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In der packenden Erzählung dieses Buches begleiten Sie Lars Landborg, einen renommierten Redakteur, bei seiner Begegnung mit Charles Rebond, einer Leuchte im Bereich der Persönlichkeitsbildung, in einem idyllischen Hotel in den Schweizer Alpen. Diese zufällige Begegnung vor Weihnachten wird zu einer lebensverändernden Reise der Selbsterkenntnis für Landborg und, was noch wichtiger ist, auch für Sie als Leser. Durch die Augen von Landborg tauchen Sie in die bahnbrechende 'Hüpfstrategie' ein. Diese Methode, inspiriert vom beliebten Kinderspiel 'Himmel und Hölle', verlangt von Ihnen, durch sieben klare Fragen zu hüpfen, die Sie dazu anregen, belastende Situationen neu zu betrachten und unabhängiges Denken zu fördern. Es geht nicht nur darum, Probleme zu lösen, sondern auch darum, geistige Klarheit und Selbstvertrauen zu erlangen. Durch die Aktivierung dieser Strategie erhalten Sie einen Überblick, der Ihnen hilft, sich bewusst in Ihren Gedanken und Perspektiven zu positionieren. Das Kernziel? Geistige Selbständigkeit. Ein Zustand, der in der heutigen hektischen Welt durch Selbsttäuschung und Wahrnehmungsverzerrung verloren geht. Die Hüpfstrategie rüstet Sie mit dem nötigen Werkzeug aus, um sich ständig selbst zu reflektieren, geistig autonom zu bleiben und sich jenseits des Einflusses des Egos zu entwickeln. Das Spiel mit der Strategie macht nicht nur Spaß, sondern ist auch ein mächtiger Wegweiser zur persönlichen Entwicklung. Wollen Sie sich nicht auch endlich wieder im Kontrollzentrum Ihrer Gedanken und Perspektiven wiederfinden? Wollen Sie die Führung über Ihre Aufmerksamkeit und Selbstwahrnehmung übernehmen? Dann lassen Sie sich von der Hüpfstrategie leiten und treten Sie in einen erkenntnisreichen Dialog mit Ihrem Inneren. Dieses Buch ist nicht nur eine Erzählung, sondern eine Einladung, der Regisseur Ihres eigenen geistigen Films zu werden.
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Seitenzahl: 202
Veröffentlichungsjahr: 2023
Michael Diemer
Hat das einen Sinn oder kann das weg?
Mit der Hüpfstrategie klare Gedanken fassen
© 2023 Michael Diemer
Umschlag, Illustration: Christian Hammer
Lektorat, Korrektorat: Marina Monaco (Fiverr)
Druck und Distribution im Auftrag des Autors:
tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland
ISBN
Hardcover
78-3-347-76532-0
e-Book
978-3-347-72131-9
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.
Cover
Titelblatt
Urheberrechte
Was mich antreibt
Der erste Schritt zum Kennenlernen
Der Kristall im Schneemann
Caesar Salad
Warum überhaupt?
Sterile Gehirne
Gravitation
Mensch ärgere dich nicht
Das A-Team
Die Konstante
Der Kreislauf
Ich sehe was, was Du nicht siehst
Himmel und Hölle
Follow me
Schreib das auf
Eine Frage habe ich noch
Dem Himmel entgegen
Ein Blick von oben
Auf den Punkt gebracht
Vom Sinn im Nutzen zum Glück kommen
Epilog
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Was mich antreibt
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Der Arzt und Philosoph Franz von Baader sagte einst:
»Alles Leben steht unter dem Paradox, dass wenn es beim Alten bleiben soll, es nicht beim Alten bleiben darf.«
Was mich antreibt
Mein Leben führte mich durch Täler, über Berge und in Museen. Stets waren Menschen an meiner Seite, die mir ihre Geschichte erzählten und mit denen ich neue Geschichten erlebte. Mit und durch diese Geschichten lernte ich, dass Leben Bewegung heißt. Wir starten in der grobstofflichen Welt mit dem Durchtrennen der Nabelschnur unsere eigene Geschichte und beenden sie mit dem letzten Atemzug auf dem Sterbebett. Einige Menschen nennen die Zeitspanne dazwischen unser Leben. Andere wiederum sprechen dabei nur von einem weiteren Kapitel einer viel größeren Geschichte. In meinem Elternhaus lernte ich das Fragen. Also fragte ich die Menschen nach ihren Erfahrungen, ihrem Lebenssinn und ihrem Glück.
Mich beeindruckten die Geschichten der Menschen, die von einer Idee umtrieben waren und geradezu rastlos an der Umsetzung arbeiteten. Nicht gerade selten waren dies Geschichten mit einem tragischen Held. Am Ende standen ein Lächeln und dieses Leuchten in den Augen. Mein Fazit: Leben ist Bewegung und viele Wege führen nach Rom. Nach deren Triebfeder gefragt, spielten häufig Lebensweisheiten eine Rolle, die keineswegs die Bewusstheitsspanne unseres Verstandes als maßgeblich und einmalig ansahen.
Scheinbare Sackgassen taten sich in einigen Geschichten früher oder später als Chancen auf. Zufälle passen manchmal nur nicht in den abgesteckten Horizont dessen, der die Geschichte gerade erlebt. Erkennen kann das allein, wer auch die Möglichkeit besitzt, über sich selbst lachen zu können. Ich erweiterte mein Fazit: Leben ist Bewegung, viele Wege führen nach Rom und mit Abstand betrachtet, sieht manches ganz anders aus.
Die Frage nach dem Sinn stellte sich als knifflige Geschichte heraus. Aus den Geschichten der Physik erfuhr ich, dass der Betrachter mit seinem Blickwinkel das Bild bestimmt. Ob es möglich ist, den Sinn jedes einzelnen Ereignisses zu ergründen, wage ich zu bezweifeln. Viel bedeutender ist es, zu beleuchten, wie wir mit einer Situation umgehen. Ein weiterer Ausbau meines Fazits stand an: Leben ist Bewegung, viele Wege führen nach Rom, mit Abstand betrachtet sieht manches ganz anders aus und mit Fragen lässt sich Bewegung ins Leben bringen.
Das sind für mich wichtige Erkenntnisse, die den Umgang mit den Ereignissen im eigenen Erleben leichter machen. Auf der Stelle zu treten, hieße sich zu bewegen, ohne vorwärts zu kommen. Einleuchtend, dass uns dies einem Ziel nicht näherbringt. Symbolisch gesprochen, will ich einen möglichen Weg gen Himmel beschreiben, der besonders dann interessant ist, wenn die aktuelle Wahrnehmung eine Sackgasse meldet.
Und welche Form, als die einer Geschichte, würde sich für die Vorstellung der Hüpfstrategie besser eignen.
Da ich gerade von Geschichten rede, will ich mit Ihnen auch meine Begeisterung für die kürzeste Form eben derer, den Aphorismus, teilen. Manchmal kommt er verschlüsselt, spannend oder humoristisch daher. Manchmal scheint er langweilig, platt oder selbstverständlich. Und manchmal gibt es nur diese eine Form, um auf den Punkt zu kommen.
Johann Wolfgang von Goethe fasste in knappen Worten den Sinn der Reise zusammen:
»Man reist nicht, um anzukommen, sondern um zu reisen.«
Es klingt ganz selbstverständlich und sagt dennoch mehr. Möglicherweise ist das auch auf das Leben übertragbar.
Der erste Schritt zum Kennenlernen
Es war einer dieser traumhaften Sommertage. Die Sonne schien am strahlendblauen Himmel. Ein leichter Wind strich den Gästen im Eiscafé durch die Haare. Wie gerne wäre ich da draußen dabei gewesen. Stattdessen drehte ich mich um und setzte mich wieder an meinen Schreibtisch. Meine Ausschweifungen nach draußen brachten mich aus meinem Konzept. Ich konzentrierte mich auf das leise Summen der Klimaanlage, die mein Büro auf konstante 22,5°C kühlte. Der gleichbleibende Ton hatte eine sammelnde Wirkung. Ich war seit Tagen damit beschäftigt, Charles Rebond zu kontaktieren. Mein Ziel war es, als erster Redakteur ein Interview mit dieser Persönlichkeit zu bekommen.
Womöglich passen Worte wie Berater, Trainer, Begleiter oder Erfinder als Beschreibung für diesen Mann. Er gründete einst und führt heute das Unternehmen Jump Strategies. Über ihn selbst gab es in der Vergangenheit wenig zu lesen oder zu hören. Über sein Wirken ranken sich in den entsprechenden Kreisen einige Erzählungen. Ein befreundeter Komponist gab mir den Tipp für diese Story. Da die bisherigen Kenntnisse meinerseits nur auf Hörensagen beruhten, kamen genug Argumente für mich zusammen, um den Dingen auf den Grund zu gehen. Bei Charles Rebond stehen Themen wie Reflektion, Selbstbestimmung und Kommunikation auf der Agenda. So viele Informationen habe ich über ihn und sein Unternehmen zusammengekratzt. Die offiziellen Quellen für Hintergrundinformationen waren in dieser Angelegenheit schnell abgegrast. Ein angeblicher Kunde von Jump Strategies hielt sich auch eher bedeckt und verwies auf einen direkten Kontakt zu Charles Rebond. Zu dem damaligen Zeitpunkt wusste ich nur wenig über diesen Mann und die Chance auf eine Standardstory mit gewöhnlichen Hinweisen zur Optimierung der Lebens- und Arbeitsweise lag bei 50:50. Warum erzähle ich Ihnen dann diese Geschichte? Heute, knapp 2 Jahre später, weiß ich, dass mich meine Intuition richtig geleitet hatte. Es wurde eine Geschichte, die mich auf meinem Lebensweg begleitet und meine Sinne geschärft hat. Als wissbegieriger Leser und Redakteur weiß ich um den Wert einer interessanten Geschichte. Da Sie dies nun hier lesen, gehe ich davon aus, dass Sie ebenfalls an einer Horizonterweiterung interessiert sind. Genau darum geht es nämlich in meiner Geschichte.
Monsieur Rebond arbeitet mit Methoden, die scheinbar geläufig und einfach daherkommen. Möglicherweise ist die Zutat Einfachheit auch das appetitanregende Gewürz in seiner Küche.
Die Nachricht, dass Charles Rebond sich auf ein Treffen mit mir einlassen würde, erreichte mich genau 8 Tage vor Weihnachten. Meine Begeisterung war so groß, dass ich, ohne zu zögern, das Ticket in die Schweiz buchte. Während eines Aufenthalts dort sollte ich ihn in einem Hotel in der Nähe von Zürich treffen. Gesagt, getan, reiste ich mit meiner Winterausrüstung, einigen Notizblöcken und Stiften dort an. Ich wusste, weder wer genau noch was mich erwarten würde.
Am besagten Tag wartete ich nachmittags in der Lobby des Hotels. Das Kaminfeuer knisterte und durch das Fenster sah ich wie die Landschaft schneeweiß glitzerte, als wäre ich im Inneren einer geschüttelten Schneekugel. Als der Ober mir einen fein duftenden Tee brachte, sah ich einen Mann durch den Eingang kommen. Er trug einen Schneeanzug, eine Pudelmütze und zwei große Handschuhe. Ein Mann, der perfekt ausgestattet für die nächste Schneeschuhwanderung war und direkt auf mich zukam. Als er an der Sitzgruppe ankam, zog er seine leicht feuchten Handschuhe aus und fragte: „Herr Lars Landborg? Sie sind der Redakteur von Business-Line. Liege ich da richtig?“ Ich bejahte die Frage und stand von meinem ruhigen Lager auf. Er reichte mir die Hand und stellte sich vor. „Ich bin Charles Rebond. Es war Ihnen ja ein wichtiges Anliegen, mich zu treffen.“ Ich nickte und erklärte, dass ihm ein hervorragender Ruf in Sachen Persönlichkeitsbildung vorauseile. „Als Redakteur interessiere ich mich natürlich für die Quelle hinter der Methode“, fügte ich hinzu. Rebond lachte und lud mich zu einem Spaziergang in die Winterwelt ein. Beim Hinausgehen fragte er, wann ich das letzte Mal einen Schneemann gebaut hätte.
In Tibet heißt es:
»Wie das Kind ist auchder Weisejemand,
der über alles staunen kann.«
Der Kristall im Schneemann
Charles Rebond und ich hatten das Hotel verlassen und gingen einen mit Schnee bedeckten Weg entlang. Jeder Schritt meiner Stiefel knirschte. Die Sonne stand etwas über den Alpenwipfeln. Die Landschaft war in ein angenehmes, winterliches Licht gehüllt. Wir liefen zu einer leichten Anhöhe. Oben angekommen, empfing uns ein Halbkreis aus unterschiedlichen Schneemännern. Der größte, er reichte mir bis zu den Schultern, trug einen silbernen Kochtopf als Hut. Der Bauch des mittleren Schneemannes war mit echten Knöpfen besetzt und jeder einzelne hatte eine orangene Möhrennase. Am vordersten waren noch vier Kinder zugange. Sie setzten gerade den Kopf auf den Rumpf. Von der Anhöhe aus rutschten Kinder auf Schlitten und kleinen Schalen hinab. Die kleinen Gefährte erinnerten an überdimensionierte halbe Walnussschalen. Wir sahen dem munteren Treiben einige Minuten fasziniert zu. Dann sagte Rebond: „Lassen Sie uns anfangen.“ Er zog seine Handschuhe aus, nahm eine Handvoll Schnee und formte einen Schneeball, als wäre es das Selbstverständlichste. Erstaunt tat ich ihm nach und füllte meine Hand mit Schnee.
„Spüren Sie die Beschaffenheit dieses Schnees?“, fragte Rebond in meine Richtung. „Meinen Sie nass und kalt?“, entgegnete ich. „Schnee besteht aus Kristallen. Unterschiedliche Witterungen schaffen unterschiedlichen Schnee. Kristalle unterscheiden sich in Form, Größe und Beschaffenheit. Natürlich wirkt sich das auf unseren Schneemann aus“, erklärte Rebond und hielt mir einen großen Schneeball hin. „Dieser Schnee haftet gut. Wir werden es leicht haben, große Kugeln zu rollen.“
Ja, ich war von Charles Rebond von der ersten Stunde an überrascht. Er war in seiner Euphorie für Schnee kaum zu bremsen. „Es ist wunderbar, wenn Kinder die Möglichkeit haben, den Winter, die Jahreszeit und den Schnee so zu erleben. Das Formen von Schneekugeln, das Lenken eines Schlittens, die Herausforderung des Gleichgewichts in der Nussschale, das wärmende Bewegen in der Kälte, all das prägt etwas Elementares. Es geht um das Gespür. Das Wahrnehmen dessen, was uns unsere Sinne vermitteln. Aufgeweckte Sinne bewirken automatisch eine aufgeweckte Persönlichkeit“, führte er aus.
Aufmerksam hörte ich zu, während ich die erste Schneekugel zu einer nennenswerten Größe rollte. „Das heißt, dass Ihrer Meinung nach unsere Sinne zu wenig ausgeprägt sind?“, fragte ich in die Richtung des eifrig bauenden Unternehmers. „Landborg“ rief er aus, „was haben Sie heute alles mit einem Knopfdruck in Gang gebracht?“ Im Zeitraffer flog mein Tag rückwärts an mir vorbei. Mein Filter brachte mir Bilder von Lichtschaltern, der Kaffeemaschine, meinem Laptop, meinem Auto, meinen Mails und meinem Smartphone vor Augen. Bevor ich antworten konnte, sagte Rebond: „Ohne Ihre Antwort zu kennen, weiß ich, dass Sie über 50 % der Abläufe mit einem Knopfdruck oder einer Programmierung gestartet haben. Dieser Fortschritt ist bedeutend, hat jedoch zwei Seiten. Die eine Seite zeigt den Gewinn an Zeit und Freiheit. Die andere Seite zeigt eine Entfremdung vom feinen Detail des Wahrnehmens. Als Redakteur in Ihrer Branche brauche ich Ihnen kaum zu erklären, dass Methoden zur Steigerung der Achtsamkeit und Wertschätzung gerade überall präsent sind. Was meinen Sie, warum das so ist?“
Ich ließ meinen Blick über den Hügel schweifen. Scheinbar war ich zu lange in Gedanken versunken, als ich so ins Leere blickte. Damit führte Rebond weiter aus: „Jeder einzelne Akt der Wahrnehmung, der aus den unzähligen, an sich völlig subjektiv aufgenommenen Sinneseindrücken eine Erfahrungseinheit bildet, ist ein Gestaltungsprozess des geistigen Ichs.“ Meine Mimik folgte dem Grad meines Verstehens ins Leere. „Nun, sobald ein Mensch wahrnehmen kann, wird er mit der Grenze seiner Wahrnehmung auch zunächst einmal die Grenze seiner Welt ziehen. Auf den Gestaltungsprozess der Persönlichkeit übertragen, bedeutet dies, dass die Entwicklung mit den Grenzen der Wahrnehmung gleichzieht. Das Trainieren der Achtsamkeit bringt also im besten Ergebnis eine Grenzerweiterung. Manchmal hält das allerdings nur wenige Wochen oder Monate. Dann kommen die Gewohnheit und der alte Maßstab wieder zurück. Kinder erleben ihre Umgebung aus einem anderen Blick heraus. Keines dieser Kinder hier auf dem Hügel käme auf die Idee, einem anderen Kind zu erklären, dass ein solcher Schneemann eines zukünftigen Physikers nicht würdig wäre. Erwachsene erreichen solch eine Art von ungefragter Beeinflussung wesentlich selbstverständlicher. Der Punkt ist die Abwendung vom Original, dem individuellen Kunstwerk und damit auch vom Künstler. Können Sie mir folgen?“
Ich kramte hektisch in meinen Jackentaschen nach dem Fetzen Papier, der meine Gedanken nun aufnehmen könnte. Der Stift war schon schreibbereit in meiner linken Hand. Nur ein Blatt oder ein Kassenzettel oder ein altes Rezept wollte nicht auftauchen. Derweil rollte Rebond eine immer größer werdende Schneekugel vor sich her. Dabei rief er mich zur Hilfe und erklärte mir, dass ich ihm gut folgen werde, wenn ich den Krampf der Konservierung hinter mir ließe. Er bezog dies vermutlich auf mein Bedürfnis alles aufschreiben zu wollen. Habe ich mir das anmerken lassen? Das Grübeln versetzte mich in eine kurze Handlungspause. Meine Gedanken rasten von Diktiergerät zu Block und wieder zur Suche nach dem Stück Papier zurück. Mich plagte die Angst vor dem Vergessen und damit dem Versagen bei der Anfertigung einer eindrucksreichen Story. Meine Leser, so dachte ich, haben nur die interessantesten Geschichten verdient. Als könne er auch noch Gedankenlesen, fuhr mir Rebond in die Gedankenparade: „Wenn Sie es nicht erleben, werden es Ihre Leser auch nicht verstehen. Und Erleben hat viel mit Leben und wenig mit Notieren zu tun. Uns selbst zu erleben, bedeutet, dass der Mensch sich zunächst völlig wertungsfrei auf eine Metaebene begibt.“ Rebond musste in diesem Augenblick spüren, wie stark ich der Aufnahme seines Fadens hinterherhinkte. Was er da mit Leben und Erleben sagte, war ja so logisch. Er ließ von seiner Schneekugel ab und wendete sich dem Abhang zu. „Wir blicken von hier oben auf die Geschehnisse im Tal. Da wir weder mit einem Ereignis oder einem Menschen dort unten aktiv in Verbindung stehen, können wir in völliger Gelassenheit die Ereignisse wahrnehmen. Je nach Beschaffenheit des eigenen Erfahrungshintergrunds und der eigenen Ängste interpretieren wir diese Beobachtungen dann. Zu diesen Hintergründen gesellt sich auch noch der Glaube, wer wir sind. Gerade sprachen wir von den Wahrnehmungen der Kinder. Ihr Erfahrungshintergrund zu Schnee, Schlittenfahren und Schneemannbauen ist mit Spaß und Freude gefüllt. Ein Mensch, der mit Schnee, Kälte oder Geschwindigkeit miese Erfahrungen gemacht hat, wird dem Rodeln mit einer großen Portion Skepsis gegenüberstehen.“ Langsam lüfteten sich meine Gesichtszüge. Ich fing an, den Faden seiner Ausführungen aufzunehmen. „Der springende Punkt betritt nun die Bühne. Weiß unsere Versuchsperson von der Prägung? Biologisch sinnvolle Programme laufen nämlich höchst unbemerkt als Hintergrundprozess ab. Das kennen Sie zum Beispiel von dem körperlichen Notprogramm Stress. Die Gefahr löst augenblicklich ein Programm zur Lösung aus. Das ist eine effiziente und sinnvolle Methode, um einem Braunbären zu entkommen. Die Devise lautet: Leistung für die Muskeln, um zu flüchten. Die Gefäße, die Hormone und der Herzschlag reagieren innerhalb weniger Sekunden. Kennen Sie das?“
Etwas verdutzt blickte ich Rebond an und ich hörte mich bestätigend sagen: „Natürlich habe ich das schon erlebt.“
„Sie haben völlig recht. Sie haben es erlebt und sie werden es erleben. Der Braunbär hat inzwischen natürlich seine Form und sein Auftreten verändert. Braunbären treten in unserer aktuellen Welt als Steuerberater, Politessen, Vorgesetzte, Kollegen, Kunden oder auch als Arzt auf. Die Reaktion auf die Gefahr ist genau die gleiche wie vor langer Zeit die Reaktion auf das größere wilde Tier. Wir stammen biologisch von diesen Wurzeln ab. Da hilft weder Smartphone noch Mailadresse. Die biologische Herkunft ist und bleibt.“
Während er sich seiner Schneekugel zuwandte, führte er fort: „Das, was wir nun genutzt haben, ist die von mir angestrebte Metaebene. Wir betrachten das Geschehen aus einer Metaperspektive. Beginnen wir also auf der intellektuellen Seite und nutzen die Fähigkeiten unseres Gehirnes. Dieses kann sich bewusst sein, „ich flüchte“ und gleichzeitig „ich flüchte und bin gestresst“.“
Langsam kam ich seiner Erklärung nach. Ich antwortete bestätigend: „Sie meinen eine Selbstbeobachtung, die dann zu einer alternativen Verhaltensweise führen kann.“
„Natürlich ist es genauso einfach, wie sie es sagen. Einzig an der Umsetzung scheitern reihenweise gestandene Männer und Frauen im Geschäftsleben. Sehen Sie, Ereignisse sind von sich aus neutral. Sekunde, Minute, Stunde und Tag sind einfache Einheiten. Sie sind an sich im Ursprung völlig unbelastet. Menschen geben den Dingen, dem Ereignis oder dem Gegenüber einen Wert. Und das auch noch höchst unterschiedlich. Die eine Person fand das Hotel, das Essen und den ganzen Urlaub traumhaft. Eine andere Person beschreibt den Urlaub als größte Enttäuschung. Es geht um dasselbe Hotel, das gleiche Essen und dieselbe Zeit. Auf unterschiedliche Art und Weise werten, titulieren und etikettieren wir ständig. Nun schließe ich den Kreis zu dem Vorherigen. Menschen schaffen sich vor ihrem individuellen Erfahrungshintergrund ihre eigene Realität. Die Kinder hier oben haben Spaß im Schnee. Andere Menschen scheuen aus den verschiedensten Gründen solche Spektakel. Wir machen jetzt endlich weiter und bringen unsere Eisfrau in Position.“
Rebond setzte mit großer Motivation das Rollen seiner Schneekugel fort. Ich machte mich derweil an meine Kugel. Meine Gedanken irrten durch meinen Kopf. Als hätte ich gleich die Gelegenheit, das Erfahrene im Leben zu testen. Mich trieb die Bezeichnung „Eisfrau“ um. Zahlreiche Gedanken pingten zu der Bezeichnung auf. Vielleicht hatte er das bewusst so tituliert. Doch warum sollte er das tun? Bauten wir etwas anderes als einen Schneemann? Das hörte sich doch komisch an: Wir haben eine Eisfrau gebaut. Andererseits brauchen wir heute in jedem Artikel männliche, weibliche und diverse Bezeichnungen. Ich schaffte es kaum, eine Ruhe in meinem Oberstübchen einziehen zu lassen.
„Ich höre das leise Nichts der kreisenden Gedanken. Gewähren Sie mir Einlass in Ihre Welt?“, fragte mich Rebond.
„Ich ergründe gerade den Begriff Eisfrau“, entgegnete ich.
„Aha, die Eisprinzessin hat es Ihnen also angetan. Was stört Sie denn?“
„Mich beschäftigt, was Sie damit meinen.“
„Nun eine aus Schnee geformte Masse, die wir hier installieren werden. Die Situation nutzen wir gleich für eine Reise zur Metaperspektive. Um was geht es Ihnen eigentlich? Wäre es möglich, dass sie gerne Gewissheit hätten, was wir als nächstes tun? Haben Sie Angst durch ein Fehlverhalten aufzufallen? Als Redakteur schauen sie anderen Menschen auf die Finger. Sie haben einen Blick für die Details. Wie steht es mit Ihren Details?“
Rebond ging in die Hocke, wuchtete meine Schneekugel nach oben und platziert sie auf der von ihm gerollten großen Kugel. Die erreichte Gesamthöhe betrug nun schon mindestens einmetersechzig.
„Je nach Wertung der Details kann ein Mensch bei Kleinigkeiten schnell die Fassung verlieren. Ein Olympionike wird dem Detail einer Millisekunde ganz unterschiedlich gegenüberstehen wie Sie. Sie führen Journalisten, Interviews und Berichterstattungen. Da liegt es auf der Hand, dass Sie auf andere achten und Regeln, Freiheit sowie gutem Geschmack Aufmerksamkeit schenken wollen. Über die Metaebene ist es Ihnen möglich, all diese Details zu erkennen. Können Sie erahnen, welches Potential da schlummert?“
Ich nickte und begann mit einem Schneeball für den Kopf unserer Eisfrau. Rebond schob derweil Schnee zum Fuß der untersten Kugel. Das machte er in Vierfüßer-Stellung, so eifrig und begeistert wie ein Kind.
„Die Selbstwahrnehmung ist das wichtigste Werkzeug in meiner Arbeit. In meinem Trainingsprogramm steht sie an erster Stelle.“
Ich hakte direkt ein und fragte Rebond nach seiner Bedeutung für Selbstwahrnehmung.
„Ganz simpel zusammengefasst, schützt die Selbstwahrnehmung vor dem Herzinfarkt. Die Selbstwahrnehmung ist das Erste, was wir wieder laut stellen, wenn es um die Persönlichkeitsentwicklung geht. Manchmal drehen Menschen sie einfach auf stumm, schalten sie ab oder überlagern sie einfach mit Ablenkungen. Dabei meldet diese Wahrnehmung recht zuverlässig sämtliche Missstände. So wie es substanzabhängige vermeintliche Selbstoptimierung gibt, gibt es diese auch verhaltensabhängig. Bei beiden Wegen ist der erste Schritt die Selbstwahrnehmung. Sie zeigt an, was fehlt oder zu viel ist. Wird der Mensch mit diesem Werkzeug wieder vertraut, dann geht es weiter und richtig vorwärts.“
Rebond schob den Schnee um unsere Eisfrau zusammen. Langsam entstand der Eindruck eines Kleides. Ich setzte den Kopf auf unsere Skulptur und begann einen lächelnden Mundwickel einzuprägen. Für die Augen nutzte ich zwei kleine Stücke aus Baumrinde und mangels Möhre diente ein rundes Steinchen als niedliche Stupsnase. Zwei kleine Mädchen näherten sich uns. Beide zogen einen Holzschlitten hinter sich her. Ein Mädchen fragte, ob wir eine Prinzessin gebaut hätten. Rebond antwortete: „Vielleicht könnte man das so bezeichnen.“
Während er dies aussprach, ging das andere Mädchen zu einem rückwärtig gelegenen Gebüsch und zupfte 4 kleine Äste aus dem Dickicht. Sie hielt mir diese entgegen und forderte mich auf, den obersten Rand des Kopfes damit zu bespicken. Während ich ihren Anweisungen Folge leistete, erklärte sie uns selbstbewusst: „Jede Prinzessin braucht eine Krone auf dem Kopf, damit sie ihr Prinz auch findet.“
Erfrischt von dieser fröhlichen Sichtweise traten wir den Heimweg an. Den größten Teil des Weges schwiegen wir. Ganz im Gegenteil zu meinen Gedanken. Diese waren laut und forderten meine Aufmerksamkeit.
Es war Friedrich der Große, der Lebensfreude so beschrieb:
»Das lebhafteste Vergnügen, das ein vernünftiger Mensch in der Welt haben kann, ist, neue Wahrheiten zu entdecken; das nächste nach diesem ist, alte Vorurteile loszuwerden.«
Caesar Salad
Wieder zurück im Hotel angekommen, fanden wir uns zum Abendessen in der Kaminlounge ein. Der Raum war rustikal mit viel Holz und noch mehr Freiraum eingerichtet. In der Mitte loderte ein großes Kaminfeuer hinter halb hohen Glasscheiben. Darüber hing ein kaminartiger runder Abzug. Das Knistern des Feuers komplettierte die romantische Winterstimmung. Noch waren wir die Einzigen in der Lounge.
Vor unserer Bestellung fragte ich Charles Rebond nach seinen häufigsten Kunden und deren größten Anliegen. Er erklärte, ohne zu zögern: „Meine Kunden sind Menschen, die ihren Entwicklungsdrang gefunden haben. Zu diesem Wunsch kommen Menschen meist erst durch Not. Deren erstes Anliegen lautet: Unnot. Das ist ein Kunstwort und bedeutet, dass im ersten Schritt meine Kunden gar nicht so genau bezeichnen können, was ihr Anliegen ist. Sie wissen nur, dass sie die Not abstellen wollen.“