktionale vs. transformationale Führung6.2 Die Führungskraft als Diener der Mitarbeiter6.3 Wie man in den Wald ruft …Pygmalion wird Führungskraft6.4 Respekt und BescheidenheitR.E.S.P.E.K.T.Bescheidenheit ist eine Zier – und weiter kommt man auch mit ihr6.5 Niemand erhält genug FeedbackCoaching für (fast) jedermann6.6 PERMA als Führungsmodell6.7 Führungskräfte brauchen gutes KAARMA7 PERMA: Beziehungen7.1 WertschätzungArschlöcher raus!7.2 Vertrauen7.3 Die Kraft des Kontakts: Relationale EnergieRelationale Energie messenRelationale Energie und das Homeoffice7.4 Über BeziehungsqualitätEinsamkeit7.5 »I see your true colors«8 PERMA: Sinn8.1 Die Frage aller FragenSinn des Lebens vs. Sinn im LebenDer Blickwinkel der Positiven Psychologie8.2 Wie kommt der Sinn ins Leben?Sinn im Leben als Dreiklang: Kohärenz, Destination und SignifikanzDer Sinn des SinnsQuellen des LebenssinnsBrauchen wir alle einen Purpose im Leben?8.3 Sinnvolle Arbeit: Gewinn für Arbeitnehmer und Arbeitgeber8.4 Quellen der arbeitsbezogenen SinnwahrnehmungDas Job-Characteristics-ModellDie SinnmatrixArbeiten mit der SinnmatrixDie sieben Todsünden der Führung8.5 Job CraftingKontextbedingungen für Job CraftingJob Crafting in der PraxisJob Crafting jenseits des Individuums8.6 Den eigenen Beitrag erlebbar machen8.7 Von der zweiten Geburt9 Zweites Intermezzo: Kreatives Organisieren9.1 Über Nicht-Wissen und Paradigmenwechsel9.2 Die organisationalen Bedingungen von Kreativität9.3 Zwischen Preußentum und Anarchie9.4 Interpersonelle Risiken eingehenPsychologische Sicherheit im Überblick10 PERMA: Zielerreichung, Leistung, Erfolg10.1 Grit: Nur die Harten komm’n in’ GartenIst Grit nützlich für Unternehmen?10.2 Ziele erreichen mit WOOP10.3 Die Macht der kleinen StupserSich selbst anstupsen10.4 Das beste Selbst im Spiegel10.5 Schöner scheitern10.6 Lässt sich eine gute Kultur am Aktienkurs ablesen?Unternehmenskultur wirkt11 AusklangAnhangDanksagungLiteraturverzeichnisIhre Online-Inhalte zum Buch: Exklusiv für Buchkäuferinnen und Buchkäufer!Stichwortverzeichnis

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Nico Rose

Arbeit besser machen

2. Auflage, März 2024

© 2024 Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Freiburg

www.haufe.de

[email protected]

Bildnachweis (Cover): © Cover: Groothuis. Gesellschaft der Ideen und Passionen mbH für Kommunikation und Medien, Marketing und Gestaltung | groothuis.de

Produktmanagement: Dr. Bernhard Landkammer

Lektorat: Helmut Haunreiter

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung, des auszugsweisen Nachdrucks, der Übersetzung und der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, vorbehalten. Alle Angaben/Daten nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit.

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Wer schaffen will, muss fröhlich sein

Du wirst es nie zu Tücht’gem bringen

bei deines Grames Träumereien,

die Tränen lassen nichts gelingen:

Wer schaffen will, muss fröhlich sein.

Wohl Keime wecken mag der Regen,

der in die Scholle niederbricht,

doch golden Korn und Erntesegen

reift nur heran bei Sonnenlicht.

Theodor Fontane

Rezensionen

Aktuell, authentisch, abwechslungsreich, differenziert – Nico Rose schafft es, einen äußerst kurzweiligen Blick auf die wichtige Frage zu werfen, wie wir als Führungskräfte »Arbeit besser machen« können. Das Lesen macht Spaß, gibt praktische Denkanstöße und motiviert!

Dr. Peter Opdemom, ehemals Vorstand B2C, New Work SE (XING, Kununu etc.).

Nico Rose reflektiert die derzeitigen Herausforderungen für Personalarbeit und Führung kritisc-h. Er schreibt praxisnah und humorvoll über seine eigenen Erfahrungen und spiegelt diese sowie weitere aktuelle Themen anhand wissenschaftlicher ­Erkenntnisse. Das Ergebnis ist ein Buch mit spannenden Inhalten, das sich wunderbar lesen lässt, inhaltsreich und unterhaltsam ist.

Prof. Dr. Marion Festing, Lehrstuhl für Personalmanagement und Interkulturelle Führung sowie akademische Leiterin des Talent Management Instituts (TMI), ESCP Europe

Der digitale Wandel hält weiter Einzug in Unternehmen. Viele Führungskräfte und Personalverantwortliche fragen sich, welche Auswirkungen diese Entwicklung auf die Art zu führen hat. Nico Roses Buch stellt immer wieder den Menschen ins Zentrum und gibt viele Denkanstöße, wie auch die digitale Transformation aktiv mitgestaltet werden kann.

Martin Stork, Head of Global HR Business Partnering, HR Strategy & Governance, ­Agricultural Solutions, BASF SE

Ich kann Nico Roses Buch empfehlen, weil es zum einen den Nerv der Zeit trifft, Unternehmens- und Teamkultur endlich als strategischen Hebel und Wettbewerbsvorsprung zu verstehen. Zum anderen begeistert es aber vor allem, weil es bei »Arbeit besser machen« dann auch ums konkrete Umsetzen geht und das Buch ein klares »How to« liefert. Aus meiner Sicht das, was wir gerade brauchen, um endlich ins ­Machen zu kommen. Denn neue Macher brauchen wir, vor allem in deutschen Unternehmen.

Stefanie Kuhnhen, Chief Strategy Officer, Serviceplan Agenturen

Vorwort zur ersten Auflage von Dr. Wladimir Klitschko

Liebe Leserinnen und Leser,

Arbeit – in keinem anderen Wort schwingen gleichzeitig so viele positive und negative Emotionen mit. Sie ist der Ort, an dem Menschen ihren Tag verbringen, an dem sie ihren Wert zeigen wollen, an dem sie als soziale Wesen agieren, als Menschen wahrgenommen werden möchten, trotz aller »harten« Faktoren wie KPIs und dem Zielerreichungsdruck. Sach- und Emotionsebene treffen hier auf einander, dem entkommt keiner. Wenn ich beispielsweise Mitarbeiter auswähle, weiß ich, welches Mindset ich suche. Dabei ist völlig egal, um welchen Job es geht. Entscheidend ist, wie sehr ­jemand Teil meines Teams sein möchte. Natürlich lege ich auch Wert auf die fachliche Qualifikation, allerdings ist für mich nicht entscheidend, ob jemand wirklich sämtliche Kriterien erfüllt: fehlendes Wissen lässt sich schnell aneignen. Was schwieriger zu verändern ist, ist ein Mindset. Die positive Haltung zur Arbeit ist mir wichtig bei allen Menschen, die mich beruflich umgeben. Für eine Führungskraft ist in meinen Augen entscheidend, wahrzunehmen, dass Arbeit verschiedene Ebenen hat, um diese zu moderieren und zusammenzuführen. Aus dieser Balance entsteht für mich »Better Work«.

In diesem Sinn freue ich mich über die Ehre, das Vorwort für Arbeit besser machen schreiben zu dürfen: ein Anregungsfeuerwerk, in dem nicht (schon wieder) Parameter für New Work identifiziert und erläutert werden, sondern »Better Work« skizziert wird.

Der Ring war fast drei Jahrzehnte lang mein »Arbeitsplatz«, ich kenne ihn aus allen Perspektiven. Es mag als Zuschauer eines Boxkampfes anders aussehen, doch auch ein Boxer ist nie allein an seinem Arbeitsplatz. Es gab immer ein Team um mich herum, das dafür gesorgt hat, dass ich mein, oder besser, unser gemeinsames Ziel, ­erreichen konnte: als Sieger die jeweils kommende Veranstaltung zu verlassen. Jeder wusste, worin der eigene Beitrag zum Gelingen unseres gemeinsamen Ziels bestand und welche Rolle er dafür auszufüllen hatte – auch ich selbst. Ich war gewissermaßen Führungskraft und Teammitglied zugleich.

Wenn ich bemerkte, dass Dinge, die mir wichtig waren, nicht ernstgenommen wurden, hatte jeder im Team mit Konsequenzen zu rechnen. Mein Trainingsplan war straff und das verlangte mir und allen anderen Menschen Disziplin ab. Unpünktlichkeit beispielsweise zählte zu den Punkten, die den kompletten Ablauf in einem Camp durcheinanderbringen konnten. Um mich nicht täglich aufs Neue damit zu befassen und unnötig Energie in diesen Ärger fließen zu lassen, trug der Unpünktliche die ­unmittelbare ­Konsequenz: Wer auch nur eine Minute zu spät kam, machte 100 Liegestütze. Diese Regel galt auch für mich selbst. Was glauben Sie, wie schnell alle verstanden, worum es ging, was auf dem Spiel stand und wie der Weg zu unserem gemeinsamen Ziel ­aussah ...

Ein wichtiges Thema, das eng mit dem vorigen Punkt verbunden ist, lautet Weiterentwicklung. Führungskräfte müssen einen Raum schaffen für Veränderung: Human Transformation statt Human Resources. Es geht darum, Menschen und Teams als lernende und sich entwickelnde Organismen zu begreifen, nicht als technische Ressource, die funktioniert oder eben nicht. Wer stehen bleibt, fällt zurück, so lautet mein Motto. Und wer vorwärts geht, kann auch einmal scheitern, das gehört dazu und ist Bestandteil eines echten Plans. Man muss eine Kultur etablieren, die nicht alles gutheißt oder lobt, sondern eine, die zulässt, dass jeder einen echten Raum für Entwicklung und Verbesserung erhält. Wenn etwas nicht gut läuft, muss man darüber sprechen (dürfen) und sich gemeinsam dieser Herausforderung stellen, gemeinsam in die Challenge-Zone eintauchen.

Ich arbeite mit Teams in verschiedenen Ländern auf verschiedenen Kontinenten. Meinen Sie, da läuft immer alles perfekt? Natürlich nicht. Aber ich bin mir der Tatsache bewusst, dass Zeit und Arbeitskraft das wertvollste sind, das meine Mitarbeiter mir und meinen Unternehmen schenken können. Auch wenn ich nicht mehr im Trainingscamp bin, sondern »ins Büro« gehe, haben sich meine Haltung die Loyalität meinen Teams gegenüber nicht verändert. Wenn mir meine Mitarbeiter und Kollegen zeigen, dass sie bereit sind, sich zu entwickeln und gemeinsam mit mir wachsen zu wollen, dass sie bereit sind, ihre Challenge-Zone annehmen, dann bin ich an ihrer Seite und unterstütze sie auf ihrem beruflichen Weg und beim Verfolgen ihrer Ziele.

Genau das halte ich für unabdingbar, wenn man über »Arbeit besser machen« spricht: Als Arbeitgeber zu zeigen, dass die Mitarbeiter und ihre Arbeit wichtig sind. Es geht darum, ihnen klar zu machen, welche Erwartungen man an ihre Position und Rolle hat. Als Mitarbeiter gilt es wiederum zu beweisen, dass man bereit ist, Herausforderungen ins Gesicht zu blicken, in die eigene Challenge-Zone einzutauchen. Dafür braucht es die geeigneten Werkzeuge, um in die Bewältigung der Herausforderung, die wirkliche Umsetzung zu kommen. Das nenne ich Umsetzungsenergie oder schlicht Willenskraft. Mit ihr erreichen wir gemeinsam unsere Ziele, so macht Arbeit Spaß – im Boxring und außerhalb.

Deshalb lautet mein Tipp: Fordern Sie sich und ihr (Arbeits-)Umfeld regelmäßig heraus, verlassen Sie die Komfortzone! Echtes Wachstum findet in der Challenge-Zone statt – und nur dort. An diesem Ort wächst man über sich hinaus, kann Großes ­erreichen und begreift den Arbeitsplatz als Lebensort, an dem es um mehr geht, als um bloßes Geld verdienen: Sie wird zu einem echten Ort für »Better Work«.

Von meiner Kollegin Tatjana Kiel, CEO von Klitschko Ventures, erfahren Sie in ­Kapitel 10 dieses Buchs, wie aus meiner Lebensphilosophie Challenge Management die Methode F.A.C.E. the Challenge wurde, die Menschen dabei unterstützt, den eigenen Arbeitsplatz aktiv zu einem Ort der Weiterentwicklung, zu einem Ort für »Better Work« zu machen – für sich und für andere.

Und jetzt: Viel Spaß beim Lesen der vielen spannenden Beiträge! Sie dürfen sich gerne mal ertappt fühlen, auch mal schmunzeln. Setzen Sie sich auseinander mit Ihrer eigenen Haltung zu Arbeit und Ihrem Veränderungs- und Wachstumswillen. Seien Sie offen für die Anregungen zu Ihrer nächsten Herausforderung. Sie kommt – so viel ist sicher! Seien Sie die bewegende Kraft!

Das wünscht sich und Ihnen,

Ihr Wladimir Klitschko

Inhaber von Klitschko Ventures und Entwickler der Methode F.A.C.E. the Challenge

Einführung zur zweiten Auflage

Die erste Auflage von Arbeit besser machen entstand im Winter 2018/19. Ich hatte nach über acht Jahren meinen Job als Vice President im Stab des Personalvorstands von Bertelsmann aufgegeben und nutzte drei arbeitsfreie Monate, bevor ich im April 2019 eine Stelle als Professor für Wirtschaftspsychologie an der International School of Management (ISM) in Dortmund antrat. Auch diese berufliche Episode ist allerdings schon wieder Geschichte. Seit März 2022 bin ich – nach einem metaphorischen, aber kräftigen Tritt in den Hintern durch meine Gattin (»Glaub doch mal wirklich an dich selbst…«) – erstmals im Leben vollkommen eigenständig unterwegs. Ich konzentriere mich auf die Arbeit mit Organisationen in Form von Vorträgen, Workshops, Coaching – und mittlerweile auch der einen oder anderen Moderation. Die übrige Zeit nutze ich fürs Schreiben. Arbeit besser machen war damals mein zweites Buch, mittlerweile gibt es derer schon sieben1 – Nummer acht und neun sind in Planung. Dies war auch einer der Hauptgründe, warum ich meinen wirklich guten Job bei Bertelsmann aufgab: Da musste »irgendwas raus«, etwas, wofür in der Führungsrolle im Großkonzern einfach zu wenig Zeit übrig war.

Vielleicht ist es ein wenig vermessen, dem eigenen Buch eine solche Bezeichnung selbst zuzuschreiben, aber ich glaube trotzdem sagen zu dürfen, dass Arbeit besser machen in der Zwischenzeit zu einer Art Standardwerk über Positive Psychologie in und für Organisationen im deutschen Sprachraum geworden ist. Es hat sich für ein wissenschaftlich geprägtes Sachbuch über die Zeit hinweg recht anständig verkauft und wurde durchgehend positiv rezensiert. Was mich allerdings noch mehr freut, sind die vielen hundert Zuschriften, die mich über die Jahre erreicht haben. Menschen aus ganz unterschiedlichen beruflichen Sphären schreiben mir Mails oder Nachrichten auf LinkedIn, meist ein Foto vom heftig mit Post-Its versehenen Buch angehängt, und schildern, wie das Werk sie dazu gebracht hat, sich eingehender mit Positiver Psychologie zu beschäftigen – oder auch, wie ihnen die eine oder andere Idee als Führungskraft, HRler oder Begleiter von Menschen weitergeholfen hat. Als Psychologe habe ich selbstredend einen amtlichen Helferkomplex. Da geht sowas runter wie Öl.

Der Erfolg von Arbeit besser machen hat auch zum Teil mit einer Aktion zu tun, die ursprünglich kaum mehr als ein Marketing-Stunt zur Veröffentlichung der Erstauflage sein sollte: Ich erstellte damals auf Basis der Inhalte des Buchs eine Liste von zwanzig knackigen und zum Teil provokanten Aussagen über mein Verständnis von guter Arbeit bzw. Führung. Dave Neblik, ein Designer aus meiner Heimat, brachte das Ganze dann in die Form eines optisch ansprechenden Posters. Etwas großspurig nannten wir es das Arbeit-besser-machen-Manifest.2 Obwohl in erster Linie als Mittel der Verkaufsförderung gedacht, hängt das Teilchen mittlerweile – mutmaßlich – in tausenden von Büros im deutschsprachigen Raum, weil es in Schüben immer wieder in den sozialen Medien geteilt wird. Ich habe allerdings auch schon mit Unternehmen zusammengearbeitet, die das Ganze als Inspiration an ihre Führungskräfte ausgaben, beispielsweise als Poster oder als Tischaufsteller aus Plexiglas. Merke: Manchmal können kleine Ideen Großes bewirken.

Zeitenwende in der Arbeitswelt?

Naturgemäß hat sich nicht nur mein Leben, sondern auch die Welt als solche in den letzten Jahren beständig weitergedreht. Da wäre zunächst die Coronapandemie zu nennen, die das (Arbeits-)Leben in einem – zumindest in den letzten Jahrzehnten – kaum gekannten Umfang beeinflusst hat. In Windeseile mussten Organisationen weltweit dafür sorgen, dass ein guter Teil der Belegschaften von zu Hause aus tätig werden konnte. Und siehe da: Das Gros der Unternehmen ist nicht implodiert. Sie haben sich ordentlich geschüttelt und dann in großer Zahl erfolgreich angepasst (ich selbst erlebte diese Dynamik noch in meiner Rolle als Hochschullehrer). Das alles ging natürlich nicht ohne Blessuren und Anpassungsschmerzen vonstatten. Aber: Es ging.

Dies alles zu beobachten, hat auch ein Stück weit an meinen Vorstellungen von wirksamer Transformation von Organisationen gerüttelt. Da spricht man normalerweise davon, man solle die Menschen »abholen« oder behutsam »mitnehmen«. Dafür hat das Coronavirus jedoch keine Zeit gelassen. Eine weltweite Pandemie sagt nicht »Bitte-bitte«, sondern »Zack-zack«. Ich bin jedenfalls davon überzeugt, dass wir eine solch hohe Durchdringung von non-lokaler Kollaboration auf natürlichem Wege niemals in so kurzer Zeit gesehen hätten. Mittlerweile sehen sich viele Organisationen allerdings auch mit den Schattenseiten konfrontiert, die entstehen (können), wenn Menschen, die gemeinsam Ziele erreichen sollen, sich nur noch selten von Angesicht zu Angesicht sehen. Ich werde diese Herausforderung an geeigneter Stelle in der Neuauflage aufgreifen.

Gleichwohl bin ich der Überzeugung, dass sich durch die fortschreitende Digitalisierung von Zusammenarbeit für gute Führung auf einer grundlegenden Ebene recht wenig geändert hat. Ich las in den vergangenen Jahren immer wieder, zum Teil mit medialem Getöse vorgetragen, von Digital Leadership als neuem und eigenständigem Führungsstil. Was das inhaltlich genau sein soll, bleibt mir allerdings bis heute weitgehend schleierhaft. Dabei ist mir natürlich klar, dass die sichere Beherrschung bestimmter Software- und Hardwareprodukte wichtig(er) für erfolgreiches ­Führungshandeln geworden ist. Dafür gibt es allerding schon ein – vielleicht etwas angestaubtes – Wort: Medienkompetenz. Wir helfen den Menschen da draußen in den Unternehmen ­allerdings kaum weiter, wenn wir die eigentliche Führungskompetenz mit der Beherrschung von Zoom, MS Teams & Co. unreflektiert in einen Topf werfen.

Achtung

Wenn der Chef im echten Leben ein Arsch ist, ist er es digital mit hoher Wahrscheinlichkeit auch.

Als zweite große Umwälzung ist zwingend der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine zu nennen. Die damit verbundene Knappheit vieler Industrie- und Verbrauchsgüter hat den Druck auf fast alle Unternehmen und deren Mitarbeiter spürbar erhöht. Gleichwohl denke ich, dass die Veränderungen für das Wie von Management und Führung weniger gravierend sind als die Nachwirkungen der Coronapandemie. Vieles ist durchaus noch schwieriger geworden, aber nicht grundlegend anders.

Mir persönlich wird allerdings grundlegend anders, wenn ich meine Gedanken vor dem Hintergrund des Krieges auf das Vorwort von Wladimir Klitschko zur ersten Auflage richte (und das ergänzende Interview mit Tatjana Kiel weiter hinten im Buch): Sie berichten dort von einer Methode zur erfolgreichen Bewältigung von Herausforderungen, angelehnt an die Art und Weise, wie sich Wladimir früher auf seine Kämpfe als Boxchampion vorbereitet hat. Ich glaube kaum, dass die beiden damals schon jene »Herausforderungen« auf dem Schirm hatten, die das Leid der Menschen in der Ukraine aktuell bereithält. Wladimirs und Tatjanas unermüdlicher Einsatz rund um die humanitäre Hilfe insbesondere für die Kinder in Klitschkos Heimat erfüllt mich mit großer Ehrfurcht. Sie schärft auch meinen Blick dafür, dass es durchaus Wichtigeres im Leben geben kann als erfolgreiches Unternehmertum. Alles in allem hoffe ich natürlich, dass der Krieg bald ein gutes Ende finden wird, sodass Wladimir und Tatjana mit ihrem Team wieder Unternehmen fitmachen können – anstatt Kinderseelen retten zu müssen.

Unter dem Stichwort der Zeitenwende komme ich nicht umhin, abschließend kurz über artifizielle Intelligenz zu sprechen. Ich schreibe diese Zeilen ohne Unterstützung von ChatGPT oder ähnlichen Tools. Gleichwohl habe auch ich – obwohl ich mich bei digitalen Tools nicht eben als First Mover begreifen würde – schon die Unterstützung von generativer AI in Anspruch genommen. Zum Beispiel hat ChatGPT mir einmal geholfen, ein Konzept für einen mehrtägigen Workshop zu formulieren. Mit ein wenig Überarbeitung hat das Ganze etwa 30 Minuten gedauert. Ohne die Vorlagen des Chatbots hätte ich sicherlich mehrere Stunden dafür benötigt. Zudem habe ich beim Herumspielen festgestellt, dass das Tool mich herzlich zum Lachen bringen kann, die ­richtigen Prompts vorausgesetzt.3 Das wiederum hat mir ein bisschen Angst ­gemacht.

Letztlich glaube ich allerdings, dass es noch zu früh ist, um dem Thema einen ­größeren Part in diesem Buch einzuräumen. Ich beobachte mit großem Interesse, dass ­Unternehmen wie Coachhub (in dessen Advisory Board ich aktiv bin) erste Prototypen für AI-gestützte Coaching-Chatbots auf den Markt bringen.4 Ich würde allerdings ­gerne warten, bis mehr Daten und mehr konkrete Forschung vorliegen, bevor ich solche Themenfelder in dieses Buch integriere. Vielleicht ist das etwas für eine dritte Auflage?

Die Positive Psychologie wird erwachsen

Was sind die wichtigsten Unterschiede zur ersten Auflage? Nicht ohne Stolz hatte ich im Zuge der Überarbeitung immer wieder das Gefühl, dass die Inhalte von Arbeit besser machen recht gut gealtert sind. Das liegt nach meinem Dafürhalten zum einen an der Tatsache, dass ich mich im Rahmen des ursprünglichen Schreibprozesses bemüht habe, nicht zu marktschreierisch daherzukommen. Jedenfalls hatte ich bei der Arbeit an der zweiten Auflage kaum einmal dieses Autorenerlebnis, bei dem man die Hände über dem Kopf zusammenschlägt und lauthals ruft: »Oh mein Gott, was habe ich denn da für eine Grütze zusammengeschrieben?!« Ein »Hardcore-Methodenforscher« wird das möglichweise anders beurteilen. Ich verstehe mich jedoch seit dem Ablegen der Professur mehr denn je als Brückenbauer zwischen Forschung und Praxis. Dahingehend ist mir wichtig, dass meine Brücken wissenschaftlich belastbar sind.5 Wenn sie allerdings so fremdartig und wenig einladend anmuten, dass kaum ein Praktiker sie je betreten mag – dann ist für jemanden mit meiner Mission auch nicht viel gewonnen. Ich hoffe, dass ich irgendwie beiden Seiten hinreichend gerecht werden kann.

Ein weiterer Aspekt, der erklären kann, warum die zweite Auflage von Arbeit besser machen sich nicht radikal von der ersten unterscheidet, ist der Entwicklungsstand der Positiven Psychologie als wissenschaftlicher Disziplin selbst. Nimmt man Martin Seligmans Antrittsrede als Präsident der APA um den Jahrtausendwechsel als Startschuss (siehe Kapitel 2), dann befindet sich das Feld aktuell im jungen Erwachsenenalter.6 Die Sturm-und-Drang-Phase scheint mir derweil vorüber zu sein. Es ist üblich, dass in es in einer neuen wissenschaftlichen (Teil-)Disziplin in der ersten Phase eine Reihe von »großen Entdeckungen« gibt, die gewissermaßen die Eigenständigkeit des Felds begründen und rechtfertigen. Diese neuen und interessanten Phänomene ziehen dann weitere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an – und Forschung nach sich. In der Folge steigt die Anzahl der Studien und Veröffentlichungen in dem gegebenen Feld drastisch an. Diese Dynamik lässt sich auch wunderbar in der Positiven Psychologie erkennen.

Die Zahl der regelmäßig im Umfeld der Positiven Psychologie veröffentlichten Studien ist aktuell kaum noch zu überblicken. Der Neuigkeitswert einzelner Studien hat, bis auf wenige Ausnahmen, aber gleichzeitig spürbar abgenommen. Das mag der Sensation Seeker in uns zwar bedauerlich finden, ist aber im Prinzip etwas Gutes. Es bedeutet, dass eine wissenschaftliche Disziplin mehr oder weniger in der Phase des »Normalbetriebs« angekommen ist. In diesem Stadium geht es stärker um Ausdifferenzierung bestehender Erkenntnisse, auch um (Selbst-)Korrektur, um Verfeinerung und Kontextualisierung bisheriger Ergebnisse. Eine Lichtgestalt der psychologischen Forschung7 hat mir einmal ein schönes Bild über den Forschungsprozess vermittelt:

Metaphorisch schaut man zu Beginn auf ein (vermutetes) Phänomen durch eine stark verdreckte Glasscheibe. Man erkennt, dass da möglicherweise etwas ist – und dass es interessant sein könnte. An diesem Punkt schreiben Forscher öffentlich darüber, was in der Folge andere Akademiker einlädt, sich des Themas anzunehmen. Nun werden die ersten empirischen Studien durchgeführt. Sinngemäß nimmt jemand einen Lappen plus etwas Reiniger und wischt damit ordentlich über die dreckige Scheibe. Anschließend ist das Glas immer noch ziemlich dreckig, aber etwas durchlässiger für das forschende Auge. Es folgen weitere Forschungsarbeiten respektive Wischdurchgänge. Wo anfangs nur Umrisse erkennbar waren, ergibt sich ein zunehmend klareres Bild mit Farben und Strukturen. Manchmal bestätigt sich dann die ursprüngliche Idee. Oft erkennt man, dass die Sache viel komplizierter ist als anfänglich angenommen. Vielleicht versteht man nach weiterem Wischen, dass man eigentlich auf zwei oder mehr Figuren geschaut hat, die miteinander verbunden, aber trotzdem separate Entitäten sind. Manchmal erkennt man, dass es eine große Rolle spielt, wer durch welche Scheibe schaut und welche Krümmung die Glasfläche hat. Fast immer wird der Wissensstand dadurch faktisch präziser, aber auch komplizierter zu durchdringen. Bisweilen erkennt man auch, dass ein vermeintlich spannendes Phänomen hinter der Scheibe doch nur ein Fliegenschiss auf der Glasfläche war.8

Ganz im Sinne dieses Prozesses haben ein paar durchaus zentrale Aspekte der Positiven Psychologie über die letzten Jahre Federn lassen müssen, sichtbare Dellen oder Kratzer abbekommen, je nachdem, welcher Metaphorik man sich bedienen möchte. Beispielhaft genannt seien hier die Fragen, wie viel von ihrem psychologischen Wohlbefinden Menschen über die Zeit durch eigenes Handeln beeinflussen können – und wie viel von externen Umständen oder der genetischen Ausstattung abhängt (Brown & Rohrer, 2020; siehe auch das Interview mit Maike Luhmann in Kapitel 2); oder auch die Forschung zur Frage, ob Grit in der Lesart von Angela Duckworth wirklich ein eigenständiges Konstrukt ist – und nicht nur alter Wein in neuen Schläuchen (Ponnock et al., 2020; siehe auch die entsprechenden Passagen in Kapitel 10).

In Summe ist dieser Korrekturprozess etwas Gutes – und nichts, das man mit Häme betrachten sollte. Im Bereich der praxisorientierten Persönlichkeitsentwicklung, im Coaching, in der Personalentwicklung und in ähnlichen Feldern wird auch heutzutage noch unglaublich viel Bullshit propagiert. Es werden Behauptungen aufgestellt und Wirkungen postuliert, die einer neutralen Überprüfung nie und nimmer standhalten würden. Wenn die Positive Psychologie (bzw. einzelne Ideen) weitere Kratzer bekommt, ist das folglich im Einzelfall keine freudige Nachricht, aber insgesamt doch begrüßenswert. Es bedeutet, dass eine kritische Überprüfung stattfindet – und Wege für echte Weiterentwicklung eröffnet werden.

Auf einer Metaebene postulieren manche Beobachter, dass die Entwicklung der Positiven Psychologie als Disziplin in verschiedenen Wellen ablaufe. Bereits um 2010 herum wurden erstmals Rufe laut, die anmerkten, dass sich die Positive Psychologie mit ihrem Fokus auf die Erklärung des gelingenden Lebens zu stark eingeschränkt habe (Wong, 2011). Man rief eine zweite Welle der Positiven Psychologie aus, die sich in einem dialektischen Prozess den positiven Aspekten des Negativen zuwenden solle, weil sich beispielsweise zeigt, dass wir an Schicksalsschlägen in einem Guten Sinne wachsen können. Insofern sei auch die Frage, was das gute Leben ausmacht, nicht ausschließlich durch die Anwesenheit von positiven Phänomenen zu erklären (Lomas & Ivtzan, 2016).

Einstweilen beschreiben einige Wissenschaftler schon die Konturen einer dritten Welle. Gemäß dieser Perspektive wird gefordert, die Positive Psychologie müsse ihren ­Fokus erneut erweitern und gezielter als bisher systemische Sichtweisen in die Forschung integrieren. Eine der wichtigsten Forderungen ist, auch vor dem Hintergrund von Klimawandel und Coronapandemie, mehr auf das Wohlergehen von Systemen und die wechselseitigen Einflüsse dieser Systeme zu achten (Lomas et al., 2021) und weniger auf das Wohlbefinden einzelner Individuen. Auch dies ist eine aus meiner europäischen Sicht begrüßenswerte Reaktion auf frühe Kritikpunkte9 an der Positiven Psychologie: dass sie Individualismus und die Frage des Lebensglücks einzelner Menschen überbetont habe.

Schließlich beanstanden verschiedene Forscher, die Positive Psychologie habe sich in ihren Aktivitäten zu stark auf weiße, westliche und wohlhabende Zielgruppen fokussiert (Hendriks et al., 2019). Das ist einerseits nicht von der Hand zu weisen und andererseits ein Aspekt, der seit vielen Jahren übergreifend an der psychologischen Forschung zu bemängeln ist (Reyna et al., 2023). Es wurden jedoch bereits erste Fortschritte erzielt, um diesen Mangel zu beseitigen – auch, wenn hier sicherlich noch ein weiter Weg zu gehen ist (Duan et al., 2022).

Insgesamt ist aus meiner Sicht ein gesunder Reifungsprozess zu beobachten: So, wie Kinder nach meiner Auffassung das Recht haben, zunächst vorrangig auf sich selbst und ihr eigenes Glück zu achten, müssen sie mit der Zeit lernen, dass das eigene Wohlbefinden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vom Wohlergehen anderer Menschen abhängt – zumal es ganz unterschiedliche Vorstellung davon gibt, was so etwas wie Glück und Zufriedenheit überhaupt bedeuten möge.

Was mich abseits berechtigter Kritik an der Positiven Psychologie jedoch immer wieder einmal ärgert (auch, wenn mein Fell über die Jahre dicker geworden ist), sind polemisierende Behauptungen, die meist eine oder beide der folgenden Ausprägungen annehmen: a) »Daran ist absolut nichts Neues«; und/oder b) »Das ist alles Quatsch bzw. unwirksam«. Beide Postulate sind prinzipiell leicht zu widerlegen, was mich vermuten lässt, dass ein nicht geringer Teil der Unkenrufe ideologisch motiviert sein ­dürfte.

Wer a) behauptet muss dafür willentlich beispielsweise so wichtige und gut ausgebaute Theoriegebäude wie Barbara Fredricksons Broaden-and-Build-Theorie (Vacharkulksemsuk & Fredrickson, 2013; siehe auch Kapitel 4), Psychologisches Kapital (Lupșa et al., 2020; ebenfalls Kapitel 4) oder den breiten Forschungsschatz rund um die VIA-­Stärken (Ghielen et al., 2015; siehe Kapitel 5) übersehen.

Wer b) behauptet, hat sich schlicht und ergreifend nicht genug informiert. Es liegen mittlerweile eine Reihe von Überblicksarbeiten und Metastudien vor, die die Wirksamkeit von positiv-psychologischen Interventionen (in Organisationen) ausdrücklich nahelegen. Die sogenannten Effektstärken solcher Interventionen liegen zumeist in einem moderaten bis mittelstarken Bereich. Ergo: Sie sind spürbar wirksam in vielen Situationen und für viele Menschen. Aber sie wirken nicht immer und überall – und bewirken auch keine Wunder. Auch dieser Befund ist prinzipiell begrüßenswert. ­Wundermittel und Killer-Applikationen sind in diesem Buch nicht zu finden. Wer sich tiefer in die aktuelle Befundlage einlesen möchte, dem seien beispielhaft die folgenden Arbeiten empfohlen. Zu den wünschenswerten Effekten von …

positiven Emotionen in Organisationen und allgemein: Walsh et al. (2018), Diener et al. (2020);

positiv-psychologischen Interventionen allgemeinSelbst-Determination: Hendriks et al. (2018), Hendriks et al. (2020), Carr et al. (2021);

positiv-psychologischen Interventionen in Organisationen im SpeziellenSelbst-Determination: Meyers et al. (2013), Donaldson et al. (2019);

Stärken-Interventionen: Schutte und Malouff (2019), Bates-Krakoff et al. (2022);

psychologischer Sicherheit: Frazier et al. (2017), Newman et al. (2017);

Job CraftingSinnhaftigkeit: Rudolph et al. (2017), Lichtenthaler und Fischbach (2019).

Ein Prozent besser

Was ist nun greifbar anders an der zweiten Auflage von Arbeit besser machen? Neben einer behutsamen Überarbeitung vieler kürzerer Textpassagen und der Beseitigung einer Reihe von Typos habe ich die Abschnitte über Psychologische Sicherheit und über Job Crafting deutlich ausgebaut. Dies entspricht ihrer zunehmenden Bedeutung in der Forschung10 und auch der Praxis (inklusive meiner Arbeit mit Unternehmen). Daneben habe ich – wie bereits angemerkt – im Kapitel über gelingende Beziehungen einige Absätze zu den besonderen Herausforderungen von non-lokaler Kollaboration ergänzt. Ein wenig dem Zeitgeist folgend, aber auch einfach hochrelevant.

In Summe hoffe ich, dass die zweite Auflage von Arbeit besser machen in etwa ein Prozent besser ist als die erste Auflage. Ein Prozent klingt natürlich erstmal ein wenig mau. Ich nutze die Ein-Prozent-Idee jedoch auch häufig im Coaching mit Führungskräften und in Vorträgen. Mein Ansporn: Machen sie etwas ein Prozent anders – aber über eine Woche, einen Monat, ein Jahr. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird das einen Unterschied machen, der einen Unterschied macht. In diesem Sinne: Wenn das Buch über rund 400 Seiten an vielen Stellen ein Prozent besser ist als der Vorgänger – dann ist das schon eine ganze Menge.

Abschließend möchte ich noch das Folgende anmerken: Ich bin froh und dankbar, dass ich den Verlag nach einigem Ringen von einer neuen Covergestaltung überzeugen konnte. Zu viele Menschen fanden die alte Version so lala – oder sahen in dem Zeigefinge auf dem Cover irgendwie doch einen ausgestreckten Mittelfinger. Diesen unabsichtlichen Fall von Text-Bild-Schere haben wir mit der neuen und schlichteren Gestaltung erfolgreich beseitigt.

Und nun wünsche ich Ihnen viel Freude beim Lesen!

Nico Rose, im Winter 2023/24

1 Nummer 6 heißt Hard, Heavy & Happy, handelt von Heavy Metal – und wurde ein SPIEGEL-Bestseller. Ich halte nicht viel von Motivationsweisheiten à la »Follow your Passion!«, aber mit Blick auf dieses Projekt liegt sie nicht vollkommen daneben.

2 Es lässt sich hier herunterladen: nicorose.de/wp-content/uploads/2020/02/Arbeit-Besser-Machen-Manifest-A1.pdf

3 Ich bat ChatGPT, mir jeweils einen humorvollen Absatz zur Frage zu schreiben, was Metalbands wie Metallica oder Iron Maiden über gute Führung zu sagen hätten …

4 Martin Seligman hat gerade eine neue Forschungsarbeit publiziert, die sich ebenfalls mit dem Nutzen von AI für die Begleitung von Menschen auseinandersetzt; siehe Blyler und Seligman (im Druck).

5 Im Ergebnis finden sich bestimmte Aspekte nicht in diesem Werk, die man eigentlich in einem Buch über Positive Psychologie in Organisationen vermuten würde. Ein Beispiel: Aktuelle Meta-Analysen legen nahe, dass in der Öffentlichkeit viel diskutierte Growth-Mindset-Interventionen kaum wünschenswerte Ergebnisse erzielen, zumindest, wenn die Daten von unabhängigen Forschern beigebracht werden (Macnamara & Burgoyne, 2023). Von daher kommt das Thema hier nur in zwei Interviews kurz zur Sprache, erhält aber ansonsten keine größere Aufmerksamkeit.

6 Zum Erwachsenwerden gehört, dass man, den normalen Lauf der Dinge vorausgesetzt, manchmal die ältere Generation gehen lassen muss. In den Jahren zwischen der ersten und zweiten Auflage dieses Buchs sind beispielsweise Ed Diener, Mihály Csíkszentmihályi, Aaron T. Beck und Albert Bandura gestorben, die auf die eine oder andere Weise großen Einfluss auf die Entwicklung der Positiven Psychologie hatten. Mögen sie in Frieden ruhen.

7 Es könnte sich um Jane Dutton von University of Michigan handeln, aber ich bin mir nicht mehr sicher.

8 Das ist im Einzelfall bitter für jene frühen Forschungsvögel, die sich lange gefreut hatten, weil sie vermeintlich einen fetten Wurm ergattern konnten (Rohrer et al., 2021).

9 Für typische Kritikpunkte siehe van Zyl et al. (im Druck).

10 Amy Edmondson, die die Forschung zu Psychologischer Sicherheit popularisiert hatte, ist beispielsweise 2021 auf Platz 1 des Thinkers50-Rankings gewählt worden, eine Liste der weltweit wichtigsten Management-Vordenker.

1 Einklang

Du warst ein fantastischer Boss auf so viele unterschiedliche Weisen. Du hast mir die Freiheit gegeben, darüber zu entscheiden, wie ich meine Ziele verfolge; und meistens sogar die Freiheit, mir meine eigenen Ziele zu setzen. Du hast mir den Rücken gestärkt und mich verteidigt, wenn unser Team von außen kritisiert wurde. Und du hast für meine Weiterentwicklung in dieser Firma gekämpft, egal ob es um Geld, Verantwortung oder Entwicklungsmöglichkeiten ging. Kurz gesagt: Danke für alles …

Eine ehemalige Mitarbeiterin

Dies ist ein Abschnitt aus einer handgeschriebenen Karte, die mir eine Mitarbeiterin zu Weihnachten 2018 geschrieben hat, kurz bevor meine Zeit als Führungskraft bei der BertelsmannBertelsmann-Gruppe zu Ende ging. Ich erwähne diese Karte hier nicht, um mir selbst zu lobhudeln,11 sondern weil sie mich stolz macht. Die Karte macht mich stolz, weil sie viele jener Ideen und Konzepte validiert, die ich im Kopf und im Herzen hatte, als ich zum ersten Mal beruflich Verantwortung für andere Menschen übernahm.

Die Wahrheit ist: Ich wollte nie Führungskraft werden. Meine ersten Arbeitserfahrungen habe ich als CoachCoach und Trainer gesammelt. Das Begleiten von Menschen, während diese ihre eigenen Ziele verfolgen, liegt mir näher als das mutige Voranschreiten – wie Führung oft in aus der Zeit gefallenen Ratgebern und frühen sowie aktuellen Hollywood-Filmen beschrieben wird. Ich wollte vermutlich schon immer eher Mentor sein, der väterliche Freund und Ratgeber von OdysseusOdysseus’ Sohn Telemach – nicht Odysseus selbst.

Noch heute, mit einigen Jahren an Erfahrung als Führungskraft (wie auch als Professor für Wirtschaftspsychologie) auf dem Buckel, kommt mir das Konzept der hierarchischen Führung in Organisationen merkwürdig vor. Da gehst du an einem Freitag als Nicht-Führungskraft nach Hause. Durch einen performativen Sprechakt einer anderen Führungskraft, begleitet von einem angepassten Arbeitsvertrag und einigen Änderungen im IT-System, kommst du am Montag wieder ins Büro und bist Vorgesetzter.12 Sprich: Du wurdest anderen Menschen vorgesetzt. Die gucken dich naturgemäß mit großen Augen an – und dann geht’s los. Ab und an habe ich meinen Leuten bei Bertelsmann Folgendes gesagt: »Ihr seid meine Versuchskaninchen. Sorry, da müsst ihr jetzt durch …« Natürlich mit einem Augenzwinkern, aber ein Teil von mir meinte es ernst. Ich hatte zu dem Zeitpunkt rund 2.000 Stunden an Fortbildungen auf dem Buckel: Führung, Kommunikation, Coaching, you name it. Aber Schwimmen lernt man nicht am Beckenrand. Und bei hohem Wellengang in der kalten Nordsee ist es noch mal anders als im Freibad bei 28 Grad.

Zur Führungskraft wurde ich ernannt, kurz nachdem ich berufsbegleitend den Studiengang Master of Applied Positive Psychology (MAPP) an der University of PennsylvaniaUniversity of Pennsylvania in Philadelphia abgeschlossen hatte.13 Ich hatte dort die große Freude, direkt bei einigen Gründungsvätern und -müttern dieser Disziplin lernen zu können, u. a. bei Martin SeligmanSeligman, Martin, Jane DuttonDutton, Jane, Adam Grant, Barry SchwartzSchwartz, Barry und Amy WrzesniewskiWrzesniewski, Amy. Durch Kurse an der University of Michigan in Ann Arbor kamen später noch die Gedanken und Haltungen von Lichtgestalten wie Kim CameronCameron, Kim, Gretchen SpreitzerSpreitzer, Gretchen und Robert QuinnQuinn, Robert hinzu. Mit ihren Ideen, Forschungsergebnissen und Werkzeugen im Kopf startete ich damals in meine Führungsrolle. Und von diesen Ideen, Forschungsergebnissen und Werkzeugen, immer garniert mit meinen eigenen »Two Cents«, handelt auch dieses Buch.

11 Ok, vielleicht ein bisschen.

12 Ich habe mich aus Gründen der besseren Lesbarkeit dazu entschieden, an vielen Stellen das generische Maskulinum zu nutzen. Ich möchte jedoch ausdrücklich betonen, dass sich alle Menschen (m/w/d) angesprochen fühlen sollen. Im Übrigen habe ich mich um Konsequenz bemüht und spreche beispielsweise vom Sekretär, nicht von der Sekretärin.

13 Siehe lps.upenn.edu/degree-programs/mapp

1.1 Führung ist eminent wichtig – und hat ein Imageproblem

Ich vermute stark, dass niemand jemals am Freitagnachmittag nach Hause geht und Folgendes zu seinem Partner sagt:

»Mensch, was bin ich diese Woche wieder geil geführt worden.«

Wenn Sie jetzt ein wenig schmunzeln, dann geht es Ihnen so wie den meisten Besuchern meiner Vorträge. Ich nutze diesen Satz ab und an, um darauf hinzuweisen, dass Führung ein Imageproblem hat. Einerseits leiden viele Arbeitnehmer tatsächlich unter unbefriedigender Führung. Das lässt sich aus so ziemlich jeder Studie ablesen, die je zu den Themen ArbeitszufriedenheitArbeitszufriedenheit und -motivationMotivation durchgeführt wurde. Die jährlich wiederkehrenden Ergebnisse der weltweiten Studien des GallupGallup-Instituts (Backovic & Fischer, 2018) sind hier nur die Spitze des Eisbergs. Andererseits neigen wir dazu, die Rolle der Führung(-skraft) auszublenden, wenn wir darüber nachdenken, was unsere Arbeit in jüngster Zeit zufriedenstellend und/oder erfolgreich gemacht hat. Führung wird uns vor allem dann bewusst, wenn sie nicht funktioniert.

Gute Führung hingegen zeichnet sich dadurch aus, dass sie im Grunde nicht wahrgenommen wird. Schon im Tao Te KingTao Te King heißt es: »Der wahre Herrscher macht nicht viele Worte. Ist sein Werk vollendet, die Tat vollbracht, dann sagen die Menschen: Es geschah wie von selbst.« (Lao-TseLao-Tse, 2005, 17. Vers). Es gibt ohne Zweifel gute Chefinnen und Chefs da draußen. Ich weiß das, weil ich in meinen acht Jahren bei Bertelsmann für einen außergewöhnlich guten Chef arbeiten durfte. Ich weiß es auch, weil ich in den vergangenen Jahren, neben meiner Arbeit als Manager, auf Basis der Arbeiten jener oben genannten Riesen selbst zum Thema gute Führung geforscht habe – und meine eigenen Stärken und Grenzen als Führungskraft ergründen durfte.

Ich freue mich, dass einige dieser Riesen der Forschung im Verlauf dieses Buches in ausführlichen Interviews persönlich zu Wort kommen werden.

Führung als Bürde

Bei Licht betrachtet, abseits aller romantisierenden Karrierefantasien, ist Führung in Organisationen ein undankbarer, wenn auch gut bezahlter Job. Eine Führungskraft kann an vielen Tagen alles richtig machen, aber wenn sie an wenigen Tagen manches falsch macht, kann das enormen Schaden anrichten. Menschen führen emotional Buch darüber, wie sie von anderen behandelt wurden. Negative Erlebnisse werden darin mit dem ganz dicken Edding eingetragen. Wer Benachteiligung oder Herabsetzung erfahren hat, gewollt oder unabsichtlich, faktisch oder nur gefühlt, der wird diesen Eindruck nur schwerlich wieder abschütteln können. Die Konsequenzen von schlechter Führung sind enorm schädlich, für die Geführten, wie auch die Organisation als solche (Schyns & Schilling, 2013).

Der 2004 verstorbene Management-Forscher Peter FrostFrost, Peter hat gesagt: »Jede Führungskraft kreiert Schmerzen.«14 Das hört sich harsch an, zumal wir getrost davon ausgehen dürfen, dass das Gros der Menschen ihr Bestes im Job gibt. Trotzdem trifft es zu. Führungskräfte müssen jeden Tag eine Unmenge an Entscheidungen treffen, im Kleinen wie im Großen. Sie müssen dabei immer auch Entscheidungen über Menschen treffen, nicht nur über Dinge. Wer bekommt welche Aufgaben? Wer darf ins Einzelbüro, wer muss teilen? Wer kann zur besten Zeit in den Urlaub fahren, wer hat das Nachsehen? Und natürlich steht ab und zu die große Frage an: Wer wird befördert und wer bleibt vorerst an Ort und Stelle?

Selbstredend gibt es andere Systeme der Steuerung und Entscheidungsfindung, beispielsweise SelbstorganisationSelbstorganisation. Doch für die überwiegende Zahl der Unternehmen am Markt ist das immer noch Zukunftsmusik, trotz MillennialsMillennials und New-WorkNew Work-Bewegung. In den einschlägigen Zeitschriften und Blogs begegnen zumindest mir seit Jahren immer die gleichen etwa drei Dutzend Beispiele aus den USA und Deutschland (Rose, 2015a). In den allermeisten Organisationen wird es nach wie vor Führungskräften aufgebürdet, Entscheidungen über Menschen zu treffen, zu vertreten – und dann noch dafür zu sorgen, dass am besten alle Mitarbeiter glücklich damit werden. Meine Prognose lautet, dass das noch eine ganze Weile so bleiben wird.

Eigene Erfahrung

Ich habe mich als Führungskraft keinen Deut stärker oder mächtiger gefühlt. Vielmehr wurde mir ständig bewusst (gemacht), wie allumfänglich ich von der Leistung und auch dem Wohlwollen anderer abhängig bin. Mein Team hätte mich innerhalb einer Woche am langen Arm verhungern lassen können, hätte es nicht sein Bestes geben. Wir hatten so viel auf dem Tisch, dass ich nicht mehr Experte für jedes Thema sein konnte (und wollte). Der Schlüssel: LoslassenLoslassen. Je mehr ich loslassen konnte, umso freier war ich für die Führungsaufgabe. Gleichzeitig begab ich mich dadurch mehr und mehr in die Abhängigkeit von meinem Team. Ich musste lernen, ihnen immer tieferes Vertrauen zu schenken, nicht selten blind. Meine Führungsaufgabe war für mich vor allem eine Lektion in DemutDemut. Das ist allerdings eine Vokabel, die sich in den wenigsten Führungsratgebern findet (Rose, 2016c).

Die Personalabteilung als Prügelknabe

Es gibt einen weiteren Satz, der Angestellten kurz vor dem Wochenende vermutlich recht selten über die Lippen kommt:

»Alter Schwede – die HR-Kollegen haben den Laden diese Woche wieder so richtig nach vorne gebracht.«

Es gibt wohl keine Abteilung bzw. Funktion in Organisationen, die so viel Kollegenschelte einstecken muss wie die Personalabteilung (Capelli, 2015). In hübscher Regelmäßigkeit wird seit Jahren hier und dort sogar die vollständige Abschaffung von HR-Abteilungen gefordert. Deren Aufgaben könnten, entsprechende technische ­Lösungen vorausgesetzt, von anderen Abteilungen übernommen oder ganz aus dem Unternehmen ausgelagert werden (Weilbacher, 2018). Nach meiner Erfahrung lässt sich die schlechte Reputation der HRler ähnlich erklären wie das fragwürdige Image von Führungskräften: Ein Teil ist hausgemacht, ein anderer Teil beruht auf lückenhafter Wahrnehmung.

Der hausgemachte Teil ist dem Unwillen und bisweilen auch der Unfähigkeit von Personalern geschuldet, ihren Beitrag zum Unternehmenserfolg explizit und für andere nachvollziehbar zu kommunizieren (Charan et al., 2015). Indes gebe ich zu bedenken, dass sich die positiven Konsequenzen von hochwertiger Personalarbeit nicht selten einer klassischen KennzahlenlogikKennzahlenlogik entziehen. Der Wert, der beispielsweise durch erstklassiges Recruiting und hervorragende Führungskräfteentwicklung generiert wird, lässt sich nicht in einen Quartalsbericht zwängen. Beständiges Engagement vorausgesetzt, vergrößert sich dieser jedoch Jahr für Jahr. Wer als Großunternehmen beispielsweise eine erstklassige interne Besetzungsquote auf den höheren Führungsebenen ­erreicht, spart auf lange Sicht immense Kosten ein (weniger Einsatz von HeadhunternHeadhunter, weniger OnboardingOnboarding, weniger Verlust von Produktivität aufgrund von unbesetzten Stellen usw.). Gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu ersetzen, kostet, alle versteckten Ausgaben mit eingerechnet, laut Studien bis zu 150 Prozent des entsprechenden Jahresgehalts (»Missmanagement: Das kostet eine Kündigung«, 2019). Ich bin schon lange der Ansicht, dass Personalabteilungen lernen müssen, mehr wie Produktmanager zu denken: Sie sollten ihre Leistungen, die häufig von prozesshafter Natur sind, besser begreif- und erlebbar machen.

Doch ereilt HR-Abteilungen auch ein ähnliches Schicksal wie die Gruppe der Führungskräfte. Wenn es läuft, dann läuft es eben, nicht der Rede wert. Aber wehe, eine Stelle kann nicht pünktlich besetzt werden oder – Gott bewahre – das Gehalt landet zu spät auf dem Konto. Dann ist in Nullkommanichts die sprichwörtliche Kacke am Dampfen. Ich möchte gar nicht verhehlen, dass es für Personaler noch viel Luft nach oben gibt. Allerdings gibt es auch viel Luft nach unten. Das wird meines Erachtens zu selten wertgeschätzt.

Wichtig

Führung und HR sind heute schon besser als ihr Ruf. Beide Rollen bzw. Funktionen rücken allerdings vornehmlich in unsere Aufmerksamkeit, wenn sie nicht funktionieren.

14 Im Original: »Leaders create pain« (Frost, 2004, S. 115).

1.2 Warum Arbeit besser machen?

Ziel dieses Buches ist, auf Basis der Positiven Psychologie15jene eben erwähnte Luft nach oben auszuloten – und zwar in puncto Führung ebenso wie im Hinblick auf die Personalarbeit. Während ich Feedback zu verschiedenen Varianten eines Buchtitels eingeholt habe, bin ich von einigen Menschen darauf hingewiesen worden, dass der gewählte Name ein wenig ambitionslos sei für ein Management-Buch. Irgendetwas mit »revolutionär« oder »radikal« müsse schon auftauchen. Obgleich ich diesen Vorschlag unter dem Gesichtspunkt des Marketings nachvollziehen kann, habe ich mich anders entschieden. Ursprünglich wollte ich das Buch schlicht »Gute Arbeit« nennen, aber es gibt schon ein – wie ich annehme – vortreffliches Werk gleichen Namens über Hundeerziehung.

Nach einem Gedankenaustausch mit dem Verlag einigten wir uns auf einen Komparativ: »Arbeit besser machen«. Je länger ich in die Tasten haute, umso mehr wurde mir bewusst, dass dies eine stimmige Beschreibung ist für das, was ich mit diesem Buch erreichen will. Ich möchte Sie befähigen, Arbeit und Arbeiten in Organisationen besser zu machen – sei es für Sie ganz persönlich, für jene Menschen, die Sie möglicherweise führen oder in der Zukunft führen werden, oder für jene Kollegen, für die Sie sich ­verantwortlich fühlen, sei es als Personaler, oder einfach, weil Ihnen etwas an den Menschen liegt, mit denen Sie gemeinsam arbeiten.

Was besser werden muss: Die Perspektive der Arbeitgeber

Worin besteht sie denn, diese Luft nach oben? Deutschland geht es, rein wirtschaftlich betrachtet, immer noch vergleichsweise gut. Trotz aller Unkenrufe brummt es bei den meisten Unternehmen, die ArbeitslosenquoteArbeitslosenquote oszilliert um einen historischen Tiefstwert (»Zahl der Arbeitslosen«, 2018). Zwar wird moniert, dass die großen Tech-Giganten – SAPSAP ausgenommen – alle in anderen Ländern entstanden sind (Forrest, 2018), aber Deutschland scheint mit seiner diversifizierten Struktur aus immens vielen KMUsKMU (viele davon von Familien geführt) sowie einigen erfolgreichen Großkonzernen recht gut dagegenhalten zu können. Die Nebenwirkungen der Bekämpfung der Coronapandemie sind durch Instrumente wie Kurzarbeit und finanzielle Stützen vergleichsweise milde ausgefallen. Auch gab es dank vorausschauender Maßnahmen keinen Energie-Blackout als Folge des Angriffs Russlands auf die Ukraine. Menschen und Unternehmen haben durchaus mit den hohen Energiekosten und der sonstigen Inflation zu kämpfen. Trotzdem habe ich den Eindruck, dass die mannigfaltig vorhandenen düsteren Zukunftsprognosen zu einem guten Teil der typisch deutschen Angstlust entspringen.

Allerdings scheint der dauerhaft hohe Level an ProduktivitätProduktivität einen Tribut zu fordern. Aus einem Bericht der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und ArbeitsmedizinBundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) geht hervor, dass sich die Anzahl der FehltageFehltage in Deutschland aufgrund von psychischen Beschwerdenpsychische Beschwerdenzwischen 2007 und 2017 mehr als verdoppelt habe, konkret: von 48 auf 107 Millionen (Schäfer, 2018). Ein Report der Techniker Krankenkasse kommt für den gleichen Zeitraum auf ähnliche Werte (Weßling, 2018). Nun lässt sich dieser Anstieg nicht allein als Folgeerscheinung des Arbeitslebens erklären. Es erscheint plausibel, dass einfach mehr psychische Erkrankungen diagnostiziert wurden. Das ist an sich eine gute Entwicklung, weil sichergestellt ist, dass betroffene Menschen relevante Unterstützung erhalten – trotzdem bleibt die schiere Zahl erschreckend. Zudem sollten Arbeitgeber verstehen, dass der Arbeitsausfall aufgrund psychologischer Beeinträchtigungen laut einer AOK-Studie im Mittel etwa doppelt so lang anhält wie bei körperlichen Erkrankungen (Ilg, 2019).

Achtung

Die Anzahl der ausgefallenen Arbeitstage aufgrund psychologischer Erkrankungen hat sich im Laufe der ersten Jahre des neuen Jahrtausends verdoppelt. Ein Arbeitsausfall wegen psychologischer Beeinträchtigungen dauert im Mittel zweimal so lange wie die Arbeitsunfähigkeit durch körperliche Erkrankungen.

Auch wenn Arbeit – wie bereits erwähnt – nicht die alleinige Ursache für die Zunahme der Häufigkeit psychologischer Beeinträchtigungen ist, so dürfte sie eine gewichtige Rolle spielen. Gemäß einer Studie des Deutschen GewerkschaftsbundsDeutscher Gewerkschaftsbund (DGB) fühlen sich 52 Prozent der deutschen Arbeitnehmer »sehr oft oder oft bei der Arbeit gehetzt und unter ZeitdruckZeitdruck«. Zudem berichtet die Mehrzahl über widersprüchliche Arbeitsanforderungen und einen Mangel an Kontrolle, z. B. in Bezug auf die ArbeitsmengeArbeitsmengeArbeitszeit und -zeit (»Millionen Arbeitnehmer fühlen sich gehetzt«, 2018). Das Institut für Arbeitsmarkt- und BerufsforschungInstitut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat errechnet, dass die Anzahl der geleisteten Überstunden ein Rekordniveau erreicht hat, höher war es zuletzt 1991 (»Die Deutschen arbeiten und arbeiten und arbeiten«, 2018). Für diesen Einsatz zahlen viele Arbeitnehmer einen hohen Preis (»Arbeitsstress steckt den Partner an«, 2018). In der Forschung ist gut bekannt, dass es einen klar messbaren Spillover EffectSpillover Effect vom Arbeitsleben ins Privatleben gibt, dass sich also Stress, der durch Belastungen während der Arbeitszeit entsteht, negativ auf die Beziehungen zum Partner und zur Familie auswirkt. Andererseits kann sich StressStress im Privatleben bekanntermaßen auch negativ auf die Arbeitsleistung auswirken (Byron, 2005). Umso wichtiger ist es, dass Arbeitnehmer ausreichend Zeit zur ErholungErholung erhalten (Sonntag, 2003). Dies ist nicht nur eine moralische Verpflichtung, sondern letztlich auch im Bürgerlichen GesetzbuchBürgerliches Gesetzbuch festgeschrieben (§ 618 Pflicht zu Schutzmaßnahmen, o. D.).

Die Unzufriedenheit mit dem Arbeitsleben zeigt sich auch auf großer Linie. Ruckriegel, Niklewski und Haupt (2014) zitieren Daten aus dem sozioökonomischen Panel (SOEP), wonach die ArbeitszufriedenheitArbeitszufriedenheit seit Mitte der 1980er-Jahre in Westdeutschland signifikant gesunken ist. Während Menschen vor 30 Jahren im Mittel zufriedener mit ihrem Arbeitsleben als mit der Lebenssituation allgemein waren, hat sich dies in der Zwischenzeit ins Gegenteil verkehrt. Die LebenszufriedenheitLebenszufriedenheit als solche liegt im Durchschnitt über der Arbeitszufriedenheit (S. 38).

Alles in allem werden Arbeitnehmer in Deutschland freilich noch vergleichsweise gut behandelt. Ausgeprägte betriebliche Mitbestimmungbetriebliche MitbestimmungMitbestimmung, Krankenversicherungspflicht sowie eine akzeptable Grundsicherung im Falle der Arbeitslosigkeit mildern jene Härten ab, denen Menschen in anderen Ländern, darunter den USAUSA, fast schutzlos ausgeliefert sind. Lesen Sie dazu bitte das folgende Interview mit Jeffrey PfefferPfeffer, Jeffrey von der Stanford Graduate School of BusinessStanford Graduate School of Business.

Schlechte Arbeitsbedingungen sind soziale Umweltverschmutzung

Interview mit Prof. Jeffrey Pfeffer, Ph.D.

Professor Pfeffer, in Ihrem Buch Dying for a Paycheck argumentieren Sie, dass schlechte Arbeitsbedingungen die fünfthäufigste TodesursacheTodesursache in den USA sind. Würden Sie sagen, dies ist ein Sonderfall als Folgeerscheinung des ­deregulierten Arbeitsmarktes? Ich frage, weil viele Arbeitsbedingungen hier in Deutschland deutlich moderater ausgeprägt sind als in den USA.

Die USA sind dezidiert schlechter dran als viele Länder in Europa. Konkret schätzen meine Kollegen Joel Goh, Stefanos Zenios und ich, dass etwa die Hälfte der Todesfälle durch schlechte Arbeitsbedingungen vermieden werden könnten, wenn die USA den west- und nordeuropäischen Staaten ähnlicher werden würden. Trotzdem sind die Auswirkungen von schädigenden Arbeitsbedingungen auf die GesundheitGesundheit ein weltweites Problem. Eine Forschungsarbeit über ChinaChina kam zu dem Resultat, dass dort jedes Jahr etwa eine Million Menschen an ÜberarbeitungÜberarbeitung sterben. Die Chinesen wie auch die JapanerJapan kennen eigene Wörter für den Tod durch übermäßiges Arbeiten. In Korea wird neuerdings sehr hart gegen zu lange Arbeitszeiten vorgegangen, weil die negativen Effekte für die Volksgesundheit immer gravierender werden. Selbst in Europa wird – im Angesicht der vermeintlichen Herausforderung durch aufstrebende Volkswirtschaften – der Ruf nach LiberalisierungLiberalisierung der Arbeitsmärkte immer lauter. Die Leiharbeit wurde erheblich ausgeweitet, was mehr und mehr Menschen in wenig geschützte, zum Teil ­prekäre Arbeitsverhältnisse geführt hat. Auch MassenentlassungenMassenentlassungen kommen viel häufiger vor als früher.

Die gesundheitliche Belastung in vielen europäischen Ländern ist eindeutig geringer als in den USA und Asien. Aber die Belastung durch chronische Krankheiten ist enorm, laut einer McKinseyMcKinsey-Studie auch in Deutschland. Chronische Krankheiten sind eine Folge von Stress und den ungesunden Verhaltensweisen, die durch StressStress ausgelöst werden (Rauchen, Alkoholkonsum und Drogenmissbrauch). Arbeit wiederum ist eine der führenden Ursachen von Stress. Folglich sind schlechte Arbeitsbedingungen ein weltweites Gesundheitsproblem.

Wenn Sie über die Stressoren sprechen, denen Menschen in der Arbeit ausgesetzt sind, nutzen Sie den Begriff »soziale Umweltverschmutzung«. Können Sie das bitte erläutern?

Nuria ChinchillaChinchilla, Nuria, Professorin ansoziale UmweltverschmutzungUmweltverschmutzung, sozial der IESE Business School in Barcelona, ist die erste Person, von der ich diesen Begriff gehört habe. Die gängige Definition von Umweltverschmutzung ist das Einführen von Schadstoffen in ein System, z. B. die Verschmutzung von Atemluft oder Trinkwasser durch gesundheitsschädigende Partikel oder Flüssigkeiten. Die UmweltbewegungUmweltbewegung hat bei vielen Menschen Verständnis dafür geweckt, dass Prävention im Falle der physischen Umweltverschmutzung effektiver und kostengünstiger ist als nachträgliche Wiedergutmachung, zumal die Folgekosten eher selten von den Verschmutzern getragen werden – sie werden externalisiert. In dieser Hinsicht wurde zunehmend deutlich, dass Unternehmen die von ihnen genutzten Ressourcen besser bewahren müssen.

In gleicher Weise tun Unternehmen unnötigerweise Dinge bei der Gestaltung von Arbeit, die Menschen und ihren Familien Schaden zufügen: zu viele Überstunden, zu wenig Kontrolle über die Arbeitsbedingungen, zu schlechte ökonomische Absicherung. Auch hier ist PräventionPrävention günstiger als nachträgliche Schadensbegrenzung. Wie wäre es, wenn Unternehmen arbeitsinduzierten Stress reduzieren würden, anstatt Stressmanagement-Kurse zur Bewältigung des Status quo zu bezahlen? Wie wäre es, wenn sie Arbeitszeiten und -rhythmen implementieren würden, die den Menschen ausreichend Schlaf garantieren – anstatt Schlafkapseln ins Büro zu stellen? Wie im Fall der physischen Umweltverschmutzung werden die Folgekosten größtenteils der Gesellschaft aufgedrückt. Folglich sollten Unternehmen auch hier bessere Hüter der humanen Ressourcen werden, die ihnen anvertraut werden.

In diesem Zusammenhang fordern Sie Unternehmen auf, eine Art Human Sustainability Report anzufertigen. Was ist die Idee dahinter?

Firmen werden angehalten, Reports zu Umweltbelastungen zu veröffentlichen, um Investoren und andere Stakeholder über die betreffenden Management-Praktiken des Unternehmens zu informieren – und um sie zu besseren Leistungen in diesem Bereich anzuspornen. In ähnlicher Weise könnte ein Bericht über menschliche bzw. soziale Nachhaltigkeit wertvolle Impulse geben, um jenen Faktoren mehr Aufmerksamkeit zu widmen, die das Wohlbefinden der Mitarbeiter beeinflussen.

Ein Beispiel: Die Robert-Wood-Johnson-Stiftung und die Global Reporting Initiative haben sich auf den Weg gemacht, ein Set von Reporting-Standards zu ­entwickeln. Diese Standards erfassen u. a. das soziale Kapital und den ­Zusammenhalt, verantwortungsvolle politische Aktivitäten, lokales Engagement, GesundheitsprogrammeGesundheitsprogramm, bezahlte Urlaubs- und Krankheitstage, Krankenversicherungen, Arbeitszeiten, Jobsicherheit, die physische Umgebung sowie arbeitsbezogene Gesundheitsrisiken inklusive Verletzungen und Krankheitstagen, die aufgrund ebensolcher RisikenRisiko entstanden sind. Das alles befindet sich allerdings noch in einer Frühphase der Entwicklung.

Das klingt vernünftig, aber auch aufwendig. Gibt es einfachere Lösungen?

Ich würde für den guten Anfang die Messung von zwei Indikatoren vorschlagen: Zum einen eine einfache Selbstauskunft der Mitarbeiter (eine einzelne Frage) zum gegenwärtigen GesundheitszustandGesundheitszustand. Die Forschung zeigt, dass diese Messung ein guter Prädiktor für Krankheits- und Sterblichkeitsraten vieler Alterskohorten und Ethnien ist. Zum anderen könnte die Nutzung verschreibungspflichtiger Medikamente erfasst werden. Wenn sich viele Mitarbeiter unwohl fühlen, erhöht sich in der Folge der MedikamentenkonsumMedikamentenkonsum. Die Nutzungsraten für Antidepressiva, Schlaftabletten und Betäubungsmittel können ein guter Indikator für die ­Gesundheitsfreundlichkeit einer Arbeitsumgebung sein, insbesondere, wenn diese ­Kennzahl mit ähnlichen Unternehmen oder der Allgemeinbevölkerung ­verglichen wird.

Welche Maßnahmen sollte das Top-Management in Angriff nehmen?

Die Forschung wie auch die QualitätsmanagementQualitätsmanagement-Bewegung zeigen uns, dass die Messung entscheidend ist. Was gemessen wird, erhält Aufmerksamkeit – und verbessert sich. In diesem Sinne sind relevante Kennzahlensysteme ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur mehr Wohlbefinden der Belegschaft. Eine einzelne Frage nach dem WohlbefindenWohlbefinden wäre, wie schon erwähnt, ein guter Anfang. Darüber hinaus gibt es gut validierte Messinstrumente für fast jeden Faktor, der das Erleben der Mitarbeiter beeinflusst. Zum anderen, und das ist genauso wichtig, muss das Top-Management das Wohlbefinden der Mitarbeiter zu einer Priorität machen. In den 1950ern und 60ern sahen Top-Führungskräfte ihre Rolle darin, die Interessen von Kunden, Mitarbeitern, Anteilseignern und weiteren Interessensvertretern auszubalancieren. In jüngeren Jahren ging es vielerorts einseitig um die Maximierung des Shareholder ValueShareholder Value, während alle anderen Stakeholder zu kurz kamen.

Vor Jahrzehnten verseuchten Unternehmen mehr oder weniger ungehindert die Luft, das Wasser sowie Grund und Boden. Zum Teil als Antwort auf regulatorischen Druck, zum Teil aufgrund von sich verändernden sozialen Normen, haben viele Unternehmen eine neue Perspektive eingenommen in Bezug auf ihre ­Verpflichtungen gegenüber der Umwelt. Dieser Tage priorisieren die gleichen Unternehmen Recycling, die Minimierung ihres Kohlendioxidausstoßes und weitere Maßnahmen zum Schutz der Umwelt. Und siehe da – die Leistungen in diesem so wichtigen Feld haben sich erheblich verbessert. Die Lektion ist eindeutig: Wenn das menschliche Wohlbefinden höher priorisiert wird, werden sich auch hier die Zustände zum Guten entwickeln.

Manager, deren Wirkungsbereich unterhalb der Ebene des Top-Managements angesiedelt ist, und Personalabteilungen haben häufig nicht die Macht, das große Ganze zu ändern. Was kann dort getan werden, um die Bedingungen für ihre Kollegen zu verbessern?

HR-Abteilungen und Middle Manager sollten ihre Fähigkeit zur Einflussnahme entwickeln – etwas, worüber ich in meinem Buch Power: Why Some People Have It – and Others Don’t spreche. Darüber hinaus müssen sie Daten und weitere ­Belege für die Wirkung des Wohlergehens der Mitarbeiter auf den Unternehmenserfolg erarbeiten – und schließlich dafür sorgen, dass das Top-Management diese auch berücksichtigt.

Jeffrey Pfeffer ist »Thomas D. Dee II Professor of Organizational Behavior« an der Graduate School of Business der Stanford University. 2015 wurde er auf Platz 17 im Thinkers50-Ranking geführt, der Liste der weltweit wichtigsten Management-Vordenker. 2017 wurde er zudem in die zugehörige Hall of Fame aufgenommen. Eines seiner vielen Bücher heißt Dying for a Paycheck: How Modern Management Harms Employee Health and Company Performance – and What We Can Do About It. Kontakt: jeffreypfeffer.com

Bislang war vor allem die Rede davon, wie Unternehmen durch schlechte Arbeitsbedingungen (inklusive dürftiger Führungsqualität) die Gesundheit ihrer Mitarbeiter gefährden und in der Folge ihre KostenstrukturKostenstruktur verschlechtern. Dies entspricht einer pathologischen Sichtweise und wird der Haltung des Buches nicht gerecht. Daher sei an dieser Stelle kurz erläutert (kurz deshalb, weil sich das Buch im Grunde die ganze Zeit mit diesem Gedanken beschäftigt), dass Unternehmen, die allseitig in das mental-emotionale und körperliche Wohlergehen ihrer Mitarbeiter investieren, vergleichbare Unternehmen, die das nicht in der gleichen Art und Weise tun, in puncto Performance übertreffen (Taris & Schreurs, 2009; Van De Voorde et al., 2012). Das geht so weit, dass dieser Wettbewerbsvorteil am Kapitalmarkt nachweisbar ist (Edmans, 2011; Fulmer et al., 2003). Ich werde den Zusammenhang zwischen einer mitarbeiterorientierten Unternehmensführung und der Kapitalmarkt-Performance zum Ende des Buches ­genauer ausführen.

Als »naiver Psychologe« gehe ich davon aus, dass ein solches Bemühen um das Wohlergehen der Mitarbeiter eigentlich eine Selbstverständlichkeit für jedes Unternehmen sein sollte. Dank meiner Promotion über ein Controlling-Thema verstehe ich allerdings auch den Primat des Ökonomischen, der die Welt der Wirtschaft durchzieht. Meine Botschaft, die sich durch das gesamte Buch zieht, wird insofern immer wieder lauten, dass – entgegen aus der Zeit gefallener Vorstellungen – das wirtschaftliche WohlergehenWohlergehen, des UnternehmensWohlergehen des Unternehmens und das allseitige WohlergehenWohlergehen, der Menschen der Menschen, die dieses Unternehmen ausmachen, Hand in Hand gehen, anstatt sich gegenseitig zu mindern.

Was besser werden muss: Die Perspektive der Arbeitnehmer

In dieser Hinsicht wäre es töricht, hier ausschließlich aus der Perspektive der Arbeitgeber zu argumentieren. Es ist bereits klargeworden (und wird im Laufe des Buches weiter ausgeführt), dass das ganzheitliche WohlbefindenWohlbefinden, der MitarbeiterWohlbefinden der Mitarbeiter dem finanziellen Erfolg von Unternehmenfinanzieller Erfolg von Unternehmen zuträglich ist, aber das ist nur eine Seite der Medaille. Es hat mich vor einigen Jahren innerlich ordentlich durchgeschüttelt, als ich zum ersten Mal mit der Idee konfrontiert wurde, dass ein Arbeitsvertrag (auch) ein Dokument über den Verkauf der eigenen LebenszeitLebenszeit darstellt. Auf einer sachlichen Ebene war mir das bereits klar, aber wenn wir uns vor Augen führen, wie viel Prozent unserer Lebenszeit, abzüglich Schlaf, wir im Durchschnitt mit Erwerbsarbeit verbringen, dann erhält dieses Bild ein ganz anderes Gewicht.

Es mag gerade in jungen Jahren Arbeit geben, die wir nur des monetären Anreizes wegen ausführen, aber für die meisten Menschen ist dies nicht der Idealzustand. Wir wollen lernen und uns als kompetentKompetenz erleben (Spreitzer et al., 2005), wir wollen FreudeFreude empfinden, idealerweise im Kontakt mit Menschen, die uns mögen und wertschätzen (Dutton, 2003). Und wir wollen, dass unsere Arbeit sinnvoll ist (Rosso et al., 2010). Dies bestätigt auch der sogenannte Fehlzeiten-ReportFehlzeiten-Report, der vom Wissenschaftlichen Institut der AOK, der Universität Bielefeld und der Beuth Hochschule für Technik herausgegeben wird. Demzufolge ist den meisten Deutschen der wahrgenommene SinnSinnSinn, der Arbeit ihrer Arbeit deutlich wichtiger als ein hohes GehaltGehalt