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Jeder Ort hat seinen eigenen Seelenzustand und wenn man ihn betritt, geht etwas von ihm auf einen über. Genauso ist es auch mit dem Lesen, dem Betreten eines Gedichtes. Ich schaue mich in ihm um. Ich begreife, ich spüre seine Architektur. Ich erfahre sein Geheimnis.
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Seitenzahl: 96
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Für Margarete
Vorwort von Aurelia Wendt
Urlaubsgruß
Wer
Der Sohn schreibt
Der Vater erwidert
Bestimmt
Quantifiziert
Ansprache bei der Messe der Poesie in der St. Andreaskirche zu Hildesheim
Teil I: Stehe auf
Zauberspruch
Um 14:19 schrieb H. C.
Um 0:33 Uhr antworte ich
Nichts ist so heilsam wie ein Perspektivwechsel
Entrüstet
Nahtod
Mülltrennung
Dem Zwischenmenschen II
Chatbot
Missioniert
Verrechnet
Respekt
Nonverbal
Porträtiert
Bildungsgerechtigkeit
Entwichen
Beschildert
Was der Mensch durchmacht
Erster Akt
Zweiter Akt
Dritter Akt
Vierter Akt
Fünfter Akt
Märzen
Elementar
Frontlinie
In Anbetracht der Probleme
Ein großer Wurf
Das Versprechen
Alterserscheinung
Teil II: Verliere nicht den Mut
Muss ich
Happy End
Schwarmintelligenz
Zeitenwende II
Ostern
Seufz!
Kindergrundsicherung
Zynisch
Verfehlt
Würdelos
Gründe und Abgründe
Antiquiert
Austherapiert
Vorsehung II
Frage der Perspektive
Neue Medien
Aus heiterem Himmel
Sym-philosophiert
Anthroposophiert
Alles seine Ordnung
Teil III: Mache einen Schritt
Zahn-der-Zeit
Medial
Vorletzte Generation
Gänsehäutig II
Aufholjagd
Alter Ego
Das Leben ist Fragment
Satanisch
Apokalyptisch
Imagine
Teil IV: Egal in welche Richtung
Geschäftsmodell
Durchsichtiges Manöver
Kleines Glück
Anthropozentrisch
Teilgehabt
Sich gesammelt
Geschlichtet
Geortet
Psychosomatik
Happy End II
Wartezone
Falsches Alibi
Pausentaste
Romantik
Wolkenkuckucksheim
Teil V: Liebe – was gegeben ist
Alltag-des-Krieges
PISA und kein Ende
Verarmt
Heimat
Buchstabiert
Psychosomatisch II
Milchmädchenrechnung
Resilient
Jakob zum Ersten
Virtuos
My Way
Ein Wunder
Geheiligt
In Erinnerung an Elma
Jakob zum Zweiten
Vorausgedacht
Zusammengehängt
Teil VI: Lebe für das, was kommt
Über den Umgang mit Menschen
Lesen lernen
Achtzig Prozent zum Glück
Gestaut
Wem die Stunde schlägt
Kontinuum III
Gespiegelt
Morgenstunde
Wahre Liebe
Insel der Seligen
Der Farbe Grau
Rettungsaktion
Recht und Freiheit
Vorschlag zur Flüchtlingspolitik
Dem Hirten
Als Dank eine kleine Zugabe
Bewährt
Geleitwort
Antwort an einen Fremden
Zur Person
Vita
Germanistin, Journalistin Buchrezensentin - auch für den Hörfunk
Bereits beim ersten Aufschlagen des Buches ist die „Handschrift“ des Autors sofort wiedererkennbar: ein Mix aus Essays, Gedichten, kurzen Erzählungen und Gedankensplittern. Dabei setzt Jo Köhler auf eine bewährte Textgestaltung, die unverwechselbar ist. Jeder Essay füllt maximal zwei Seiten, Gedichte und einzelne Sätze sind oft mittig platziert.
Auch beim Themenangebot bleibt Köhler seinem Stil treu. Nahezu jede Seite präsentiert er einen neuen Aspekt in jeweils einer anderen Textform und sorgt damit für Abwechslung und Frische. „Nicht erschrecken, ich lasse jetzt einen Korken knallen und wechsele das Thema“, beschreibt der Autor humorvoll seine Methode.
Ganz gleich, welches Thema der Autor sich vornimmt - er erweist sich stets als guter Beobachter, der insbesondere Alltägliches interessant in Szene zu setzen vermag. Er nimmt aber auch Sozial-, Bildungs-, Migrations- oder Klimapolitik unter die Lupe, beäugt kritisch unsere Medienlandschaft und beklagt sich über Inflation und explodierende Energiepreise. Wir Leser spüren, wie nahe dem Autor viele aktuelle Ereignisse und Situationen gehen und wie sie ihn geradezu aufreiben. So ist es leicht nachvollziehbar, wenn er gedanklich an Grenzen stößt, ins Wanken gerät und mitunter resigniert: „Und ja, ich habe mich wohl in meinen Gedankengängen wie so oft wieder mal verlaufen“.
Es ist vor allem die Klimafrage, die den Autor partout nicht loslässt und in die er sich regelrecht festbeißt. Manche seiner Ansichten sind ziemlich rigoros. Und es ist ihm schwer abzunehmen, wenn er behauptet: „Interessiert mich nicht, wohin die Welt sich dreht. Was die Leute sagen oder denken. Was sie pupsen oder posten. (…) Lass sie doch“.
Das Gute aber ist, dass Jo Köhler bereit ist, andere Blickwinkel einzunehmen, um Ansichten, Beobachtungen und Argumente auf ein Neues zu beleuchten. Auffallend häufig bringt er das Wort „Perspektive“ ein, um vor allem unser aktuelles Gesundheitswesen in Frage zu stellen. Unter der Überschrift „Nichts ist so heilsam wie ein Perspektivwechsel“ fordert der Autor ein Umdenken bei der medizinischen Versorgung unseres Landes. Und schließlich fragt er sich generell, ob die Bewältigung des Alltags „immer nur eine Frage der Perspektive“ ist.
In seinen Gedichten gelingt es dem Autor sich zurückzulehnen und seine Gedanken schweifen zu lassen. Wir dürfen tief eintauchen in eine lyrische Welt, die sich jedem Leser anders offenbart: „Denn ein Gedicht, das einen berührt, grenzt nie aus oder ab, sondern weitet den Horizont und wirkt wie ein Fenster in eine andere Welt.“
Die köhlerschen Gedichte sind für mich kleine sprachliche Kunstwerke - eines schöner als das andere. Viele Worte darin richtet er an Margarete, seine Frau. Im Briefwechsel mit einem Bekannten beschreibt er sie als Mittlerin, die einen „Riesenanteil“ an seinem Wirken hat: „Und die Beziehung zu ihr gestattet dem Zwischenmenschen (an mir) erst die Erfahrung, sich so verletzlich und schwach zeigen zu dürfen, wie er nun mal ist.“
Insbesondere in den Gedichten kommt außerdem eine originelle Seite des Autors zum Vorschein, die uns Witz und Einfallsreichtum beschert und uns zum Innehalten inspiriert: „Ein großer Wurf ist der, der weit am Ziel vorbei geht und dennoch trifft, wenn auch ganz anders, als man dachte.“
Jo Köhler lässt seinen Gedanken und Worten viel Raum. Lediglich ein bis zwei Sätze füllen manchmal eine ganze Seite, die dadurch trotzdem keineswegs leer wirkt. Vor allem tiefgründige Gedanken brauchen diesen Platz, damit wir uns ganz und gar auf sie konzentrieren können: „Romantisch wird es, sobald du einen Bezug findest. Andockst, egal woran, egal wohin.“
Es ist diese besondere Fähigkeit des Autors, mit wenigen Sätzen viel zu sagen. So reichen auch zwei Sätze von Jo Köhler aus, um die Intention dieses Werkes treffend zu formulieren: „Es ist ein gutes Gefühl, wenn sich der Nebel lichtet. Ein sehr gutes.“
Die jungen Schwalben
rufen aufgeregt
und jagen einander
in flüchtigen
Flugformationen
als lobten sie
damit die Freiheit
und gäbe es
für sie
kein größeres
Glück
als im Wind zu segeln
und sich treiben
zu lassen
du sprichst
von Verletzlichem
von Ängsten
und von Sorgen
und vom Älterwerden
von Wünschen
an die du
nie gedacht hast
ich auch
→
die See - das Meer
ist genau da
wo wir es erwartet
erhofft haben
mit all seiner Kraft
seinen Farben, seinem
Schauen bis zum
Horizont
doch es erreicht
uns nicht
es bleibt nur außen
nur innen
als wäre seine Weite
gar keine Weite
sein Spiegeln
gar kein Spiegeln
sein Leuchten
gar kein Leuchten
ach
ich weiß nicht
wir versprechen
wiederzukommen
na klar
und versuchen
es dann
wie die Schwalben
zu halten
empfängt mich
mit einem Lächeln
und sagt: schön, dass du
da bist.
Wer
spricht geradeheraus
und nicht nur
in Floskeln.
Wer hält mich
wenn
ich unhaltbar
bin
Wer
vergibt mir, wenn ich
unmöglich bin.
→
Wer gibt mir Nähe
auch wenn
ich unnahbar
bin
Wer
sagt mir, es wird schon
und dann
wird es auch.
Wer - wenn du
nicht wärst
Unser Alltag plätschert so dahin und ehrlicherweise kann ich aktuell deine Frage nicht beantworten. Weder geht es uns gut, noch könnte ich sagen, dass es uns schlecht geht. Irgendwas dazwischen…
Verstehe! Für mich als Übersechzigjährigen ist es so - das Gute wirkt leise. Je älter ich werde, umso dramatischer erscheint mir jedes Hindernis, das überwunden und jeder Knoten, der gelöst werden muss. Und umso dankbarer bin ich, wo dies geschieht.
Wir alle
sind Lügner
im Dienste einer
Wahrheit,
die wir
nicht kennen,
noch nicht.
Nicht ich suche mir eine Geschichte, sondern die Geschichte sucht sich mich, um durch mich, durch meine Fasern gelebt, verfasst, realisiert – gewärtig zu werden.
„Fürchte nicht den, der deinen Leib tötet, sondern den, der deine Seele tötet!“
Was will Jesus uns damit sagen? In jedem Fall eine faszinierende Aussage, über die man erst mal nachsinnen muss, was und vor allem auch wen er damit meint.
Vielleicht die erfolgreichen Angstunternehmer in Medien und Politik. „Angst essen Seele auf!“ Die nur aus Gier, Neid oder Missgunst handeln. Die dich ausgrenzen, verleugnen, verspotten und nur darauf warten, dass du stürzt.
Oder auch die Neunmalklugen, die wissenschaftlichen, die politischen, die ökologischen und weltanschaulichen Eiferer.
Oder meint er damit immer auch eine dunkle Seite von uns selbst?
Wenn wir uns infantil, pubertär, verstockt oder narzisstisch gebärden.
Gesundheit
ist
für mich
an erster
Stelle
Gnade
an zweiter
Stelle
Gnade
an dritter
Stelle
Gnade
an vierter
Stelle
die Gene
und
an fünfter
Stelle
das
was wir
gesunde
Ernährung
oder
Lebensweise
nennen
Gut ein Drittel der Bevölkerung in Deutschland beantwortet die Frage nach dem Lesen inzwischen mit einem klaren Nein - rund 35 Millionen Menschen lesen gar nicht oder schlagen weniger als 1mal im Monat ein Buch auf.
Ein alarmierendes Ergebnis im Lande der Dichter und Denker! Zum ersten Mal seit der Erfindung des Buchdrucks vor über 500 Jahren schrumpft der Anteil der Lesenden. Nach einer Statistik der Gesellschaft für Konsumforschung verbringen die meisten Menschen ihre Zeit lieber in sozialen Netzwerken, mit Computerspielen oder mit Videostreaming Angeboten.
Gleichzeitig fühlen sich – trotz Internet und Messengerdiensten - immer mehr Menschen verloren, vereinsamt und sprachlos in dieser Welt. Sie kommen nicht mehr mit. Und bleiben ohne eigenen Ausdruck, ohne Andockmöglichkeit für das, was sie im Innersten bewegt, was sie berührt.
Genau hier setzen die Poeten aller Epoche an, die mit ihren Werken Unsagbares sagbar und Unfassbares fassbar machen und damit eine Sprache schaffen, in der man sich wiederfinden, aufgehoben und geborgen fühlen kann. Hierin liegt die eigentliche Relevanz von Kunst und Literatur, von Musik und Poesie.
Wobei das Wichtigste an einem Text, an einem Gedicht nicht das ist, was uns der Dichter oder die Dichterin damit sagen will, sondern vielmehr das ist, was sich in unseren Köpfen und in unserem Herzen durch ihr literarisches Werk an Bildern erst herausbildet. Auflodert. Sich abzeichnet.
Das Geheimnis eines Gedichtes offenbart sich jedem, der es liest, anders - das ist ja grad das Faszinierende daran. Poesie kann überall sein. Egal unter welchen Umständen, in welcher Situation, in welcher Handlung, in welcher Beziehung.
Poesie entsteht dort, wo einander Dinge begegnen, die sonst weit voneinander entfernt sind. Wie Tag und Nacht zum Beispiel. In der Poesie treffen alle Ebenen des Daseins aufeinander.
Poesie hat nichts mit Bildung oder Gelehrsamkeit zu tun. Die Sprache der Seele ist keine akademische! Aber wem sag ich das an einem Ort, an dem sonst aus der Bibel und damit aus einer Sprache rezitiert wird, für die das gleiche gilt. Das sollten wir uns, je gebildeter und klüger wir uns dünken, immer wieder hinter die Ohren schreiben.
Denn ein Gedicht, das einen berührt, grenzt nie aus oder ab, sondern weitet den Horizont und wirkt wie ein Fenster in eine andere Welt. Vielleicht auch zu einem anderen Himmel und zu einer anderen Erde.
Trotzdem! Nicht jedes Wort, das ein Dichter oder eine Dichterin gebraucht, muss gleich ein künstlerisches Meisterwerk sein. Auch das in Teilen unfertige, noch in Gärung befindliche, vielleicht sogar falsche oder gar verstörende Wort kann eine Berechtigung haben. Deshalb sollte es nie heißen: Ein falsches Wort und du bist tot!
Ist es doch vielleicht so etwas wie eine Vor- oder Zwischenstufe, der erste Schritt hin zu etwas Wunderbarem? Der