Hat hier mal jemand einen Mussknacker? - Marie Brunner - E-Book

Hat hier mal jemand einen Mussknacker? E-Book

Marie Brunner

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Beschreibung

Immer diese Erwartungen! Blöderweise werden sie nicht nur von außen an uns Frauen herangetragen. Sie kommen auch aus dem Inneren. Wie frau sein, aussehen, sich benehmen sollte und natürlich auch: wie nicht! Anne ist gestresste Mittvierzigerin und hat die Schnauze voll von Sätzen, die mit "Du solltest" beginnen. Mit ihrer feministischen "Die-Männer-sind-schuld"-Freundin Simone und der in einer konventionellen Ehe lebenden "Ich-halte-meinem-Mann-den-Rücken-frei"-Maja diskutiert sie konfrontativ und humorvoll die großen Fragen des Frauseins. Marie Brunners ultimativ entlastendes Buch ruft den Leserinnen zu: Du bist nicht allein mit diesem Erwartungs-Mist. Die Lösung: Schnapp dir einen Mussknacker und mach aus den Zwängen Kleinholz!

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Seitenzahl: 268

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Impressum

© eBook: 2024 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

© Printausgabe: 2024 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

GU ist eine eingetragene Marke der GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, www.gu.de

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie Verbreitung durch Bild, Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

Projektleitung: Anja Schmidt

Lektorat: Anne Nordmann

Bildredaktion: Nele Schneidewind

Umschlaggestaltung: ki36 Editorial Design, München, Daniela Hofner

eBook-Herstellung: Maria Prochaska

ISBN 978-3-8338-9314-8

1. Auflage 2024

Bildnachweis

Coverabbildung: Adobestock

Fotos: Shutterstock

Syndication: www.seasons.agency

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GRÄFE UND UNZER VERLAG Grillparzerstraße 12

KNACK DAS MUSS!

Du musst schön sein! Du musst nett sein! Du musst fleißig sein! Du musst hilfsbereit sein – aber auch effizient! Du musst Humor haben – aber sei bitte nicht zu ausgelassen! Du musst gepflegt sein! Aber sei bitte nicht spießig! Du musst belastbar sein – und gut gelaunt …!

Wir Frauen sind umstellt von Erwartungen. Wir sollen unseren Müttern gefallen, unseren Chefs und den Männern, aber auch den emanzipierten Freundinnen. Viel zu oft beschäftigt uns, was andere von uns denken könnten. Viel zu oft stecken wir noch in Strukturen fest, die Frauen seit Jahrhunderten einschränken – und in ein paar neuen noch dazu. Was dabei herauskommt, ist ein giftiger Cocktail aus echten und vermeintlichen Zwängen.

Marie Brunners fröhlich-freches Buch sagt ihren Leserinnen: Jetzt ist Schluss mit Muss. Hier kannst du lesen, wie du zur versierten MUSSknackerin wirst!

VORWORT

EINE BEDIENUNGSANLEITUNG FÜR DICH SELBST

Du musst schön sein! Du sollst nicht laut sein! Du musst fleißig sein! Aber du darfst nicht verbissen wirken! Du musst hilfsbereit sein! Und sei bloß nicht zickig! Hab doch mal ein bisschen Humor! Aber sei nicht zu ausgelassen! Sei nett! Nimm dich zurück! Sei effizient! Hab dich nicht so! Sei immer gepflegt! Sei belastbar! Sei gut gelaunt! Sei glücklich!

Wir Frauen sind umstellt von Erwartungen. Wir sollen unseren Müttern und Schwiegermüttern gefallen, unseren Chefs und sowieso allen Männern. Wir stehen in Konkurrenz zu anderen Frauen und stecken in Strukturen fest, die Frauen seit Jahrhunderten einschränken. Und manchmal machen wir uns ohne Not selbst das Leben schwer.

Was dabei herauskommt, ist ein giftiger Cocktail aus echten und vermeintlichen Zwängen. Anne, meine Ich-Erzählerin, ringt täglich mit diesen hundert Spielarten von »Du musst!«. Und muss gelegentlich über sich selbst lachen. Das verbindet sie mit ihrer feministischen, manchmal arg radikalen »Die-Männer-sind-schuld«-Freundin Simone und der in einer konventionellen Zwei-Kinder-Ehe lebenden »Ich-halte-meinem-Mann-den-Rücken-frei«-Maja, mit denen sie die großen Fragen des Frauseins diskutiert: Für wen machen wir uns eigentlich schön? Was hindert uns daran, uns ganz entspannt zu nehmen, was uns zusteht? Und ist es okay, dabei die »Waffen einer Frau« einzusetzen oder nicht?

Anne hat an einer Fachhochschule Ingenieurwesen studiert, lebt in einer mittelgroßen deutschen Stadt und arbeitet – »Ich bin eine gute Nummer zwei« – als Assistentin des Abteilungsleiters in einer Fabrik für Küchengeräte. Oft stammen entscheidende Ideen von ihr; zudem löst sie die zwischenmenschlichen Probleme, die ihr Chef produziert, ohne es auch nur zu merken.

In den Diskussionen mit den Freundinnen neigt Anne mal zu Maja, mal zu Simone. Wenn sie über ihre Rolle als Frau nachdenkt, kommt sie selten zu einem abschließenden Ergebnis. Geht es wirklich immer noch um dieselben Dinge wie vor 30 Jahren? Ihr Partner Jens meint dazu: »Das ist wie der ewige Konflikt zwischen Schulmedizin und Naturheilkunde. Seit Jahrzehnten dasselbe, ohne Lösung.« Solche Kommentare bringen Anne auf die Palme. Jens hört selten richtig zu, kapiert nicht, was das Problem sein soll, und hat leider trotzdem manchmal recht. Dann ist sie neidisch auf seine Unkompliziertheit. Kann man sich als Mann eben leisten, denkt sie. Und wieso nicht sie selbst?

Dieses Buch soll dir zeigen: Du bist nicht allein mit deinen Grübeleien. Und: Du bist okay, so wie du bist. Du musst nicht dauernd toll sein, lächeln, schön sein. Also leb so, wie es dir guttut – und nicht, wie andere es von dir erwarten. Dann bietet das Leben überraschende Entwicklungen – wie auch das von Anne, Simone und Maja im Verlauf des Buchs.

Übrigens habe ich die Fragen, die die drei Frauen sich stellen, und die Konflikte mit den Männern absichtlich zugespitzt – bis hin zum Klischee. In manchem wirst du dich vielleicht selbstwiedererkennen, anderes erinnert dich vielleicht eher an eine Freundin oder Kollegin.

Vielleicht wirst du auch dauernd den Kopf schütteln und dich fragen, in welchem Jahrhundert diese Anne eigentlich lebt – weil ganz verschiedene Lebensweisen eben nebeneinander und gleichzeitig existieren. Wenn du so eine »Kopfschüttlerin« bist, brauchst du dieses Buch eigentlich gar nicht. Aber vielleicht macht es dir ja trotzdem Spaß. Hoffentlich.

Am Anfang jedes Kapitels steht das »MUSS«, um das es geht – und am Ende dann ein paar Tipps zum Knacken dieses MUSS. Wenn du also magst, kommt hier eine fröhliche Portion Entlastung für dich und alle anderen Frauen. Denn gestresst sind wir eh schon genug.

Marie Brunner im Herbst 2023

DAS UNTERHOSENDING

ICH MUSS … IMMER TADELLOS GEKLEIDET SEIN

Mist! Es klingelt und ich hab die Wäsche noch nicht abgenommen! Mit roten Hektikflecken im Gesicht öffne ich die Tür. Simone sieht mich erstaunt an: »Was ist denn mit dir los? Ich dachte, du hast deinen freien Tag heute. Hast du gerade Stress?« Mal wieder fühle ich mich ganz klein ihr gegenüber. Ich zucke die Achseln: »Na ja, wenn ich entspannen kann, mach ich eben nicht alles so effizient wie sonst. Deswegen war ich gerade kurz überrascht, dass es schon fünf ist. Ist aber kein Problem. Komm rein. Tee ist fertig.«

Simone knallt ihren Motorradhelm auf den Flurschrank und marschiert direkt in die Küche. »Ein Bier wär mir lieber. Ist heiß heute.« Sie nimmt sich die letzte Flasche aus dem Kühlschrank – und ich lege schnell und möglichst unauffällig zwei neue rein. Hoffentlich sind die schon kalt, wenn Jens kommt, denke ich. Und hoffentlich merkt Simone nicht, dass ich mich um die Temperatur seines Biers sorge. Und hoffentlich trinkt sie die beiden Flaschen nicht auch noch aus, bevor er da ist. Es sind die letzten.

Dann klingelt es erneut. Maja steht strahlend vor der Tür – mit einem frisch gebackenen Kuchen. Wie immer sieht sie in ihrer bunten Bluse aus wie aus dem Ei gepellt, obwohl sie vormittags gearbeitet und sich ab mittags um ihre beiden Schulkinder gekümmert hat. Wie sie das macht, ist mir schleierhaft. Ich krieg oft nicht mal das Mittagessen nur für mich allein geregelt.

Im Flur wirft Maja einen skeptischen Blick auf Simones Helm: »Ich könnte so ein Ding ja nie tragen. Der ruiniert mir doch die ganze Frisur.« Ich glaube, sie meint es halb ironisch und halb ernst. Könnte also von mir sein, der Satz. Aber Simone lässt ihn ihr natürlich nicht durchgehen: »Und für wen müssen deine Haare noch mal schön sein, Süße?« Maja bekommt kurz ihren schnippischen Gesichtsausdruck: »Für mich selber!« Und fügt dann trotzig hinzu: »Aber ich mag es auch, wenn mein Mann mich schön findet. Mag ja altmodisch sein, aber ich fühl mich dann gut. Ist ja meine freie Entscheidung.« Simone sieht mich mit einem wissenden Blick an und hofft auf mein komplizenhaftes Zwinkern, doch ich fühle mich mal wieder zwischen Baum und Borke. Ich verstehe beide; wenn mich jetzt jemand zwingen wollte, zu entscheiden, wer recht hat, würde ich mich wohl einfach verpissen. So versorge ich Maja erst mal mit ihrem Cappuccino und wuchte dann den Wäschekorb auf den Esstisch, während ich sage: »Setzt euch schon mal. Ich muss nur kurz die Wäsche …«

Als ich nach zwei Minuten hochschaue, weil es auf der Couch merkwürdig still ist, sehe ich in zwei entgeisterte Gesichter. »Hä? Was ist denn los?«

Maja antwortet zuerst: »Also, Wäsche zusammenlegen, wenn Leute da sind … macht man das eigentlich? Also, mein Mann …« Simone haut dazwischen: »Nee, jetzt mal nicht dein Mann. Heute ist Frauenrunde. Mich stört es auch nicht groß, dass sie jetzt ein paar Sachen zusammenlegt, aber wieso, verdammt, faltest du deine Unterhosen? Und dazu noch so akribisch?! Und welche sortierst du da eigentlich aus?«

Die Frage nach dem Falten trifft mich unvorbereitet, darüber habe ich noch nie nachgedacht. Hat meine Mutter so gemacht, also mache ich es auch. Bei Maja scheint es ähnlich zu sein. Sie schwankt zwischen beleidigter Empörung über Simones harsche Unterbrechung und dem Grübeln über ihre Frage.

»Na … wieso denn nicht …?« stammle ich. »Die nicht mehr so schönen müssen weg.«

»Aber deine Unterhosen sieht doch nie jemand! Außer jemand, dem es in dem Moment völlig egal ist, ob sie noch fabrikneu und schön glatt sind.«

Maja und ich haken genau im selben Moment ein. »Moooo-ment!«, erklingt es im Chor. Und ich schiebe spontan nach: »Was ist mit dem Rettungssanitäter?« Simone guckt ehrlich verwirrt – ein seltener Anblick. Maja erklärt: »Na, wenn sie einen Unfall hat und der an ihre Buxe muss.« Simone versteht immer noch nicht. Ich frage: »Hat dir das deine Mutter etwa nie eingeschärft? Oder deine Oma? Dass du immer mit sauberer, frischer und gepflegter Unterwäsche rausgehen musst? Weil du ja einen Unfall haben und ins Krankenhaus kommen könntest?«

Simone guckt immer noch wie ein Auto. Allmählich dämmert mir, dass dieses Unterhosending vielleicht nicht so selbsterklärend ist, wie ich immer dachte. »Na, stell dir vor, du hattest einen Unfall mit deinem Motorrad, liegst im Krankenhaus und der Arzt muss dich … na ja … nackig machen untenrum, aus irgendeinem Grund.« Simone hat sich gefangen, und unser Gestammel beginnt ihr sichtlich Spaß zu machen. »Ja, und?« Maja springt mir eifrig bei: »Na, wenn du dann so einen ollen, knittrigen Liebestöter anhast, fällt das doch auf dich zurück. Das verzeihst du dir doch nie! In den Augen des Mannes bist du dann doch für immer unten durch.« Simone schaut uns ungläubig an: »Ihr meint das echt ernst, oder? Ihr glaubt wirklich, dass sich ein Arzt in so einer Situation um den Zustand der Unterwäsche schert, ja? Wenn es um Leben und Tod geht?«

Maja wiegelt ab: »Na ja, es muss ja nicht gleich um Leben oder Tod gehen. Aber die Peinlichkeit, wenn ein Mann mich mit oller Unterhose sieht, will ich jedenfalls nicht erleben.«

Im Stillen denke ich, dass eine Frau das viel eher registrieren würde und ich mehr Angst davor hätte, dass eine Krankenschwester meine Wäsche beurteilt, aber das würde nur ein weiteres Fass aufmachen. Deshalb lege ich jetzt die Hälfte der Unterhosen einfach so neben die sorgsam gefalteten, packe auch die aussortierten »Alten« dazu und greife mir den Korb. »So, jetzt bringe ich die Wäsche raus und schneide Majas Kuchen an – und dann machen wir es uns gemütlich«, zitiere ich grinsend Loriots alten Weihnachtssketch. Während ich den Wäschekorb ins Schlafzimmer trage, fällt mir auf, dass ich nicht auf Anhieb erkenne, welche Slips ich für »zu alt« befunden habe und welche nicht. Na ja, ich habe eben nicht so einen geschärften Blick wie ein Chirurg.

Ach so: Kriegen Jungs eigentlich auch eingebläut, immer eine picobello Unterhose zu tragen? Nach meinen bescheidenen Erfahrungen: eher nicht.

KNACK DAS MUSS

Manche Dinge tun wir einfach, weil sie angeblich »getan werden müssen« und ohne darüber nachzudenken. Vielleicht ist sogar der unbewusste Glaube damit verbunden, dass wir nur dann eine »gute Tochter«, »verantwortungsvolle Mutter«, »tolle Partnerin« sind. Wir spüren aber ein kleines Unbehagen oder sind diffus genervt – oder sauer auf unseren Partner oder andere Menschen, ohne zu wissen, warum. Vielleicht ist jetzt der Moment da, ein gewohnheitsmäßiges Muss infrage zu stellen und kleine Veränderungen einzuleiten?

WIE RIECHT EIGENTLICH HAUSARBEIT?

ICH MUSS … RÜCKSICHT NEHMEN

Während wir Majas köstlichen Apfelkuchen mit gerösteten Nüssen mampfen, hält diese plötzlich inne und schnuppert mit niedlichen Bewegungen ihres hochgereckten Näschens im Zimmer herum. Sie sieht dabei so süß aus wie ein knuffiges Nagetier, und ich könnte sie in diesem Moment abknutschen. Aber ihr Schnuppern verunsichert mich trotzdem. Ist in meiner Wohnung irgendwas, das riecht, und ich merke es nicht? Vergammelt irgendwo in der Wand ein totes Tier?

Maja fragt: »Sagt mal, merkt ihr was davon, dass Anne vorhin gebügelt hat hier drin?«

Simone und ich gucken etwas ratlos: »Äh, nee …? Woran denn?«, fragt Simone. Maja schaut unsicher: »Keine Ahnung. Am Geruch irgendwie.« Ich nicke: »Ach so, klar. Ja, beim Bügeln riecht es immer irgendwie … undefinierbar sauber. Stört dich das etwa?« Maja schüttelt den Kopf: »Mich nicht, aber …«

»Sag jetzt nicht, Dirk stört es, wenn du Hausarbeit machst!«, platzt Simone heraus.

»Na ja, was heißt stören …« Maja windet sich. »Er meinte neulich, es sei schon ein irgendwie penetranter Geruch im Zimmer, wenn da vorher gebügelt wurde. Und es sehe ja auch nicht so schön aus, wenn im Wohnzimmer die Hemden überall herumhängen zum Auslüften. Da solle es doch gemütlich sein.« Ich spüre, dass Simone die Fassung verliert: »Sag mal, in welchem Jahrhundert ist dein Mann erzogen worden, im neunzehnten?! Ich hoffe, du hast ihm ordentlich die Meinung gegeigt. Schließlich geht es um seine Hemden!«

Ich versuche zu beschwichtigen, aber zu spät: Maja hat bereits Tränen in den Augen. »Du machst es dir immer schön leicht mit deinem Emanzengetue! Man kann doch ruhig auch mal Rücksicht nehmen. Ich jedenfalls habe das Problem gelöst, ich bügle jetzt einfach im Keller.«

Simone hat nun Schnappatmung. Und auch ich finde, dass da etwas nicht stimmt: Maja bügelt Dirks Hemden – und ihn stören der Anblick und der Geruch? Mir kommt der scherzhaft gemeinte Spruch unseres Freundes Jan in den Sinn. Wenn es in der Küche richtig hoch hergeht, sagt er manchmal: »Ich kann einfach nicht mitansehen, wie du dich abschuftest. Deshalb mach ich mal die Tür zu, ja?« (Natürlich hilft er dann doch mit, das soll fairerweise erwähnt werden.) Ich muss an eine Geschichte denken, die meine Mutter mir mal erzählt hat: Sie bekam vor der Hochzeit von ihrer Schwiegermutter den Rat, nicht zu staubsaugen, wenn der Mann zu Hause sei. Das störe ihn bei der Erholung von seiner anstrengenden Arbeit. Aber das war vor mindestens einer Generation. Geht es in Majas Ehe wirklich so traditionell zu? Und ist es tatsächlich unsere Aufgabe, unseren Partnern sämtliche Hausarbeit abzunehmen – und zwar so, dass sie es möglichst nicht mal merken? Habe ich nur Glück, weil Jens so selten Hemden trägt – und die dann in die Reinigung bringt?

Wie ist es eigentlich bei mir mit der Rücksicht? Übertreibe ich es auch? Jens hat ein sehr feines Gehör. Er meint, dass ich oft schnarche, und rüttelt mich dann ziemlich rabiat wach. Auch wenn er seine 90 Kilo mit Schwung im Bett herumdreht und dabei sein Kissen zurechtprügelt, reißt es mich immer aus dem Schlaf. Manchmal schmeißt es mich fast aus dem Bett. Mir hingegen ist sein Schlummer heilig. Wenn er selig vor sich hin schnorchelt, liege ich wach, höre zu und freue mich, dass er seine nötige Erholung bekommt. Ihn deswegen zu wecken würde mir nicht in den Sinn kommen – obwohl er das manchmal zu mir sagt, wenn ich morgens zerschlagen bin und ihm von seinen nächtlichen Baumsägearbeiten berichte: »Wieso stupst du mich denn nicht an? Ich schlaf schon wieder ein.«

Ich habe auch mein Essverhalten verändert aus Rücksicht auf Jens’ feine Ohren. Ihn stört es, wenn ich Karotten oder Paprika kaue – »Du klingst wie ein Pferd«, sagt er manchmal, wenn er genervt ist. Sehr charmant. Also esse ich Rohkost jetzt immer außerhalb der gemeinsamen Mahlzeiten. Und weil ihn das Geräusch so störte, wenn ich mit dem metallenen Messer das fast leere Nutellaglas auskratzte, habe ich lange recherchiert und schließlich einen speziellen Gummischaber nur zu diesem Zweck beschafft. Hätte ich ihn nicht ausdrücklich darauf hingewiesen, hätte er es nicht mal bemerkt.

Wie sieht es eigentlich umgekehrt mit seiner Rücksicht aus? Mich stören schließlich auch Dinge an ihm – und das gebe ich auch manchmal zu erkennen. Dass er sich oft minutenlang kein Tempo holt, sondern die Nase hochzieht. Die furchtbare Musik, die er manchmal so laut hört, vor allem im Auto. Dass er so oft seine Finger im Gesicht oder sogar direkt in der Nase hat – sogar, wenn er mir gegenübersitzt und mit mir redet. Dass er Socken mit Löchern trägt. Aber nichts davon hat er verändert, seit wir zusammen sind. Er zuckt dann einfach die Schultern, wenn ich genervt bin, so nach dem Motto: »Tja, Pech, wenn dich das stört. Ich bin eben so.«

Simone schüttelt noch immer den Kopf, aber sie versucht erkennbar, sich zusammenzureißen, als sie Maja die Hand auf den Arm legt und meint: »Entschuldige, dass ich so aus der Haut gefahren bin. Das ging nicht gegen dich, sondern gegen so traditionelle Rollenmuster. Ich finde einfach, es sollte bei der Hausarbeit eine faire Arbeitsteilung geben. Wenn es die gibt, kann sich auch niemand gestört fühlen. Oder habt ihr es etwa im Job schon mal erlebt, dass jemand sich beschwert, wenn ein anderer eine lästige Arbeit übernimmt und es dann riecht? Oder laut ist?«

Da ist was dran, denke ich. Wobei: Wenn ich ehrlich bin, gibt es eine wirklich faire Arbeitsteilung in meiner Firma auch nicht. Aber das ist ein anderes Thema. Jedenfalls nehme ich mir vor, nicht mehr automatisch Rücksicht zu nehmen auf jede von Jens’ Marotten. Das muss ich nicht. Und umgekehrt werde ich deutlicher einfordern, dass er sich in seinem Verhalten auch mal auf meine Empfindlichkeiten einstellt. Wir müssen da ein besseres Gleichgewicht reinbekommen.

Maja begehrt auf: »Wir haben Arbeitsteilung! Dirk ist schließlich der Hauptverdiener und ackert zehn, zwölf Stunden am Tag. Ich kümmere mich um Haushalt und Kinder. Und hab meinen Job in der Praxis.«

Simone kriegt es mal wieder nicht hin, das einfach auf sich beruhen zu lassen: »Hast du mal ausgerechnet, wie viele Stunden bei dir zusammenkommen, jede Woche? Und was du am Ende für eine Rente kriegst, falls ihr euch mal scheiden lasst?«

Puh. Woran die immer so denkt. Müsste ich aber auch mal ausrechnen, das mit der Rente. Bei Gelegenheit mach ich das vielleicht mal. Statt Bügeln und Unterhosenfalten zum Beispiel. Dann riecht auch nichts, wenn Jens nach Hause kommt.

KNACK DAS MUSS

Rücksicht auf die Bedürfnisse anderer zu nehmen ist etwas Schönes, das solltest du dir bewahren. Aber zerbrichst du dir vielleicht ein bisschen zu oft den Kopf darüber, was andere brauchen könnten oder was sie vielleicht stört? Denk daran: Sie können den Mund aufmachen, wenn etwas anliegt. Und dann kannst du in Ruhe überlegen, was wichtiger ist: das Wohlbefinden der anderen oder dein eigenes?

WIR REISEN, ICH PLANE

ICH MUSS … VOR DEM URLAUB ALLES PERFEKT HINTERLASSEN

»Packen? Nee, mach ich morgen Früh. Der Flieger geht ja erst um zehn, oder?« Jens ist mal wieder tiefenentspannt. Für ihn ist offensichtlich schon Urlaub, während ich längst rotiere. Es ist schließlich noch so viel zu tun. Obwohl ich die Antwort kenne – er liest ein Buch und hört dabei Musik –, stelle ich die Frage, die er am meisten hasst: »Was machst du gerade?« Er weiß, dass ich das immer frage, wenn ich gestresst bin und mir eigentlich Unterstützung wünsche. Wieso sage ich das eigentlich nie direkt? Woher kommt diese ewige Hoffnung von uns Frauen, Männer würden spüren, was wir eigentlich meinen? So wie ja auch von uns erwartet wird, dass wir Nuancen wahrnehmen und sensibel darauf reagieren. Jens antwortet meistens so was wie: »Die Frage hab ich schon bei meiner Mutter gehasst. Wenn du Hilfe bei was brauchst, sag einfach Bescheid.« Ich werde schon sauer, wenn ich nur daran denke. Ich will doch nicht seine Mutti sein, die ihm Aufgaben gibt, sondern ich wünsche mir, dass er die Aufgaben selbst sieht. Diesmal allerdings sagt er gar nichts. Hat er inzwischen Kopfhörer auf? Tut er so, als höre er mich nicht? Oder hofft er nur, dass das Stressgewitter einfach vorbeizieht?

Ich versuche es mit einem anderen Dreh: »Jens, kurze Absprache mal. Was muss vor der Reise noch erledigt werden?« In der Hand halte ich den Zettel mit meiner To-do-Liste. Jens schaut hoch: »Außer Packen? Taxi rufen und Tür abschließen morgen Früh. Fertig.« Fassungslos starre ich erst ihn an und dann auf meinen Zettel. Ich spüre, dass sich in mir ein hysterischer Anfall aufbaut, der die Urlaubsstimmung zu gefährden droht. Seine und meine. Wieso bin ich die Einzige, die immer alles im Blick hat? Ich muss an den Titel eines Buchs über die Belastung von Frauen denken, das ich mir neulich gekauft habe: »Die Zentrale der Zuständigkeiten«. Es geht laut Klappentext um das »permanente Jonglieren zwischen Können, Sollen und Müssen«. Leider fehlte mir bisher die Zeit, es zu lesen. Ich habe den Verdacht, dass in dem Buch steht, warum das so ist. Umso entschlossener bin ich jetzt, Jens aus seinem Lesesessel aufzuscheuchen. »Taxi rufen, abschließen und fertig?! Ist das dein Ernst?« Sein überrascht-genervter Blick zeigt mir: Ja, es war sein Ernst. »Der Kühlschrank soll also so bleiben?« – »Hä, wieso?« – »Da stehen jede Menge Sachen drin, die während der zwei Wochen garantiert verderben. Unter anderem die zig Döschen und Gläschen mit Miniresten, die du immer aufhebst. Die hättest du einfach drin gelassen?« Jens zuckt die Achseln: »Kann man ja genauso gut danach wegschmeißen. Dann weiß man wenigstens, was wirklich vergammelt ist und was noch geht. Nachhaltigkeit.« – »Darf ich fragen, wer ›man‹ ist?« – »Hm?« – »Du hast eben gesagt, man könne das nach der Rückkehr entsorgen. Wer macht das dann?« Gelassen antwortet Jens: »Der, den es als Erstes stört.« Ein wahres Wort, denke ich, und sage sarkastisch: »Also ich. Toll! Kommt nicht infrage. Bitte nimm dir heute noch den Kühlschrank vor. Ich will nicht als Erstes nach den Ferien verschimmelte Sachen wegschmeißen müssen. Und wo ich gerade deine geschätzte Aufmerksamkeit habe: Die Pflanzen müssen noch gegossen werden. Und hast du das mit dem Finanzamt erledigt? Die Frist läuft in drei Tagen ab.« – »Ach, echt? Jetzt ist das schon? Oh, Mist!« Ächzend erhebt er sich aus seinem Sessel. »Wieso muss ich dann auch den Kühlschrank machen? Was machst du eigentlich, außer Packen?« Er klingt dabei wie einer seiner pubertierenden Schüler – in seinem Ton schwingt der Verdacht mit, er müsse mal wieder alles alleine mache und ich würde ihn dazu verdonnern, um ihn zu schikanieren. Und mich selbst auf die faule Haut legen. Ich zwinge mich trotzdem zur Ruhe und halte meinen Zettel hoch. »Kann ich dir sagen. Ich ziehe die Betten ab, wasche die Sachen, hänge sie auf und beziehe neu. Damit wir es schön frisch haben, wenn wir wieder da sind. Ich gehe noch mal kurz einkaufen. Unter anderem dein Shampoo. Ich bringe Carla die Schlüssel nach oben, sie kommt zum Gießen und legt uns die Post rein. Hab ich netterweise organisiert. Ich packe unsere Medikamente zusammen und alles für den Strand. Ich putze zumindest oberflächlich die Wohnung. Und was essen müssen wir heute Abend ja auch noch. Morgen Früh muss dann noch die Kaffeemaschine sauber gemacht werden, die Spülmaschine muss noch mal durchlaufen und fertig sein, bevor wir gehen, die ganzen Stand-by-Geräte müssen ausgemacht werden … Noch Fragen?« Jens kratzt sich am Kopf. »Tja, an manches hätte ich wirklich nicht gedacht. Aber das meiste ist ja ne Sache von fünf Minuten. Maximum. Und wieso bitte willst du hier noch mal putzen? Sieht doch völlig okay aus. Außerdem staubt es in den zwei Wochen doch sowieso wieder ein.« Ich schüttle den Kopf. »Du hast nicht zugehört, oder? Carla kommt zum Gießen!« – »Ja. Und weiter?« – »Meinst du, ich will, dass die das hier so sieht? Meine Küche sieht doch aus wie Sau. Der Küchenfußboden klebt, alles ist voller Krümel, die Spüle ist dreckig, die Fenster sind nicht geputzt …« Jens wird langsam sauer. »Jetzt frage ich mal, ob du das ernst meinst! Erstens übertreibst du maßlos. Ja, man sieht unserer Wohnung an, dass sie bewohnt wird – zum Glück. Aber sie ist keineswegs verdreckt. Und zweitens kommt Carla hier ein paarmal für wenige Minuten rein und gießt die Pflanzen auf dem Balkon. Falls es nicht sowieso genug regnet in der Zeit. Meinst du, sie inspiziert dann wirklich die Küche? Es ist übrigens unsere Küche, nicht deine.« Wär schön, wenn du das öfter so sehen würdest, wenn es dort was zu tun gibt, denke ich. Aber erst mal muss ich ihm die Welt erklären. »Oh Mann, du scheinst wirklich wenig zu wissen über Frauen. Selbstverständlich registriert sie, wie es hier aussieht. Dafür muss sie nichts inspizieren, das läuft bei Frauen ganz automatisch und nebenbei ab.« Jens antwortet arglos: »Ja, und wenn schon. Dann sieht sie eben die paar Krümel, was soll’s. Bei ihnen sieht es doch auch nicht geleckt aus.« – »Das ist was anderes. Du verstehst das einfach nicht. Sie wird allein sein hier in der Wohnung. Ohne dass ich was erklären kann. Da gebe ich mir nicht die Blöße, dass sie das Chaos hier sieht.« Mir ist selbst klar, dass ich absurd übertreibe, aber ich kann gerade nicht aus meiner Haut. Wenn alles an mir hängen bleibt, fällt es mir manchmal schwer, das Nötige vom Überflüssigen zu unterscheiden. Jens schließt die Diskussion ab, indem er sagt: »Ich übernehme gerne die Hälfte der Aufgaben, die du genannt hast. Aber das mit dem Putzen machst du alleine. Das ist deine Macke.« Na, danke! Sehr großzügig. Und dann wendet er sich dem Stapel von etwa 20 Büchern zu, die vor ihm auf dem Boden liegen, und kratzt sich am Kopf. »Ich glaube, zwei oder drei muss ich noch aussortieren.« Ich tippe mir mit dem Finger an die Stirn. »Und das ist jetzt deine Macke. Du schaffst doch meistens eh nur ein Buch im Urlaub. Höchstens zwei. Denk dran, was Übergepäck kostet. Außerdem gibt es E-Books.« – »Die mag ich nicht, am Strand und so, das weißt du. Und ich will immer die Auswahl haben.« Mir egal. Ich gehe jetzt erst mal einkaufen. Als ich wiederkomme, sitzt Jens immer noch vor seinen Büchern; er hat sich offenbar irgendwo festgelesen. Ich kann es nicht lassen – der Mutti-Spruch muss raus: »Du weißt schon, dass du noch was zu tun hast? Den Kühlschrank?« Stolz schaut er hoch: »Ist schon erledigt.« – »Hoppla! Ich war doch nur ne Viertelstunde weg. Hast du ihn denn auch geputzt bei der Gelegenheit?« Jens ist völlig überrascht. »Nö. Hattest du mir nicht gesagt.«

Herrje! Wenn er sich doch nur mal entscheiden könnte, ob ich seine Mutter sein soll oder seine Partnerin. Doch eigentlich geht es um was anderes, merke ich. Ich muss lernen, mich nicht für alles zuständig zu fühlen – und er muss mehr Verantwortung übernehmen. Aber wie geht das, verdammt noch mal? Gibt es da Kurse für Paare? Muss ich mich gleich mal drum kümmern, nach dem Urlaub.

KNACK DAS MUSS

Aufgaben sollen fair verteilt werden, du musst nicht alles allein im Blick haben, wenn ihr auf Reisen geht. Wichtig: Ihr müsst beide gemeinsam festlegen, was vorher noch getan werden muss. Wie das geht? Mach es wie Anne: Schreib dir auf, was deiner Meinung nach anliegt, bis wann es gemacht werden soll und wie lange es ungefähr dauert. Bitte deinen Partner um genau so eine Liste. Dann wird verglichen und verhandelt. Manches wirst du streichen müssen – oder dürfen. Aber was übrig bleibt, wird fifty-fifty aufgeteilt. Und wenn der andere seinen Teil nicht macht, dann bist du nicht dafür verantwortlich. Also halt es aus, dass es nicht gemacht ist. Vielleicht ist es ja wirklich nicht sooo schlimm, wenn deine Nachbarin sieht, dass noch benutztes Geschirr in der Spüle steht …

SO WEIT DIE FÜSSE TRAGEN …

ICH MUSS … ELEGANTE SCHUHE TRAGEN

Jens strahlt. Er ist rundum glücklich. »Barcelona ist doch herrlich, oder? Toll, dass wir noch drei Tage vor uns haben. War richtig, dass wir fünf Tage gebucht haben. Es gibt so viel zu sehen!« Er schmeißt seine ausgelatschten, offenbar wie angegossen sitzenden Sneakers in die Ecke des Hotelzimmers und sich selbst aufs Bett. »Jetzt mal kurz Füße hochlegen. Und heute Abend stromern wir wieder durch die Gassen, ja?«

Ich höre ihm nur mit halbem Ohr zu. Können wir Frauen ja. Genügt für jedes Gespräch mit einem Mann. Ich bin abgelenkt, weil in meinem Kopf nur ein einziger Satz dröhnt, in Dauerschleife: »Meine Füße tun so weh! Meine Füße tun so weh! Meine Füße tun so weh!« Vorsichtig ziehe ich meine ziemlich neuen und nur so mittelbequemen Tagsüber-Schuhe aus und verschwinde im Bad. Dort lasse ich erst mal minutenlang Wasser über die brennenden Füße laufen und denke: Noch drei Tage und Abende von der Sorte und ich muss zur Kur. Der gestrige Abend war schon schlimm, und die heutigen Tagesmärsche haben mir den Rest gegeben. Ich bereue meine Vorurteile gegen Birkenstock & Co. Ganz schön viele Frauen laufen hier mit sehr bequemem Schuhwerk rum. Nur ich unerfahrene Städteurlauberin dachte, hier im Süden müsse frau vor allem elegant sein statt praktisch. Und wenn ich heute Abend wieder in meinen nagelneuen Pumps (die Jens noch keines Blickes gewürdigt hat) übers Pflaster wackeln muss, kann ich morgen auch tagsüber nicht mehr laufen. Die anschließende Woche auf Mallorca könnte ich dann nur mit den Füßen im Schlammbad verbringen. Ich muss also was unternehmen.

Zurück im Zimmer versuche ich es zuerst mit der typischen Mädchennummer: Ich kuschle mich an Jens und gurre verführerisch: »Du-hu? Wollen wir uns nicht einen gemütlichen Abend hier auf dem Zimmer machen?«

Jens schüttelt verständnislos den Kopf. »Auf dem Zimmer bleiben?! An unserem zweiten Abend in Barcelona?! Wieso das denn?«

»Och, nur so.«

»Hey Süße, weißt du nicht mehr, was für eine verzauberte Stimmung das gestern Abend war in den Gassen? Hör doch mal die Geräusche von draußen. Ich könnte sofort wieder los. Lass uns doch wieder irgendwo spontan eine Tapas-Bar entdecken, dort was essen und dann weiterziehen. Deshalb sind wir doch hier! Und wer weiß, wann wir wieder mal herkommen können.«

Er hat ja so recht. Ich bin doch auch begeistert von Barcelona. Nur meine Füße nicht. Ich entschließe mich zur Wahrheit.

»Ich bin … das viele Laufen einfach nicht mehr gewohnt. Meine Füße tun tierisch weh und brauchen mal ’ne Pause, glaub ich«, sage ich kleinlaut.

Jens denkt leider mal mit. »Das Laufen nicht gewohnt?! Sagt die Frau, die seit Jahren ihre Wandergruppe durch die deutschen Mittelgebirge scheucht? Du machst Witze!«

»Na, da laufen wir ja wohl nicht auf Straßenpflaster!«, erwidere ich trotzig. Und füge dann leiser hinzu: »Außerdem hab ich da … bequemere Schuhe an.«

Jetzt ist es raus.

»Aber was ist denn mit denen da, die du gerade ausgezogen hast? Sind die nicht bequem? Die sehen doch ganz okay aus.«

»Also wirklich! Das sind doch keine Abendschuhe! Du hast echt gar keine Ahnung. Außerdem sind die neu und drücken auch ganz schön.«

Jens sieht mich an und lässt dann den Blick zu meinem nicht ganz kleinen Koffer schweifen. »Na, dann zieh doch deine Sneakers an. Die hast du doch mit, oder?«