Häufige Notfälle bei Hund und Katze - René Dörfelt - E-Book

Häufige Notfälle bei Hund und Katze E-Book

René Dörfelt

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Beschreibung

Notfallpatienten kommen entweder zur Sprechzeit, wenn alle TFAs und Tierärzte beschäftigt sind, oder außerhalb der Sprechzeiten, wenn nur begrenztes Personal zur Verfügung steht. Oft ist nicht klar, wie schwerwiegend und lebensbedrohlich die Situation ist. Die komplette Aufmerksamkeit und das gesamte Können und Wissen des Personals sind jetzt gefordert. Dies ist nur mit guten Organisationsstrukturen und Teamwork zu schaffen. René Dörfelt zeigt, wie Notfälle optimal vorbereitet werden können, wie Notdienst organisiert werden sollte und wie im jeweiligen Notfall zu handeln ist. Ein wertvoller Leitfaden insbesondere für die haustierärztliche Praxis, mit dem Sie stressige Ausnahmesituationen professionell meistern!

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René Dörfelt

Häufige Notfällebei Hund und Katze

René Dörfelt

Häufige Notfällebei Hund und Katze

vorbereiten, erkennen, managen

Mit 104 Abbildungen und 14 Tabellen

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar.

ISBN 978-3-89993-980-4 (print)ISBN 978-3-8426-8969-5 (PDF)ISBN 978-3-8426-9027-1 (epub)

Autor

Dr. med. vet. René DörfeltMedizinische KleintierklinikVeterinärstr. 1380539 Münchenr.doerfelt@medizinische-kleintierklinik.dewww.med.vetmed.uni-muenchen.de

© 2019 Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG,Hans-Böckler-Allee 7, 30173 Hannover

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte liegen beim Verlag.

Jede Verwertung außerhalb der gesetzlich geregelten Fälle ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt auch für jede Reproduktion von Teilen des Buches. Produkt- und Unternehmensbezeichnungen können markenrechtlich geschützt sein, ohne dass diese im Buch besonders gekennzeichnet sind. Die beschriebenen Eigenschaften und Wirkungsweisen der genannten pharmakologischen Präparate basieren auf den Erfahrungen der Autoren, die größte Sorgfalt darauf verwendet haben, dass alle therapeutischen Angaben dem Wissens- und Forschungsstand zum Zeitpunkt der Drucklegung des Buches entsprechen. Ungeachtet dessen sind bei der Auswahl, Anwendung und Dosierung von Therapien, Medikamenten und anderen Produkten in jedem Fall die den Produkten beigefügten Informationen sowie Fachinformationen der Hersteller zu beachten; im Zweifelsfall ist ein geeigneter Spezialist zu konsultieren. Der Verlag und die Autoren übernehmen keine Haftung für Produkteigenschaften, Lieferhindernisse, fehlerhafte Anwendung oder bei eventuell auftretenden Unfällen und Schadensfällen. Jeder Benutzer ist zur sorgfältigen Prüfung der durchzuführenden Medikation verpflichtet. Für jede Medikation, Dosierung oder Applikation ist der Benutzer verantwortlich.

Projektleitung: Sabine Poppe, HannoverLektorat: Dr. med. vet. Nicole Wackwitz, HannoverGesamtherstellung: Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, HannoverUmschlagabbildung:

Inhaltsverzeichnis

 

Abkürzungsverzeichnis

Vorwort

 

1

Herausforderung Notfallmedizin

2

Organisation und Struktur des Notdienstes

2.1

Telefonmanagement

2.2

Notfallausstattung

2.2.1

Notfallraum

2.2.2

Material

2.2.3

Geräte

2.2.4

Labor

2.2.5

Bildgebung

2.2.6

Medikamente und Infusionen

2.2.7

Aufrechterhaltung der Ausstattung

2.2.8

Andere Arbeitshilfen

2.3

Personalmanagement

2.3.1

Anforderungen

2.3.2

Dienstplan

2.3.3

Stressbewältigung

2.4

Listen, Tabellen, Flowcharts

2.5

Dokumentation und Rücküberweisungen

2.6

Die Triage

2.7

Koordination der Notfälle

2.8

Kontrollmechanismen, Feedbackmöglichkeiten, Besprechungen

2.9

Übungen

2.10

Werbemaßnahmen

3

Notfallsymptome

3.1

Atemnot (Dyspnoe)

3.1.1

Diagnostik

3.1.2

Therapie

3.2

Schock

3.2.1

Schockformen

3.2.2

Schockstadien und Diagnostik

3.2.3

Therapie

3.3

Krampf

3.3.1

Diagnostik

3.3.2

Therapie

3.4

Offensichtliche Blutung

3.4.1

Diagnostik

3.4.2

Therapie

3.5

Fraktur

3.5.1

Diagnostik

3.5.2

Therapie

3.6

Bissverletzung

3.6.1

Diagnostik

3.6.2

Therapie

3.7

Polytrauma

3.7.1

Diagnostik

3.7.2

Therapie

3.8

Schädeltrauma

3.8.1

Anamnese

3.8.2

Diagnostik

3.8.3

Therapie

3.8.4

Prognose

3.9

Erbrechen

3.9.1

Anamnese

3.9.2

Diagnostik

3.9.3

Therapie

3.10

Durchfall

3.10.1

Anamnese

3.10.2

Diagnostik

3.10.3

Therapie

3.11

Harnabsatzstörungen

3.11.1

Diagnostik

3.11.2

Therapie

3.12

Schmerzen

3.12.1

Diagnostik

3.12.2

Therapie

3.13

Geburt

3.13.1

Anamnese

3.13.2

Diagnostik

3.13.3

Therapie

3.13.4

Versorgung der Welpen

3.14

Vergiftungen

3.14.1

Anamnese

3.14.2

Diagnostik

3.14.3

Therapie

4

Wiederbelebung

4.1

Einleitung

4.2

Vorbereitung

4.3

Team und allgemeine Organisation

4.4

Erkennen der Reanimationspflichtigkeit

4.5

Basic Life Support – Basismaßnahmen

4.6

Advanced Life Support – Weitere Maßnahmen

4.7

Monitoring

4.8

Nach der Reanimation

4.9

Nachbesprechung

4.10

Prognose

5

Sedation von Notfallpatienten

5.1

Gründe

5.2

Risikobeurteilung

5.3

Vorbereitungen

5.4

Medikamente

5.5

Überwachung

Anhang

Glossar

Literatur

Autor

Sachverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis
Vorwort

„Notfallmedizin ist Tempomedizin.“

Diese und andere Beschreibungen existieren für den Notdienst. Dennoch sollte der Notfall nicht in Hektik und unkoordiniertes Durcheinanderrennen ausarten. Vielmehr müssen in einer Stresssituation durch optimale Vorbereitung, Ausstattung, Strukturen und Training die Abläufe Hand in Hand funktionieren. Um auf den Notfall – oder besser viele Notfälle – im Notdienst vorbereitet zu sein, ist einerseits Fachwissen gefragt, aber insbesondere auch organisatorische Gegebenheiten bilden einen Grundstein zum Erfolg. Hier spielen Tiermedizinische Fachangestellte eine große Rolle und können die Praxisleitung sowohl im Aufbau als auch in der Aufrechterhaltung von Strukturen effektiv unterstützen.

Viele Notfälle werden nach einfach strukturierten Handlungsanweisungen aufgearbeitet. Hierbei liegt der Fokus zuerst auf der Erhaltung des Lebens und der Vermeidung von Schmerzen unserer Patienten. Zu den lebensrettenden Erstmaßnahmen zählen Schocktherapie, Sauerstofftherapie und Analgesie.

Durch die Arbeit an verschiedenen Universitäten sowie auch an Privatkliniken konnte ich mehrere nationale und international verbreitete Herangehensweisen an tierische Notfälle kennenlernen. Als Leiter des Notfallservice bin ich täglich mit verschieden Notfällen und diversen organisatorischen Herausforderungen konfrontiert. Dabei hat sich immer wieder gezeigt, dass eine effektive Notfallversorgung durch den Tierarzt allein nur schwer möglich ist. In der Notfalldiagnostik und Therapie übernehmen TFAs viele essenzielle Aufgaben und tragen damit zum Überleben des Patienten bei. Selbstverständlich sind dafür eine gute Ausbildung und ausreichend Übung wichtige Voraussetzungen.

Dieses Buch soll Tiermedizinischen Fachangestellten grundlegende Kenntnisse der organisatorischen Strukturen und Ausstattung einer Notfallpraxis liefern, aber auch einige wichtige und häufige Notfallszenarien und die lebensrettenden Notfallmaßnahmen in diesen Situationen beschreiben. Die Maßnahmen beruhen sowohl auf der einschlägigen Literatur als auch auf den über die Jahre gesammelten Erfahrungen. Zusätzlich sei interessierten TFAs ans Herz gelegt, die eigenen Fähigkeiten und Kenntnisse selbständig zu erweitern. Möglichkeiten dazu bieten beispielsweise meist internationale Kongresse sowie Zertifizierungskurse im Bereich der Notfallmedizin.

Es gibt immer mehrere Wege, ein Ziel zu erreichen. Daher nehmen Sie die Empfehlungen im Buch bitte nicht als „in Stein gemeißelt“. Über die Jahre werden sich auch hier Änderungen ergeben.

Die Erstellung dieses Buches wäre ohne die umfangreiche Erfahrung von nationalen und internationalen Tierärzten und TFAs, die mich auf meinem Weg begleitet haben, nicht möglich gewesen. Daher möchte ich mich auf diesem Weg für die Unterstützung und vielen Ratschläge bedanken. Des Weiteren danke ich meinen Eltern, die mich auf meinem Weg als Tierarzt immer unterstützt und gefördert haben, sodass ich schlussendlich meiner Leidenschaft, der Notfall- und Intensivmedizin, nachgehen konnte. Nicht zuletzt hat meine Frau mir mit Rat und Tat bei der Umsetzung des Buches zur Seite gestanden und damit einen besonderen Dank verdient.

Damit wünsche ich allen Lesern viele gute Erkenntnisse und Anregungen, den eigenen Notdienst optimal zu organisieren. Getreu dem Motto: „Leben und leben lassen“.

München, im Sommer 2019

René Dörfelt

1Herausforderung Notfallmedizin

Bei der täglichen Arbeit in der Tierärztlichen Praxis oder Klinik stellen die Notfälle meist besondere Herausforderungen dar. Der „Klassische Notfallpatient“ kommt entweder zur Sprechzeit, wenn alle Tiermedizinischen Fachangestellten (TFA) und Tierärzte (TA/TÄ) beschäftigt sind, oder außerhalb der Sprechzeiten, wenn nur begrenzt Personal zur Verfügung steht. Bei vielen Notfallpatienten ist oft zumindest anfänglich nicht klar, wie schwerwiegend und lebensbedrohlich die Situation ist. In vielen Fällen sind die Notfallpatienten nicht viel mehr als Standardpatienten außerhalb der regulären Termine. Gelegentlich aber handelt es sich um schwere lebensbedrohliche Situationen, welche die komplette Aufmerksamkeit, das gesamte Können und Wissen des Personals und viele Ressourcen der Praxis benötigen. In diesen Situationen ist das Arbeiten als Einzelperson oft nicht effektiv. Daher ist im Notfall Teamwork, also das effektive Zusammenarbeiten von TA und TFA essenziell.

Eine optimale Organisation und der Aufbau von Strukturen sind für den Erfolg der Notfallmedizin sehr wichtig. Dies gilt sowohl für die große Klinik, die regelmäßig mit Notfällen konfrontiert ist, als auch und insbesondere für die haustierärztliche Praxis, in der deutlich seltener akut lebensbedrohliche Notfälle auftreten. Durch den hier nur gelegentlichen Kontakt mit Notfällen sind oft die nötigen Standards, Strukturen und auch die Routine nicht so vorhanden wie in großen Kliniken. Dies macht Notfälle zu stressigen Ausnahmesituationen für alle Beteiligten. Die TFA kann hier einen wichtigen Stellenwert in der Organisation, Etablierung und Aufrechterhaltung der nötigen Strukturen übernehmen (Kasten). Die Liste gibt allerdings keine Garantie auf Vollständigkeit und sollte beliebig, je nach Ansprüchen der Praxis, erweitert werden.

Eine Besonderheit der direkten Arbeit am Notfallpatienten ist im Gegensatz zur normalen Patienten-Aufarbeitung das sogenannte horizontale Fallmanagement. Während der reguläre stabile Patient einer Anamnese, einer klinischen Untersuchung und weiterführender Diagnostik unterzogen wird, um eine Diagnose zu bekommen und anhand dieser dann eine gezielte Therapie durchführen zu können, fehlt bei instabilen Notfallpatienten oft die Zeit für eine fundierte Diagnose. Daher muss hier schnell entschieden werden, welche Notfalltherapie durchgeführt wird. Gleichzeitig läuft die weitere Diagnostik. Es wird parallel versucht, den Patienten am Leben zu erhalten und eine Diagnose zu erlangen. Oft ist in der Notfallsituation auch keine Diagnose möglich. Stattdessen werden die wahrscheinlichsten therapierbaren Erkrankungen des Patienten behandelt. Insbesondere in der Erstbeurteilung, Notfalltherapie und Überwachung des Patenten kann die TFA eine große Hilfe sein.

So kann die TFA Notfall und Notdienst optimal organisieren

•Schaffung von Telefonstandards, wenn Notfallpatienten telefonisch angekündigt werden, in Zusammenarbeit mit dem Tierarzt (Kap. 2.1)

•Erstellung von Material- und Medikamentenlisten und Aufrechterhaltung der jeweiligen Ausstattung im Notfallraum (Kap. 2.2)

•gezielte Hilfe bei der Personalsuche für den Notdienst (Kap. 2.3)

•Erstellung von Dienstplänen und Hilfe bei der Koordination der tierärztlichen Dienstpläne in Zusammenarbeit mit der Praxisleitung (Kap. 2.3)

•Erstellung von Standards für die Erstuntersuchung in Zusammenarbeit mit der Praxisleitung (Kap. 2.6)

•Koordination, Erstellung und Implementierung von Standards für die Notfalltherapie und Notfalldiagnostik wie z. B. Flowcharts und Dosierungslisten (Kap. 2.4)

•Koordination der Rücküberweisungen (Kap. 2.5)

•Einberufung von regelmäßigen Besprechungen zur Notfallausstattung und Notfallorganisation mit Tierärzten, TFAs und ggf. Praxismanagement (Kap. 2.8)

•Organisation von Notfallübungen wie z. B. zur Wiederbelebung (Kap. 2.9)

•Bewerbung des Notdienstes per Homepage und Social Media (Kap. 2.10)

2Organisation und Struktur des Notdienstes

2.1Telefonmanagement

Viele Notfallpatienten werden telefonisch angekündigt. Bereits hier kann die TFA den Notfall in gewisser Weise einschätzen und dem Besitzer mit Rat zur Seite stehen (Abb. 2-1). Es sollte sichergestellt werden, dass ein Notfallanruf als solcher erkannt und schnellstmöglich beantwortet wird. Dies ist vor allem bei hochfrequentierten Praxen am besten über Telefonanlagen mit interaktiven Auswahloptionen möglich. Das dann angewählte Notfalltelefon muss natürlich permanent mit einer TFA oder dem Notfalltierarzt besetzt sein.

An dieser Stelle stellt sich die Frage, wie notwendig oder sinnvoll die permanente telefonische Erreichbarkeit ist. Ist man erreichbar, kann selbstverständlich der Notfall angekündigt werden und die Praxis kann sich auf den Notfall vorbereiten und ggf. weiteres Personal hinzurufen. Des Weiteren können komplexe Notfälle, die außerhalb der Kapazität der Praxis liegen, gezielt an die nächste Klinik verwiesen werden. Gegebenenfalls können auch einfache Fälle auf einen Termin am nächsten Tag verlegt werden. Nachteil der permanenten Erreichbarkeit ist die häufig lange Eingebundenheit in Telefonate, d. h. es geht Zeit verloren, in der man sich um die Notfallpatienten vor Ort kümmern könnte. Sofern die Erreichbarkeit allerdings nicht gegeben ist, besteht auch nicht die Möglichkeit der Vorselektion. Des Weiteren können Patientenbesitzer irritiert sein, wenn die Notfallpraxis nicht erreichbar ist.

Abb. 2-1 TFA bei der Aufnahme eines Notfalltelefonats

Für kleinere Praxen mit gelegentlichem Notdienst oder nur wenigen Notfallpatienten, in denen nicht immer Personal vor Ort ist, scheint die telefonische Bereitschaft die optimale Variante zu sein. In großen Kliniken kann hingegen ein Notfalltelefon gegebenenfalls den Betrieb eher stören als fördern. In diesen Fällen bietet sich zumindest eine Telefonanlage mit Auswahloptionen nach folgendem Beispiel an:

•Handelt es sich um eine Terminabsprache oder allgemeine Fragen, rufen Sie zu den Öffnungszeiten an.

•Haben Sie einen Notfall, kommen Sie bitte sofort vorbei.

•Überweisende Kollegen wählen die Nummer xy (und werden mit der diensthabenden TFA oder dem TA verbunden).

Bei der Annahme des Telefonats durch die TFA hilft oft ein koordiniertes Abarbeiten, die Situation optimal einzuschätzen und dem Besitzer die wichtigsten Informationen an die Hand zu geben. Daher sollten folgende Fragen gestellt bzw. Informationen gegeben werden (Telefontriage):

•Wer ruft an?

•Um was für ein Tier handelt es sich? Rasse, Alter, Geschlecht?

•Was ist das aktuelle Problem?

•Bei Unfällen: Sind mehrere Tiere betroffen?

•Wie sind die Vitalparameter, soweit beurteilbar (Bewusstsein, Herz- bzw. Pulsfrequenz, Atemfrequenz und Atemarbeit, Schleimhautfarbe, weitere offensichtliche Abweichungen)?

•Erfolgte eine Vorbehandlung?

•Bestehen Medikamentenunverträglichkeiten?

•Wann wird der Patient eintreffen?

•Anweisung, was die Besitzer als Erste-Hilfe-Maßnahmen durchführen können (Lagerung, Stressreduktion)

•Hinweis auf Selbstschutz

•Erklärung, wie der Besitzer am besten zur Klinik kommt (Adresse nennen, ggf. Adresse per E-Mail oder anderen elektronischen Medien zukommen lassen).

Gegebenenfalls kann ein vorbereitetes Formular helfen, die wichtigsten Informationen schriftlich zu fixieren. Zudem kann damit besser durch das Telefonat geführt werden.

Wer ruft an? Mit dieser Frage kann der Anrufer persönlich angesprochen werden.

Signalement des Tieres? Diese Abfrage hilft oft schon, häufige Differenzialdiagnosen ein- bzw. auszuschließen und das Material der Größe des Patienten entsprechend vorzubereiten.

Was ist das aktuelle Problem? Die Frage hilft, schnell auf das Hauptproblem zu stoßen, ohne einen ellenlangen Vorbericht zu bekommen, wie etwa: „Ja vor drei Jahren hatte der Hugo …, und dann …“.

Bei Unfällen: Ist mehr als ein Tier betroffen? Diese Information hilft, sich ggf. auf mehrere Patienten vorzubereiten. Eventuell müssen einige Patienten in andere Praxen oder Kliniken verwiesen werden. Wenn möglich, kann auch weiteres Personal hinzugezogen werden.

Wie sind die Vitalparameter? Diese Informationen zielen darauf ab, die lebensbedrohlichsten Abweichungen zu erkennen und den Schweregrad der Erkrankung bereits jetzt einzuschätzen. Gelegentlich sind mit diesen Informationen bereits einige Differenzialdiagnosen wahrscheinlicher. Wichtig ist, dass die Befunde dem TA grundsätzlich weitergegeben werden und keine eigene Diagnose gestellt wird. Beispielsweise sollte nicht gesagt werden: „Der Hund hat eine Magen-Drehung“, wenn die Befunde blasse Schleimhäute, hohe Herzfrequenz, Würgen und zunehmender Bauchumfang vorliegen. Der TA muss sich aus den Befunden sein eigenes Bild machen und nach der Untersuchung des Patienten die Diagnose stellen. Das geht am besten unbeeinflusst, ohne vorherige Verdachtsdiagnosen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass man sich durch voreilige Diagnosen in die Irre leiten lässt und ein falsches Bild vom Patienten bekommt.

Wann wird der Patient eintreffen? Diese Frage hilft, zeitlich und personell zu planen und ggf. bei angekündigten schweren Notfällen nicht erst mit der Behandlung eines einfachen Falls anzufangen, wenn der lebensbedrohliche Notfall in fünf Minuten eintrifft.

Diese Liste hilft dabei, die Dringlichkeiten der Notfälle optimal einschätzen zu können. Bei weniger schwerwiegenden Notfällen kann ggf. eine Vorstellung in personell besser besetzten Notfallsprechstunden empfohlen werden. Falls bereits am Telefon klar ist, dass die Praxis den Notfall nicht selbstständig managen kann, sollte eine Überweisung an eine adäquat ausgestattete Praxis oder Klinik empfohlen werden.

BEACHTE

Es sollte sichergestellt sein, dass relevante Informationen schnellstmöglich zum notdiensthabenden Tierarzt gelangen und notwendige Vorbereitungen getroffen werden können. Diese beinhaltet die Bereitstellung benötigter Materialien und die Information des Personals. Telefonlisten, auch mit den Privatnummern der diensthabenden Tierärzte und TFAs, sollten vorhanden sein.

2.2Notfallausstattung

2.2.1Notfallraum

Ein Raum in der Praxis sollte als Notfallraum deklariert sein. Dieser sollte gut zugänglich sein und immer für den Notfall zur Verfügung stehen. Am besten liegt der Notfallraum direkt am Eingangsbereich. Es ist nicht sinnvoll, ihn in die hinterste Ecke einer größeren Praxis zu legen, in die man nur über Treppen oder vorbei an engen Ecken gelangen kann.

In einer Notfallsituation muss auch der kollabierte 70 kg schwere Hund gut auf der Trage vom Praxiseingang in den Raum gebracht werden können. Eine Option ist es auch, einen Zugang zum Notfallraum von außen zu schaffen. So kann man ggf. kollabierte Tiere aus dem Auto direkt in den Raum bringen, oder ggf. auch euthanasierte Tiere aus dem Raum bringen, ohne an wartenden Besitzern und Tieren vorbei zu müssen.

PRAXISTIPP

Der Notfallraum kann selbstverständlich auch als Behandlungsraum genutzt werden, sollte jedoch im Falle eines lebensbedrohlichen Notfalls sofort geräumt werden. Dieses Management muss allen Praxismitarbeitern bewusst sein.

In großen Kliniken bietet es sich an, mehrere optimal ausgestattete Notfallräume zu haben. So können auch mehrere Notfallpatienten parallel behandelt werden. Gelegentlich wird das Konzept der getrennten Untersuchungs- und Behandlungsräume umgesetzt. Das heißt, einige kleine Räume sind nur spärlich ausgestattet und dienen der Anamnese- Erhebung und der klinischen Untersuchung. Hier ist meist nur der TA oder die TFA mit dem Besitzer allein. Patienten, bei denen Blutentnahmen, Infusionen oder kleinere Notfalleingriffe erfolgen, werden in einen zentralen Behandlungsraum verbracht. Dort ist neben dem gesamten Notfallmaterial und den Geräten außerdem genügend Personal vorhanden. Die eigentliche Behandlung wird ohne den Besitzer durchgeführt. Solch eine Aufteilung bietet sich insbesondere in größeren Kliniken mit vielen Notfällen und adäquater Personaldecke an.

Der Notfallraum sollte selbstverständlich allen Anforderungen an die Ausstattung und Hygiene eines normalen Behandlungsraums entsprechen. Dazu zählen Wasser- und Abwasseranschluss mit Waschmöglichkeit sowie entsprechend gut zu reinigendes und belastbares Bodenmaterial. Der Raum sollte allgemein hell und gut beleuchtet sein. Untersuchungslampen an der Decke oder der Wand helfen zudem, die Sichtverhältnisse bei Untersuchungen oder kleineren Eingriffen zu verbessern.

Die Oberflächen sollten natürlich nicht zugestellt und gut zu desinfizieren sein. Dazu muss ausreichend Flächen-Desinfektionsmittel – z. B. als Wischdesinfektion – vorhanden sein. Ebenso ist auf Hand-Desinfektionsmittel, Seifenspender und Handpflege-Möglichkeiten zu achten.

Zur Aufrechterhaltung der Hygiene ist neben einer Desinfektion des Tisches und der Oberflächen eine Personalhygiene, die vor allem aus einer optimalen Hand-Desinfektion vor und nach jedem Patientenkontakt besteht, essenziell. Um die Hände, inklusive der Unterarme, optimal desinfizieren zu können, dürfen keine Ringe, Uhren oder Ähnliches an den Händen getragen werden. Um dennoch die wichtigsten Vitalparameter der Patienten erheben zu können, sollten eine oder zwei Uhren mit Sekundenzeigern so an exponierten Stellen des Raums aufgestellt sein, dass diese von allen Positionen einsehbar sind.

2.2.2Material

Die benötigen Materialien beinhalten Hilfsmittel der klinischen Diagnostik, Labordiagnostik, Materialien zur Infusionstherapie, Intubation, Sauerstofftherapie und Wiederbelebung sowie Notfallmedikamente. Diese sollten gut beschriftet immer an demselben Platz zu finden sein (Abb. 2-2).

Sowohl an den Schränken und Schubladen als auch an den einzelnen Schrankabteilen sollte der Inhalt gut lesbar angeschrieben werden. Zudem ist es sinnvoll, die Ordnung im Notfallraum nicht ständig zu ändern, sodass sich bei der Suche nach den Materialien eine Gewohnheit bzw. ein Automatismus einstellen kann (Abb. 2-3).

Abb. 2-2 Die TFA überprüft Infusionslösungen im Notfallraum. Beachte: Die Schranktüren öffnen nach oben.

Abb. 2-3 Die TFA bereitet im Notfallraum das EKG am Multiparametermonitor für den angekündigten Notfallpatienten vor. Ebenfalls zur Ausstattung gehören neben dem Behandlungstisch eine Sauerstoffflasche, ein Infusionsständer und eine Infusionspumpe.

Besonders wichtig sind die Materialien zur Wiederbelebung. Alles sollte sich im Notfallraum befinden, es könnte auch für andere Notfallsituationen sehr hilfreich sein. Im Reanimationsfall müssen Trachealtuben in verschiedenen Durchmessern vorhanden sein. Zum Legen der Tuben ist ein funktionelles Laryngoskop essenziell. Die Tuben sollten mit einem festen Band am Kopf des Tieres fixiert, sowie der Ballon am Ende des Tubus mit einer Spritze entsprechend geblockt werden können. Die Möglichkeit zur Beatmung des Patienten kann mittels eines Ambu® Beatmungsbeutels oder einer Anästhesiemaschine geschaffen werden.

Ein höhenverstellbarer Behandlungstisch ist ebenfalls essenziell. Ins- besondere für die Behandlung großer Hunde ist es sinnvoll, wenn dieser bis fast auf den Boden gefahren werden kann. Ebenso wichtig ist ein portabler Tisch bzw. eine Trage. Es kommt häufig vor, dass schwere Hunde nicht gehfähig im Auto liegen. Hier ist es sinnvoll, eine Trage oder einen Tisch mit entsprechend großen und robusten Rädern zur Verfügung zu haben, womit man auch in das Außengelände der Praxis fahren kann. Mit einem fahrbaren Tisch kann der nicht gehfähige Patient in den OP oder auf Station gebracht werden. Ein idealer Transporttisch ist höhenverstellbar, mit abnehmbarer Transporttrage und hat die Möglichkeit, Material wie Notfallmedikamente mitzuführen und bietet im Optimalfall noch die Möglichkeit, eine Sauerstoffflasche zur O2-Versorgung des Patienten zu transportieren. Zur Desinfektion der Tische sollte ausreichend Desinfektionsmittel, am besten in Form von Desinfektionstüchern zur Verfügung stehen. Insbesondere bei häufigem Kontakt mit infektiösen oder stark verschmutzten Tieren empfiehlt es sich, Hygienematten bzw. Krankenunterlagen auf den Tischen zu platzieren, die nach jedem Patienten gewechselt werden.

Eine Sauerstoffquelle im Notfallraum ermöglicht die Verabreichung von O2 bei Reanimation und Dyspnoe sowie an Schockpatienten. Diese kann als Flasche, als Sauerstoffkonzentrator oder als zentrale Sauerstoffversorgung der Praxis vorhanden sein. Die Sauerstoffapplikation kann per Flow-by-Technik oder über transparente Masken erfolgen. Alternativ steht die invasive O2-Versorgung des Patienten mit Sauerstoffsonde oder Trachealkanüle zur Auswahl (Kap. 3.1.2).

Die zur Untersuchung benötigten Materialien wie Stethoskop, Thermometer, neurologische Instrumente wie Reflexhammer, Stablampe, Klemme, Otoskop sowie Handschuhe sollten stets im Notfallraum vorhanden sein. Ebenso dazu gehören Materialien zur Blutentnahme.

Verbrauchsmaterialien wie Dreiwegehähne, Butterfly-Katheter, Infusionsleitungen und Spritzen in verschiedenen Größen sollten immer in ausreichender Anzahl zur Verfügung stehen. Material für einen Gefäßzugang für verschiedene Patientengrößen ist für eine adäquate Notfalltherapie unentbehrlich. Dazu zählen eine Schermaschine und Desinfektionsmöglichkeiten zur Vorbereitung des Patienten, Venenkatheter in verschiedenen Größen sowie Fixationsmaterial. Insbesondere für stark hypovolämische Patienten empfiehlt es sich, Material für eine Venotomie vorrätig zu haben (Skalpell, Nahtmaterial, Mosquitoklemmen). Intraossäre Katheter, also Kanülen, die in das Knochenmark eingebracht werden, ermöglichen den Gefäßzugang bei sehr kleinen Tieren oder nicht auffindbaren Venen. Es ist empfehlenswert, Verbrauchsmaterialien für verschiedene Indikationen (z. B. Harnkatheter, Thorakozentese, Throraxdrainage, Tracheotomie) in Form von vorbereiteten Sets zur Verfügung zu haben (Abb. 2-4 und Abb. 2-5).

Abb. 2-4 Notfallsets für verschiedene Indikationen

Abb. 2-5 Set und Inhaltsliste für die Thoraxdrainage

Selbstverständlich sollte sich im oder in der Nähe des Notfallraums auch eine Waage für Hunde sowie eine für Katzen und Heimtiere befinden.

Bei allen Materialien und Geräten ist die Aufrechterhaltung der Ordnung essenziell. Die Geräte sollten jederzeit sofort einsatzbereit sein. Die Ordnung sollte mehrmals täglich, am besten anhand einer Minimal- maximal-Checkliste kontrolliert und bei Bedarf wiederhergestellt werden. Alle Geräte sind auf Vollständigkeit, Funktion und Sauberkeit zu überprüfen. Es hat sich bewährt, auch diese Überprüfungen anhand von Checklisten mit Unterschrift zu bestätigen.

Hilfreiche Formulare für die Ausstattung des Notfallraums und die Aufrechterhaltung der Ordnung finden Sie zum Download auf tfa-wissen.de unter:

svg.to/ausstattung_notfallraum

svg.to/materialien_notfallraum

svg.to/verbrauchsmaterial_min_max

2.2.3Geräte

Verschiedene Geräte gehören in den Notfallraum. Dazu zählen Geräte zur Infusion wie Infusions- und Spritzenpumpen, Sauerstoffflaschen oder Sauerstoffkonzentratoren sowie Überwachungsgeräte. Zur Patientenüberwachung können ein Multiparametermonitor oder die jeweiligen Einzelgeräte zur Verfügung stehen. Dabei sollten einerseits die Parameter Blutdruck und arterielle Sauerstoffsättigung (per Pulsoximetrie) gemessen werden, andererseits ist die Überwachung per EKG und Kapnographie sinnvoll.

Viele Medikamente müssen gekühlt gelagert werden. Zudem werden insbesondere für hypertherme Patienten kühle Infusionslösungen benötigt. All das sollte in einem ausschließlich dafür genutzten Kühlschrank vorrätig gehalten werden.

Im Gegensatz dazu erhalten hypotherme Patienten angewärmte Infusionslösungen. Da die Erwärmung im Wasserbad oder in der Mikrowelle nur unzuverlässig funktioniert, ist die Erwärmung im Wärmeschrank (auf Vorrat) optimal. In diesem können auch Gelkissen zur Wärmung besonders kleiner Tiere gelagert werden (Abb. 2-6).

Abb. 2-6 Gelkissen zur aktiven Wärmung kleiner Patienten. Achtung: Bitte nie direkt auf die Haut legen, sondern immer ein Tuch, z. B. Handtuch, zwischen Kissen und Haut legen.

Selbstverständlich sollten passive Wärmemethoden wie Decken ausreichend zur Verfügung stehen. Aktive Wärmemethoden wie Wärmelampen, Warmluftgebläse (z. B. Bair Hugger®) und elektrische Heizdecken mit Sicherheitsmechanismen (z. B. HotBody®, Abb. 2-7) sind zur optimalen Behandlung von ausgekühlten Tieren und vor allem Katzen im Schock essenziell.

Abb. 2-7 Aktive Wärmemethoden

a aktives Warmluftsystem Bair Hugger® zur Wärmung ausgekühlter Patienten

b aktives Wärmesystem HotBody® im Einsatz

Insbesondere bei Patienten mit Atemnot oder Tieren, die häufig erbrechen, muss oft Material aus dem Rachen entfernt werden. Hierzu sollte eine Unterdruckabsaugung zur Verfügung stehen. Damit ist es ebenfalls möglich, die Flüssigkeit bei Aszites bzw. von Thorax- und Perikardergüssen (letzteres v. a. bei großen Tieren) abzusaugen (Abb. 2-8 und Abb. 2-9).

Abb. 2-8 Vakuumpumpe zur Absaugung von Sekreten und Ergüssen

Abb. 2-9 Integrierte Vakuumabsaugung mit zentraler Unterdruckversorgung. Diese zentrale Technik ist insbesondere für größere Kliniken geeignet.

BEACHTE

Ebenso wie die Materialien müssen die Geräte immer vollständig und einsatzbereit sein. Hierfür sollte einer Person die Verantwortung übertragen werden, welche regelmäßige Kontrollen durchführt.

2.2.4Labor