HASHIMOTO und die Ärzte hielten uns für verrückt - Lena Pöppelmann - E-Book

HASHIMOTO und die Ärzte hielten uns für verrückt E-Book

Lena Pöppelmann

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Beschreibung

Offen und ehrlich berichten zwei Frauen über ihr Leben vor und nach der Diagnose Hashimoto Thyreoiditis. Gefühle, Hoffnungen und Konfrontationen mit Ärzten spielen hierbei eine große Rolle, denn die Diagnose an sich bedeutet noch keine Heilung. Wie sie die Autoimmunerkrankung erleben und wie sie für ihre Gesundheit kämpfen mussten, davon berichten sie bis ins intimste Detail. Sie erzählen von zwei Unterschiedlichen Erscheinungsbildern der Krankheit und ihrem jeweiligen Weg zur Diagnose und Therapie.

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Lena Pöppelmann ist 1998 in Münster geboren. Schon früh begann sie mit dem Schreiben von kurzen Texten, Geschichten und Gedichten. Mit 19 Jahren erkrankte sie schwer an der Schilddrüsenautoimmunerkrankung Hashimoto Thyreoiditis. Die vielen Fehldiagnosen und das Unwissen der Ärzte über diese Krankheit bewegten sie dazu, darüber zu schreiben und ihren langen Weg zur Diagnose zu veröffentlichen, in der Hoffnung, anderen Menschen mit dieser Erkrankung, bei dem sich die Schilddrüse zerstört, zu helfen.

Sandra Stöcker ist 1970 in Dülmen geboren. Erste Symptome der Krankheit Hashimoto Thyreoiditis zeigten sich bei ihr im Jahr 1992. Ihre Krankheit verlief lehrbuchgerecht, doch wurde sie erst über zwanzig Jahre später erkannt. Aus diesem Grund hat sie sich intensiv und ausgiebig informiert, bis Hashimoto kein Fremdwort mehr für sie war und sie ihren Körper verstand. Sie hat beschlossen, ein Buch zu schreiben, um den Weg aufzuzeigen, den man gehen muss. Und um das zu geben,was sie zu Beginn ihrer Krankheit gebraucht hätte.

Ein großer Dank gilt Nils Schepers, der den Schmetterling für das Buchcover ganz nach unseren Vorstellungen gestaltet hat!

Für alle Menschen

mit unentdecktem Hashimoto

Lena Pöppelmann

&

Sandra Stöcker

HASHIMOTO

UND DIE ÄRZTE HIELTEN UNS FÜR VERRÜCKT

© 2019 Lena Pöppelmann, Sandra Stöcker

Autor: Lena Pöppelmann, Sandra Stöcker

Umschlaggestaltung, Illustration: Lena Pöppelmann, Nils Schepers Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN Paperback: 978-3-7497-8291-8

ISBN Hardcover: 978-3-7497-8292-5

ISBN e-Book: 978-3-7497-8293-2

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

HASHIMOTO

UND DIE ÄRZTE HIELTEN UNS FÜR VERRÜCKT

Hast du schon einmal daran gedacht, dass es Dinge gibt, die von jetzt auf gleich dein ganzes Leben verändern können? Dass du irgendwann fällst und keinen Halt findest? Dass dir, wenn es dir schlecht geht, niemand zuhört? Dass alle sagen, du seist verrückt? Hast du dir schon einmal vorgestellt, wie es ist, von jetzt auf gleich den Alltag nicht mehr bewerkstelligen zu können? Abhängig zu sein von anderen Menschen und von Tabletten? Tabletten, die dir niemand verschreiben möchte? Ich sage dir eines: Man fühlt sich alleine. Missverstanden und nicht ernst genommen. Ja, man hat sogar sehr negative Gedanken, spätestens dann, wenn sie dir sagen, du hättest sie. Wenn sie sich Diagnosen ausdenken, Dinge, die mit dir nicht stimmen. Psychische Dinge. Das macht einen fertig. Zumal man ja selbst meist nicht weiß, was mit einem passiert. Weshalb der eigene Körper nicht mehr gehorcht und die normalsten Dinge nicht mehr möglich sind. Ich wünsche jedem, der sich auch nur annähernd in einer solchen Situation befindet, einen Partner, der einen unterstützt, Rückhalt gibt und einem glaubt. Denn machen wir uns nichts vor: Es ist für beide Partner eine Last, wenn es einem nicht gut geht. Und jeder Mensch braucht eine Sandra. Jemanden, der einen so lange zu verschiedenen Ärzten schickt, bis man die Ursache gefunden hat, jemanden, der einem zur Seite steht und auch versteht. Der das alles schon einmal mitgemacht hat und am eigenen Leib erfuhr. Der einen ermutigt, nicht blind den Doktoren und Meds und wie sie sich alle schimpfen zu glauben, sondern sich selbst zu informieren. Sich schlau zu machen, und nicht „Ja“ und „Amen“ zu allem zu sagen. Es ist ein Unterschied, ob man sich krank redet, behauptet man hätte dies und das, oder sich ausführlich informiert und daraus Schlüsse zieht. Das musste auch ich erst verstehen. Die Angst, ich rede mich hier gerade künstlich krank war und ist noch immer sehr präsent auch wenn ich heute weiß, wie es um mich steht.

Es ist immer besser, auch sich selbst schlau zu machen. Über Symptome und Blutwerte, über die Zusammenhänge im Körper. Kennst du deine Blutwerte? Hast du sie dir jemals ausdrucken lassen? Ich bis damals nicht. Wozu auch? Weißt du, was alles in deiner Krankenakte steht, was dir vielleicht nie ein Arzt gesagt hat, weil er es vergessen hat oder gar für unwichtig hielt? Gibt es alles. Kennst du den Zusammenhang von TSH, fT4 und fT3? Solltest du!! Kennst du die aktuellen und empfohlenen Grenzwerte, dieser Hormone? Es sind nicht die, nach denen die meisten Labore noch messen. Es ist so unglaublich wichtig, dass du für deine Gesundheit kämpfst, wenn du weißt, dass der Status quo noch nicht die Lösung ist. Und wenn du am Ende bei fünfzehn oder zwanzig verschiedenen Ärzten warst und der einundzwanzigste die Lösung hat, dann hat es sich gelohnt. Scheiße geht es einem sowieso, sonst würde man ja überhaupt nicht zum Arzt gehen. Und wenn es dann eben der Einundzwanzigste ist, dann ist das so. Genau darum war ich froh, Sandra zu haben. Sie hat mich immer wieder losgeschickt zu neuen Ärzten, neue Blutwerte machen, neue Dinge abklären und ausschließen. Sie hat mir viel Kraft gegeben. Bei ihr musste ich mich nie erklären. Dafür bin ich ihr unglaublich dankbar, denn ich weiß, dass ich ohne sie aufgegeben hätte. Und ich möchte nicht wissen wo, oder ob ich dann überhaupt noch wäre.

Weil meiner Meinung nach ein jeder Mensch eine Sandra braucht, habe ich mich hingesetzt und mit ihr angefangen zu schreiben. Alles, was ihr hier lest ist echt. Es sind unsere Erfahrungen und Erlebnisse. Keine wissenschaftlich korrekten und empirisch belege Ergebnisse von irgendwas. Wir sind keine Ärzte, können niemanden behandeln, aber vielleicht Mut machen und berichten, damit andere Menschen verstehen.

LENA

Mein Leben sah damals so aus: Ich war 19 Jahre jung und stand mitten im Leben. Ich hatte Ende des letzten Jahres mein Studium an einer angesehenen Universität angefangen und wollte später Lehrerin an einem Gymnasium werden. Die Eignungsprüfung für das Studienfach Musik hatte ich bestanden. Auch in meiner Freizeit machte ich viel Musik. Mit den Mädels aus Chor und Orchester bin ich zur Schule gegangen und wir lebten bis vor kurzem alle im selben Ort. Mein zweites Studienfach war Deutsch. Eine Leidenschaft, die ich wohl schon in der Grundschulzeit entwickelt habe und auch einer der Gründe, weshalb ich nun mein bisheriges Leben zu Papier bringe. Dass dies mein zweites Unterrichtsfach werden sollte, stand außer Frage. Meine besondere Faszination für deutsche Grammatik führte auf dem Gymnasium dazu, dass ich auch mal den ein oder anderen wichtigen Aufsatz, die Facharbeit oder später die

Bewerbung für Freunde Korrektur gelesen hatte. Ein total normales Leben also und während ich das hier schreibe, erscheint es mir zugleich fast langweilig, doch das hat sich ja noch geändert…

Seit wenigen Monaten lebte ich in einem schönen Dorf auf dem Land. Mein fester Freund und ich wohnten in einer kleinen Wohnung und hatten uns einen Hund zugelegt, da er mit Hunden aufgewachsen war. Weil er bereits ausgelernt war, war diese Wohnung auch finanziell gut zu stemmen. Der Auszug war ein sehr aufregender Punkt in meinem Leben. Es ist ein gutes Gefühl, auf eigenen Beinen zu stehen. Der Pendelweg in die Stadt war für mich kein Problem, das nahm ich in kauf, denn ich bin gefühlt mein ganzes Leben lang mit dem Bus in die Stadt zur Schule gependelt. Im Nachbardorf, nur fünf Minuten mit dem Auto entfernt, leben die Eltern meines Freundes. Nur wenige Fahrminuten weiter meine Eltern.

Neben dem Studium war natürlich Arbeiten angesagt. Ich hatte einen Job in der Nachtschicht bei der lokalen Zeitung. Einen Job, den ich wirklich sehr gern machte. Das frühe Aufstehen um 02:00 Uhr morgens war für mich kein Problem. Die Straßen sind angenehm leer um diese Zeit und zu sehen, wie der Dönerladen gegenüber immer um halb drei, wenn ich mich auf den Weg zur Arbeit machte, mit frischem Brot beliefert wurde, machte mich irgendwie zufrieden. Ich hatte das Gefühl, tatsächlich etwas für mein Geld zu tun und es mir zu verdienen.

Zur Nachtzeit sind die Menschen ganz anders. Es ist ruhig, jeder etwas für sich und man hat nie das Gefühl, etwas zu verpassen, da weder schönes Wetter ist, noch viel los ist. Ein Highlight war jedes Mal, wenn die Sonne aufging und die ersten Busse wieder fuhren. Das konnten wir aus der Halle sehen, in der wir arbeiteten, da sie direkt an der Hauptstraße lag. Wenn dann die Putzfrau kam, um für Sauberkeit zu sorgen, hieß es bald Feierabend. Auch das fühlte sich sehr skurril an. Üblicherweise fängt die Arbeit doch erst an, wenn die Putzfrau geht… Naja… Einer der Kollegen hatte manchmal zum Frühstück auf der Arbeit eine Pizza bei. Man stelle sich vor, er kam um 02:00 Uhr zur Firma und hatte sie sich bei dem letzten Pizzaladen der noch geöffnet hatte kurz vor Ladenschluss geholt. Natürlich durfte auch der Kaffee nicht fehlen. Ich war jedoch die einzige, die ihn sich selbst in einer Thermoskanne mitbrachte. Ich trank morgens Instant-Cappucchino, manchmal unterzuckerte ich sehr schnell und ohne Ankündigung und in dem Zeug ist ja bekanntlich fast nichts anderes als Zucker. Auch war ich bald dafür bekannt, dass ich mir jeden Morgen einen Grießpudding kochte und mitnahm. Mal mit Rosinen, mal Johannisbeeren oder Marmelade, was nicht jedem in der Firma appetitlich erschien. Doch so musste ich nicht regelmäßig feststellen, dass die Tankstelle gegenüber noch nicht geöffnet hatte, wenn der Hunger aufkam. Schließlich arbeiteten wir mitten in der Nacht. Und um diese Zeit tut jedes Gramm Zucker gut.

Nach der Arbeit (ich arbeitete immer von Donnerstag auf Freitag) ging ich üblicherweise noch bis 14:00 Uhr in die Uni und war dann um drei am Mittag zuhause. Mein Dozent wusste bescheid, dass ich zuvor immer gearbeitet hatte und sah mir meine Arbeitskleidung nach. Die anstrengende körperlich Arbeit hinterließ Spuren. Nach etwa einem Vierteljahr hatte sich meine Arbeitshose von olivgrün zu dunkelbraun verfärbt von der ganzen Druckerschwärze, die an jeder Zeitung haftet. Etwa einmal im Monat brauchte ich neue Arbeitshandschuhe, da diese durchgescheuert waren. Ich arbeitete in der Rampenlogistik - bei uns kamen zu Bündeln verschnürte Zeitungspakete an, die wir auf Paletten stapelten und wegsortierten. Manchmal liefen 400 solcher mit Kabelbindern verschnürte Bündel in einer Viertelstunde über das Band. Doch in der richtigen Gesellschaft schafft man auch das. Auch als Frau! Dass ich danach allerdings definitiv eine Dusche und eine Portion Schlaf brauchte, ist denke ich nachvollziehbar. Der berühmte Power-Nap half tatsächlich. Wenn wir abends noch etwas vorhatten, schlief ich nur eine halbe Stunde, jedoch nie länger als zwei Stunden.

Heute denke ich mit sehr guten Gefühlen zurück an die Zeit bei der Zeitung. Wenn ich Samstags die Zeitung im Briefkasten habe, erinnere ich mich immer an die Arbeit damals und frage mich, wer wohl heute dort arbeitet und ob er sich dort auch so wohl fühlt wie ich damals. Ja, so simpel war mein Leben. Ohne große Sorgen, es lief einfach alles glatt.

SANDRA

Ich lernte Lena vor etwa vier Jahren kennen. Mein jüngster leiblicher Sohn stellte sie mir als seine Freundin vor. Die beiden hatten sich beim Tanzen kennengelernt. Nicht in der Disco, sondern in der Tanzschule beim Standardtanz. Lena war eine junge rebellische Künstlerin und voller Energie. Es gab nichts, dass sie nicht machte: Chor, Orchester, verschiedene Instrumente, Sport, Mittelalter… Eine ganz neue Welt für mich. Eine spannende Welt mit Schwung. Sie hatte Tempo im Leben. Meine Güte, davon hätte ich auch gerne nur ein bisschen gehabt… Ein bisschen dieser Energie, mit der sie ihr Leben meisterte und ausfüllte. Was ich mit einer solchen Energie alles angefangen hätte? Alles! Reisen, Shoppen gehen, ich wäre erfolgreich und eine Mutter, die ihren Kindern alles bieten könnte. Ja, solche Ziele hatte ich auch einmal. Träume und Hoffnungen von Dingen, wie jeder andere Mensch auch. Heute wünsche ich mir, einkaufen gehen zu können, irgendwann meine bereits ausgezogenen Kinder besuchen zu

können, Unternehmungen zu machen… Dinge, die für den Durchschnittsbürger überhaupt kein Problem darstellen, erscheinen mir wie ein unüberwindbares Hindernis. Dieses Hindernis trägt einen Namen: Hashimoto Thyreoiditis. Krankheit? Ursache? Beides… Hashimoto ist eine Autoimmunerkrankung, bei der sich die Schilddrüse selbst angreift. Ursache für Ängste, die „paar Kilos“ zu viel und für die Tatsache, dass der Wunsch, bei der Hochzeit meiner Kinder dabei zu sein wohl nur ein Wunsch bleiben wird. Doch diese Diagnose erhielt ich erst sehr spät. Viel zu spät…