Hassgeliebte Schwiegermutter - Felicitas Heyne - E-Book

Hassgeliebte Schwiegermutter E-Book

Felicitas Heyne

4,6

  • Herausgeber: mvg
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2008
Beschreibung

Dieses Buch ist ein Ratgeber für alle Frauen, die unter ihrer Schwiegermutter leiden. Die Schwiegertöchter lernen, die Gründe und Motive für das Verhalten der Schwiegermutter zu erkennen und auch ihre eigene Situation besser zu beurteilen. Die verschiedenen Schwiegermuttertypen und die Formen ihres manchmal manipulativen oder offen bösartigen Verhaltens werden vorgestellt. Die Leserinnen erfahren, wie sie ihre eigene Wahrnehmung schärfen, und sie lernen, zwischen "Richtig" und "Falsch" zu unterscheiden. Das Buch gibt der Leserin Hilfestellung, wie sie am besten mit ihrer Schwiegermutter umgeht, um Reibungen zuvorzukommen und den eigenen Familienzusammenhalt nicht zu gefährden.

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Seitenzahl: 322

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:[email protected]

3. Auflage 2019 © 2008 by mvg Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH Nymphenburger Straße 86 D-80636 München Tel.: 089 651285-0 Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: Dr. Renate Bugyi-Ollert Umschlaggestaltung: Coverdesign Uhlig, Augsburg Umschlagabbildung: Tobi Corney/Stone Satz: Jürgen Echter, Landsberg am Lech Druck: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany

ISBN 978-3-636-06399-1 ISBN E-Book (PDF) 978-3-86415-091-3 ISBN E-Book 978-3-86415-487-4

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.mvg-verlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unterwww.m-vg.de

Inhalt

I. Einleitung

II. Von der Mutter zur Schwiegermutter

Kein Job für Feiglinge

Alles eine Frage der Perspektive – Teil I

Im Griff der Gene?

Erst mal durchatmen

III. Schwierige Schwiegermütter – kleine Typenlehre

Die Auster

Die Tyrannosaura

Die Meckerziege

Die Intrigenspinne

Das Klammeräffchen

IV. Wenn zwei sich streiten –was tut eigentlich der Dritte?

Ganz der Papa

Mutters Ersatzmann

Mamas Liebling

V. Kinder und Enkelkinder zwischen den Fronten

Alles eine Frage der Perspektive – Teil II

Die Enkelkinder als Waffe

Was tun?

VI. Zeit zum Handeln: Mit mir nie wieder, Schwiegermutter!

Gewusst wie! – So behaupten Sie sich in Zukunft besser

Stoppschilder für alle Fälle

Mut tut gut

Seien Sie nett zu sich selbst, sonst ist es keiner

Den Partner als Verbündeten gewinnen

Unabhängigkeit macht stark

Die Maximallösung: „Ich lasse mich von deiner Mutter scheiden!“

VII. Resümee: Es ist nicht gesagt, dass etwas besser wird, wenn man es ändert, aber wenn etwas besser werden soll, muss man es ändern!

Danksagung

I. Einleitung

Schwiegermütter haben es in sich und können dem Eheleben der Schwiegertöchter arge Klötze in den Weg legen. Davon können immerhin 28 % der befragten Frauen aus einer repräsentativen Umfrage des GEWIS-Instituts unter 1024 Frauen im Alter zwischen 20 und 60 ein Liedchen singen. Sie gaben nämlich an, dass ihre Partnerschaft unter der schwierigen Beziehung zwischen ihnen und ihrer Schwiegermutter leide. Und in einer weiteren GEWIS-Umfrage unter 1425 Geschiedenen nannten 8 % der Frauen ihre Schwiegermutter sogar als Grund dafür, warum sie sich von ihrem Partner getrennt hatten. Es ist also bei weitem nicht überall eitel Sonnenschein in Sachen Schwiegermutter angesagt. Insgesamt gehen Experten heute davon aus, dass bei etwa 12,5 % aller Ehen, die vor dem Scheidungsrichter enden, die Schwiegermutter eines Partners eine ausschlaggebende Rolle spielt. In anderen Worten: Jede achte Ehe scheitert (auch) an der Mutter eines der beiden Partner. Nicht erfasst ist in all diesen Statistiken natürlich die Dunkelziffer derjenigen Fälle, in denen sich unverheiratete Paare trennen bzw. es gar nicht erst zu einer Ehe kommt, weil die Schwiegermutter erfolgreich intrigiert hat. Die böse Schwiegermutter – mehr als nur ein Klischee?

Doch gibt es auch gute Nachrichten: Die meisten Schwiegermütter sind gar nicht so schlimm. Man könnte im Gegenteil mit Fug und Recht behaupten, dass offenbar die große Mehrheit unter ihnen richtig nette, geschätzte und sogar geliebte Familienmitglieder sind! Das zumindest war auch das Ergebnis der eingangs genannten Studie. „Wie verstehen Sie sich mit Ihrer Schwiegermutter?“, wollten die Forscher dabei wissen. Rund zwei Drittel der Befragten beantworteten damals diese Frage mit „gut“ bis „sehr gut“. Die überwiegende Mehrheit der Partnerinnen und Ehefrauen darf also aufatmen, denn den Einfluss der Schwiegereltern auf das Beziehungsglück sollte man nicht unterschätzen. Er erwies sich in einer Untersuchung der Iowa State University in den USA nicht nur als wichtig, sondern sogar als sehr nachhaltig: Studienteilnehmer beschrieben ihre Ehe darin als besser, wenn sie ein gutes Verhältnis zu den Schwiegereltern hatten. Diejenigen dagegen, bei denen es häufig Streit mit den Eltern eines oder beider Partner gab, betrachteten ihre Ehe als weniger erfolgreich. Dieser Effekt ließ sich über einen Zeitraum von bis zu 20 (!) Jahren hin beobachten.

Nun, immerhin findet sich das Phänomen der ungeliebten Schwiegermutter interessanterweise kultur- und epochenübergreifend auf der ganzen Welt. Davon zeugen in vielen Ländern entsprechende Volksweisheiten und Sprüche, die keinen Zweifel darüber aufkommen lassen, dass die meisten Menschen speziell dieses Familienmitglied zu allen Zeiten am liebsten von hinten gesehen haben:

„Gut ist es, wenn die Schwiegereltern fern und Wasser und Brennstoff nahe sind.“ (aus der Mongolei)

„Lobe den Brunnen, in den deine Schwiegermutter gefallen ist, aber schöpfe kein Wasser daraus.“ (aus Andalusien)

„Eine Schwiegermutter ist bitter, und wäre sie auch aus Zucker.“ (aus Spanien)

„So viele es weiße Krähen gibt, so viele gute Schwiegermütter gibt es.“ (aus Serbien)

„Die Schwiegermutter nahe bei der Tür ist wie der Mantel beim Dornbusch.“ (aus Albanien)

Und auch bei uns in Deutschland hat die Schwiegermutter (die früher einfach nur „Schwieger“ hieß) nichts zu lachen, wenn es nach des Volkes Willen geht:

„Die best’ Schwieger ist, die einen grünen Rock anhat.“ (= die unter dem Gras liegt, begraben ist)

„Schwieger und Schweinsbraten sind kalt gut.“

Selbst wenn man ihr nicht gleich den vorzeitigen Tod an den Hals wünscht, so macht man es ihr selten gerne wirklich bequem, um die Dauer ihrer Anwesenheit auf das unbedingt Nötige zu beschränken: Wer kennt ihn nicht, den stacheligen Goldkugelkaktus, botanisch korrekt Echinocactus Grusonii, der umgangssprachlich gerne „Schwiegermuttersitz“ genannt wird? Etwas weniger bekannt ist, dass dieselbe ironische Bezeichnung in den 1930er-Jahren auch für eine aus dem Heck mancher Roadster herausklappbare Sitzbank verwendet wurde. Dabei handelte es sich um eine äußerst unbequeme, da nur dünn gepolsterte zusätzliche Sitzgelegenheit, die zu allem Übel auch noch nicht überdacht war und damit ihren Benutzer den Unbilden der Witterung schutzlos aussetzte. Ob nun Kaktus oder Notsitz – in beiden Fällen handelt es sich jedenfalls nicht gerade um einen Platz, an dem man sich gerne länger aufhalten möchte.

Alles andere als wohlwollend sind auch die zahllosen Schwiegermutter-Witze, die allerorten an den Stammtischen kursieren: Was ist flüssiger als Wasser? – Die Schwiegermutter, die ist überflüssig!

Interessanterweise nehmen die meisten dieser Witze vor allen Dingen das Verhältnis Schwiegermutter–Schwiegersohn aufs Korn. Damit sind sie zwar beliebte Schenkelklopfer für den Herrenabend, gehen aber am realen Alltag eigentlich vorbei. Sehr viel konfliktreicher als die Beziehung zwischen diesen beiden ist nämlich oft das Verhältnis zwischen Schwiegermutter und Schwiegertochter. In der bereits erwähnten GEWIS-Studie beispielsweise nannten zwar 8 % der befragten Frauen, aber nur 5 % der Männer ihre Schwiegermutter als Trennungsgrund. Eine weiterführende Analyse untermauerte diesen Unterschied. Gesucht wurde darin die treffendste Bezeichnung für die Schwiegermutter der Untersuchungsteilnehmer. 12 % der Frauen entschieden sich für „Giftzahn“ – ein Begriff, den nicht einmal halb so viele, nämlich nur 5 % der Männer wählten. Diese Verteilung gilt in etwa auch bei weiteren abfälligen Bezeichnungen: Für „Drachen“ stimmten 13 % der Frauen, aber nur 6 % der Männer; „Meckerziege“ hielten 19 % der Schwiegertöchter für passend, aber nur 8 % der Schwiegersöhne. Ins Gegenteil verkehrte sich die Sache, wenn es um positive Beschreibungen der Schwiegermutter ging. Nur 8 % der Frauen, aber 15 % der Männer bescheinigten der Mutter ihrer/s PartnerIn ein „sonniges Gemüt“. Und für eine „liebenswerte Frau“ hielten die Dame nur 22 % der Schwiegertöchter, aber immerhin 43 % der Schwiegersöhne. Hat also das alte deutsche Sprichwort Recht, das behauptet, dass „die Schwieger niemals die Schnur (= altdeutsch für Schwiegertochter) liebt“?

Manches spricht tatsächlich dafür. Befragte Schwiegertöchter wissen von einem breiten Handlungsspektrum schwieriger bis bösartiger Schwiegermütter ihnen gegenüber zu berichten: Von distanzierter Ablehnung über offene Kritik und Anfeindung bis hin zu Verleumdungen und emotionaler Erpressung reicht das Repertoire. Nicht nur die Schwiegertochter leidet unter solchen Methoden, auch Kinder, Enkelkinder und Partner geraten in den Strudel des Beziehungsmachtkampfes. Die Folgen für alle Beteiligten können nicht nur Frustration, Trauer, Zorn, Schuld- und Hoffnungslosigkeitsgefühle sein, sondern durchaus auch physische und psychische Erkrankungen umfassen. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Depressionen, Ess-Störungen und Allergien sind nicht selten das Ergebnis eines solchen innerfamiliären Dauerkonflikts.

Dieses Buch möchte ein Ratgeber für diejenigen Frauen sein, die das Gefühl haben, in einem solchen Dauerkonflikt gefangen zu sein, und die nach Erklärungen, vor allem aber nach Auswegen und Lösungen suchen. Dabei richtet es sich selbstverständlich nicht nur an verheiratete Frauen, sondern auch an all diejenigen, die in nicht ehelichen Lebensgemeinschaften unter den Müttern ihrer Partner zu leiden haben (auch wenn der Einfachheit halber in der Regel auch für diese der Begriff „Schwiegermutter“ verwendet wird). Ich möchte Ihnen helfen, das komplexe System zu verstehen, in dem Sie, Ihr Partner, Ihre Kinder und Ihre Schwiegermutter miteinander verstrickt sind. Mögliche Hintergründe – evolutionäre wie persönliche – für Motive und Erleben aller Beteiligten werde ich Ihnen dabei ebenso vorstellen wie verschiedene „Typen“ schwieriger Schwiegermütter und die Formen ihres manipulativen oder offen bösartigen Verhaltens.

Den besonderen Schwerpunkt des Ratgebers habe ich auf den Teil der praktischen Hilfen gelegt. Zu begreifen, warum Ihre Schwiegermutter so ist, wie sie ist, warum Ihr Partner Ihnen bisher vielleicht nicht die Unterstützung gegen seine Mutter geben konnte, die Sie sich von ihm gewünscht haben, und warum Sie selbst sich bisher damit schwer getan haben, sich gegen Ihre Schwiegermutter erfolgreich zur Wehr zu setzen, ist vielleicht spannend für Sie. Dennoch kann dies nicht mehr sein als ein erster Schritt. Analysieren und verstehen ist oft gut, aber für konkretes Handeln gibt es keinen Ersatz! Darum möchte ich Ihnen in diesem Ratgeber eine Vielzahl von Methoden, Strategien und Techniken an die Hand geben, die Ihnen dabei helfen sollen

•   mit Ihrer eigenen Enttäuschung und Ihrem Ärger über Ihre Schwiegermutter (und/oder Ihren Partner) besser zurechtzukommen,

•   notwendige Grenzen Ihrer Schwiegermutter gegenüber erfolgreich zu ziehen und zu verteidigen,

•   sich gegen Kritik, Anfeindungen, Intrigen und Verleumdungen durch Ihre Schwiegermutter zu schützen und zur Wehr zu setzen,

•   sich durch emotionale Erpressungsmanöver Ihrer Schwiegermutter nicht mehr manipulieren zu lassen,

•   Ihre Partnerschaft vor schädlicher Einflussnahme durch Ihre Schwiegermutter zu bewahren und Ihren Partner als Verbündeten in diesem Konflikt für sich zu gewinnen,

•   Ihre Kinder aus den sich für sie ergebenden Loyalitätskonflikten herauszuhalten und ein möglichst spannungsfreies Familienklima für sie zu schaffen und

•   ohne Schuldgefühle einen gesunden Egoismus, gepaart mit einem stabilen Selbstwertgefühl und Vertrauen in die eigene Wahrnehmung im Umgang mit Ihrer Schwiegermutter zu entwickeln.

Viele Schwiegertöchter schwieriger Schwiegermütter kommen dabei in diesem Buch zu Wort und erzählen ihre Geschichten, in denen Sie sich wahrscheinlich oft genug selbst wiedererkennen werden.

Dennoch kann dieser Ratgeber keine Wunder vollbringen. Manche Schwiegermutter-Schwiegertochter-Situation ist so verfahren, manche Schwiegermutter so perfide in ihrem Verhalten, dass eine professionelle Unterstützung durch eine/n ausgebildete/n TherapeutIn oder Coach durchaus anzuraten ist, um die eingefahrenen Strukturen und Muster aufzulösen. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass die überwiegende Mehrheit der Schwiegertöchter, die sich gleichzeitig mit dem „Ja!“ vor dem Standesbeamten eine schwierige Schwiegermutter eingehandelt haben, in irgendeiner Form von den Tipps und Anregungen in diesem Buch profitieren wird. Dabei gilt natürlich, dass nicht jeder Ratschlag für jede Situation und jede Persönlichkeit gleichermaßen geeignet ist. Jede Leserin muss für sich selbst entscheiden, welche der Denkanstöße sie für sich speziell aufgreifen und umsetzen möchte. Letzten Endes sollte dieser Ratgeber für jede Schwiegertochter reichlich Anregungen und Impulse bereithalten, wie sie den Umgang mit ihrer Schwiegermutter künftig besser und für sich selbst und ihre Familie weniger belastend gestalten kann.

Ich wünsche Ihnen viele Aha-Erlebnisse, neue Erkenntnisse und Inspirationen beim Lesen – und natürlich viel Erfolg und vor allem eine Menge Spaß beim Erproben Ihrer neuen Schwiegermutter-Strategien!

Felicitas Heyne

II. Von der Mutter zur Schwiegermutter

„Urteile über niemanden, ehe du nicht einen Tag in seinen Schuhen gegangen bist.“

(INDIANISCHE WEISHEIT)

Keine Frau wird als Schwiegermutter geboren. Zunächst einmal ist sie selbst Tochter, später Ehefrau (und damit übrigens in aller Regel auch Schwiegertochter!), dann irgendwann Mutter. In all diesen Lebensphasen macht sie ihre eigenen Erfahrungen, entwickeln sich ihre persönlichen Hoffnungen und Ängste, gestaltet sie ihre Biografie. Ist sie berufstätig oder Vollzeitmutter? Wie lebt und erlebt sie ihre eigene Partnerschaft? Wie sieht ihre Beziehung zu ihren Kindern aus? Welche Werte und Ideale hat sie verinnerlicht, woran orientiert sie sich? All dies wird Einfluss darauf nehmen, wie diese Frau ihre Rolle als Schwiegermutter später leben und ausfüllen wird.

Ihre eigenen Eltern konnte sie sich zwar nicht aussuchen, so doch ihren Ehemann, und auch die Entscheidung für die Mutterschaft wird sie in den meisten Fällen bewusst und freudig getroffen haben. Viele Jahre lang war sie die Regisseurin ihres eigenen Lebens, die darüber entscheiden konnte, mit wem sie sich umgibt und mit wem nicht. Doch in Sachen Schwiegertochter wird sie eines Tages vor vollendete Tatsachen gestellt: Diese Person hat sie sich selbst nicht aussuchen können, und dennoch soll sie spätestens von dem Tag an, an dem die junge Frau ihr Jawort gegeben hat, eine positive Beziehung zu ihr aufbauen. Und das, obwohl sie selbst aller Wahrscheinlichkeit nach gerade in keiner leichten Lebensphase steckt.

Kein Job für Feiglinge

„Alt werden ist kein Job für Feiglinge“, soll Bette Davis einmal gesagt haben. Schwiegermutter werden aber auch nicht, möchte ich nachschieben. Denn viele Frauen werden gerade in einem Alter Schwiegermutter, in dem sie ohnehin mit einer Reihe von Verlusten zu kämpfen haben: Häufig fällt die Hochzeit des Sohnes in eine Zeitspanne, in der die Eltern der Schwiegermutter zunehmend hilfsbedürftiger und betreuungsintensiver werden, vielleicht sogar sterben. Mit den Auswirkungen dieser Entwicklung – zusätzliche Belastungen, Sorgen, Trauer – steht die Frau oftmals recht alleine da. Der eigene Ehemann ist noch ein gutes Stück vom Ruhestand entfernt, und beruflich wahrscheinlich stark engagiert – entweder, weil er auf dem Höhepunkt seiner Karriere angekommen ist, oder weil er befürchtet, als altes Eisen ausgemustert zu werden, wenn er nicht besondere Leistung unter Beweis stellt. Somit ist er als echter Ansprechpartner für die Sorgen seiner Frau oft nicht verfügbar.

Auf der körperlichen Ebene machen sich bei der Frau selbst in dieser Phase die ersten Anzeichen des nahenden Alterns bemerkbar. Die Menopause lässt keinen Zweifel mehr darüber aufkommen, dass nun der Hochsommer ihres eigenen Lebens vorbei ist und es scharf auf den Herbst zugeht. Vielleicht quälen sie Wechseljahresbeschwerden oder andere Zipperlein – nichts wirklich Bedrohliches, aber deutliche Mahner der Vergänglichkeit. Sie ist gezwungen, sich neben den Sorgen um ihre Eltern mit aufkommenden Ängsten vor ihrem eigenen Altern auseinanderzusetzen. Ein Drittel ihres Lebens hat sie statistisch noch vor sich. Wie soll sie es gestalten?

Viele Frauen begegnen diesen Einschnitten in ihrem Leben wohl vorbereitet und mit bewundernswerter Kraft und Gelassenheit. Sie begreifen die Veränderungen als Herausforderung zur persönlichen Weiterentwicklung und stellen sich ihnen im Vertrauen darauf, dass sie sie erfolgreich bewältigen und gestärkt aus ihnen hervorgehen werden. Meist gelingt ihnen dies umso besser, je erfüllter und vielseitiger ihr eigenes Leben ist: Ein Beruf, der ihnen Freude bereitet und ihnen Erfolgserlebnisse verschafft, sorgt bei diesen Frauen für ein gesundes Selbstwertgefühl und das Gefühl, einen sinnvollen Beitrag zu leisten. Ein tragfähiger Freundeskreis bietet ihnen Unterstützung und Ansprache, gleichzeitig aber auch Ablenkung und die Möglichkeit schöner Erlebnisse. Hobbys und Freizeitaktivitäten sorgen bei ihnen für einen gesunden Stressausgleich und eine ordentliche Portion Spaß im Alltag. So lassen sich auch steinige Lebensabschnitte besser ertragen und verarbeiten. Und die Gefahr, dass eine Frau, die unter solchen Voraussetzungen von der Mutter zur Schwiegermutter mutiert, ein Schwieger-Drachen wird, ist sehr gering.

Ehrlicherweise müssen wir aber zugeben, dass die Voraussetzungen, unter denen eine solche Idealsituation zustande kommen kann, noch nicht sehr lange gegeben sind. Wir dürfen nicht vergessen, dass noch in den Fünfzigern das propagierte Frauenideal das „Heimchen am Herd“ war, dessen ganzer Lebensinhalt im Umsorgen von Mann und Kindern bestand – eigene Bedürfnisse hatte die Frau damals bitte tunlichst dem Wohl der anderen Familienmitglieder unterzuordnen. Und auch in den folgenden Jahrzehnten wandelte sich die Vorstellung davon, wie eine Frau ihr Leben zu gestalten habe, trotz aller emanzipatorischer Bemühungen nur langsam und schwerfällig. Mögen Politiker allerorten Gleichberechtigung verkünden; die Realität spricht eine andere Sprache, auch noch heutzutage. Ob Ehegattensplitting, ungleiche Arbeitslöhne für Männer und Frauen oder mangelhafte Kinderbetreuungsmöglichkeiten: alle Rahmenbedingungen begünstigen nach wie vor die Frau, die sich ganz oder überwiegend in den Dienst der Familie stellt. Aktuell beträgt die Zahl der Männer, die in Deutschland Elternzeit beantragen, 8,5 % – doch 84 % von ihnen bleiben nur für die Dauer von zwei Monaten zu Hause, für die es zusätzliches Geld gibt, wenn beide Partner die Eltern-Auszeit nehmen.

Dazu gesellen sich noch die machtvollen inneren Bilder (der Paartherapeut Hans Jellouschek nennt sie „Seelenbilder“), die unser Verständnis von weiblichem und männlichem Rollenverhalten prägen. Diese archaischen Bilder – der Mann als Held und Kämpfer, die Frau als Hüterin von Heim und Feuer – sind über Generationen weitergegeben und vererbt. Ein paar Jahrzehnte politischen und gesellschaftlichen Umbruchs können die so tief eingeschliffenen Strukturen in uns nicht auslöschen! Selbst wenn Frauen zunehmend den Arbeitsmarkt erobern und sich neue Freiräume erschließen: im tiefsten Inneren führen die meisten von ihnen noch immer einen nahezu aussichtslosen Kampf gegen diese tradierten Überzeugungen. Sichtbar wird dieser vor allem in Krisensituationen. Gehen wir nicht alle immer noch fast selbstverständlich davon aus, dass es nicht der Vater, sondern die Mutter sein sollte, die von der Arbeit daheim bleibt, wenn das Kind plötzlich krank wird? Und tut sie es nicht, ist sie schnell eine Rabenmutter, karrieresüchtig – und erstickt vermutlich beinahe an ihrem schlechten Gewissen, während sie in einer wichtigen Konferenz sitzt.

Übrigens greifen diese Bilder schichten- und bildungsunabhängig, wie Britta Reiche von der Universität Hamburg kürzlich zeigen konnte. Sie legte ausgewählten Versuchspersonen, alles Akademiker (z. B. Ärzte, Psychologen oder Psychotherapeuten), verschiedene Szenarien vor, in denen ein Kind alleine zu Hause blieb. Übereinstimmend nannten die Befragten – die es schon aufgrund ihrer Ausbildung in therapeutischen Berufen besser wissen sollten! – die Mutter als fehlendes Element in diesem Bild. Grau ist eben alle Theorie.

Nein, selbst heute sind wir weit von Umständen entfernt, die es Frauen leicht machen würden, für sich selbst eine so zufriedenstellende, familienunabhängige Identität zu entwickeln, dass sie die Herausforderungen der späteren Jahre leichtfüßig und leichtherzig bewältigen könnten. Was Wunder, dass die Frauen früherer Generationen – diejenigen, die aktuell Schwiegermütter sind oder es in naher Zukunft sein werden – über noch viel weniger Rüstzeug für diesen schwierigen Lebensabschnitt verfügen. Tun Sie mir bei aller verständlichen Abneigung gegen Ihre eigene Schwiegermutter für einen Moment den Gefallen, sich in diese Frau hineinzuversetzen:

Jahrzehntelang hat sie ihre Erfüllung und Befriedigung ausschließlich aus ihrem Einsatz für die Familie bezogen. Ihr Ehemann verschanzte sich in dieser Zeit traditionell gerne hinter Beruf, Zeitung und Freizeitaktivitäten und glänzte viel durch Abwesenheit – das „neue“ Männerbild, in dem ein Vater noch andere Aufgaben hat, als für das Familieneinkommen zu sorgen und abends bei Bedarf den Kindern den Hosenboden stramm zu ziehen, beginnt sich erst sehr, sehr langsam und gegen viele innere und äußere Widerstände zu etablieren. Erste und wichtigste Bezugspersonen dieser Frau waren lange Zeit ihre Kinder. Solange sie in deren Herzen den ersten Platz einnahm, so lange fühlte sie sich gebraucht, geliebt und wertvoll. So lange war sie unmittelbar im Leben, am Leben!

Wahrscheinlich trifft dieser Zustand besonders dann zu, wenn dieses Kind ein Sohn ist, denn in ihm und durch ihn kann sie viele der eigenen unerfüllten Träume wahr werden lassen: Er hat den beruflichen Erfolg, der ihr verwehrt blieb, er lebt so frei und unabhängig, wie sie es vielleicht gerne getan hätte. Alle Möglichkeiten stehen ihm offen – weil sie dafür gesorgt hat, dass er die beste Ausbildung bekommen hat und alle seine Chancen nutzen konnte. Sie hat ihn umsorgt und gehätschelt, all die vielen Jahre über. Nichts war gut genug für ihn. Sie war seine erste große Liebe. Sie hat ihn getröstet und wieder aufgebaut, nach der ersten Schramme im Kindergarten genauso wie nach dem verlorenen Fußballspiel in der B-Jugend. Sie hat seine Wäscheberge gewaschen und seinen dauernd hungrigen Studentenmagen gestopft. Zahllose Opfer hat sie für ihn gebracht, um ihm den Weg ins Leben zu ebnen, von den durchwachten Nächten an seinem Kinderbett bis hin zu den horrenden Kosten seiner Ausbildung, die sie nur mühsam vom Haushaltsgeld abgezwackt hat. Er ist ihr ganzer Stolz, ihre persönliche Lebensleistung.

Und jetzt – jetzt, wo sie ihn am dringendsten braucht, seine Aufmerksamkeit und Dankbarkeit, seinen Erfolg, in dessen Abglanz sie sich sonnen kann – jetzt kommen Sie daher, jung, unerfahren, unbekümmert, und wollen ihn ihr einfach wegnehmen! Wollen sich auf den Thron setzen, der eigentlich ihr zusteht, den sie sich in all den Jahrzehnten unter vielen Mühen und Tränen verdient hat! Und sie, die Schwiegermutter, soll den Platz räumen, wird beiseite geschoben wie ein ausrangiertes Möbelstück, das man durch ein neues, frisch glänzendes ersetzt. Sie soll den Kopf neigen und abtreten, während Sie auf der Bühne die Hauptrolle besetzen wollen, die bisher die ihre war!

Nun, ist es Ihnen gelungen, ein Stück des Weges in den Schuhen Ihrer bösen Schwiegermutter zu gehen? Wundert es Sie noch, dass sie sich so schwer damit tut, Sie mit offenen Armen aufzunehmen? Ist Ihnen deutlich geworden, welche Ängste und Befürchtungen sie höchstwahrscheinlich hegt, seit Sie auf der Bildfläche erschienen sind? Eigentlich ist es nicht erstaunlich, dass sie sich an diesem Sohn mit aller Kraft festklammert und ihn auf keinen Fall in sein neues Leben mit Ihnen entlassen will. Vielleicht war es diese vielen Schwiegermüttern nachgesagte Verhaltensweise, die bei der Namensgebung für ein medizinisches Utensil Pate stand: Eine spitze Klammer, die sich mit ihren Haken in den elastischen Verband krallt und ihn so fixiert, wird nämlich kurioserweise ebenfalls als „Schwiegermutter“ bezeichnet. Ein Zufall?

Alles eine Frage der Perspektive – Teil I

Eine weitere Sache macht Ihrer Schwiegermutter vermutlich zu schaffen. Es gibt einen netten Witz, der diese spezielle Problematik auf den Punkt bringt, und den ich Ihnen nicht vorenthalten möchte:

Zwei Frauen begegnen sich auf dem Wochenmarkt. „Ach, schön, dich mal wieder zu sehen!“ meint die erste. „Wir haben uns ja so lange nicht getroffen – ich habe gehört, deine Tochter hat inzwischen geheiratet? Wie ist ihr Mann denn so?“ – „Oh“, erwidert die zweite „mein Schwiegersohn ist ein echter Traummann! Er trägt meine Tochter wirklich auf Händen. Er verdient gut, hat eine tolle Position in seinem Unternehmen, und wenn er abends heimkommt, dann hilft er ihr, wo er nur kann. Nichts lässt er sie selber machen – er wäscht und bügelt die ganze Wäsche, putzt die Wohnung, kauft ein und kocht auch noch selbst! Sie muss sich nur aufs Sofa legen und wird verwöhnt. Selbst die Kinder bringt er ins Bett, und wenn er sich dann zu meiner Tochter setzt, dann bekommt sie noch eine Fußmassage von ihm. So einen Mann hätte ich auch gerne gehabt!“ – „Ja“, lacht die andere, „hätten wir wohl alle gern! Das ist ja wunderbar, dass es deiner Tochter so gut geht. Aber sag mal, ich hab gehört, dein Sohn hat auch geheiratet in der Zwischenzeit. Hat der es denn auch so gut getroffen?“ – „Ach, überhaupt nicht!“, stöhnt die erste. „Der hat eine wirklich furchtbare Frau erwischt! So was von faul – wenn er abends nach seinem anstrengenden Job heimkommt, muss er selber die Wäsche waschen, putzen, bügeln, die Kinder ins Bett bringen und ihr sogar das Abendessen servieren, weil sie nicht gerne kocht! Und sie gammelt derweil nur auf dem Sofa herum und will noch die Füße massiert bekommen ...“

Sie sehen, es ist immer eine Frage der Perspektive! Ihre Schwiegermutter ist und bleibt die Mutter Ihres Mannes, nicht die Ihre. Mit ihm verbindet sie viel, sein Wohl liegt ihr am Herzen. Mit Ihnen verbindet sie erst mal nichts, außer dem Sachverhalt, dass Sie beide zufällig denselben Mann lieben. Was immer an Beziehung zwischen Ihnen beiden darüber hinaus noch entsteht, kann lediglich ein Ergebnis beiderseitigen Bemühens oder einfach das Geschenk spontaner Sympathie sein. Auch für Sie selbst gilt, dass Ihnen Ihre eigene Mutter im Zweifel immer sehr viel näher stehen wird als diese Frau, die Sie da qua Unterschrift beim Standesamt plötzlich als „Zweitmutter“ ins Haus geliefert bekommen haben. Mütterliche Gefühle für Sie bekommt sie ja leider nicht zusammen mit dem Sektglas in die Hand gedrückt, auch wenn unsere deutsche Bezeichnung Schwiegermutter etwas anderes zu suggerieren scheint. Übrigens scheinen frühere Generationen diese Beziehung nüchterner betrachtet zu haben als wir heute: die ursprüngliche, heute veraltete Form des Wortes lautete nämlich einfach „die Schwieger“.

Diese natürliche Distanz zwischen Ihnen beiden hat natürlich einen Effekt auf Ihren jeweiligen Umgang miteinander. Sehr schön wurde dieses Verhalten durch eine Untersuchung von Lucy Rose Fischer 1986 belegt. Sie befragte darin Frauen, wie sie die Einmischung ihrer eigenen Mutter und die Einmischung ihrer Schwiegermutter in ihr Leben (etwa durch Ratschläge, unangekündigte Besuche oder unwillkommene Kommentare) empfanden. Umgekehrt befragte Fischer die dazugehörigen Mütter und Schwiegermütter, wie oft sie beispielsweise bei dem jungen Paar anriefen oder persönlich vorbeikamen. Und siehe da, es stellte sich heraus, dass die jungen Ehefrauen die Einmischungsversuche ihrer eigenen Mütter als weit weniger lästig bewerteten als die ihrer Schwiegermütter. Gab die eigene Mutter einen Ratschlag, wurde dies eher als Hilfe angesehen, kam der gleiche Rat aber von der Schwiegermutter, galt er als aufdringlich und unangemessen. Wie der Volksmund so richtig sagt: Wenn zwei dasselbe tun, ist es noch lange nicht dasselbe!

Vielleicht schütteln Sie jetzt den Kopf und denken: Etwas anderes zu erwarten, wäre angesichts der Verwandtschaftsverhältnisse und der gemeinsamen (oder eben nicht gemeinsamen) Geschichte der beteiligten Personen unvernünftig! Und damit haben Sie natürlich Recht. Letzten Endes ist das Verhältnis zwischen Ihnen und Ihrer Schwiegermutter nicht durch Zuneigung oder eigenes Zutun entstanden, sondern lediglich durch eine Art Folgeerscheinung Ihrer Partnerwahl – ein Umstand, dem die kühlen Engländer mit ihrer Bezeichnung „mother-in-law“ (etwa: Mutter per gesetzlicher Bestimmung) für Schwiegermutter sehr sinnig Rechnung tragen. Was kann man von einer solchen unfreiwilligen Gemeinschaft schon groß erwarten?

Trotzdem ist es in der Realität eigenartigerweise so, dass an die Beziehung Schwiegertochter – Schwiegermutter meist andere, sehr viel höhere Ansprüche gestellt werden – und zwar von allen Beteiligten: Die meisten Schwiegertöchter starten mit den allerbesten Vorsätzen in die neue Situation. Sie wollen ihre neue Schwiegermutter als Partnerin für sich gewinnen, im besten Fall sogar als Freundin. Sie wünschen sich von Herzen, ihr ebenso gut zu gefallen wie ihrem Sohn (na ja, fast zumindest!) und geben sich oft alle Mühe, damit aus dem Nichts eine möglichst vertraute Atmosphäre zwischen ihnen und der Schwiegermutter entsteht. Die Schwiegermutter selbst erwartet von dem neuen Familienmitglied, dass es ihr dieselbe Achtung und Zuneigung (und eventuell Gehorsam) entgegenbringt, die sie von ihren eigenen Kindern gewohnt ist, während sie selbst gleichzeitig keinesfalls in der sattsam bekannten Schwiegermutter-Schublade landen möchte. Der Sohn-Ehemann wünscht sich natürlich einen guten Kontakt zwischen den beiden Frauen, weiß er doch, dass er im anderen Fall derjenige sein wird, der sofort zwischen die Fronten und mitten ins Kreuzfeuer geraten wird. Und das engere und weitere Umfeld schaut wohlwollend auf den neu geschlossenen Bund fürs Leben und geht wie selbstverständlich davon aus, dass sich alle Beteiligten spätestens nach dem Jawort in den Armen liegen, Tränen der Rührung vergießen und fortan miteinander selig und in Freuden leben.

Eigentlich eine sehr optimistische, um nicht zu sagen unrealistische Erwartungshaltung, finden Sie nicht? Wer jemals versucht hat, sich in den Freundeskreis des Partners zu integrieren, der weiß: Selbst unter den Freunden des Menschen, in den man rettungslos verliebt ist, wird es immer mindestens einen, meist mehrere geben, mit denen man selbst einfach nicht warm wird. Verzweifelt fragt man sich, was der Liebste bloß an diesem Menschen findet, der einem selbst von Herzen zuwider ist. Warum sollten für seine Mutter unbedingt so andere Gesetze gelten? Nur, weil sie mit ihm verwandt ist? Das spricht sogar im Grunde dafür, dass es mit ihr noch schwieriger sein wird – seine Freunde konnte er sich ja immerhin aussuchen, seine Mutter aber nicht! Ob es zwischen Ihnen und Ihrer Schwiegermutter gut oder schlecht läuft, kann einfach eine Frage der zwischenmenschlichen Chemie sein. Manchmal passt sie und manchmal eben leider nicht. Vielleicht lässt sich das Ganze am besten mit einer neuen Kollegin in Ihrem Team vergleichen, die Ihnen ohne Ihre Mitsprache vor die Nase gesetzt wurde (und umgekehrt). Die Chancen, ob Sie beide einander sympathisch finden werden oder einfach unausstehlich, stehen etwa 50:50.

Im Griff der Gene?

Ganz abgesehen von der Frage nach normalen zwischenmenschlichen Sympathien und Antipathien sind manche Evolutionspsychologen der Meinung, dass speziell zwischen Schwiegermutter und Schwiegertochter schon aufgrund ihrer Erbanlagen nur schwer ein wirklich guter Draht entstehen kann. Genetisch betrachtet, verfolgen Sohnes-Mütter und Töchter-Mütter nämlich entgegengesetzte Strategien, mit denen sie dafür sorgen, dass ihr eigenes Erbgut möglichst erfolgreich fortbesteht. Der Grund dafür wurzelt in den unterschiedlichen Voraussetzungen, mit denen ihre jeweiligen Kinder in ihre reproduktive Lebensphase starten.

Männer sind biologisch betrachtet in der Lage, praktisch unbegrenzt viele Kinder zu zeugen, und damit die eigenen Gene (und natürlich die Gene ihrer Mutter) zahlreich zu hinterlassen. Dazu müssen sie im Idealfall mit möglichst vielen verschiedenen Frauen möglichst viele Kinder bekommen. In die anschließende Pflege der Kinder muss der Mann im Grunde – wenn überhaupt – nur sehr wenig investieren, denn viel Aufwand würde sich hier für ihn nicht lohnen. Brutal ausgedrückt: Wenn er im Laufe seines Lebens nur genügend Kinder zeugt, werden unterm Strich auch ohne seine Hilfe anschließend schon ausreichend viele überleben, damit seine Gene erhalten bleiben.

Bei Frauen sieht die Sache anders aus. Bedingt durch die lange und aufwendige Schwangerschaft und Stillzeit, aber natürlich auch durch ihre zeitlich begrenzte Fruchtbarkeit, ist ihre Möglichkeit, den Fortbestand ihrer Gene zu sichern, stark eingeschränkt. Eine Frau kann nicht unbegrenzt viele Kinder bekommen. Für sie ist es sehr viel wichtiger, dass die wenigen, die sie bekommt, wirklich das Erwachsenenalter erreichen und sich ihrerseits fortpflanzen können. Nur so kann sie sicherstellen, dass ihr Erbmaterial nach ihrem Tod weitergegeben wird.

Was bedeuten diese unterschiedlichen männlichen und weiblichen Strategien zum Gen-Erhalt nun für die Mütter von Mann und Frau? Ganz einfach: Der Tochter-Mutter muss sehr daran gelegen sein, dass der Partner ihrer Tochter der Familie als Versorger und Helfer bei der Kinderpflege dauerhaft zur Verfügung steht. Sie will, dass er ihrer Tochter treu bleibt. Damit erhöht sie nämlich die Chancen, dass ihre Enkelkinder einen guten und sicheren Start ins Leben haben und anschließend irgendwann dafür sorgen werden, dass ihre Gene in ihren Urenkeln weiterleben. Mit Vaters Hilfe war das schon immer einfacher als ohne: Zu Neandertalers Zeiten ging es vermutlich eher darum, dass er den Säbelzahntiger von der Familienhöhle vertreiben musste, aber auch heute leben 55 % aller Kinder, die von Sozialhilfe abhängig sind, bei Alleinerziehenden. Mama-Oma tut daher gut daran, ihrer Tochter bei der Familiengründung und Kinderpflege so gut wie möglich zur Seite zu stehen. Soziobiologen nennen das gern „indirekte Brutpflege“.

Die Sohnes-Mutter dagegen kann – durch die Brille der Evolution betrachtet – eigentlich kein Interesse daran haben, dass ihr Sohn langfristig nur mit einer Frau Kinder zeugt und dieser Erstfamilie treu bleibt. Denn damit verschenkt er die zahllosen Möglichkeiten, seine – und damit ihre – Gene anderweitig zu verbreiten. Für sie und ihre Gen-Erhaltungsstrategie wäre es günstiger, wenn er die Schwiegertochter möglichst bald wieder verlassen und mit weiteren Frauen Kinder bekommen würde.

Das gilt für Papa-Oma doppelt, weil sie – ebenso wie ihr Sohn – der Frau (und deren Mutter) gegenüber in einer Hinsicht entscheidend im Nachteil ist: Weder der Mann noch seine Mutter können nämlich je wirklich sicher sein, dass das Kind, in das sie ihre Ressourcen investieren, tatsächlich seins ist! Die Mutter (und deren Mutter) dagegen muss sich diesbezüglich keine Gedanken machen. „Mama’s baby, Papa’s maybe“, bringen die Angelsachsen dieses Ungleichgewicht des Wissens hinsichtlich Vater- und Mutterschaft salopp auf den Punkt. Schätzungen hinsichtlich der sogenannten Kuckuckskinder schwanken zwar nur zwischen 3,5 und 20 %, betreffen also eine vergleichsweise geringe Anzahl der Kinder, doch genetisch betrachtet ist es für Mann und Schwiegermutter nun mal eine Art Super-GAU, wenn die Partnerin des Mannes ihm einen fremden Nachkömmling unterjubelt: Er steckt dann seine ganzen Bemühungen in die Hege eines Kindes, das ihm in Sachen Genweitergabe rein gar nichts bringt! Und das, obwohl er stattdessen die Zeit und Energie so schön hätte nutzen können, um mit anderen Frauen eigene Kinder zu zeugen, die seine (und Mutters!) Chromosomen in die Welt hinaustragen könnten.

Ihre eigene Mutter und die Mutter Ihres Mannes hegen dieser Theorie zufolge also höchst unterschiedliche Interessen, wenn es um Sie und Ihre Kinder geht. Die eine profitiert davon, wenn es zwischen Ihnen beiden gut läuft und Sie alle harmonisch zusammenleben. Die andere büßt dadurch in gewisser Weise einen Fortpflanzungsvorteil ein. Aber ist das wirklich Grund genug, Sie aufs Korn zu nehmen?

Nun, es gibt tatsächlich Untersuchungen, die belegen, dass Enkelkinder im ersten Lebensjahr eine bessere Überlebenschance haben, wenn die Großmutter väterlicherseits nicht präsent ist. Eine Studie des Max-Planck-Instituts und der Universität Gießen wies sogar nach, dass Babys während der Zeit der Schwangerschaft und bis zu einem Monat nach der Geburt ein um bis zu 150 % (!) erhöhtes Sterberisiko hatten, wenn ihre Omas väterlicherseits noch lebten. Die Forscher vermuteten als Ursachen hierfür höheren Stress während der Schwangerschaft (durch mögliche Konflikte zwischen den Frauen) und eventuell geringere Fürsorglichkeit der Schwiegermutter gegenüber der (nicht blutsverwandten) Schwiegertochter und dem Enkelkind. Lebte nur noch die Oma mütterlicherseits, waren die Überlebenschancen des Babys während der Schwangerschaft und im ersten Lebensjahr überdurchschnittlich hoch. Offensichtlich ist die Mutter der Mutter den Enkelkindern in irgendeiner Hinsicht gesundheitlich zuträglicher als die Mutter des Vaters. Dieser Unterschied zwischen dem Einfluss der Mama-Oma und der Papa-Oma trat übrigens weltweit und in unterschiedlichen Kulturen und Epochen auf. Die Schwiegermutter – nicht nur gemein, sondern potenziell sogar tödlich?

Ehe Sie jetzt zum Telefonhörer greifen und Ihre Schwiegermutter anschreien: „Ich hab’s ja gewusst, du willst mich aus dem Haus treiben und mein Kind umbringen!“ – bremsen Sie sich bitte! Diese Annahme von Evolutionspsychologen ist natürlich alles andere als unumstritten. Selbst wenn sie zutreffen sollte, funktionieren solche Dynamiken – so es sie tatsächlich gibt – vollkommen unbewusst und ohne jede böse Absicht der Beteiligten. Die Forscher sprechen vom „biologischen Imperativ“, einem Mechanismus, der sich im Laufe der Evolution herausgebildet hat und unser Verhalten steuert, ohne dass wir das selbst wollen oder merken. Ihre arme Schwiegermutter hätte zu Recht überhaupt keine Ahnung, wovon Sie da plötzlich reden! Bei all den schönen Studien darf man nicht die Tatsache aus den Augen verlieren, dass letzten Endes immer nur ein Zusammenhang zwischen zwei Elementen nachgewiesen werden kann – Korrelation nennen das Statistiker. Über die Ursache für diesen Zusammenhang können die Forscher dann in den meisten Fällen lediglich mehr oder weniger gut begründbar und plausibel spekulieren. Ob es tatsächlich ein solches Geflüster der Gene gibt, das für die gefundenen Zahlen verantwortlich ist, wird möglicherweise nie endgültig festzustellen sein.

Erst mal durchatmen

Wenn Sie dieses Kapitel gelesen haben, ist Ihnen hoffentlich eines klar geworden: Die Selbstverständlichkeit, mit der in aller Regel eine gute Beziehung zwischen Schwiegermutter und Schwiegertochter erwartet, sogar gefordert wird, ist eigentlich unangebracht. Ganz im Gegenteil, Sie sind beide vermutlich sogar unter ausgesprochen schwierigen Bedingungen in Ihre gemeinsame familiäre Verbundenheit gestartet. Ein zufriedenstellendes Verhältnis zwischen Schwiegermutter und Schwiegertochter ist weder von Natur aus gegeben, noch wird es automatisch als nette Dreingabe zum Eheversprechen dazugepackt. Kommt es tatsächlich zustande, ist es entweder Resultat beiderseitigen Bemühens oder einfach ein Glücksfall, auf den nun mal leider kein Rechtsanspruch besteht. Behalten Sie diese Erkenntnis bitte im Hinterkopf – in Kapitel VI werde ich noch näher darauf eingehen, warum sie für die Lösung Ihres Schwiegermutter-Problems sehr wichtig ist.

III. Schwierige Schwiegermütter – kleine Typenlehre

„Wer andere unglücklich macht, gibt gewöhnlich vor, ihr Bestes zu wollen.“

(VAUVENARGUES)

Das Handlungsspektrum von schwierigen Schwiegermüttern ist breit gefächert. Nachfolgend finden Sie zur Illustration eine – bitte mit einem gewissen Augenzwinkern zu lesende! – Auflistung möglicher Schwiegermutter-Modelle. Selbstverständlich gibt es Mischformen zwischen den einzelnen Prototypen. Auch die Methoden, mit denen die beschriebenen Exemplare ihre Schwiegertöchter „im Griff“ haben, sind nicht unbedingt nur dem jeweiligen Typus zuzuordnen, sondern werden durchaus auch mal gattungsübergreifend zum Einsatz gebracht. In der Summe sollten Sie aber Ihre schwierige Schwiegermutter irgendwie wiedererkennen.

Die Auster: „Du bist nicht die Richtige für meinen Sohn!“

Esther (34) erzählt:

„Die Mutter meines Freundes erzählt jedem immer, was für einen schlechten Fang ihr Sohn mit mir gemacht hat. Sie hat überhaupt kein Interesse an mir als Person. Wenn sie anruft und ich bin dran, sagt sie immer sofort, ich solle ihr bitte Stefan geben. Kein Wort zu mir. Auf die Idee zu fragen, wie es mir geht oder mal ein bisschen Smalltalk mit mir zu machen, kommt sie nicht. An meinem Geburtstag hat sie sich noch kein einziges Mal gemeldet. Kein Anruf, keine Karte, kein Geschenk, nichts. Und dabei sind wir nun über acht Jahre zusammen! Manchmal tut das wirklich verdammt weh.“

Katja (26) erzählt:

„Als Ralf mich das erste Mal mit zu seinen Eltern nahm, war innerhalb von zehn Sekunden klar, dass seine Mutter mich nicht ausstehen konnte. Allein der Blick, als sie die Tür aufmachte! Wir waren zum Kaffee gekommen, und sie vermied es fast die ganze Zeit, mich anzusehen, geschweige denn mit mir direkt zu sprechen. Stattdessen bearbeitete sie in einer Tour Ralf. Er hatte ihr vorab am Telefon erzählt, dass wir eine Wohnung gefunden hatten und zusammenziehen wollten. Sie rechnete ihm in allen Einzelheiten vor, dass das der blanke Wahnsinn sei, weil ich damals noch in der Ausbildung war und sehr viel weniger verdiente als er. Als er sagte, das sei ihm egal, wir würden sowieso demnächst heiraten, weil ich schwanger sei, dachte ich, sie wird am Tisch ohnmächtig!

Zu unserer Hochzeit ist sie dann tatsächlich von Kopf bis Fuß in Schwarz erschienen. Als meine Schwester eine Bemerkung dazu machte, sagte sie gerade so laut, dass ich es hören musste: „Für mich ist das heute nun mal ein Trauertag, ich verliere schließlich meinen Sohn!“ Im Nachhinein habe ich erfahren, dass meine Schwiegermutter tatsächlich sogar am Tag vor unserer Trauung noch beim Pfarrer war und ihm erklärt hat, sie wisse nicht, ob sie zu unserer Hochzeit überhaupt erscheinen könne. Sie sei so sehr davon überzeugt, dass unsere Ehe in eine Katastrophe führen würde, dass sie nicht guten Gewissens in der Kirche sitzen könne. Man stelle sich das mal vor! Der Pfarrer hat sie dann scheinbar irgendwie beschwichtigt, gekommen ist sie jedenfalls, und sie hat auch keinen öffentlichen Skandal vom Zaun gebrochen. Aber sie hat trotzdem auf ihre Weise dafür gesorgt, dass alle Anwesenden mitbekamen, was sie über diese Ehe und über mich dachte. Mein Schwiegervater hat zu all dem nichts gesagt, der stand total unter dem Pantoffel. Man merkte, dass ihm das Ganze unangenehm war, aber unternommen hat er nichts.“