Hauptsache Bewegung - Jo Köhler - E-Book

Hauptsache Bewegung E-Book

Jo Köhler

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Beschreibung

"Die Existenz einer schöpferischen Seele und jeder hat einen Funken davon, unabhängig vom Bildungsgrad, hängt nicht an äußeren Erfolgen, nicht am sozialen Status, nicht an dem, was du willst oder nicht willst, und schon gar nicht an den Meinungen der anderen, ihr Resonanzboden ist vielmehr der Weltinnenraum, in dem du deine eigene Wahrheit suchen und finden musst."

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Für Margarete

Inhaltsverzeichnis

Vorwort von Aurelia Wendt

Warm-up

Glückliche Beziehung

Stundengedicht

Zwischen den Zeilen

Einspruch

Advent

Camp 1

Mutter

Kind

Hauptsache Bewegung

In der Bergpredigt

An einen Kollegen aus Österreich.

Spirale der Gewalt

Weltlage

Download

Lesen lernen

Dem Zwischenmenschen

Übers Ziel

Ein gutes Gedicht

Schöpferischer Prozess

Zu Ehren von Wolfgang Neuss

Camp 2

Himmelsbegräbnis

Eigentlich

Entgrenzt

Licht und Schatten

Geschreddert

Fata Morgana-II

Wenn deine Wünsche

Sinn des Lebens II

Camp 3

Außenpolitische Logik

Es tut mir leid,

Verstellt

Good Vibrations

Neu gefasst

Politische Größe

Duplizität

Ein Held

Melodie meines Lebens

Vorwärts

Camp 4

Onlineformular

Gewonnen

Enträtselt

Inkasso

Inklusion

Stigma

Rechtsmittel

Herbstlied

Nabel der Welt

Das Beruhigende

Camp 5

Blockbuster

Jahreswirtschaftsbericht

Cancel Culture

Rangordnung

Den Heiligen und Erleuchteten

heimat

Über Kommunikation im Streitfall

Konsolidiert

Mensch bleiben

Gestresst

Mama

Camp 6

Abgestumpft

Pogrom

Tabuisiert

Berufen

Militant

Blaue Stunde

Amtsversagen

Das Ich

Gewidmet

Wenn es gutgeht, an der Schwelle zu etwas Neuem!

Clash

Jedes Jahr

Piktogramm

Grenzseitig

Camp 7

Imagine: Oder der Anfang eines Romans

Camp 8

Transmission

Charakter

Gefruchtet

My Way

Ode an die Jugend

Vertan

Dschungelkind

Auf den Leim gegangen

Gesellschaftliche Verantwortung

Camp 9

Zum Geburtstag

Planspiel

Die Killergeschichte der Menschheit

Gefasst II

Geirrt

Wenn es Nacht

Zugabe

„Denn mit Wortgewalt ist – auch Gewalt“

Identisch

Zivilcourage

Über das Glück und die Kunst des Wortes!

Schlusspunkt

Selbstfindung

Vita

Vorwort von Aurelia Wendt

Germanistin, Journalistin Buchrezensentin - auch für den Hörfunk

Seine Leser kennen und schätzen Jo Köhler vor allem als Autor von feinfühligen Gedichten und kritischen Essays. Seine Werke sind stets gefüllt von mitreißenden Emotionen, starken Gefühlen und brisanten Themen. Im vorliegenden Buch startet der Autor zunächst sachte mit einigen Gedichten, in denen er erklärt, dass das Schreiben „ein Prozess des Verstehens, des mal mutigen und mal vorsichtigen Tastens“ ist. Mit Geduld und Achtsamkeit betrachtet und ergründet Jo Köhler in den folgenden Kapiteln politische, gesellschaftliche, religiöse und weitere Zusammenhänge. Dabei habe ich den Eindruck, dass er sich innerlich weniger aufreibt als in den vorherigen Werken. „Eigentlich / mag ich / keine / Übertreibung“ schreibt der Autor selbst und legt dann seinen Schwerpunkt auf Innenschau und Selbstreflexion.

Bereits im Klappentext werden wir darauf vorbereitet, dass es in diesem Buch inhaltlich in die Tiefe gehen wird. Jo Köhler spricht von einem „Weltinnenraum“, in dem jeder seine eigene Wahrheit suchen und finden muss. Mit Sätzen wie „Manchmal / bin ich glücklich / und weiß gar nicht / warum!“ gibt er einen Einblick in seine Gefühlswelt und regt uns an zur eigenen Innenschau. Wir dürfen in uns erspüren, inwieweit wir in Resonanz gehen, wenn Köhler beispielsweise behauptet: „Das Wohlbefinden der Seele hängt nicht an Leistungen, nicht an äußeren Erfolgen“.

Jo Köhler gewährt uns in diesem Werk einen Einblick in seine Arbeitsmethode, die er häufig als „schöpferischen Prozess“ bezeichnet. Wir erfahren, dass „die weniger gelungenen / ja gescheiterten / Entwürfe“ eigentlich die Wichtigeren im Schaffensprozess sind. Auch wenn Köhler die Ideen und Wörter nur so zuzufliegen scheinen, kann der Schreibprozess mitunter holperig verlaufen - so zumindest klingt es, wenn er sein schöpferisches Prozedere beschreibt als „ein chaotischer / Prozess, / unergründlich, / und unbegreiflich“. Aber auch in solchen Momenten scheint der Autor ein Rezept gefunden zu haben: sich zurücklehnen und auf eine Art göttliche Eingebung warten, die sich dann realisiert wie „als lenkte mich / eine wundersame / Schöpferhand“.

Auch im integrierten Romanteil stehen die Motive Innenschau und Selbstbetrachtung im Mittelpunkt. In der kurzen Erzählung geht es vor allem um Kindheitserinnerungen und um ungeklärte Familienkonflikte. Beschrieben wird ein Protagonist, der viele Enttäuschungen und „seelische Trümmer“ erfahren hat und dann im Schreiben Halt und Zuversicht findet. Eine melancholische, gedankenschwere Atmosphäre durchzieht den Text und es entsteht der Eindruck, dass sich hier etwas Bahn bricht, was schon lange gärt und endlich gesagt werden will.

Obwohl der Roman mit kaum mehr als fünfundzwanzig Seiten vergleichsweise kurz ist, geht er unter die Haut. „Am liebsten wäre ich manchmal ein anderer“, offenbart der Hauptdarsteller und ein starker Wunsch nach Akzeptanz und Anerkennung wird durch die Zeilen spürbar. Doch leider bleibt seine Vorliebe zum Schreiben ohne Erfolg, da „die Gedichte, die er publizierte, kaum jemand las“.

Möglicherweise aber wird dem Protagonisten eine andere Sehnsucht erfüllt - nämlich von einer Frau, in die er sich schließlich verliebt. Wie es mit dieser neuen Bekanntschaft weitergeht, erfahren wir jedoch nicht. Das Ende des Romans bleibt offen und „der Leser muss jetzt die vorgefundenen Handlungsstränge nur noch in seiner Phantasie verweben“.

Der Roman taucht spontan und wie aus dem Nichts auf und geht genauso plötzlich zu Ende. Der Autor hat ihn inmitten von Gedichten, Dialogen, Briefen, Essays und Erinnerungen platziert und bleibt damit seinem Prinzip treu: dem unerwarteten und schnellen Wechsel von Themen und Textformen. „Hauptsache Bewegung“ heißt passenderweise der Buchtitel und tatsächlich spüren wir in diesem Werk eine durchgängige Dynamik und „Bewegung, auch wenn wir nicht wissen, wohin die Reise geht“. Es fühlt sich an, als würde ein stete Brise durch das Buch wehen, die uns Leser sanft vorantreibt und nicht ruhen lässt, bis die letzte Seite gelesen ist - ganz „egal / an welches Ziel / oder welchen / Anfang / Hauptsache weiter / immer weiter / und weiter“.

Warm-up

Man

kann sich

an alles

gewöhnen

sogar

an einen Stein

im Schuh

sagt

die Marathonläuferin

die

den Reportern

berichtet

was

für eine

spannende

Geschichte

ihr

während

eines Rennens

so

ein Stein

schon mal

erzählt

hat

Glückliche Beziehung

Immer

wenn ich

zu dir

aufschaue

wie du

zu mir

aufschaust

Er nannte es sichtbarwerdende Zeit. Aber was ist das? Er meint nicht das Ticken der Uhr, nicht den Zeiger, der über das Ziffernblatt läuft, nicht die sich verringernde Zeit, nicht die Zeitspanne, in der etwas geschieht. Sondern die Zeit, in der man in sich geht und eine vertiefte Wahrheit erkennt. Egal ob mit einem lachenden oder einem weinenden Auge.

Der Moment, in dem uns etwas bewusst beziehungsweise gewahr wird. Ein Stück neues Bewusstsein geboren wird; also Altes sich transformiert, in etwas Neuem auflöst oder in seinen ursprünglichen Zustand wieder absinkt.

Vorstellungen, Glaubenssätze jedoch folgen meistens dem Prinzip der Fixierung, sagt er, wollen haften bleiben, egal ob sie wahr sind oder nicht, ob sie noch zeitgemäß sind oder nicht. Also genau das Gegenteil von echter Transformation.

Politisch und Gesellschaftlich verheißt das für die Zukunft eine Menge Unruhe. Oder wie andere sagen: Epochen-Wechsel - Zeitenwende. Wo sie gelingt, entlässt sie die eigenen Vorstellungen. Alle, an die wir uns klammerten. Ins Nichts. Und zwar lagerübergreifend. Als würde das Schicksal sämtliche Vorstellungswelten neu würfeln. Es geht jetzt nicht um Wissen, um die richtige oder falsche Information, sondern um Weisheit.

Stundengedicht

Mitgeschwungen

nur im

Ungefähren geblieben

im Lot

fest verankert

in der Erde der eigenen

Seele

auf dem Boden

der keine Gründe

braucht

wozu

und erlöst

von sich selbst

von allem, das zwingt

das einschließt

das

ausschließt

erhaben

erhoben

aus tiefster Not

in die Lüfte

der Phantasie

in die schönsten

und fernsten Himmel

mit dir

wem sonst

Zwischen den Zeilen

wo

schon wenige

Worte

eine ganze

Welt

ja - ein ganzes

Universum

erschaffen können

nicht bloß

an Atomen

und ihren

Schwerkräften

sondern

vielmehr noch

vom

Wesen der Dinge

aller Dinge

ein Universum

welches es

ohne dich

ohne dein Zutun

ohne dein

Wissen

oder Nichtwissen

nicht geben

würde

jedenfalls

nicht so

nie und nimmer

so

Einspruch

Auf

der offenen Wildbahn

solltest du dich

zurückhalten

nicht zu schnell

annähern

bloß nicht

sondern warten

bis es

von sich aus

zu dir kommt

sagte der erfahrene

Tierfilmer

und Verhaltensforscher

als wäre

dieses Gebot

auch

der Schlüssel

für jede andere

Beziehung

nicht verzwingen

sondern

Raum geben

in dem

man sein

und durch den man

kommen kann

Advent

Manchmal

wenn du spürst

dass es mir

nicht gutgeht

und du nicht weißt

was du tun

oder sagen

sollst

schlägst du einfach

das Gesangbuch

deines

Herzens

auf

singst

daraus ein Lied

und dadurch

das es dich bewegt

auch mich

erreicht

du sagst

ich soll nicht bloß

hoffen

dass es wirkt

sondern

einfach nur

dass es

wirkt

Camp 1

Den ganzen Tag überwiegt dichte Bewölkung, aber es bleibt trocken und die Temperaturen liegen zwischen 2 und 4°C.

Schreiben ist, wenn es nach innen geschieht, immer ein Prozess des Verstehens, des mal mutigeren und mal vorsichtigeren Tastens - in der Dunkelheit eines Terrains, das wir ICH nennen, uns auf diese Weise Schritt für Schritt zu eigen machen und dadurch, ob wir wollen oder nicht, wandeln hin zu etwas Neuem. Oder zu etwas unsagbar Altem.

Überall, wo dergleichen auch durch Lesen geschieht, macht Lesen glücklich.

Mutter

Was kann ich tun

mir ist

als hätte ich mich verloren

und wäre nichts

gut genug

von dem, was ich tue

Kind

besser wird es

sobald du dich löst

[ich meine]

von den

Selbsterwartungen

den Erfolgsversprechen

den

Glücksvorstellungen

durch andere

dich öffnest

dich aufmachst und

einfach

weitergehst

nicht

stehenbleibst

Hauptsache Bewegung

sagte sie - bevor sie,

wie sie es nannte,

sich auf die große Reise

machte

In eine Stadt, die weder Sonne noch Mond braucht!

In der Bergpredigt

sagt Jesus bei den Seligpreisungen als Erstes: Selig sind die, die arm sind vor Gott!

Und ruft faktisch dazu auf, nicht nur materielle sondern auch ideelle Güter loszulassen, Vorstellungen, Weltanschauungen und Gedankengebäude, die einem lieb und teuer sind. Auch von diesen sich zu befreien.

Also selig sind demnach diejenigen, die sich völlig leer machen. Und zwar nicht nur von den schlechten Eigenschaften (Gier, Missgunst, Neid) und all ihren Vorurteilen, sondern auch von allem anderen, womit die Seele verstellt ist. Verstellt war!

Sich freimachen - Raum geben, um Gott empfangen zu können.

An einen Kollegen aus Österreich.

Lieber R.,

ich teile deine Verzweiflung über den Zustand der Welt. Und ja, es ist ein himmelweiter Unterschied, ob ein Mensch nur an Mitteilungen im Sinne von Bestätigung (Echokammer) oder am Austausch im Sinne von Prozessen des tieferen Verstehens interessiert ist.

Ob die Verzweiflung über die Welt tatsächlich auf den Zustand der Welt zurückgeht oder nicht eher auf das Zerplatzen von Illusionen, die sich unsereins über diese Welt gemacht hat, ist eine andere aber nicht weniger spannende Frage.

Bei einem Schiff nennt man seine Größe in Bruttoregistertonnen „Verdrängung“ und meint damit, wie viel Wasser das Gewicht dieses Schiffes beim Fahren verdrängen kann. Diese Art von physischer Gesetzmäßigkeit zwischen festem und flüssigem Körper kann man auch übertragen ins gesellschaftliche, soziokulturelle, ökonomische und politische Zusammenspiel.

Mit den Machtmitteln unserer westlichen Zivilisation - dazu zähle ich zuvorderst die ökonomischen Diktate, die Prinzipien des Kapitalismus und die mediale Dominanz u.a. auch durch Hollywood) haben wir uns die Welt gemalt, wie sie uns gefällt.