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Kommunen sind gesetzlich dazu verpflichtet, einen ausgeglichenen Haushalt zu führen. Jedoch haben immer mehr Gemeinden, Städte und Kreise Schwierigkeiten, ihre Haushalte und die Kommunalfinanzen gesund zu halten. Dieses Buch zeigt, wie Kommunen eine Entschuldung und Kostensenkung erreichen und die leeren Kassen wieder füllen können. Es stellt Methoden und Strategien zur Haushaltskonsolidierung vor und zeigt dabei die Potenziale und Möglichkeiten ebenso auf wie Fehlerquellen bei der Konsolidierung. Der Autor Helge Holm ist ein erfahrener Praktiker, der selbst mit der Konsolidierung befasst war. Er konzentriert sich auf grundsätzliche Aspekte und zeigt auch erfolgreiche Maßnahmen, die ein Stück weit von der Norm abweichen. Inhalte: - Ausgangssituation/Rahmenbedingungen - Haushaltskonsolidierung richtig planen - Fehlerquellen bei der Haushaltskonsolidierung vermeiden - Beteiligte ins Boot holen - Finanzielle Weichenstellungen - KonsolidierungspotenzialeNeu in der 2. Auflage: - Neufassung der "Inhaltlichen Anforderungen an ein Haushaltskonsolidierungskonzept" - Wirtschaftlichkeitsrechnungen - Vertiefung der Themen Investitionspriorisierung und Konsolidierungspotenziale
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Seitenzahl: 283
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Helge Holm
Haushaltskonsolidierung in Kommunen
2. aktualisierte und überarbeitete Auflage, April 2025
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In meinen Seminaren über Haushaltskonsolidierung in Kommunen mache ich immer wieder die Erfahrung, dass die Priorität dieses Themas unverändert hoch ist, weshalb ich mich entschlossen habe, eine zweite und in Teilen überarbeitete Auflage zu erarbeiten.
Die Lage in den öffentlichen Haushalten ist unverändert kritisch. Der Bundeshaushalt ist umstritten wie selten zuvor. Er ist durch den immer dringender werdenden Klimaschutz, durch erhöhte Militärausgaben sowie Probleme bei der Finanzierung der Sozialsysteme enormen zusätzlichen Belastungen ausgesetzt. Das lässt für die Länder und die Kommunen in der Folge nichts Gutes erwarten, da sich die Schwierigkeiten erfahrungsgemäß auch auf die Transferleistungen von oben nach unten auswirken werden.
Ein Grund mehr, dieses Thema wieder in den Fokus zu rücken.
Dessen nicht genug sind es in erster Linie weiterhin die Schulden, die den Handlungsspielraum der Kommunen permanent verringern.
Zahlreiche Gemeinden in Deutschland finden seit Jahren nicht aus der Verschuldung heraus. Die Situation hat sich in den letzten Jahren noch verschlimmert.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes beliefen sich die Schulden der Gemeinden und Gemeindeverbände zum 31.03.2024 auf insgesamt rund 156 Milliarden Euro (einschließlich Extrahaushalte).
Besorgniserregend ist auch, dass den ansteigenden Schulden keine entsprechenden Investitionen in dieser Höhe gegenüberstehen.
Stattdessen ist in vielen Kommunen ein erheblicher Investitions- und Sanierungsrückstand entstanden. Die Gründe sind vielfältig. Zu nennen wären etwa hohe Tarifabschlüsse, Inflation, Energiekosten, steigende Ausgaben für Soziales, Flüchtlingsausgaben und Klimaschutz.
Überlegungen zu Entschuldungsprogrammen, die hoch verschuldete Kommunen zum Beispiel durch die Übernahme von Kassenkrediten entlasten sollen, sind vielfach an einen ausgeglichenen Haushalt geknüpft. Aber wie kann dieser erreicht werden?
Überhaupt stellen sich immer mehr Kommunen die Frage, ob sie angesichts des Teufelskreises aus Verschuldung einerseits und Investitionsstau andererseits eher sparen oder lieber doch investieren sollen.
Fragen, die nur über eine strategisch kluge Haushaltskonsolidierung beantwortet werden können.
Insgesamt häufen sich die schlechten Nachrichten, was die Finanzlage des kommunalen Sektors angeht. Alle 294 Landkreise in Deutschland können praktisch keinen ausgeglichenen Haushalt mehr vorweisen. Besonders die Sozialausgaben und darunter diejenigen für Kriegsflüchtlinge seien erheblich gestiegen.
Exemplarisch dazu meldet der Niedersächsische Städtetag bei allen 17 teilnehmenden Städten der diesjährigen Konferenz ein negatives Gesamtergebnis.
Viele Gründe also, sich weiterhin nach Kräften mit Möglichkeiten der Verbesserung der Haushaltslage zu beschäftigen.
Neben einer Überarbeitung des gesamten Buchinhalts habe ich insbesondere den Bereich der »Inhaltlichen Anforderungen an ein Haushaltskonsolidierungskonzept« neu gefasst und ergänzt.
Diese Betrachtung über die wichtigsten Schritte defizitärer Kommunen ist ein wichtiger Teil der notwendigen Weichenstellungen und folgt der Überlegung, dass neben den formellen Kriterien nun auch inhaltliche Maßstäbe aufgeführt sind.
Zum Umgang mit Investitionen ist eine vertiefende Betrachtung der Investitionspriorisierung vorgesehen, die insbesondere aus dem Investitionsstau heraushelfen soll, indem die Investitionsentscheidungen auf eine nachvollziehbare Grundlage gestellt werden.
Das Thema der Wirtschaftlichkeitsrechnungen ist angesichts seiner Bedeutung um zusätzliche Informationen und Anleitungen zur Berechnung ergänzt worden. So soll eine ausführlichere Beschreibung der für die öffentliche Verwaltung anwendbaren Verfahren und ihrer Vor- und Nachteile für eine bessere Entscheidungsfindung sorgen.
Die Konsolidierungspotenziale enthalten bereits einen umfangreichen Katalog von Ideen zur Haushaltskonsolidierung, helfen aber den »auskonsolidierten« Kommunen nur begrenzt weiter.
Hier könnten alternative Ansätze wie etwa der Bürgerhaushalt als Konsolidierungsinstrument, eine strategische Festlegung in den politischen Handlungsfeldern oder ein externes Haushaltskonsolidierungskonzept möglicherweise neue Impulse bringen. Daher erhalten diese Themen auch einen breiteren Raum.
Abschließend danke ich den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern zahlreicher Kommunen für ihre Hinweise zu einzelnen Themen und Problembereichen und hoffe, mit meinen Ausführungen dienen zu können.
Helge Holm
Wie kommt man auf die Idee, ein Buch über Haushaltskonsolidierung zu schreiben? Eigentlich ist es ganz einfach. Ungefähr im Spätherbst des aktiven Berufslebens angekommen und mit einem differenzierenden Rückblick auf die früheren Tätigkeiten ausgestattet, gepaart mit der Lust am Schreiben und dem Blick auf ein spannendes, wissenschaftlich und literarisch (noch) nicht tief erforschtes Gebiet, erklärt es sich – jedenfalls dem Autor – eigentlich von selbst. Ich hatte in meinem beruflichen Leben einerseits als Beamter einer Kommunalverwaltung, andererseits als Prüfer eines Landesrechnungshofs, immer mal wieder Berührungspunkte mit Haushaltskonsolidierung. Dazu kam das Glück, Haushaltskonsolidierung aus mehreren Richtungen beobachten und wahrnehmen zu können. Einmal war ich in der Praxis und stand selbst vor der Notwendigkeit, einen in Schieflage geratenen Haushalt einer Kommune zu konsolidieren. Einige Zeit später hatte ich Haushaltskonsolidierungskonzepte anderer Kommunen auf formelle und inhaltliche Gesichtspunkte zu prüfen und zu bewerten. Schließlich suchte ich zwischendurch im Rahmen von eigenen Seminaren zu diesem Thema immer wieder den Austausch mit der kommunalen Praxis.
Zusammengenommen ergibt sich ein vielschichtiges Bild über ein Thema, das von den meisten Mitarbeitern einer Kommunalverwaltung, so gut es geht, gemieden wird und mit dem man sich manchmal auch Ärger einhandeln kann. Aber muss das so sein? Was also macht Haushaltskonsolidierung so schwierig? Liegt es am Thema, an den handelnden Personen oder an äußeren Umständen?
Haushaltskonsolidierung verletzt zwangsläufig Interessen – so viel ist schon einmal klar. Wie stellt man es an, trotzdem dabei zu gewinnen? Aus welcher Position heraus argumentieren die am Konsolidierungsprozess Beteiligten? Wo liegen die Probleme? Wie kann Haushaltskonsolidierung gelingen? Diese und andere Fragen habe ich im vorliegenden Werk versucht, etwas näher zu beleuchten. Dabei möchte ich vorausschicken:
Dieses Buch ist kein klassisches Lehrbuch. Obwohl Haushaltskonsolidierung in den Lehr- und Stoffverteilungsplänen bestenfalls einen Randbereich des Haushaltsrechts ausmacht, war es nicht mein Ziel, das vorliegende Werk als typisches Lehrbuch aufzubauen. Trotzdem können Teilbereiche als Lehrstoff dienen und gerade angesichts einer weitverbreiteten kommunalen Finanznotlage für alle kommunalen Beschäftigten eine wichtige Arbeitsgrundlage sein.
Dieses Buch zeigt Ideen, Wege und Weichenstellungen zur Haushaltskonsolidierung auf. Insofern ist es ein umfassendes Werk erlebter Erfahrungen, Nachschlagewerk und/oder Ratgeber. Es erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern konzentriert sich auf grundsätzliche Aspekte, ausgewählte Strategien und auf Maßnahmen, die ein Stück weit von der Norm abweichen (vgl. hierzu auch das Kapitel 5.9 »Markt der kuriosen Ideen oder alternative Strategien«).
Kernstück der Betrachtungen soll eine kommentierte Sammlung unterschiedlichster Ideen zur Haushaltskonsolidierung sein. Ich habe sie am Ende des Buches zusammengefasst und nach Aufgabenbereichen gegliedert, sodass der Leser nach kurzer Orientierung die zu einem Aufgabenbereich passenden Maßnahmenvorschläge findet. Die Zusammenstellung bildet weite Bereiche des kommunalen Gemeinwesens ab.
Grundlage aller Betrachtungen sind kommunale Haushalte. Da sie am dichtesten den Bürger betreffen, sind Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen auf kommunaler Ebene am häufigsten spürbar und legen den Finger in die Schnittstelle zwischen Bürger, öffentlicher Verwaltung und Politik auf Ortsebene. Auch das erklärt den Reiz des Themas. Meine Erfahrungen entstammen in erster Linie dem kommunalen Bereich.
Die Betrachtungen gehen auf rechtliche Aspekte ein, ihnen liegt aber kein spezifisches Landesrecht zugrunde. Bei aller Unterschiedlichkeit des kommunalen Haushaltsrechts als Landesrecht in Deutschland lassen sich die Ausführungen prinzipiell in allen Bundesländern verstehen und anwenden.
Haushaltskonsolidierung ist kein Selbstzweck. Das Ziel von Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen besteht darin, verloren gegangene Handlungsspielräume wiederzugewinnen, Entschuldung und Kostensenkung zu erreichen, um letztlich die künftige Haushalts- und Finanzplanung zu entlasten und um weiter reichende Gestaltungsmöglichkeiten in der Zukunft zu erzielen. Das genau wollen alle Politiker. Oftmals aber sehen sie nicht weitreichend genug, dass genau deshalb Haushaltskonsolidierung notwendig ist.
Aus dieser Sichtweise heraus soll dieses Buch auch ein Ratgeber für Praktiker in der Kommunalverwaltung sein. Es hat dank seines an manchen Stellen augenzwinkernden Textes auch anregenden und unterhaltenden Charakter für alle, die das Thema interessiert oder die vielleicht in einer Kommune beheimatet sind, deren Finanzlage es erfordert, sich mit Haushaltskonsolidierung zu befassen.
Der Verfasser
Die Notwendigkeit zur Haushaltskonsolidierung kommt nicht über Nacht und hat unterschiedliche Gründe. Die Ausgangsbedingungen der Kommunen zur Wahrnehmung der öffentlichen Aufgaben in ihrem Gebiet sind von verschiedenen Faktoren geprägt und niemals an zwei Orten genau gleich. Bevölkerungszahl, Standortfaktoren, Rohstoffe, Schuldenlast, Mitarbeiterqualifikation, Infrastruktur, Verkehrsanschlüsse, Steuerkraft und viele andere geografische und politische Umstände prägen das Ortsbild und sorgen für eine gute oder weniger gute Ausgangssituation zur Aufgabenwahrnehmung. Zweifellos spielen die genannten Faktoren eine Rolle bei den finanzwirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Gelingt es einer Kommune nicht, ihren Haushalt in Einnahmen und Ausgaben auszugleichen, tritt der Konsolidierungsfall ein und es beginnt oftmals die Suche nach den Schuldigen. Dabei wird manches ausgeblendet, anderes besonders hervorgehoben und nicht selten ist es politisch-taktisch motiviert. Versuchen wir, die Gründe für die Haushaltsmisere näher zu beleuchten.
Fragt man in den Kommunen nach, so werden häufig bundes- und landespolitische Rahmenbedingungen als Grund für die finanzielle Misere genannt. Abgesehen davon, dass es bequem ist, zunächst mit dem Finger auf andere zu zeigen, stellt diese Aussage nur einen Teil der Wahrheit dar. Selbstverständlich spielt die »große Politik« eine gewichtige Rolle bei den Kommunalfinanzen. Trotzdem darf diese Erkenntnis nicht dazu führen, die Augen vor den hausgemachten Problemen zu verschließen.
In Kapitel 2.6 »Fehlerquellen bei der Haushaltskonsolidierung« gehe ich auf die sogenannten exogenen Faktoren kommunaler HaushaltsdefiziteHaushaltsdefizit ein. Kommunalstatistiken verweisen mit Regelmäßigkeit darauf, dass sie einen immer weitergehenden Eingriff zulasten der Gemeindehaushalte verursachen. Wie bei den Fehlerquellen näher ausgeführt, ist dies jedoch nur maximal die halbe Wahrheit und vor allem eine zu einfache Ausrede für vorhandene Haushaltsdefizite.
Tatsächlich sind die wirklichen Gründe defizitärer Haushalte häufig in der eigenen Verwaltung zu suchen.
Marc Hansmann führt in seinem Aufsatz über »Ursachen kommunaler Haushaltsdefizite« (Zeitschrift Deutsche Verwaltungspraxis – DVP 5/16) folgende endogene, also von innen kommende Gründe auf:
Schuldenillusion,
Nichtausschöpfen der eigenen Ertragsmöglichkeiten,
gering ausgeprägtes Wirtschaftlichkeitsdenken,
Haushaltskonsolidierung ohne ausreichende Priorität,
Budgetmaximierung der Fachverwaltung und Prestigeprojekte der Politik,
Infrastrukturausbau ohne Berücksichtigung der Folgekosten,
Unnütze interkommunale Konkurrenz.
Es gibt wohl kaum einen Kämmerer bundesweit, dem diese Probleme in seiner Verwaltung nicht begegnet sind. Daher möchte ich diese Aufzählung auch aus meiner Sicht bestätigen und mit eigenen Erfahrungen belegen. Aber es gibt weitere Gründe, die zunehmend in den Fokus rücken. Hinzu tritt der immer größer werdende Investitions- und Sanierungsstau, der eine Priorisierung der Investitionen unentbehrlich macht.
Als Schuldenillusion wird der angeblich alternativlose Weg zur Aufnahme neuer SchuldenSchuldenillusion beschrieben. Er sei deshalb alternativlos, weil den Bürgern weder eine Steuer- oder Gebührenerhöhung zuzumuten sei, noch gäbe es im Ausgabenbereich Kürzungsmöglichkeiten. Bei Lichte betrachtet stimmt weder die Begründung noch ist der Weg in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Finanzmittelbeschaffung in den Kommunalverfassungen, da die Kreditaufnahme in der Regel das letzte Mittel sein sollte. Eine intensive Prüfung vorrangiger Einnahmequellen unterbleibt schon deshalb, weil die damit einhergehende Interessenverletzung einzelner Bevölkerungsgruppen – wie beispielsweise der Grundstückseigentümer oder der Gewerbetreibenden – politisch unbeliebt ist. Schließlich wird dadurch die Wählerklientel belastet. Und bei den Ausgabenkürzungen werden von der Politik zu aller erst oder sogar ausschließlich und vor allem pauschal die Personalkosten vorgeschlagen. Selbstverständlich ohne dabei die Aufgaben oder Standards zu reduzieren. Mit solchen widersprüchlichen Anträgen hat sich dann der Bürgermeister auseinanderzusetzen.
Kredite stellen Lasten für nachfolgende Generationen dar. Sie schränken die künftige Handlungsfreiheit ein, indem Zins- und Tilgungsleistungen zu erbringen sind. Sie verursachen erst die Lage, die zu einer erzwungenen Haushaltskonsolidierung führt. Wie im Folgenden noch darzustellen ist, gibt es zur Aufnahme neuer Schulden zahlreiche Alternativen. Abgesehen davon dürfen Kredite nur die letzte Wahl unter den Finanzierungsmöglichkeiten sein.
EinWirtschaftlichkeitsdenken anderes Problem ist das teilweise immer noch gering ausgeprägte Wirtschaftlichkeitsdenken in öffentlichen Verwaltungen. Die Haushaltswirtschaft ist sparsam und wirtschaftlich zu führen. So geben es die Kommunalverfassungen und Gemeindeordnungen als oberstes Prinzip vor. Dieser Leitgedanke wird in zahlreichen weiteren Vorschriften auch der kommunalen Haushaltsverordnungen näher präzisiert, etwa in den Forderungen nach sorgfältiger Investitionsplanung, in den Vergabeverfahren oder bei der konkreten Bewirtschaftung zur Verfügung gestellter Haushaltsmittel. Alle mittelbewirtschaftenden Stellen haben diese Verpflichtung einzuhalten. Und doch enthalten die Prüfberichte der kommunalen oder überörtlichen Prüfungsinstanzen immer wieder Hinweise auf Verstöße gegen Wirtschaftlichkeitsprinzipien. Hier sollte durch interne Schulung in den Verwaltungen konkret nachgebessert werden, was offensichtlich in der theoretischen Ausbildung nicht wirksam genug vermittelt wurde.
Andererseits stößt die Forderung nach WirtschaftlichkeitWirtschaftlichkeit in den Kommunalverwaltungen mitunter auch an »natürliche« Grenzen. In den Aufgabenbereichen des Ordnungswesens, des Gesundheitsschutzes, der Bildung und der sozialen Sicherung sowie im Katastrophenschutz gehört eine streng wirtschaftliche Aufgabenerfüllung nicht zum Primärziel. Hier gilt es aber unbedingt bei der Aufgabenerfüllung – und ohne diese dabei zu vernachlässigen – wirtschaftlich zu handeln. Nach meinen eigenen Erfahrungen ist auf den Bau- und Planungsbereich ein besonderes Augenmerk zu richten. Der Umfang der hier eingesetzten Haushaltsmittel ist erheblich, wodurch Verstöße gegen Wirtschaftlichkeitsprinzipien in diesen Fällen größeren Schaden anrichten könnten. Aber auch ausgelagerte Aufgabenbereiche, die etwa in Form einer GmbH oder in Zweckverbänden wahrgenommen werden, müssen gegenüber ihrem »Mutterkonzern« die Einhaltung wirtschaftlicher Prinzipien nachweisen. Auch hier ist zu beobachten, dass die organisatorische Eigenständigkeit bei gleichzeitiger Entfernung von der Kernverwaltung ein Eigenleben begünstigt, indem zum Beispiel Sparvorgaben der Kernverwaltung bei den ausgegliederten Bereichen schlicht nicht gelten.
Bei der Forderung nach Wirtschaftlichkeit steht sich mitunter allerdings auch das System quasi selbst im Weg. Das gegenüber dem früheren kameralistischen Rechnungswesen eingeführte doppische Haushaltsaufstellungsverfahren (im Detail dazu s. Kapitel 1.6 »Doppik – Kameralistik – Erweiterte Kameralistik und Konsolidierung«), verbunden mit den üblichen Transparenz- und Demokratieprinzipien, setzt regelmäßig einen Aufwand in Gang, über den Außenstehende nur den Kopf schütteln. Hier trifft Wirtschaftlichkeit auf rechtliche Vorgaben und schwerfällige sowie langwierige Informations- und Verfahrenswege – und stößt dabei an Grenzen.
Natürlich sind Transparenz und Demokratie besonders in der öffentlichen Verwaltung elementare Prinzipien. Problematisch wird es immer dann, wenn selbst der Insider bei mehrmaligen Befassungen mit der gleichen Vorlage in allen vorhandenen Fachgremien nicht mehr durchblickt, obwohl der Grund der nochmaligen Erörterung lediglich der Tatsache geschuldet ist, dass aus Buchstabe »a« Buchstabe »b« geworden ist.
Als weiterer Gedanke erscheint mir der häufigere Einsatz von Wirtschaftlichkeitsrechnungen – als spezielle Instrumente für die öffentliche Verwaltung – sinnvoll und notwendig: die einfache Kostenvergleichsrechnung bei zwei oder mehreren Handlungsalternativen, die Amortisationsrechnung, die Kapitalwertmethode und besonders die Nutzwertanalyse und die darauf aufbauende Kosten-Nutzen-Analyse. In meinen Seminarveranstaltungen erfahre ich dazu immer wieder, die Instrumente seien nur unzureichend bekannt oder würden nicht konsequent angewendet. Ich habe daher das Kapitel 4.4 »Wo Wirtschaftlichkeitsrechnungen helfen« um einige Anmerkungen ergänzt.
Zu den beklagenswerten Umständen gehört zweifellos auchBudgetmaximierung die Budgetmaximierung der Fachbereiche. Hier kämpft der Kämmerer vielerorts allein gegen alle. Von der Unterstützung des Bürgermeisters ist abhängig, inwieweit er sich durchsetzen kann oder ob oftmals entgegen den Wirtschaftlichkeitsprinzipien die Fachverwaltungen ihre Projekte durchdrücken können. Überhaupt nichts spricht dagegen, dass jeder in seinem Aufgabenbereich für ein Maximum an Verwirklichung steht. Nur verstellt der einseitige Blick auf die Aufgabe ohne Finanzverantwortung nicht selten den Weg für die notwendige Berücksichtigung der Ressourcenknappheit. Erwähnt dann der Kämmerer, dass man das alles ja noch einmal durchrechnen müsse, steht er als Spielverderber da. Und das System stellt sich dabei völlig auf den Kopf, indem erst etwas geplant und auf die Agenda gesetzt und später die finanzielle Seite abgeklopft wird. Es handelt sich m. E. um ein verbreitetes Phänomen in den öffentlichen Verwaltungen. Die Politik und die Planungsbereiche entwickeln und entwerfen – teilweise auch bereits konkret in den Veranschlagungen – und um die Finanzierung kümmert man sich später. Auf den kleinen Haushalt einer 4-köpfigen Familie umgemünzt bedeutete dies, jemand aus der Familie geht in den Supermarkt, füllt den Einkaufswagen und prüft erst an der Kasse, ob er/sie genug Geld für die Einkäufe besitzt.
Wenn dann ein anderes Mitglied der Familie hinzukommt, an die Finanzierungsverantwortung appelliert und zu bedenken gibt, dass nur die Hälfte der Einkäufe bezahlt werden könne, ist er allein an der Situation schuld.
Berücksichtigt man dabei noch den Umstand, dass ein nicht unwesentlicher Teil der öffentlichen Einrichtungen aus politischen Opportunitätserwägungen heraus nicht ausreichend über Nutzungsentgelte finanziert wird, so macht dies deutlich, dass absurderweise Missstände der finanziellen Ausstattung von Kommunalverwaltungen exakt von denen beklagt werden, die einen Teil davon selbst verursachen.
Schließlich beobachten wir unnütze interkommunale Konkurrenz, und zwar immer dann, wenn generell Infrastrukturausbau ohne Blick auf die geografischen Gegebenheiten stattfindet. Mit Ausnahme der Nord- und Ostfriesischen Inseln haben alle Gemeinden direkte Nachbarn. Sie als Konkurrenteninterkommunale Konkurrenz zu betrachten, ist der falsche Ansatz. Durch partnerschaftliches, die kommunalen Grenzen überschreitendes Denken lassen sich gemeinsam größere Probleme lösen, die vielleicht auch eine der beiden Gemeinden allein nicht bewältigt hätte. So betrachtet ist das einfache Beispiel eines Freibads, das nicht beide gleichzeitig haben müssen, wenn sie geografisch nur 2 km voneinander getrennt sind, ein Synonym für viele andere Felder möglicher Zusammenarbeit. Voraussetzung dafür ist lediglich die Bereitschaft, das »Kirchturmdenken« abzuschalten und stattdessen Wege der sinnvollen Zusammenarbeit zu suchen. So lassen sich im Regelfall Aufgaben kostengünstiger wahrnehmen.
Nun wäre das ja alles weniger tragisch, wenn genug finanzielle Mittel zur Verfügung stünden. Dem ist aber nicht so, wie das übernächste Kapitel 1.3 über die Haupteinnahmequelle der Kommunen zeigt. Doch zunächst zum dringendsten aller Probleme, der kommunalen Verschuldung.
Verschuldet zu sein, gehört heute zu den finanziellen Rahmenbedingungen von Kommunen. Zwar bedeutet VerschuldungVerschuldung nicht gleich zwangsläufig eine Pflicht zur Haushaltskonsolidierung. Jedoch stellen die langfristigen Schulden Altlasten dar, die aus laufenden Einkünften abgebaut werden müssen. Zusammen mit der kurzfristigen Verschuldung aus Liquiditäts- bzw. Kassenkrediten bedeutet sie Gefahr für künftige Haushalte, da fortlaufend Zins- und Tilgungsauszahlungen anfallen. Besonders das Risiko steigender Zinsen ist eine reale Bedrohung, wenn die Verschuldung nicht abgebaut werden kann.
Während des Zeitraums seit 2012 stiegen besonders die kommunalen Einzahlungen aus laufender Verwaltungstätigkeit stetig. Dies ermöglichte den Kommunen insgesamt, aus den Überschüssen der laufenden Verwaltungstätigkeit die notwendige Tilgung der Langfristkredite zu finanzieren, Liquiditätskredite zurückzuführen und einen Teil ihrer Neuinvestitionen aus Eigenmitteln zu finanzieren – zumindest theoretisch. Und theoretisch blieb es weitgehend auch, wenn wir auf die nachfolgenden Statistiken blicken.
Obgleich aktuelle Steuerschätzungen bis zum Jahr 2021 weiter steigende Steuereinzahlungen prognostizierten, zeichneten sich Risiken für die kommunalen Haushalte ab.
Negative Einflüsse würden sich unmittelbar auf die angenommene positive Entwicklung der kommunalen Anteile an den Gemeinschaftssteuern und mittelbar auf die Zahlungen aus dem kommunalen Finanzausgleich auswirken. Das alles kann bereits sehr kurzfristig eintreten, während wir bei der Verschuldung von einem seit Längerem bestehenden Problem ausgehen müssen. Eine kurzfristige Rückführung der noch immer steigenden kommunalen Gesamtverschuldung ist real nicht zu erwarten. So werden die daraus resultierenden Zins- und Tilgungsverpflichtungen auch weiterhin die zukünftigen kommunalen Handlungsspielräume erheblich einengen.
Aktuell setzt sich der negative Trend fort. Zahlreiche Gemeinden in Deutschland finden seit Jahren nicht aus der Verschuldung heraus, die sich in den letzten Jahren noch verschärft hat. Im ersten Quartal 2023 stiegen die Schulden der Gemeinden um 2,7 Milliarden Euro, ohne dass diesen zusätzlichen Verbindlichkeiten entsprechende Investitionen gegenüberstehen.
Ein Großteil des Zuwachses der Gesamtverschuldung resultiert stattdessen daraus, dass die Kassen- bzw. Liquiditätskredite angestiegen sind.
Diese eigentlich nur kurzfristigen Überbrückungsmittel bei Liquiditätsengpässen der Kassen haben sich seit Jahrzehnten zu einer zweck- und auch rechtswidrigen Dauerfinanzierungseinrichtung kommunaler Defizite entwickelt. Es ist augenscheinlich, dass einige Kommunen zunehmend ihre Kassenkredite nicht mehr zurückführen können, sondern dauerhaft auf sie angewiesen sind.
In seiner Pressemitteilung Nr. 079 vom 01.03.2024 informierte das Statistische Bundesamt über die aktuelle Verschuldungssituation. Danach waren die Gemeinden und Gemeindeverbände einschließlich ihrer Beteiligungen zum Jahresende 2022 beim nicht-öffentlichen Bereich nach einer Modellrechnung der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder mit 313,9 Milliarden Euro verschuldet. Das entsprach einer Verschuldung von 4 034 Euro pro Kopf. Dabei werden neben den Schulden der kommunalen Kernhaushalte auch die Schulden der Extrahaushalte und sonstigen öffentlichen Fonds, Einrichtungen und Unternehmen bis in tiefe Beteiligungsstufen abgebildet und den Kommunen zugeordnet. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilte, stiegen diese integrierten kommunalen Schulden gegenüber dem Jahresanfang 2022 um 4,3 % (2021: +4,1 %). Dabei war bei den Kernhaushalten ein Anstieg um 4,7 % (2021: -0,8 %) und bei den kommunalen Beteiligungen an sonstigen öffentlichen Fonds, Einrichtungen und Unternehmen ein Anstieg um 4,3 % (2021: +7,8 %) festzustellen.
Nicht nur deshalb fordern die kommunalen Interessenvertretungen bundesweit dazu auf, dem Trend einer ansteigenden Verschuldung entgegenzusteuern. Realisierbar ist das auch über eine wirksame Haushaltskonsolidierung, verbunden mit einer aufgabenkritischen Betrachtung aller Tätigkeitsbereiche. Man muss es aber auch wollen.
Fraglich ist, ob die angebotenen Daten die vollständige Verschuldung der Kommunen zeigen. Nicht erfasst sind regelmäßig die Rückstellungen (z. B. für die Pensionen von kommunalen Beamten), da diese statistisch nicht berichtet werden. Die hier analysierten Schuldendaten decken mit den gesamten Geldschulden insofern nur einen Teil der eigentlichen Gesamtverschuldung ab. Die genaue Höhe der eigentlichen Gesamtverschuldung (inkl. Rückstellungen etc.) ist mangels flächendeckender Einführung der sogenannten Doppik und in einigen Fällen aufgrund von Rückständen von Rechnungslegungsfristen nur in einem Teil der Kommunen Deutschlands bekannt.
Die Notwendigkeit einer tieferen Betrachtung ergibt sich auch aus dem örtlich sehr unterschiedlichen, aber durchweg hohen Anteil ausgegliederter Bereiche. Kommunen neigen nun einmal dazu, alle Möglichkeiten rechtlicher, finanzieller und organisatorischer Art bei ihrer Aufgabenwahrnehmung auszuprobieren und ihrer Struktur einen eigenen Charakter zu geben, der interkommunale Vergleichbarkeit unbeabsichtigt erschwert. Gleichwohl wird deutlich:
Beim Ländervergleich aller Flächenländer Deutschlands weisen die Kommunen im Saarland in Hessen und in Rheinland-Pfalz die größte Gesamtverschuldung einschließlich kreditähnlicher Rechtsgeschäfte sowie Bürgschaften auf, während die bayerischen Kommunen sowie Brandenburg und Sachsen die geringste Gesamtverschuldung haben.
Die Entwicklung der aufgelaufenen Defizite spiegelt sich systembedingt darin wider, dass die Kassenkredite ansteigen. Diese haben sich allein in den Jahren von 2008 bis 2012 verdoppelt und nehmen weiterhin zu. Diese Entwicklung ist alarmierend. Bei der Betrachtung dieser Statistiken muss ergänzend berücksichtigt werden, dass in einigen Bundesländern Kassenkredite in langfristige Verschuldung umgeschuldet worden sind, was die Statistiken verzerrt und die Vergleichbarkeit erschwert.
In manchen Kommunen werden KassenkrediteKassenkredit nicht mehr zu ihrem eigentlichen Zweck als temporäre Überbrückung kurzfristiger Liquiditätsengpässe verwendet, sondern sind zur »Dauerfinanzierungseinrichtung« geworden. Besonders die hohe »Pro-Kopf-Verschuldung«, tendenziell über 1.000 Euro pro Einwohner, lässt die nicht ganz unbegründete Vermutung aufkommen, dass in der Vergangenheit über die eigenen Verhältnisse gewirtschaftet wurde. Ein Trendwechsel ist aktuell nicht erkennbar. Die Lasten zur Finanzierung des heutigen Leistungsangebots werden somit auf künftige Generationen übertragen.
Im Gegensatz zu WertpapierschuldenWertpapierschulden und (Investitions-)Krediten sind die Kassenkreditschulden auch nicht durch investive Vermögenswerte (z. B. Straßen, Gebäude) gedeckt, sondern werden in voller Höhe für konsumtive Zwecke (z. B. Personalausgaben) verausgabt. Die in Form von Kassenkrediten angesammelten Lasten werden folglich nachrückenden Generationen aufgebürdet, ohne dass diesen Generationen aus der Verschuldung (z. B. in Form investiv geschaffener Vermögenswerte) ein Vorteil erwächst.
Die Kassenkreditbestände verdeutlichen daher besonders die bestehenden kommunalen Finanzprobleme.
Wie oben bereits erwähnt, haben einige Kommunen inzwischen damit begonnen, längerfristige KassenkrediteKassenkredit aufzunehmen. Diese enthalten Laufzeiten von bis zu 20 Jahren.
Es tritt der psychologisch gefährliche Gewöhnungseffekt ein: Die Kommunen gewöhnen sich an das Dauerdefizit und sehen es von der Höhe her als unbezwingbar an. Das hat fatale Auswirkungen auf die notwendigen Anstrengungen zum Ausgleich des Haushalts und auf Konsolidierungsmaßnahmen, die alternativlos sind.
Die Einsparbemühungen erschlaffen und lassen die Kassenkredite und damit auch die Finanzierungslast für künftige Generationen weiterwachsen. Einige Kommunen verweisen als Begründung für hohe Kassenkreditbestände auf die schlechten Rahmenbedingungen, beispielsweise etwa geringe Steuereinnahmen, großer Bevölkerungsrückgang, hohe soziale Lasten oder allgemeine Strukturschwäche. Tatsächlich ist es selbst unter schwierigen Rahmenbedingungen möglich, einen Kommunalhaushalt ohne dauerhafte Kassenkredite zu führen. Dies belegen immerhin auch einige Positivbeispiele in Deutschland: Es gibt Kommunen, die auch unter problematischen Rahmenbedingungen ihre Kassenkreditbestände im Griff haben und immer wieder zurückführen können.
Insgesamt ist die Verschuldungsentwicklung besorgniserregend und könnte zahlreiche Kommunen bei anhaltend ungünstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen tiefer in die Haushaltskonsolidierung treiben.
Die Beseitigung einerSteuern Haushaltsschieflage verbunden mit Haushaltskonsolidierung ist ein arbeitsintensiver und konfliktbeladener Prozess, bestehend aus Ideenentwicklung, Ausarbeitung, Änderungen, Ergänzungen, diversen Abstimmungsgesprächen, vorbereitenden und entscheidenden Sitzungen, Ausführungsoperationen u. a.
Genau genommen könnte man auf den Gedanken kommen, dass das alles viel zu viel Arbeit für viel zu wenig Ertrag ist. Stattdessen ginge doch alles viel einfacher, würde man lediglich die Steuern auf ein notwendiges Maß erhöhen.
Eine einzige und in der Summe ausreichende Maßnahme, und das ganze Problem mit der leidigen Konsolidierung hätte sich erledigt.
Dieser Gedanke ist ansprechend und erscheint auf den ersten Blick gerecht. Immerhin zahlen doch alle Einwohner einer Gemeinde Steuern. So weit, so gut.
Tatsächlich könnte damit vom Ergebnis aus betrachtet das Problem des Haushaltsdefizits auf einen Schlag gelöst werden. Die Realität ist indessen eine andere. Gleich mehrere Gründe lassen dieses Vorhaben scheitern. Zunächst einmal ist die Einnahmebeschaffung der Kommunen der Höhe und der Rangfolge nach nicht in das Belieben einer jeden Gemeinde gestellt. Bundesweit herrschen gesetzliche Regelungen in den kommunalrechtlichen Bestimmungen, wonach Steuern als Einnahme lediglich nachrangig erhoben werden dürfen. Zuvor müssen die Kommunen ihre sonstigen Einnahmen und speziellen Entgelte für die von ihnen erbrachten Leistungen in ausreichender Höhe erheben. Unter dem Stichwort der Belastungsgerechtigkeit ist dies auch sinnvoll. Näheres dazu habe ich im Kapitel 4.2 »Steuern oder Gebühren – wer soll zahlen?« geschrieben.
Die Hierarchiestufe, auf der die Steuern im Finanzierungsgefüge der Gemeinde stehen, ist somit zunächst einmal eine schlechte. Eine gegenleistungsfreie Abgabeform wie die Steuererhebung steht immer im Kontext mit der Notwendigkeit, Gemeindeaufgaben so klein wie möglich zu halten. Will eine Gemeinde also Steuern erhöhen, ist sie systemimmanent verpflichtet, zu prüfen, ob sie sich stattdessen nicht lieber von kostenintensiven, aber nicht zwingend nötigen Aufgaben befreien kann.
Eine SteuererhöhungSteuererhöhung kann natürlich durchaus ein Baustein der Konsolidierungsstrategie sein. Immerhin rangiert die Steuererhebung noch vor einer möglichen Neuverschuldung, denn Kreditaufnahmen sind in der Finanzierung nach kommunal- und haushaltsrechtlichen Vorschriften das letzte Mittel überhaupt.
Inzwischen müsste auch der letzte Dorfpolitiker begriffen haben, dass mit einer Verschuldung nur Lasten in die Zukunft verschoben werden und diese Strategie dem Prinzip der Generationengerechtigkeit widerspricht. Immerhin sind der generationengerechte Haushalt und das Ressourcenverbrauchsprinzip ein wichtiger Baustein der letzten Haushaltsrechtsreform gewesen.
Eine Steuererhöhung ist jedoch kein einfaches Unterfangen. Der ertragsstarke Gemeindeanteil an der Einkommensteuer lässt sich aus kommunaler Sicht nicht beeinflussen, da deren Höhe durch bundes- bzw. landesrechtliche Regelungen festgelegt wird.
Die GewerbesteuerGewerbesteuer ist aufgrund ihrer Konjunkturabhängigkeit keine verlässliche Einnahmequelle. Ihre Ertragshöhe ist ständigen Schwankungen unterworfen. Darüber hinaus belastet sie die in der Kommune ansässigen Unternehmen und ist als Standortfaktor für gewerbeansiedlungswillige Gemeinden kontraproduktiv. Ähnliches gilt für den Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer. Auch diese Steuerquelle ist konjunkturabhängig und überdies eher von geringerem Aufkommen.
Sämtliche kleinere örtliche Aufwand- und Verbrauchssteuern wie etwa die Hundesteuer oder Vergnügungssteuer sind in der Regel nicht so aufkommenserheblich, dass sie einen maßgeblichen Konsolidierungseffekt erzeugen.
Übrig bleibt die GrundsteuerGrundsteuer, deren Erhebung alle betrifft, denn auch der Mieter zahlt über die umgelegten Betriebskosten seinen Anteil. Sie ist daher aus Gerechtigkeitsgesichtspunkten durchaus praktikabel. Auch das Aufkommen, ermittelt über die Wohngrundstücke einer Gemeinde, rangiert häufig nicht weit hinter den größeren Steuerquellen des gemeindlichen Einkommensteueranteils und der Gewerbesteuer. Unter dem Strich bleibt die Grundsteuer hinsichtlich aller hier angeführten Bewertungskriterien die einzig brauchbare und realistische Einnahmeerhöhungsquelle unter den Steuern der Gemeinde.
Selbstverständlich sollte sie jedoch nur zum Zuge kommen, wenn auf der Ausgabenseite kein ausreichendes Konsolidierungspotenzial mehr zu erwarten ist. Rein argumentativ lässt sich Konsolidierung besser mit Ausgabensenkung als mit Einnahmeerhöhung verkaufen.
Insgesamt ist eine Steuererhöhung als Konsolidierungsbeitrag daher wenig geeignet. Und doch haben im Jahr 2024 insgesamt 211 der 941 niedersächsischen Kommunen mit Hebesatzrecht den Grundsteuer-B-Hebesatz angehoben, wie der Bund der Steuerzahler herausgefunden haben will. Die Anhebungen sind nicht nur zahlreicher als in den Vorjahren – sie fallen auch aktuell höher aus. Dies ist sicherlich ein weiteres Indiz für die angespannte Finanzlage der Kommunen. Bereits seit Jahrzehnten wird eine kommunale Steuerreform gefordert, um u. a. die finanzverfassungsrechtliche Abhängigkeit der Gemeinden von Bund und Ländern zu ändern und den Kommunen eine verlässlichere Grundlage der Einnahmeerzielung zu geben. Schließlich haben die Gemeinden keine originäre Gesetzgebungsbefugnis über Steuern. Ihr in den landesgesetzlichen Regelungen zugestandenes Steuerfindungsrecht – das Recht, neue Steuern zu erfinden und einzuführen – ist überwiegend theoretischer Natur. Vorhaben zur Einführung neuer Steuern sind in der Vergangenheit gescheitert, weil sich entweder erfolgreich eine Lobby dagegen gebildet hatte, die Steuer nicht aufkommenserheblich genug war, um überhaupt etwas für den Haushalt abzuwerfen, oder die Einführung aus verfassungsrechtlichen Gründen verworfen wurde.
Es bleibt also weiterhin schwierig, SteuernSteuern als Konsolidierungspotenzial einzusetzen.
Haushaltskonsolidierung ist kein Normalfall in der Haushaltswirtschaft der Kommunen. Vielmehr gilt der in den Gemeindeordnungen und Kommunalverfassungen vorgegebene Haushaltsausgleich als Normalfall und Intention des Gesetzgebers. Danach decken alle Einnahmen prinzipiell alle Ausgaben – oder in der Doppik »die Erträge des Ergebnishaushalts die Aufwendungen des Ergebnishaushalts«. Der Konsolidierungsfall tritt ein, wenn genau das nicht funktioniert, indem die Aufwendungen bzw. Ausgaben die Erträge bzw. Einnahmen überschreiten.
Angesichts der Häufigkeit, in der bundesweit der Konsolidierungsfall für Kommunen eintritt, könnte man ins Grübeln kommen. Sind es wirklich nur die »hausgemachten«, internen Gründe, die ich im Kapitel 1.1 »Die wirklichen Gründe für defizitäre Haushalte« beschrieben habe, die letztlich den Konsolidierungsfall verursachen? Oder liegt das Problem eher auf der äußeren Ebene, die von den Kommunen nicht beeinflusst werden kann? Werden also die Kommunen von Bund und Land nicht ausreichend mit Finanzierungsmitteln oder zumindest positiven Rahmenbedingungen ausgestattet?
Die äußere Ebene wird durch den Bundes- oder Landesgesetzgeber als Rahmen vorgegeben. Diese Ebene verdeutlicht sich einerseits durch den verfassungsmäßigen Status, der den Gemeinden durch das Grundgesetz zugedacht ist, und andererseits durch die Regelungen über die Finanzausstattung der Gemeinden.
Der Status der Gemeinden ist im Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz mit dem Begriff »Selbstverwaltungsgarantie« umschrieben. Jedoch garantiert der Staat keine staatsorganisationsrechtliche Existenz einer bestimmten Einzelkommune, sondern gibt den vorhandenen Gemeinden das einschränkbare Recht auf Selbstverwaltung. Und obwohl sie »existieren«, haben die Gemeinden keine originäre Gesetzgebungsbefugnis über Steuern – die ergiebigste der ihnen zugedachten wenigen Einnahmequellen. Und da sind wir wieder zwangsläufig bei dem Dilemma der kommunalen Steuern, über das ich in Kapitel 1.3 geschrieben habe.
Vielmehr befinden sich die Gemeinden in einer finanzverfassungsrechtlichen Abhängigkeit von Bund und Ländern. Jegliche Gesetzgebungsbefugnis über die Steuern liegt nämlich nur bei Bund und Ländern (vgl. Artikel 105 Grundgesetz).
Wenn man jetzt denkt, Bund und Länder werden es schon richten oder gerichtet haben, so ist das dem Standpunkt des jeweiligen Betrachters vorbehalten. In jedem Fall steht fest:
Die Gemeindefinanzierung beruht auf zwar mehreren, jedoch nicht nachhaltig tragfähigen Säulen.
Bevor ich auf die wesentlichen Finanzierungskomponenten im Einzelnen etwas näher eingehe, werfen wir zunächst einen Blick auf die landesgesetzliche Festlegung zur GemeindefinanzierungGemeindefinanzierung.
Das kommunale Haushaltsrecht als Teil der Finanzverfassung der Gemeinden ist durch den Landesgesetzgeber normiert. Dadurch verfügt jedes Bundesland über eigenständige Regeln, die jedoch im Vergleich untereinander ähnlich oder weitgehend wortgleich sind. Hierzu haben die Landesgesetzgeber eine Rangfolge der EinnahmebeschaffungEinnahmebeschaffung für die Kommunen festgelegt. Als Beispiel schauen wir auf die Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern. Sie sieht hierzu folgende Regelung vor:
Art. 62 GO Grundsätze der Einnahmebeschaffung
(1) Die Gemeinde erhebt Abgaben nach den gesetzlichen Vorschriften.
(2) Sie hat die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Einnahmen
soweit vertretbar und geboten aus besonderen Entgelten für die von ihr erbrachten Leistungen,
im übrigen aus Steuern
zu beschaffen, soweit die sonstigen Einnahmen nicht ausreichen.
(3) Die Gemeinde darf Kredite nur aufnehmen, wenn eine andere Finanzierung nicht möglich ist oder wirtschaftlich unzweckmäßig wäre.
Die anderen Bundesländer haben ähnliche Regelungen getroffen.
Der wesentliche Regelungsinhalt besteht aus der vorgegebenen Rangfolge der Einnahmebeschaffung, bei der die unbedeutenden Einnahmen Vorrang vor den aufkommensstärkeren genießen. Bereits das erschwert den Kommunen die Finanzierung. Allein mit den »sonstigen Einnahmen«, die im Wesentlichen aus der Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr, Mieten, Pachten und allgemeinen Zuweisungen bestehen, ist keine Gemeinde finanzierbar. Die danach vorgesehenen besonderen Entgelte für die von Ihnen erbrachten Leistungen zielen auf Verwaltungs- und Benutzungsgebühren ab. Einschränkend gilt dabei, dass diese nur »soweit vertretbar und geboten« erhoben werden dürfen.
Auch bis hierhin genügen die Finanzgarantien nicht, um der gemeindlichen Aufgabenvielfalt bei Allzuständigkeit für örtliche Angelegenheiten Herr zu werden. Es läuft damit zwangsläufig auf die subsidiäre Steuererhebung hinaus.