Heavy Metal B(r)ands - Nico Rose - E-Book

Heavy Metal B(r)ands E-Book

Nico Rose

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Beschreibung

WENN SCHON KOMMERZKACKE, DANN RICHTIG! Für die einen ist es Frevel, andere sind voll der Bewunderung: Fakt ist, viele Metalbands sind kommerziell sehr erfolgreich. Und schaffen es, sich als Marke festzusetzen und weit über ihre Zielgruppe hinweg bekannt zu werden. Wie sie das erreichen, welche Attitude dazugehört und was die Regeln sind, die diesen Erfolg garantieren, das beschreiben Nico Rose und Götz Ulmer in Heavy Metal B(r)ands. Das Buch bietet eine einzigartige Herangehensweise an das Thema Branding: Anhand herausragender Metal-Kapellen werden erfolgreiche Marketing- und Positionierungsprinzipien beschrieben, samt Marken, Produkten und Kampagnen von »normalen« Unternehmen, die dies bereits umsetzen. Ein Best-Practice-Buch nicht nur für Metal-Fans!

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Seitenzahl: 293

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NICO ROSE GÖTZ ULMER

HEAVY METAL B(R)ANDS

additional content

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

[email protected]

Wichtiger Hinweis

Die gewählte männliche Form bezieht sich immer zugleich auf weibliche, männliche und diverse Personen. Auf konsequente Doppelbezeichnung wurde aufgrund besserer Lesbarkeit verzichtet.

1. Auflage 2023

© 2023 by Redline Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: Lars Zwickies

Umschlaggestaltung: Marc Fischer; Götz Ulmer

Umschlagabbildung: Adobe Stock, 226614980; Byron Motley / Alamy Stock Foto; Foto Nico Rose ©Heinz Feußner, Foto Götz Ulmer ©Kai Uwe Gundlach

Satz: Andreas Linnemann

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-86881-919-9

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96267-480-9

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96267-481-6

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.redline-verlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

For those about to rock, we salute you

— AC/DC

3, 2, 1 .... Deins

Playlist

Vorwort von Felix Lethmate

Vorwort von Thorsten Wilms

Intro

Innovieren mit Black Sabbath

Wenn du es erfunden hast

Provozieren mit Ozzy Osbourne

Wenn die Kirche dich verbannen will, hast du gewonnen

Explorieren mit Metallica

Wenn du der Marktführer bist und dir eh alles erlauben kannst

Revanchieren mt Megadeth

Wenn du der Underdog bist

Konservieren mit Iron Maiden

Wenn du alles wie immer machst

Werbeunterbrechung

Brillieren mit Dream Theater

Wenn du einfach der Allergeilste bist

Polarisieren mit Rammstein

Wenn du unfuckingfassbar bist

Inszenieren mit Manowar

Wenn du nah an der eigenen Persiflage bist

Integrieren mit Motörhead

Wenn du der bist, den alle liebhaben

Renovieren mit Mötley Crüe

Wenn du immer, immer wiederkommst

Outro

Danksagung

Literatur

Endnoten

Vorwort von Felix Lethmate

»Bist du authentisch, dann bist du auch glaubwürdig. Bist du leidenschaftlich, dann macht es dich besser.« Meine erste, eher zufällige Marketingaktion schuf ich Mitte der 80er-Jahre mit drei Buchstaben: EMP. Über die Jahre rätselte die Metalgemeinde immer wieder, wofür das eigentlich steht. Es gab großartige, kreative Briefe von Kunden. Von »Echt mundbemalte Picturediscs« über »Einer macht Profit« bis zu »Emsländische Metal-Produkte«. Die Auflösung war dann eher unspektakulär…

Dann gab es diesen Slogan: »Metal aus Überzeugung!« Der hat die frühen Mitstreiter in der Firma fast in den Wahnsinn getrieben. Es soll Kollegen gegeben haben, denen der Slogan im Schlaf erschienen ist. Nach einer Weile habe ich die lieben Menschen davon erlöst. Ich kann jedoch bis heute, als Baujahr ’61, felsenfest behaupten, dass ich überzeugter Metalfan bin.

Der nächste Marketingwurf wurde unsterblich, vielleicht, weil er nicht auf meinem Mist gewachsen ist: Die digitale Pommesgabel! Mittlerweile als Aufkleber millionenfach im Umlauf. Es macht mich unfassbar stolz und glücklich, so viele dieser Sticker auf Autos zu sehen: die digitale Pommesgabel als Sinnbild, Teil dieser großartigen Community zu sein. Bilder sagen einfach mehr als Worte!

Apropos Bilder: Es macht sich wirklich bezahlt, Geld in ein vernünftiges Albumcover zu investieren. Dieses ist die Basis für das Merchandising und der Merch war immer eine immens wichtige Einnahmequelle – und ist heutzutage noch essenzieller für die Bands geworden. Jeder Mensch, der in einem Bandshirt herumläuft, ist quasi auch eine lebendige Litfasssäule! Deswegen habe ich nie wirklich verstanden, warum so viele Black- und Death Metal-Bands Logos haben, die kaum ein Mensch lesen kann.

Bei der Band Death war das anders. Auch, wenn das Logo ausschaut, wie von Kinderhand gemalt, ist es doch gut les- und wiedererkennbar. Ein ganz schlimmes Beispiel ist leider das Cover meiner Lieblingsplatte von Black Sabbath mit Ozzy: »Sabotage«. Da siehst du deine Heroen in Strumpfhosen vor einem riesigen Spiegel. Absolute Vollkatastrophe!

Es geht aber auch anders. In den 80ern bis Mitte der 90er gab es viele Bands mit einem Alleinstellungsmerkmal und hohem Wiedererkennungswert. Stellvertretend für all die Bands hier ein paar Beispiele für Authentizität und Leidenschaft, gepaart mit gutem Marketinggespür, guten Alben und großartigen Covers:

Ganz sicher die Blind Guardian-Cover mit Ausnahme-Maler Andreas Marshall. Dann die Männer von Tankard mit dem unfassbar guten Meister seines Fachs: Sebastian Krüger (das Motiv von »Hair of the Dog« ist einfach Weltklasse). Und natürlich Helloween, mit den Kürbissen in allen Lebenslagen. Das war etwas anderes, und spaßig. Happy Metal halt. Es ist absolut nachvollziehbar, dass sich die Shirts dieser Bands damals sensationell gut verkauft haben. Großmeister der Vermarktung sind jedoch Iron Maiden. Ein catchy Logo mit dem Bandnamen eines mittelalterlichen Folterinstruments und einem Biest mit dem niedlichen Namen Eddie als Maskottchen. Mehr geht nicht. Maiden ziehen das perfekt durch. Meine Hochachtung!

Aber manchmal braucht es keine guten Cover. Da reicht die Band, wie bei Metallica und AC/DC. Oder, in seltenen Fällen, eine einzelne Person. Wie Lemmy, dessen Stimme förmlich nach Jack Daniel’s riecht. Oder Ozzy. Der klingt wie ein Nachtgespenst beim Stuhlgang – und seinen Namen können schon Zweijährige aussprechen. Das sind die Archetypen des Metal. Da reicht das Wesentliche absolut aus: hundert Prozent Authentizität und Leidenschaft.

In diesem Sinn: Viel Freude beim Lesen!

Felix Lethmate, Gründer von EMP und Vorstand der Lethmate Stiftung

Vorwort von Thorsten Wilms

Werbung, die wirklich rockt

Als langjähriger Werbetexter und noch längerer Punk- und Metal-Musiker bin ich dankbar für Heavy Metal B®ands. Wie oft ich im Agenturleben schon einen Satz wie »Jetzt rocken wir das Ding!« von stocksteifen Marketingleitungen gehört habe, geht auf keine Kuhhaut. Denn obwohl man sich in der Werbung betont lässig gibt, ist Marketing oft eine verdammt spießige Angelegenheit. Dabei sind sich harter Rock und Marken näher, als viele glauben. Dieses Buch zeigt auf, wie viel beide Disziplinen voneinander lernen können und sollte sowohl Marketing-Fachleuten als auch Metalfans relevante Fakten und neue Impulse liefern.

Heavy Metal ist ein Lebensgefühl. Eine Haltung. Eine Bestimmung. Aber wie jeder Lifestyle wird auch Metal verklärt und vermarktet. Heute mehr denn je. Davon können Nico Rose und Götz Ulmer ein hammerhartes Lied singen. Sie blicken zurück auf eine Zeit, in der die frühen Bands des Genres durch Visionen und Ideen etwas Neues geschaffen und dadurch Unique Selling Propositions kreiert haben. Und sie analysieren, wie bekannte Marken ähnliche Gründungszeiten, Selbstfindungsphasen und Relaunches durchlaufen haben. In einer schnelllebigen Welt können Metal und Marken Felsen in der Brandung sein, vor allem aber bieten sie unterhaltsame Verbindungen, die hier anschaulich zur Sprache kommen.

Zwischen den Zeilen beweisen die Autoren mit ihrem Werk auch, dass das, was heute zum 1 × 1 der Musikvermarktung gehört, für Bands von Black Sabbath bis Mötley Crüe Teil des ureigenen kreativen Prozesses war und nicht Baustein des Marketingplans wie bei heutigen Newcomer-Acts. In einer Zeit, in der die großen Labels und Festivals des Genres längst übernommen und Teil multinationaler Unternehmen sind, erzählen Rose und Ulmer die Geschichte der Gründerväter mit neuem Fokus. Die beiden wissen: Es sind die Hardrock- und Metalbands, die heute regelmäßig die Charts anführen, weil sie ihre Fans wie kaum andere Künstler an sich binden. Das ist dann auch für Werber und ihre Marken interessant: Sie lernen durch Heavy Metal B®ands eine wachsende, treue und immer zahlungskräftigere Zielgruppe zu verstehen, die eben nicht im Alter von 49 Jahren uninteressant wird, sondern gerade dann noch einmal richtig Gas gibt.

Heavy Metal B®ands könnte ein Standardwerk werden, eine Inspiration für Musiker, genauso wie für Werber und Vermarkter. Es schafft Verständnis für das Werbehandwerk und kann so den Boden für neue Ideen und Innovationen in beiden Disziplinen bereiten. Ich selbst wünschte mir, ich hätte dieses Buch schon besessen, als ich meine ersten Bands gegründet habe und immer so sein wollte, wie Kiss. Weil sie cool waren und auch als Horror- und Comic-Fans starteten und den einheitlichen Look der Beatles auf ihre eigene, auffällige Art interpretierten. Dieses Buch hätte mich schon als Teenager verstehen lassen, warum Kiss cool sind und andere Bands »nur« gute Musik machen. Und was das mit Positionierung, Polarisierung und Popularität zu tun hat. Vielleicht sorgt Heavy Metal B®ands dafür, dass in Zukunft eine wilde Horde junger, idealistischer Rocker die hiesigen Agenturen und Marketingabteilungen bevölkert und Slayer-Shirt statt Rollkragen trägt. Vielleicht wird es aber auch mehr Kids dazu bringen, selbst Musik zu machen und von vornherein Strategien zu entwickeln, wie damit mehr Fans erreicht werden können.

Das – liebe Leser – rockt dann wirklich!

Thorsten Wilms alias Rod Usher ist Sänger von The Other, Europas bekanntester Horror Punk-Band. Er gründete das Label »Fiend Force Records« und die Eventreihe »Partymonium«. Im richtigen Leben arbeitet er als Werbetexter und schreibt für diverse Musikmagazine.

Intro

Das ist doch Kommerzkacke!

So lautet der schlimmste Vorwurf, den man einer Metalband machen kann. Du kannst kommerziell erfolglos sein, eine Bande versoffener Hurenböcke, geistig nicht (mehr) voll auf der Höhe – oder schlicht und ergreifend menschlich degeneriert. All das ist in unserer Szene, unter den richtigen Bedingungen, im Grunde mehr Anerkennung als Beleidigung. Aber Kommerzkacke, sprich: in it for the money – das geht gaaaaaaaaaar nicht.

So lautet zumindest das Narrativ, das von vielen Protagonisten in der Szene mit großem Eifer hochgehalten wird. Wenn man im Internet irgendwo schreibt, dass man sich im Sommer gerne im Schlamm des Wacken Open Air suhlt, schallt einem unter Garantie innerhalb von spätestens 60 Sekunden ein verächtliches »Support the underground!« entgegen. Auch wenn das Festival ursprünglich als dilettantische Gehirnfurzaktion gestartet wurde: Mit einer Größe von rund 85.000 Gästen und seinem Ruf als dem Metalfestival schlechthin ist man – gefühlt – auf der dunklen Seite der Macht angekommen. Kommerzkacke eben.

Metal und Moneten

Persönlich sind wir allerdings ganz anderer Ansicht. Auch in der Welt der harten Gitarrenmusik gilt: ohne Moos nix los. Wer die Metalmusik bestellt, muss sie auch bezahlen. Das war schon immer so und wird auch immer so bleiben. Selbst wenn man sich als Szene ein Stück weit hinter einer Outsider- und Underground-Identität verstecken mag. Metal war in den Anfangsjahren ein Phänomen der Arbeiterklasse, seine Wurzeln liegen in frühen Industriehochburgen wie Birmingham, Detroit und dem Ruhrpott. Metal ist Maloche, harte Arbeit, für die Künstler wie auch für die Fans.1 Er muss echt und authentisch sein – sonst funzt es nicht.

Dieser Umstand ändert jedoch rein gar nichts an der Tatsache, dass ohne Knete irgendwann erst das Bier zur Neige und dann das Licht ausgeht. Beides ist gemäß unserer Erfahrung wenig hilfreich für eine erstklassig headbangende Lebenserfahrung. Geld regiert auch den Metal, das ist eine einfache, wenn auch aus Sicht mancher Beobachter traurige Wahrheit. Instrumente, Boxentürme und Tourbusse2 wollen bezahlt werden, ebenso Studioaufenthalte inklusive Alkohol und sonstiger kreativer Stimulanzien. Folglich müssen (sich) Metalbands verkaufen: Tonträger und Streams, Konzertkarten, T-Shirts und Longsleeves, Poster und Patches für die Kutte, dazu Bier, Whisky und Särge. Sagten wir Särge? Ja, sagten wir.

Merchandising? Merchandising!

Falls Sie möchten, können Sie sich – wenn Ihre Zeit gekommen ist – in einem eigens gestalteten Sarg der Band Kiss in die ewigen Jagdgründe beamen lassen. Mit etwa 4.500 Dollar wären Sie Anfang dieses Jahrtausends an Bord gewesen. Mittlerweile werden die Kisten nur noch als Sammlerstücke gehandelt. Kiss sind so etwas wie der Urväter des Merchandising in der Szene.3 Das Vermögen von Gene Simmons, Mitgründer und Bassist, wird auf mindestens 400 Millionen Dollar geschätzt. Das liegt zum einen an den über 100 Millionen verkauften Tonträgern – aber vor allem an der Tatsache, dass die Band schon Ende der 1970er-Jahre ihr Logo auf so ziemlich alles kleben ließ, was man sich auch nur im Entferntesten vorstellen kann.4

Neben den üblichen Verdächtigen aus dem textilen Segment (inklusive Bettwäsche, lange bevor es Boybands gab) stehen u. a. Kondome auf dem Programm,5 ein Waffeleisen, ein aufblasbares Paddleboard sowie ein verdammter lebensgroßer Flipper. Die Kiss-Luftgitarrensaiten schießen jedoch den Vogel ab: ein leeres Plastikbeutelchen zum Preis von vier Dollar. Klingt bekloppt, ist aber so. Insofern können wir festhalten: Die Kommerzkacke war auch im harten Rock und Metal schon immer da. Einigen Bands nimmt man das krumm, anderen weniger. Darauf werden im Laufe des Buches noch zu sprechen kommen.

Jedenfalls haben Kiss vor rund 50 Jahren ein Geschäftsmodell vorweggenommen, das heute aus schierer Notwendigkeit gang und gäbe ist: Bands und Musiker jeglicher Couleur leben im Zeitalter der digitalen Distribution von Musik nur noch zu einem Bruchteil vom Verkauf ihrer Tonträger. Das Gros des Einkommens wird durch Konzerttickets erwirtschaftet. Hinzu kommen Merchandising, Kooperationen und Lizenzgeschäfte.6 Der gebrandete Alkohol (vor allem Bier, Whisky und Gin)7 ist mittlerweile fast schon Standard. Etwas ausgefallener wird es beispielsweise bei Iron Maiden mit einem eigenen Computerspiel, einem Zombie-Teddy und einer Monopoly-Edition, dem Bademantel von Metallica oder dem Grillbesteck und einer Quietsche-Ente von Ozzy Osbourne.

Die Recken von Rammstein lassen es ebenfalls nicht nur auf der Bühne krachen: 2009 verkauften sie den damals aktuellen Longplayer im Set mit sechs Dildos, die gerüchteweise den Prengeln der Bandmitglieder nachempfunden worden waren.8 Auch sonst sind Rammstein alles andere als zimperlich. Sie nehmen es auf jeden Fall von den Lebenden. 2021 haben sich die Pyromantiker mit dem Luxuslabel Balenciaga zusammengetan und eine sündhaft teure Merch-Kollektion auf den Markt geworfen, vom Basecap für schlappe 350 Euro bis zum Regenmantel für fast 2.000 Ocken. Im Internet sind viele Fans auf die Barrikaden gegangen, aber die nachfolgenden Touren waren trotzdem in Windeseile ausverkauft.

Die Wertschöpfungskette rocken

Die richtig großen Acts im Metalzirkus haben übrigens früh erkannt, dass es sehr einträglich sein kann, einen möglichst großen Teil der relevanten Wertschöpfungskette selbst in der Hand zu behalten. Man lässt sich beispielsweise nicht mehr nur für irgendwelche Festivals buchen, sondern veranstaltet einfach selbst Events unter eigener Flagge. Prototypisch ist die Festivalserie Ozzfest, 1996 von Ozzy Osbourne und seiner Managerin/Ehefrau Sharon ins Leben gerufen. Ähnlich halten es seit 2012 Slipknot mit ihrem Knotfest.

Immer beliebter werden auch Metalkreuzfahrten für das gut betuchte (weil: alternde) Publikum. Die Macher des Wacken Open Air bieten so etwas unter dem Namen »Full Metal Cruise« an. Aber auch an diesem Punkt gehen einige Bands mittlerweile eigenständig in die Bütt. So gab es 2008 eine Mötley Cruise und seit 2011 die Kiss Kruise. Weitere Beispiele: die MegaCruise der Thrash-Helden von Megadeth oder die Sabaton Cruise der gleichnamigen Power-Metal-Band.

Krachmucke, Image, Marktanteile

Auch wenn das schwermetallische Publikum – uns eingeschlossen – in vielen Dingen aufgeschlossen, tolerant und liberal ist, so ist es doch ziemlich konservativ. Zurecht waren die Punks voll des Spottes, als die Bands der New Wave of British Heavy Metal zu Anfang der 1980er-Jahre ihre freiheitsliebende und extreme Laisser-faire-Attitüde als Inspiration nahmen, um sie dann in viel konservativere Korsetts zu pferchen. Die von uns bis zum heutigen Tage verehrten Urväter der Brüllgitarrenmusik beherrschten ihre Instrumente zwar (besserwisserisch) besser als die Punks – man war schließlich Bands wie Led Zeppelin oder Deep Purple verpflichtet –, schauten sich dort aber trotzdem etwas noch viel Wichtigeres ab: Image. Style. Verkoofe. Das ganze Besteck! Und sie hoben es auf völlig neue Levels.

Da kann Steve Harris, Mastermind von Iron Maiden, bis heute behaupten, dass er nichts mit Punk am Hut gehabt habe. Ohne das Zombie-Maskottchen Eddie9 wäre der britische Exportschlager wahrscheinlich niemals dort angekommen, wo die Band heute steht. Es steht außer Frage, dass Millionen von Maiden-Platten nur wegen des Covers gekauft wurden – in der sich selbst erfüllenden Hoffnung, die Musik wäre genauso aufregend.

Die visuelle Ebene umschifft eine Menge an Hindernissen, die dem Metal (bis heute) in den Weg gestellt werden. Diese Musik wurde nie wirklich im Radio gespielt10 – wenn wir einmal die Zeit ausklammern, als sich das ganze Ding plötzlich in Hair Metal verwandelte und gefährlich nahe an Classic Rock und Schmalztiegel rutschte.11 Sie war immer Außenseitermusik. Mit ihr und durch sie grenzte man sich ab. Und erkannte sich auch daran. Es gab essenzielle Codes zu beachten (Kutte, Leder, Jeans, Nieten, Schwarz), um schon immer auszudrücken, was Slipknot erst 40 Jahre später in die Welt hinausbrüllten: »We Are Not Your Kind!«12

Ohrenkunst fürs Augentier

Metal war immer visuell. Amateurbands traten lieber erst gar nicht im lokalen Jugendzentrum auf, als aus dem übrig gebliebenen Goldregen auf ihre selbst gebastelten Pyros von der letzten Silvesterfeier zu verzichten. Und ohne Logo ging schon mal gleich gar nichts. Das musste einprägsam sein, grafisch einfach, um leicht und schnell in Schultische geritzt werden zu können.13 Platten wurden gerne nach Cover gekauft. Wenn das gut war (ergo: die Eltern es rundherum ablehnten), konnte die Musik natürlich nicht schlecht sein. Alben wie Dios Holy Diver verkauften sich damals zu einem wesentlichen Anteil durch ihre Optik. Zu Hause konnte man dann rausfinden, ob sich die Investition von einer Woche Taschengeld gelohnt hatte oder nicht.14

Wie wichtig das Visuelle für Bands und Musiker, aber auch für jede Marke ist, lässt sich erneut treffend am Beispiel von Kiss belegen. Eine mittelmäßig begabte Durchschnittsband aus New York beschließt, sich die Gesichter anzupinseln und wird dadurch zu einem weltweiten Pop-Phänomen. Wie in: Populärkultur. Die Musik trat in den Hintergrund und machte Platz für Comic-Wesen, die die Teenagerherzen im Sturm eroberten.15 Aber Kiss begriffen schon vom ersten Konzert an, dass die Illusion nur funktionieren würde, wenn sich das Bühnenbild ähnlich spektakulär anfühlte und den passenden Rahmen setzte.16

Claims abstecken

Mit dem langsam, aber sicher um sich greifenden Virus der gepflegten Marshallwandmucke stieg auch die Wichtigkeit der Abgrenzung gegenüber anderen Bands. Das funktionierte nicht nur über die Musik selbst (Spielarten wie Speed-, Death-, Black-, Power-, Funk-, Nu-Metal etc. entwickelten sich erst nach und nach), sondern vor allem über differenzierende Texte, die dazu passenden einzigartigen Bilderwelten auf Covern und Bühnen, Musikvideos, Outfits plus Make-up und natürlich alle anderen Stellschrauben, die ein Image definieren können.

Es geht um eben das, was man im Marketing gemeinhin als Claim bezeichnet. Ein meist nur aus wenigen Wörtern bestehender Satz, der genau umreißt, wofür die Marke steht und wofür nicht. Was man von ihr denken soll und was nicht. Und wo die Grenzen zur Konkurrenz liegen. Ein Claim ist die kunstvolle Zusammenfassung einer komplexen Markenpyramide. Ein paar der bekanntesten sind: »Vorsprung durch Technik«, »Geiz ist geil«, »Impossible is nothing« oder »Think different«. Auch in der Musikindustrie grenzt jeder erfolgreiche Künstler fortwährend sein Revier ab. Im Metal geschieht dies zumeist trennschärfer, als es im Pop jemals möglich wäre. Niemand, der hören und sehen kann, würde auf die Idee kommen, Judas Priest mit Iron Maiden zu verwechseln. Jede Band steckt akribisch ihren Claim ab. Reviergrenzen, in denen gedacht, getextet, komponiert und produziert werden darf.

Nun könnte man sagen: Das läuft doch im Pop oder Hip-Hop genauso. Mucke, Logo, Klamotte, Image, fertig. Und das stimmt zumindest ein bisschen. Trotzdem sind wir überzeugt, dass Hartwurstmusik als Versuchstier und Anschauungsobjekt für Branding und Positionierung am besten geeignet ist. Das liegt (neben dem von der energetischen Mucke vorgegebenen Larger-than-Life-Faktor) am in aller Regel lebenslangen Konsistenzstreben der Fans, einer Mischung aus Treue und Anhänglichkeit. Einmal Fan, immer Fan.

Da werden zur Not auch mal drei schwache Alben hintereinander gekauft. Der echte Metalfan springt auch nicht gleich vom Zug ab, wenn die nächste (TikTok-)Sau durchs Dorf getrieben wird. Von einer solchen Loyalität träumen Marken, CMOs und Agenturmenschen. Vielfach auch deshalb, weil im Produktmarketing zu viele Fehler gemacht werden und ein Claim bisweilen schneller gewechselt wird als die Unterhose. Beständigkeit baut Marken. Und Bands.

Stilbrüche und Bruchlandungen

Auch hier produzierte Heavy Metal in den Neunzigern den ultimativen Anschauungsunterricht. Als er nämlich von heute auf morgen für tot erklärt wurde. Plötzlich sollte alles Mist sein, was gerade noch Millionen Platten verkauft hatte: Gitarrensoli, aufgeblasene Images, blutrünstige Unter-der-Gürtellinie-Lyrics. Auf einmal wurde geflanellhemdet, gelitten, geheroint, gepierct, wenig geschwitzt, noch weniger Haare gewaschen, schlechte Stimmung verbreitet und tonal-emotional gleichgeschaltet. Tatütata, der Grunge ist da.

Eben noch hatten Judas Priest mit Painkiller eines der ewig wichtigsten Metalalben in den Weltäther gezimmert – und plötzlich wurde Heavy Metal in nie dagewesenen Dimensionen nicht nur als altmodisch gebrandmarkt, sondern leidenschaftlich vehement als tote, überflüssige Never-ever-again-Musik abgestempelt.

In dieser Zeit war es interessant zu beobachten, wie sich die schwermetallischen Bands unter dem Druck des Marktes (also in erster Linie der Plattenfirmenbosse) verhielten. Wer brach ein, beugte sich dem Druck von drohenden Plattenvertragsverlusten und passte sich der Welle an, hielt sein Fähnchen ein knappes Jahrzehnt lang in den Wind?17 Und wer stand zu seiner Kunst und nahm unweigerlich immense finanzielle Einbußen hin?18

In dieser Betrachtung noch interessanter: Wann sprangen welche Teile der Zielgruppe ab? Welche Erneuerungen und Wandlungen wurden von den verbliebenen Fans (nicht) toleriert? Und wie lange mussten sich die »Wendehälse« nach Abebben der Grunge-Welle ihre Reputation wieder neu erkämpfen? Man denke nur an die in den Neunzigern völlig hilflos agierenden Scorpions. Auch der Branchenprimus Metallica ist für seine damalige Fahnenflucht bis heute von vielen Fans noch nicht wieder heiliggesprochen worden.

Auf der nach oben offenen Cringe-Skala der Markenwelt ist das Ganze nur mit dem »New Coke«-Stunt zu vergleichen , als Coca-Cola sich anschickte, die Rezeptur der beliebten Blubberbrause zu ändern.19 Nicht jede Band war danach so souverän wie der verantwortliche Manager Don Keough, der das Fiasko später einmal so kommentierte:

Einige Kritiker werden sagen, dass Coca-Cola einen Marketing-Fehler gemacht hat. Einige Kritiker werden sagen, dass wir das alles von vornherein so geplant haben. Die Wahrheit ist, dass wir weder so dumm noch so klug sind.

Über Heavy Metal B®ands

Metallische Markenspiele

Wir hoffen, mit den bisherigen Ausführungen unser Ansinnen deutlich gemacht zu haben: Metal ist schön, Metal ist laut, Metal ist geil. Metal ist aber auch Business. In der Szene geht es, allen Gegenkultur-Attitüden zum Trotz, auch um Mücken, Mäuse und Mammon. Um Kohle, Knete und Kröten, um Schotter, Steine und Scheine. Unter diesem Gesichtspunkt wollen wir einige herausragende Protagonisten des schwermetallischen Universums näher beleuchten.

Uns interessieren allerdings nicht so sehr die weiter oben aufgeführten Merchandising-Kunststückchen, sondern eher die grundsätzlichen Positionierungen und die unterliegenden Kommunikationsstrategien verschiedener Bands und Künstler im schwermetallischen Klangkosmos. Konkret geht es um folgende Combos: Black Sabbath, Ozzy Osbourne, Metallica, Megadeth, Iron Maiden, Dream Theater, Rammstein, Manowar, Motörhead und Mötley Crüe. Warum haben wir uns für diese zehn Lichtgestalten entschieden?

Allen diesen Metal B®ands ist gemeinsam, dass sie seit mehreren Jahrzehnten erfolgreich am und im Markt bestehen.20 Das spricht einerseits für ihre musikalische Qualität, andererseits aber auch für eine nachhaltige Markenarbeit und Positionierung im Wettbewerb, die im Musikbusiness (mindestens) genauso wichtig ist wie in jeder anderen Branche. Wir gehen also schwer davon aus, dass es hier etwas zu lernen gibt.

In diesem Sinne gehen wir zudem davon aus, dass es sich bei allen Beispielen um Household Names im weitesten Sinne handelt. Auch wer kein Metalfan ist, hat mit hoher Wahrscheinlichkeit schon mal von diesen Gruppen und Künstlern gehört.

Des Weiteren haben wir uns für diese Metal B®ands entschieden, weil sie aus unserer Perspektive exemplarisch für verschiedene »ewige« Strategien des Marketings und der Kommunikation stehen. Sie haben sich über die Zeit hinweg einen prototypischen Status erarbeitet, beispielweise als Marktführer, als Underdog oder Technologieführer, als Enfant terrible, Evergreen oder Erfolgsmodell in der Nische.21

Wer zum Teufel schreibt so etwas?

Nico Rose ist Psychologe und war ab dem 40. Lebensjahr nach einer supererfolgreichen22 Karriere in der Wirtschaft rund drei Jahre Professor für Wirtschaftspsychologie an einer Business School. Die Positionierung von Produkten und Unternehmen interessiert ihn aus unterschiedlichen Perspektiven: Nach ersten Berufserfahrungen bei L’Oréal (weil er es sich wert war …) schrieb er eine Doktorarbeit über die strategische Steuerung von FMCG-Unternehmen.23 Parallel dazu arbeitete er in einer Unternehmensberatung für Kunden wie BMW und American Express. Nach Abschluss der Promotion war er für Bertelsmann tätig und verantwortete als Vice President u. a. das Employer Branding auf Gruppenebene, bevor er Professor an der ISM in Dortmund wurde.

In der Zeit an der Hochschule schrieb er einige leidlich erfolgreiche Bücher über Führung und Personalmanagement. 2022 wechselte er in den Freiberuf, gab einer privaten Leidenschaft deutlich mehr Raum – und verfasste den Spiegel-Bestseller Hard, Heavy & Happy: Heavy Metal und die Kunst des guten Lebens (Heyne). Er ist seit seinem 14. Lebensjahr Headbanger und betreibt seit 2018 auf Facebook das »Ministerium für Schwermetall« mit mehr als 50.000 Followern.

Götz Ulmer hat Kommunikationsdesign studiert und verbrachte den Großteil seines Berufslebens bei Jung von Matt, zuletzt viele Jahre als Vorstand und Kreativchef. In dieser Kapazität war er mit seinen Teams verantwortlich für einige der besten, fiesesten und einprägsamsten Slogans und Kampagnen, die sich tief ins kollektive Bewusstsein des deutschen Sprachraums gelötet haben. So zum Beispiel »3, 2, 1, meins« für eBay, »Like a Bosch« für – na ja – Bosch oder »Is it love« für Mini. Zudem sorgte er mit der Musik in Vodafone-Werbespots für vier Platin- und zwei Goldauszeichnungen – darunter zwei Nummer-eins-Songs. Leider Pop. Von Anfang 2021 bis Ende 2022 war er Chief Creative Officer der McCann Worldgroup in Deutschland. Er ist einer der höchstdekorierten und bekanntesten Werbemanager der Republik.

Ulmer lehnt herkömmliche Kreativitätswerkzeuge ab. Er glaubt an die schöpferische Kraft der Anarchie. An diesem Punkt kommt auch seine jahrzehntelange Leidenschaft für Punk, harten Rock’n’Roll und Heavy Metal ins Spiel. Seine Überzeugung: Erstklassige Musik muss immer ein wenig gefährlich sein, richtig gutes Marketing auch. Auf jeden Fall bringt beides dann mehr Freude.

Wir sind recht unterschiedliche Menschen – aber irgendwie mögen wir uns. Genug, um dieses Buch miteinander zu schreiben. Zudem engagieren wir uns gemeinsam im Verein Metality e. V., der die Werte des Metal in die Welt trägt, indem er Headbanger lokal vernetzt und gleichzeitig humanitäre Projekte initiiert.

Waschzettel

Die Hauptkapitel des Buches sind einheitlich strukturiert.

In jedem Abschnitt stellen wir zunächst eine der zuvor genannten, wegweisenden Bands der Metalszene vor. Wie ist sie in die Welt gekommen? Was treibt die Gruppe an? Was treibt sie um? Was macht sie so besonders?24

Dann arbeiten wir heraus, mit welchen Marketingprinzipien, -haltungen und -methoden es die jeweilige Band schafft, über eine so lange Zeit erfolgreich am Markt zu bestehen.

Anschließend stellen wir zur weiteren Orientierung Unternehmen, Marken oder Kampagnen aus der nichtmetallischen Welt vor, die nach unserem Dafürhalten ebenfalls mit ihrem jeweiligen Marketingspiel erfolgreich sind. Was funktioniert, wo werden aber auch Fehler gemacht?

Ferner werfen wir jeweils einen kurzen Blick in die Marketingforschung und angrenzende Disziplinen, um unsere Ansichten mit Erkenntnissen aus der Wissenschaft zu untermauern.

Jedes Kapitel schließt mit einer kurzen Zusammenfassung sowie einigen Hinweisen zu Dos und Don’ts für die Praxis.

Es gibt nach unserer Ansicht keine Notwendigkeit, Heavy Metal B®ands von vorne bis hinten durchzulesen. Die zehn Hauptkapitel stehen jeweils für sich. Wir haben mit Black Sabbath angefangen, weil im Metal einfach vieles mit genau dieser Band in die Welt gekommen ist. Und von Black Sabbath kann man nicht ohne die anschließende Solokarriere von Ozzy Osbourne sprechen. Danach hört es aber schon auf mit der gemeinen Logik. Fühlen Sie sich frei, wild zu stöbern, zu explorieren – und auch zu ignorieren. Bevor es nun wirklich, wirklich losgeht, bleibt allerdings noch eine wichtige Frage zu klären.

Warum, in Lemmys »geheiligtem« Namen, gibt es dieses Buch?

Nun, warum klettert man auf den Mount Everest? Weil er da ist. Warum schreibt man so ein Buch? Weil es noch nicht da ist. An diesem Punkt kommen wir ins Spiel. Über Marketing und Positionierung ist schon alles gesagt worden, aber noch nicht von jedem. Insbesondere nicht von uns. Und das kann doch beim besten Willen so nicht bleiben. Zudem: In einer Welt, in der Brand Building und Marketingkommunikation immer komplexer werden, ist es gut, ein paar simple Glaubens- und Grundsatzregeln zu verinnerlichen.

Jetzt ist es so: Wir sind nicht mehr jung und das Geld brauchen wir auch nicht.25 Als Ausrede für die kommenden zweihundertdrölfzig Seiten bleibt da nur wahrhaftige Leidenschaft. Uns eint die Faszination für erstklassiges Marketing, für Positionierung, für Kreativität und Kreation.26 Ebenso eint uns die Passion für harten Rock und Heavy Metal, für diese dreckige, laute, wunderhübsche Gitarrenmusik. Unsere beiden Leidenschaften möchten wir in Heavy Metal B®ands zusammenbringen und mit Ihnen teilen.

Wir glauben, dass der Blick durch die Brille der schwermetallischen Musik frische Impulse für Ihre Marketingaktivitäten liefern wird. Obwohl Zufälle immer eine Rolle in der Erfolgsgeschichte von Künstlern spielen, ist deren langfristiger Erfolg kein Zufall. Dahinter stehen Enthusiasmus, harte Arbeit und eben auch: intelligentes Marketing. Hier gibt es einiges zu lernen, selbst wenn Sie Maschendrahtzaun produzieren, Bequemschuhe vertreiben oder als Steuerberater vor sich hin reüssieren.

In diesem Sinne hoffen wir, dass Sie sich von den Ideen und Konzepten in diesem Buch inspirieren lassen. Auch wenn Sie Metal für eine auditive Zumutung, Metallica für eine Filtertütenfirma und Rammstein für ein Verbrechen wider die guten Sitten halten, glauben wir, dass es von der Markenarbeit dieser Bands eine Menge zu lernen gibt. Egal ob es um produktbezogenes Brand Management, Unternehmenspositionierung oder auch das bewusste Gestalten einer eigenen Personenmarke geht.

Schließlich wünschen wir Ihnen, dass Sie Spaß beim Lesen haben. Alles an und in diesem Buch ist ernst gemeint, geht aber doch am besten mit einem Schuss Humor runter. Das Leben als solches ist eine verdammt ernste Sache, die Welt des Business sowieso. Mit einem gerüttelt Maß an Ironie und Sarkasmus haben wir, die Autoren, mehr Freude daran und hoffen inständig, dass Ihnen das genauso gehen wird.

Noch ein allerletzter Hinweis: Die Gedankenspiele in diesem Buch sind nicht der Weisheit letzter Schluss. Marketing ist bei aller modernen Datenfundierung immer auch Anschauungssache. Die beiden Autoren haben bis zuletzt viel gerungen. Mit den Zuordnungen von Bands zu Marketingprinzipien und umgekehrt, mit einzelnen Formulierungen und ganzen Passagen. Und auch viel untereinander. Nicht immer waren wir uns zu hundert Prozent einig.

Nico war die längste Zeit Marketingmanager und einige Jahre Professor, er kommt eher über die Einflugschneise der strategischen Positionierung zu seinen Themen. Götz ist Designer und mit Leib und Seele »ein Kreativer«. Er beleuchtet Themen stärker aus Sicht der Markenkommunikation, bis runter auf die Ebene einzelner Kampagnen. All das hat seinen Platz in Heavy Metal B®ands, all das begründet die Konvergenz – und manchmal auch die Dissonanz – unserer Ideen.

Dissonanzen gehören fest zur tonalen Struktur des Metal. Von daher spürt man unsere Dissonanzen in diesem Buch: Manche Zuordnungen sind nicht ganz trennscharf und die Bands bedienen sich naturgemäß nicht immer konsistent nur einer Marketingblaupause. Dasselbe gilt für die im Buch vorgestellten Marken aus dem echten Leben. Wir liefern hier Annäherungen, unsere Texte sollen atmen, haben ein paar Haken und Ösen. Und Sie, geneigter Leser, dürfen sich daran reiben,27 so wie wir uns untereinander gerieben haben. Und jetzt, wirklich, endgültig: ran die Buletten!28 Alle Synapsen auf elf und rein ins Buch. Viel Spaß!

Anmerkung: In diesem Buch wird auf eine Unmenge von Marken, Werbespots und andere Onlinequellen Bezug genommen. Wir möchten aber keine URL-Wüste produzieren. Soweit zugänglich, finden Sie dieses Material (und noch mehr) auf: www.metalbrands.de

Wenn du es erfunden hast

I need someone to show me The things in life that I can’t find

(Paranoid | Paranoid, 1970)

Der Teufel ist ein Eichhörnchen. Außerdem hat er den Schnaps gemacht (… um uns zu verderben). Zudem steckt der Teufel im Detail. Und manchmal, ja manchmal versteckt er sich zwischen drei Musiknoten. Die Rede ist vom sogenannten Tritonus, einer Tonfolge, die auch als Teufelsintervall bezeichnet wird. Zum einen, weil sie für die meisten Ohren schaurig, düster und bedrohlich klingt. Zum anderen, weil die Katholische Kirche sie angeblich im Mittelalter aufgrund des teuflischen Klangs verbieten wollte.29 Jener teuflisch-verteufelte Klang ist eng verwachsen mit dem Gründungsmythos des Heavy Metal als eigenständigem Musikstil.

Ende der 1960er-Jahre versuchten vier junge Männer namens Anthony »Tony« Iommi (Gitarre), Terence »Geezer« Butler (Bass), William »Bill« Ward (Schlagzeug) und John »Ozzy« Osbourne (Gesang) durch eine Karriere als Profimusiker der Tristesse eines immer noch vom Krieg gezeichneten Vororts von Birmingham zu entkommen. Nach einigen Namenswechseln und Experimenten mit der Besetzung hämmerten sie am 16. Oktober 1969 in nur zwölf Stunden das Debutalbum Black Sabbath ein. Die Schallplatte wurde im Februar 1970 im Vereinigten Königreich und im Juni in den USA veröffentlicht. Trotz zum Teil vernichtender Kritiken seitens der Musikpresse verkaufte sich die Scheibe wie geschnitten Brot.

Wer hat’s erfunden? Jedenfalls nicht die Schweizer30

Weitaus wichtiger als die reinen Verkaufszahlen ist jedoch das Folgende: Vielen Musikexperten gilt dieses Album als der Urknall des Heavy Metal. Jener Moment in der Musikhistorie, da sich diese schaurig-schöne Kunstform von ihren Wurzeln im harten (psychedelischen) Rock löste – durch schieren akustischen Wumms, atmosphärische Düsternis und einen ordentlichen Schuss lyrischen Okkultismus.31

Genau an diesem Punkt kommt auch das Teufelsintervall ins Spiel: Es prägt das Hauptriff des Songs »

«, welcher das gleichnamige Album eröffnet, nach einem Intro aus Gewittergeräuschen. Die Inspiration dafür stammt von dem Komponisten Gustav Holst. Der Tritonus zieht sich durch den Auftakt des »Mars« aus seiner Suite Die Planeten. Geezer Butler spielte ein Extrakt davon auf seinem Bass, Gitarrist Tony Iommi hörte dies und kam am nächsten Tag mit dem Riff zurück in den Proberaum. Die Lyrics wiederum basieren auf einer Teufelserscheinung; Butler interessierte sich damals für Okkultismus, lebte in einem schwarz gestrichenen Zimmer mit umgedrehten Kreuzen an der Wand. Eines Tages wachte er auf und sah eine schwarze Gestalt am Ende seines Bettes, die auf ihn zeigte. Auf Basis dieser Schilderung schrieb Ozzy Osbourne die ersten Textzeilen: »What is this that stands before me? Figure in black which points at me«.

Da ward er geboren, der Heavy Metal (zumindest in seiner Proto-Form), auch wenn der Begriff als Bezeichnung für eine eigenes Genre erst später in die Welt kam.32 Der harte, rifflastige und irgendwie auch zähflüssige Gitarrensound Iommis, gepaart mit der wuchtigen Rhythmussektion aus Ward und Butler, darüber der hohe, irritierend-wehklagende Gesang von Ozzy Osbourne, dazu die düsteren und symbolschwangeren Texte: Das hatte die Welt so noch nie gehört. In seiner Sabbath-Biografie Symptom of the Universe schreibt der Journalist Mick Wall:33

What Sabbath achieved on their first album wasn’t just heavy, it was monumental; game-changing.

Black Sabbath bildeten einen geschwärzten, angeschwefelten, glasklaren Kontrapunkt zu der sich schon im Abschwung befindenden Hippie-Bewegung. Wo man kurze Zeit zuvor aus Protest – aber wohlig frohlockend und mit Blumen im Haar – nach San Francisco gehen wollte, sahen die jungen Männer aus Birminghams Arbeiterschicht einfach nur noch Schwarz. Der Psychologe Steve Taylor schreibt dazu in einem Aufsatz:34

Die Dunkelheit ihrer Umgebung wurde zur Dunkelheit ihrer Musik, auf eine reine und ursprüngliche Art und Weise und mit einer kraftvollen spontanen Kreativität, die – paradoxerweise – der Musik eine erhebende, transzendente Qualität verlieh.

Dieser neue Sound gefiel jedoch beileibe nicht jedem. Die Musikkritiken sollten mit schöner Regelmäßigkeit vernichtend bleiben, selbst als Sabbath schon Weltstars waren. Glaubt man Ozzys Worten in seiner Autobiografie, so schrieb ein Kritiker über das das dritte Album Master of Reality, die Band klinge wie die »Hausband der Titanic am Vorabend der Apokalypse« – und das war noch einer der freundlicheren Verrisse.35 Doch das Ganze faszinierte genug vorrangig junge Menschen, um etwas Gewaltiges loszutreten: eine neue musikalische Bewegung. Die Zahl von Protagonisten in der Metalszene, die wegen der Musik von Black Sabbath erstmalig ein Musikinstrument in die Hand nahmen, geht auf keine Kuhhaut.

Innovation durch Begrenzung

Exorbitant wichtig für den eigenständigen Sound von Black Sabbath war eine höllisch schmerzhafte Erfahrung. Tony Iommi verlor mit 17 Jahren bei einem Arbeitsunfall die Fingerkuppen des Mittel- und Ringfingers an seiner Greifhand, also jener Hand, die beim Spielen die Töne und Akkorde greift. Die Ärzte sagten ihm damals, er solle die Musikträume an den Nagel hängen. Der ehrgeizige Musiker fiel in eine (professionelle) Depression. Doch es sollte ganz anders kommen.