Headlines - Ella Frank - E-Book

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Ella Frank

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Beschreibung

Alles begann damit, dass Sean Bailey den berühmten Nachrichtensprecher Xander Thorne vor einem Stalker beschützen wollte, indem er vorgab dessen Geliebter zu sein. Aus der fingierten Beziehung wurde schnell Realität, als sie sich ineinander verliebten. Die Liebe zwischen den beiden ist kein oberflächliches Verknalltsein, kein Herumexperimentieren oder nur vorübergehend. Nein, es ist die wahre, große Liebe, die ein Leben lang hält. Doch bisher lebten sie diese Liebe nur für sich im privaten Bereich aus. Als Seans Bruder, der gleichzeitig Xanders Ex und bester Freund ist, die beiden zusammen sieht, ist es Zeit, die Sache öffentlich zu machen. Allerdings stehen jetzt Freundschaft und Familiendynamiken auf der Kippe und sie müssen eine Entscheidung treffen.

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Seitenzahl: 278

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Headlines

Prime Time Trilogie 3

Ella Frank

© 2022 Sieben Verlag, 64823 Groß-Umstadt

© Umschlaggestaltung Andrea Gunschera

© Englische Originalausgabe Ella Frank 2020

Übersetzt von Sylvia Pranga

ISBN-Taschenbuch: 9783967820669

ISBN-eBook-mobi: 9783967820676

ISBN-eBook-epub: 9783967820683

www.sieben-verlag.de

Ich brauche dich in meinem Leben, Sean. Direkt neben mir. Denn ohne dich ergibt nichts mehr einen Sinn.~ Xander ~

Inhalt

Kapitel 1 Sean

Kapitel 2 Xander

Kapitel 3 Sean

Kapitel 4 Xander

Kapitel 5 Sean

Kapitel 6 Xander

Kapitel 7 Sean

Kapitel 8 Xander

Kapitel 9 Sean

Kapitel 10 Xander

Kapitel 11 Sean

Kapitel 12 Xander

Kapitel 13 Sean

Kapitel 14 Xander

Kapitel 15 Sean

Kapitel 16 Xander

Kapitel 17 Sean

Kapitel 18 Xander

Kapitel 19 Sean

Kapitel 20 Xander

Kapitel 21 Sean

Kapitel 22 Xander

Kapitel 23 Sean

Kapitel 24 Xander

Kapitel 25 Sean

Kapitel 26 Xander

Kapitel 27 Sean

Kapitel 28 Sean

Kapitel 29 Xander

Kapitel 30 Sean

Kapitel 31 Xander

Kapitel 32 Sean

Kapitel 33 Xander

Kapitel 34 Sean

Kapitel 35 Xander

Epilog – Xander – Eine Woche später

Danksagungen

Die Autorin

Kapitel 1

Sean

„Es ist hier draußen heute Abend höllisch heiß.“

Ich sah zu Nichols hinüber, der auf dem Beifahrersitz meines SUVs saß und am Kragen seiner kugelsicheren Weste zerrte. Er hatte sich seit der Sekunde, als wir hinter dem zerbeulten Cadillac parkten und uns auf die Verhaftung vorbereiteten, beklagt und gestöhnt.

Und ich? Ich kam mit der Hitze zurecht. Ja, ich fühlte mich unbehaglich, aber das hier war mein erster Fall, seit ich dienstfähig geschrieben worden war, und selbst die Aussicht auf eine vier bis fünf Stunden dauernde Überwachung hatte nicht gereicht, um mir die Laune zu verderben.

Ich konnte wieder arbeiten, und es fühlte sich gut an. Was sich sogar noch besser anfühlen würde, wäre, wenn wir endlich den menschlichen Abschaum festnehmen könnten, auf den wir hier geduldig warteten.

„Ich schwöre, dass sich Schweiß in meiner Arschritze sammelt.“

Okay, Nichols wartete nicht ganz so geduldig.

„Du hinterlässt besser keine deiner Körperflüssigkeiten auf meinem Autositz, Nichols, oder du zahlst für die Reinigung. Außerdem geht die Sonne unter. Ich bin sicher, dass es bald kühler wird.“

Der Tag war wirklich unglaublich heiß gewesen. Bisher einer der heißesten dieses Monats, und auch wenn die Fenster heruntergelassen waren, gab es keine Brise und es war, als säßen wir neben einer Heizung.

„Hoffentlich wird mein Arsch auch kühler.“

„Wenn es dir nichts ausmacht, könnten wir aufhören, über deinen Arsch zu reden? Das fühlt sich langsam etwas zu intim an, und ich will nicht, dass deine Frau auf mich losgeht. Sie macht mir Angst.“

Nichols zeigte mir den Stinkefinger, und ich lachte und richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf die Straße vor uns. Sie war dunkel, schmutzig und abweisend, also nicht gerade ein Ort, an dem man einen geliebten Menschen sehen wollte. Es war allerdings der perfekte Ort, um die Art von zwielichtiger Transaktion durchzuführen, die wir heute Abend vorhatten.

Während der letzten Woche waren wir einem von Chicagos Top-Drogendealern und seinem Bruder auf die Spur gekommen. Vincent und Johnny Martinelli führten seit zwanzig Jahren eine der wichtigsten kriminellen Organisationen der South Side und hatten beide ein zehn Meter langes Vorstrafenregister.

Von Besitzkriminalität und Prostitution über häusliche Gewalt bis zu Einbrüchen, waren diese beiden nicht zimperlich, wenn es darum ging, sich die Hände schmutzig zu machen. Aber bei Mord hatte Vincent immer die Grenze gezogen. Er beauftragte jemand anderen damit, seine schmutzige Wäsche zu waschen, was der Grund dafür war, dass er sich so lange gehalten hatte. Aber heute Abend würde es enden.

Wir hatten einen Hinweis von einem der örtlichen Gangmitglieder bekommen, der einen Deal aushandeln wollte, wo der alte Vincent heute einen Handel abschließen würde: Ein Haufen Bargeld dafür, dass eins seiner Probleme verschwand.

Was mich zurück zu meiner verschwitzten Situation mit Nichols brachte.

„So froh ich bin, dass du wieder da bist“, Nichols hob eine Dose Limo an die Lippen und trank einen Schluck, „behalte deine Hände bei dir.“

Ich schnaubte und wollte ihm gerade sagen, dass er nicht mein Typ ist, als Jenkins – einer der anderen Detectives bei der heutigen Verhaftung – aus dem Funkgerät sagte:

„Ich habe die Verdächtigen im Blick gehabt, aber der Straßenverkehr kam dazwischen. Sie fahren in einem Crown Vic die Washburn hinunter, ein SUV folgt ihnen.“

Ich richtete mich in meinem Sitz auf, Adrenalin schoss in meine Blutbahn, während ich darauf wartete, dass die Autos in Sichtweite kommen würden. Es würde ein wirklich süßes Willkommen-zurück-Geschenk für mich sein, diese beiden festzunehmen und sie endlich von der Straße zu bekommen. Als der kastenförmige Kühlergrill des Crown Vic in die Fünfundzwanzigste Avenue einbog, wies ich mit dem Kopf in seine Richtung.

„Das ist unser Kerl“, sagte ich, als das Auto auf uns zukam. Es fuhr langsam die Straße hinunter, und als es sich dem Übergabeort näherte, wurden die Scheinwerfer ausgeschaltet, und das Auto fuhr in eine leere Parklücke hinter einem verpfändeten Apartmentgebäude.

Nichols rutschte auf seinem Sitz herum und langte nach dem Türgriff. Doch ich legte eine Hand auf seine Schulter und hielt ihn auf.

„Moment. Wir warten auf Verstärkung. Die beiden verstehen keinen Spaß.“

Ich griff nach dem Nachtsichtgerät und sah mir die beiden jetzt stehenden Fahrzeuge an. Der SUV blockierte den Crown Vic zum größten Teil, aber als ein schwarzer Lincoln von der anderen Seite auf den Parkplatz fuhr, klingelten bei mir die Alarmglocken.

Jetzt geht es los. Wenn unsere Informationen richtig waren, musste das Trevie sein, der Auftragskiller, den sie für den Mord an Jay-Jay anheuern wollten – ein Buchmacher, der zu einem Informanten geworden war.

„Jenkins? Wir haben einen schwarzen Lincoln, der aus Richtung Osten auf den Parkplatz kommt, wie wir es erwartet hatten. Das sollte Trevie sein. Was ist deine geschätzte Ankunftszeit?“

„Fünf bis sieben Minuten. Ein verdammtes Auto ist liegengeblieben. Es hat den Weg blockiert.“

Scheiße. Na gut. Ich hoffte, dass die beiden etwas zu besprechen hatten, bevor sie zum Geschäftlichen kamen.

Der Lincoln hielt dem Crown Vic gegenüber an, die Beifahrertür öffnete sich und Vincent stieg aus. Ich fluchte und senkte das Nachtsichtgerät.

„Verdammt.“ Jenkins’ kleine Verkehrsverzögerung hatte uns in eine Klemme gebracht.

„Wir können nicht auf sie warten, Sean. Wenn wir warten, verpassen wir unsere Chance.“

Was er nicht sagte. Ich wusste, dass Nichols recht hatte, aber die Vorstellung, dass wir beide allein diesen Arschlöchern gegenübertreten sollten, passte mir nicht. Es passte mir gar nicht.

Ich warf einen weiteren schnellen Blick durch das Nachtsichtgerät und sah, dass Vincent jetzt eine schwarze Tasche in der Hand hielt – das Geld. Dieser Dreckskerl. Wenn wir es durchziehen wollten, dann jetzt. Ich warf das Nachtsichtgerät auf das Armaturenbrett und sah meinen Partner an.

„Los geht’s.“

Ich schob die Tür auf, stieg aus und griff nach meiner Waffe. Nichols ging um die Motorhaube des Autos herum, und wir rannten über die Straße und außer Sicht auf die Vorderseite des Apartmentgebäudes zu.

Das Adrenalin pulsierte jetzt in mir, die Gefahr, entdeckt zu werden, vergrößerte sich mit jedem Schritt, den wir machten, und unsere Verstärkung war immer noch nicht da. Ich drückte mich neben der verfallenen Treppe gegen die Mauer des Ziegelsteingebäudes, und als Nichols neben mir stehenblieb, nickte ich ihm kurz zu.

Er erwiderte die Geste und ich spähte kurz um die Ecke, um zu sehen, mit was genau wir es zu tun hatten. Wie ich es bereits vom Auto aus gesehen hatte, waren es drei Männer – Vincent, Johnny und Trevie – die mit Sicherheit alle bewaffnet waren. Also mussten wir sie überrumpeln und die Oberhand bekommen, bevor einer von ihnen seine Waffe ziehen konnte.

Nichols und ich warteten in angespanntem Schweigen, während die drei miteinander redeten, und als Vincent endlich die Tasche mit dem Bargeld überreichte, gab ich das Signal. In der nächsten Sekunde stürmten wir beide mit gezogenen Waffen um die Ecke und richteten sie auf die drei Arschlöcher, die jetzt in unsere Richtung sahen.

„Polizei von Chicago! Lassen Sie die Tasche fallen und heben Sie die Hände, sodass wir sie sehen können!“

Vincents Blick schoss zwischen uns beiden hin und her, als wir uns ihm näherten. Nichols hatte seine Waffe auf Johnny und Trevie gerichtet, aber ich konzentrierte mich auf den großen Fisch im Teich – den guten alten Vinnie.

„Lassen Sie die Tasche fallen und Hände hoch!“, schrie Nichols, als sich niemand rührte.

Mein Herz hämmerte, als wir uns ihnen weiter näherten, meine Aufmerksamkeit wich keine Sekunde von dem Arschloch, das mich mit kühler Konzentration musterte. Dann sah ich im Augenwinkel eine Bewegung.

„Hände hoch, Johnny“, sagte Nichols. „Ich will dich nicht erschie…“ Bevor er jedoch seinen Satz beenden konnte, griff Johnny nach seiner Waffe, und Nichols hatte keine Wahl.

Der Schuss hallte in der Nacht wider, und Johnny fiel wie ein Kartoffelsack zu Boden, seine Waffe fiel auf den Kies, er rührte sich nicht mehr.

Da griff Trevie auch nach seiner Waffe, aber Nichols hatte ihn bereits im Visier. Er schoss ihn in den Schenkel, und Trevie heulte auf und fiel zu Boden. Nichols rannte zu ihm und trat seine Waffe außer Reichweite. Ich ließ den Blick ohne zu blinzeln auf den letzten Mann gerichtet, um dessen dünne Lippen ein grausames Lächeln spielte.

Vincent warf seinem Bruder nicht einmal einen Blick zu und beschloss, dass es am besten wäre, hier zu verschwinden. Ohne weiter darüber nachzudenken, flüchtete er.

Nichols, der Trevie gerade Handschellen anlegte, rief mir zu, dass ich ihm folgen sollte, was mein Zeichen war. Ich lief durch die hintere Gasse zwischen den Apartmenthäusern hindurch, mit gezogener Waffe hinter Vincent her, meine Beine pumpten.

Ich konnte das Arschloch vor mir sehen und griff nach dem Funkgerät, das an meiner Weste befestigt war. „Gruppe. Hier ist 2457. Der Verdächtige Vincent Martinelli ist auf der Flucht. Er läuft westlich auf der Zweiunddreißigsten, in der Gasse zwischen den Apartmenthäusern. Polizist in Zivil folgt ihm zu Fuß“, sagte ich keuchend. „Ich wiederhole, der Verdächtige flieht. Ich folge ihm zu Fuß.“

Vincent griff nach einer Mülltonne und warf sie zu Boden. Ich überwand sie halb rutschend, halb springend und schaffte es zum Glück auf die andere Seite, ohne zu viel Geschwindigkeit zu verlieren.

„Stehenbleiben! Polizei von Chicago!“

Die Muskeln in meinen Oberschenkeln brannten, als ich sie dazu zwang, noch härter zu arbeiten. Ich wollte Vincent auf gar keinen Fall aus den Augen verlieren. Er bog hinter einem der verlassenen Häuser links ab und rannte auf die Straße zu.

Ich folgte ihm, rannte nach links und fluchte, als ich sah, dass er einen Zaun hochkletterte. Echt jetzt? Das war mein erster Fall nach meiner Rückkehr und es war wie bei den Olympischen Spielen.

„Gib auf, Martinelli! Du weißt, wie es enden wird.“

Oben auf dem Zaun hängend, sah Vincent zu mir herunter. Ich blieb stehen und richtete meine Glock auf ihn. Doch bevor ich eine klare Schusslinie bekommen konnte, schwang er das Bein über den Metallzaun und ließ sich auf der anderen Seite zu Boden fallen.

Ich knirschte mit den Zähnen, steckte die Waffe ins Holster, ging zu dem Maschendrahtzaun und kletterte wie ein verdammter Affe an ihm hoch. Als meine Stiefel auf der anderen Seite auf den Boden trafen, lief ich los, zog erneut die Waffe und rannte über die Straße.

„2457 überquert die Zweiunddreißigste Richtung Hancock. Ich verfolge ihn immer noch zu Fuß“, sagte ich, nur für den Fall, dass sie es nicht an meinem keuchenden Atem erkennen konnten.

Himmel, ich musste wieder mit dem Training anfangen – oder mehr machen, als ich bereits tat. Vor meiner Zeit im Krankenhaus hätte mich diese Verfolgungsjagd zu Fuß nicht außer Atem gebracht. Aber im Moment musste ich alle Kräfte mobilisieren, weil Martinelli mir unbedingt entkommen wollte.

Er rannte eine weitere Seitenstraße hinunter, und ich folgte ihm. Da blieb er plötzlich stehen, drehte sich um und feuerte zwei Schüsse ab. Ich sprang zur Seite, meine Schulter knallte gegen eine solide Ziegelsteinmauer, und die Kugeln verfehlten mich gerade so eben.

Ich fand mein Gleichgewicht wieder, erwiderte das Feuer und traf genau ins Schwarze. Eine Kugel erwischte Vincent im Oberschenkel, er schrie auf, ließ die Waffe fallen und umklammerte sein Bein. Ich rannte zu ihm und drückte ihn gegen die Wand, weg von seiner Waffe. Er holte aus, seine Faust traf mich an der Wange, sodass Funken vor meinen Augen tanzten, bevor ich mein Gewicht einsetzen und ihn so fixieren konnte.

„Ich habe dir verdammt noch mal gesagt, dass du stehenbleiben sollst, Arschloch.“ Ich schob meine Waffe ins Holster und brachte mein Gesicht ganz nah an seins. „Wenn du wegrennst, machst du mich damit nur sauer.“

„Fick dich.“

Martinelli stieß zischend die Luft aus, als ich, ganz und gar nicht versehentlich, an sein verletztes Bein kam. Dann griff ich nach seinem Handgelenk, drehte ihn herum und drückte ihn mit dem Gesicht voran gegen die Ziegelsteinmauer.

„Nein, danke. Aber ich bin sicher, dass du dort, wohin du gehst, jemanden findest, der bereit dazu ist.“

Nachdem der Scheißkerl gesichert war, griff ich nach meinem Funkgerät und setzte den Ruf ab. „Gruppe, hier ist 2457. Von der Polizei wurden Schüsse abgefeuert, schickt eine Ambulanz zur Ecke Zweiunddreißigste und Hancock. Der Verdächtige ist gesichert.“

Tja, ich hatte mir für meinen ersten Fall nach meiner Rückkehr etwas Aufregendes gewünscht – Auftrag ausgeführt.

Kapitel 2

Xander

Das Geräusch von Seans SUV in der Auffahrt kündigte mir seine Rückkehr an. Ich fügte der Pasta etwas Petersilie hinzu, die ich zum Abendessen vorbereitet hatte. Dann ging ich zur Tür und blickte durch den Spion. Als ich sah, dass es er war, löste ich die Kette.

Das war uns während der letzten Woche zur Gewohnheit geworden. Sean ging wieder arbeiten und ich war derjenige, der zu Hause blieb und auf seine Rückkehr wartete. Es war seltsam, aber momentan irgendwie das Normalste in meinem Leben. Am Montag würde sich das jedoch alles ändern.

Auf Marcus’ – beziehungsweise Seans – Bitte hin, hatte ich mir den Rest des Monats freigenommen und einen Therapeuten aufgesucht, der mir dabei half, mit allem fertigzuwerden, was ich in den letzten Wochen durchgemacht hatte. Doch jetzt war es an der Zeit zu versuchen, zumindest teilweise zu meiner alten Normalität zurückzukehren, was bedeutete, mein Alltagsleben wieder aufzunehmen. Erster Schritt – arbeiten gehen.

„Hey, Anchorman. Ich bin zu Hause.“

Ich sah von dem Glas Wein auf, das ich mir gerade eingegossen hatte, und mir blieb der Mund offen stehen, als ich Sean ins Wohnzimmer kommen sah. Sein Gesicht sah aus, als hätte er drei Runden im Boxring hinter sich. Die linke Seite war blutunterlaufen und zerschlagen und auf seiner Wange war ein Schnitt, der sich zu verfärben begann.

„Himmel.“ Ich stellte schnell die Flasche ab und ging aus der Küche. „Was ist mit dir passiert?“

Sean lachte leise und streifte sein Sakko ab. „Ich habe den bösen Buben geschnappt, das ist passiert.“

Ich runzelte die Stirn, als er breit lächelte, und griff nach seinem Gesicht. „Und dabei bist du in seine Faust gerannt?“

„Oh.“ Sean berührte seine Wange und grinste. „Das ist nichts. Ich habe es gesäubert. Du solltest …“

„Den anderen Kerl sehen?“

„Ja, aber er sitzt im Knast, also …“ Sean legte die Hände auf meine Taille und zog mich an sich. „Wie wäre es, wenn ich dir stattdessen erzähle, wie überwältigend ich bin?“

Ich legte die Hände auf seine Brust und sah in sein attraktives, raues – wenn auch etwas zerschlagenes – Gesicht. „Wie wäre es, wenn ich deine Wange ein bisschen verarzte und du mir dann erzählst, wie grandios du bist.“

„Einverstanden.“

„Okay, setz dich. Warum fängst du nicht schon mal damit an?“ Ich reichte ihm das Glas Wein. „Und ich gehe und plündere deinen Erste-Hilfe-Kasten.“

„Hmm, daran könnte ich mich gewöhnen. Wein, Abendessen und Erste Hilfe von dem Mann, der gewählt worden ist zum … Wie war das noch? Dem sexyst Anchorman des Landes.“

Ich verschränkte die Arme vor der Brust und starrte zu ihm hinunter.

„Und woher hast du diesen kleinen Edelstein von Information?“

„Ich habe heute während meiner Pause Nachforschungen über dich angestellt.“

Mir blieb der Mund offenstehen, dann lachte ich. „Nachforschungen? Du kennst mich fast mein ganzes Leben lang. Ich bin mir sicher, was du getan hast, war nach Klatsch über mich zu suchen.“

Sean lehnte sich zurück und legte die Füße auf den Couchtisch. „Okay, du hast mich erwischt.“

„Du hast mich also gegoogelt.“

„Ich … Ja, ich habe dich gegoogelt.“

„Aha.“

Sean trank einen Schluck Wein und grinste.

„Dann musst du auch erfahren haben, dass ich …“

„Drei Jahre in Folge gewählt wurde, verdammt. Mit wie vielen Männern da draußen muss ich eigentlich konkurrieren, Xander?“

Ein Lächeln spielte um meine Lippen und ich beugte mich hinunter, bis mein Gesicht nur noch Zentimeter von seinem entfernt war. „Du musst mit überhaupt niemandem konkurrieren.“

„Nein?“

„Wenn es so wäre, glaubst du wirklich, dass ich jeden Abend mit Essen auf dem Tisch auf dich warten würde?“ Seans Blick wanderte zu meinem Mund. „Nur, damit du es weißt: Die Antwort darauf wäre Nein.“

Ich strich mit meinen Lippen über seine und knabberte an seiner Unterlippe.

„Ich dachte, du wolltest den Erste-Hilfe-Kasten holen?“

„Du hast recht. Hör auf, mich abzulenken.“

Sean lachte, hob wieder das Glas an den Mund, und als sein Blick über mich glitt, fing mein Herz an zu hämmern.

„Hör damit auf.“

„Ich mache doch gar nichts.“ Das Zwinkern seiner Augen sagte jedoch etwas anderes.

Ich schüttelte den Kopf und ging ins Badezimmer, wo ich nach dem Erste-Hilfe-Kasten griff, und als ich zurückkehrte, fand ich Sean mit geschlossenen Augen. Sein Kopf ruhte auf dem Polster hinter ihm.

Ich tippte behutsam sein Bein an und als er die Augen öffnete, nahm er die Füße vom Tisch und setzte sie auf den Boden, sodass ich mich dazwischenschieben konnte.

„Erzählst du mir, wie das passiert ist?“ Ich stellte den Kasten auf die Sessellehne und holte Desinfektionssalbe und Wattestäbchen heraus. „Und bevor du dir Gedanken machst, dass ich nörgele, das …“

Sean zog mich dicht an sich. „Ja?“

„Das ist es nicht.“

„Was ist es dann?“

„Ich bin nur …“

Seine Lippen fanden die Seite meines Halses und er verteilte Küsse bis hoch zu meinem Ohr. „Hm?“

Ich seufzte. „Besorgt.“

Er schob eine Hand unter mein Shirt und zupfte am Bund meiner Shorts. Dann fanden seine Lippen meine zu einem leidenschaftlichen Kuss. Ich drang in seinen Mund ein und schmeckte den Wein, den er getrunken hatte. Gott, was war das nur für eine berauschende Kombination.

Meine Erektion pulsierte, als er einen Arm um meine Taille legte.

„Komm hierher“, forderte er und zog mich auf seinen Schoß.

Sobald ich dort saß, ein Knie neben jeder seiner Hüften, fing der Fernsehsessel zu schaukeln an, sodass sich mein Ständer schön fest an seinem rieb.

Sean wackelte mit den Augenbrauen. „Das ist aber ein netter kleiner Nebeneffekt.“

„Daran ist nichts klein.“

Er grinste, strich mit den Händen über meinen Hintern und zog mich fest an sich. Dann neigte er den Kopf und schob seine Zunge tief in meinen Mund. Sein Stöhnen vibrierte an meiner Brust.

Ich spielte mit den längeren Strähnen seines Haares, und als ich mich auf ihm zu winden anfing, löste Sean seine Lippen von meinen.

„Himmel, du fühlst dich so fantastisch an.“

Meine Brust hob und senkte sich schwer, als ich auf ihn hinuntersah. Doch als mein Blick auf die lila Färbung fiel, die sich um sein Auge herum ausbreitete, runzelte ich die Stirn. Er war grün und blau geschlagen, und ich bestieg ihn wie ein Klettergerüst. Komm schon, Xander, reiß dich mal etwas zusammen.

Da ich wusste, dass es mich jedes Quäntchen Beherrschung kosten würde, das hier abzubrechen, nahm ich sein Weinglas und leerte es in einem Zug.

Als ich fertig war, lachte Sean. „Durst?“

„Das ist nicht das richtige Wort.“ Ich griff wieder nach der Desinfektionssalbe und den Wattestäbchen. „Hey, hör damit auf“, sagte ich, als Sean meinen Hintern drückte. „Steck deine Hände unter deine Beine.“

„Wie wäre es, wenn ich sie unter deine Beine stecke?“

Ich verengte die Augen. „Wie wäre es, wenn ich deine Handschellen hole und sie bei dir einsetze?“

Er lachte tief und schob seine Hände langsam über den Sessel und unter seine Beine. „So. Zufrieden?“

„Soweit es menschenmöglich ist. Doch ich will sichergehen, dass dieser Schnitt ordentlich gereinigt wird.“

Sean neigte den Kopf und sagte nichts weiter, als ich mich an die Arbeit machte. Ich überzeugte mich, dass der Riss auf seiner Wange gereinigt worden war, und als ich feststellte, dass Sean seine Sache gut gemacht hatte, trug ich etwas Salbe auf die Wunde auf.

Es war ein schlimmer Schnitt, so viel war sicher, doch als ich erwähnte, dass er vielleicht genäht werden müsste, winkte Sean ab.

„Nichts für ungut, aber das Letzte, was ich will, ist, in ein Krankenhaus zu fahren und mich von einem Arzt mit einer Nadel stechen zu lassen.“

„Ja, aber wenn es nötig ist …“

„Ist es nicht. Das heilt.“

„Du wirst eine Narbe zurückbehalten.“

„Was mich noch sexyr macht, oder?“

Ich platzierte zwei Klammerverbände über dem Schnitt.

„Als ob du das nötig hättest.“

„Oh, willst du damit sagen, dass du mich unwiderstehlich findest?“

Ich schloss den Erste-Hilfe-Kasten und strich mit einem Finger über seine Wange. „Ich sage, wenn bei der Polizei jemals über den sexyst Detective abgestimmt werden würde, wärst du der sichere Gewinner.“

Sean küsste meine Fingerspitzen, ließ sich wieder in den Fernsehsessel zurücksinken und zog mich an sich.

„Ich bin froh, dass du so denkst. Du willst wissen, wie das passiert ist? Der Verdächtige hat mir mit der Faust ins Gesicht geschlagen, als ich ihn heute Abend endlich gestellt hatte.“

Ich hob den Kopf und musterte sein lächelndes Gesicht. „Und darüber scheinst du … glücklich zu sein?“

„Nicht glücklich, nein, aber die Verhaftung hat ein paar Jahre Vorbereitungszeit gebraucht, und dieser Kerl kam immer wieder frei. Wir haben heute Abend einen richtigen Drecksack von der Straße geholt, und das ist immer ein gutes Gefühl. Ihn zu jagen, war jedoch kein gutes Gefühl. Ich bin nicht in Form. Ich habe Glück, dass nichts Schlimmeres passiert ist.“

„Okay, bis eben habe ich mir keine Sorgen gemacht, jetzt fange ich langsam damit an.“

Sean lachte und zog mich wieder in seine Arme. „Nein, kein Grund zur Sorge. Mir ist dadurch nur klargeworden, dass ich mein Training intensivieren muss, jetzt, da ich wieder arbeite, und ich habe eine fantastische Idee.“

„Wirklich?“

„Ja. Willst du sie hören?“

„Ich weiß nicht, will ich?“

„Hmhm.“ Sean strich mit den Fingern meinen Rücken hoch und runter. „Du wirst morgens mit mir laufen, und meine Aufgabe wird es sein, dich zu jagen.“

Ich lachte auf und neigte mein Gesicht zu seinem. Doch Seans Blick ruhte auf mir, dunkel und intensiv.

„Du meinst das ernst.“

„Ja. Ich weiß, dass du gern läufst – du benutzt jeden Tag mein Laufband -, und ich brauche einen Partner.“ Sean zögerte, seine Miene wurde ernst. „Das hätte da draußen hässlich werden können und ich …“

„Okay, ich bin dabei.“ Ich würde alles tun, um zu verhindern, dass er bei der Arbeit verletzt wurde. Und sein Lächeln zeigte mir, dass er es wusste. Dieser dreckige Mistkerl. „Ist es wirklich nötig, dass du mich jagst?“

„Ich glaube nicht. Aber so macht es viel mehr Spaß, meinst du nicht?“ Ich verdrehte die Augen, als er nach einer meiner Hände griff und unsere Finger miteinander verschränkte. „Doch jetzt genug von meinem Tag. Wie war deiner?“

„Ach, du weißt schon. Immer dasselbe. Ich habe deine Sockenschublade sortiert, bin einkaufen gegangen, habe dir Abendessen gemacht und dann die Stunden gezählt, bis du zu mir zurückgekommen bist.“

„Ich würde darüber lachen, wie armselig das klingt, wenn es nicht die Wahrheit wäre.“

Ich seufzte. „Ich weiß. Es war toll, als du hier warst, aber jetzt …“

„Jetzt brennst du darauf, wieder arbeiten zu gehen.“

„Ja. Ich bin eben kein häuslicher Typ.“

Seans Lippen zuckten. „Da bin ich mir nicht sicher. Dein Typ von Körper gefällt mir gut in meinem Haus.“

Ich stieß gegen seine Brust und kletterte von seinem Schoß. „Du weißt, was ich meine.“

Wir zogen an den Esstisch um. Ich stellte seinen Teller vor ihm hin, füllte sein Glas nach und nahm dann ihm gegenüber Platz. Ich streute etwas Parmesankäse auf meine Pasta und reichte den Parmesan dann ihm.

„Danke für das Abendessen.“

„Gern geschehen.“

Sean griff nach seiner Gabel, tauchte sie in sein Essen, nahm drei Bissen, hielt dann inne und sah mich an. „Ich habe vergessen zu fragen. Hast du Bailey erreicht?“

Meine Hand hielt auf halbem Weg zu meinem Mund inne und ich schüttelte den Kopf. Das war zu einer weiteren unserer neuen Angewohnheiten geworden – der Versuch, Bailey zu erreichen. Ob es sich um Nachrichten oder Telefonate handelte, er ging uns jetzt schon seit zwei Wochen aus dem Weg. Er hatte Henri sogar das Abendessen absagen lassen, das für das vergangene Wochenende geplant gewesen war, und ich machte mir keine Illusionen, dass der Termin morgen Abend nicht dasselbe Schicksal erleiden würde. Wenn es so weiterging, würde er vielleicht nie wieder Kontakt mit uns aufnehmen.

Sean legte seine Gabel weg und seufzte. „Das wird langsam lächerlich. Ich wusste, dass er wütend sein würde, aber dass er uns komplett ignoriert? Ich fahre ihn morgen besuchen.“

„Ich weiß nicht, Sean. Vielleicht braucht er nur Zeit.“

„Wie viel verfluchte Zeit?“

Ich öffnete den Mund, um einen Vorschlag zu machen, aber es gab nichts, was ich sagen konnte, was Sean nicht schon gehört hatte. „Vielleicht versucht er nur, es zu verarbeiten.“

„Ach, ja? Ich habe die Warterei jedenfalls satt. Das macht mich total kribbelig. Und was ist mit Kieran? Gott weiß, was er ihm erzählt hat, oder ob er …“

Ich sagte nichts dazu, denn zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich keine Ahnung, was Bailey unter diesen Umständen tun oder nicht tun würde. Ich hatte gewusst, dass er verletzt sein würde, auch wütend, aber ich hatte keine Ahnung, dass er abrupt den Kontakt abbrechen würde und glücklich damit zu sein schien, es für immer dabei zu belassen.

„Ich denke, nichts“, fuhr Sean fort, wobei er immer noch über seinen jüngsten Bruder redete. „Denn schließlich ist er bisher noch nicht hier aufgetaucht, um mir die Hölle heiß zu machen. Aber, komm schon, Xander. Bailey hat uns praktisch aus seinem Leben ausgeschlossen, und das lasse ich nicht mehr zu. Wir gehen morgen rüber.“

Ich rümpfte die Nase darüber. „Ich denke, dass du mit ihm reden solltest. Wenn wir beide auftauchen, fühlt er sich vielleicht in die Ecke gedrängt. Außerdem bin ich der letzte Mensch, den er sehen will. Du bist Familie …“

„Das bist du auch.“

„Nicht technisch gesehen.“

„Ich bringe das wieder in Ordnung.“

Ich versuchte zu lächeln, bemerkte aber, dass Sean mich durchschaute.

„Du musst nur ein bisschen Vertrauen haben.“

„Das habe ich. Es ist nur … Ich weiß nicht, ob wir jemals wieder zurück können.“

„Du kannst. Ich weiß, dass du es kannst.“

Ich griff nach meinem Glas und trank einen Schluck Wein. Das Loch in meinem Herz, das Bailey hinterlassen hatte, tat wie immer weh, als ich mich daran erinnerte, wie verraten er sich gefühlt hatte.

„Hey“, sagte Sean. „Ich fahre zu ihm, und wir werden das klären.“

Ich nickte. „Okay.“

„Okay.“

Er zwinkerte mir zu und widmete sich dann wieder seiner Pasta, aber den Rest der Mahlzeit verbrachten wir schweigend, denn unsere Gedanken beschäftigten sich eindeutig damit, was morgen passieren oder nicht passieren würde.

Kapitel 3

Sean

Das Donnergrollen verhieß nichts Gutes für den Tag, der vor mir lag. Ich brachte das Auto vor einer roten Ampel zum Stehen. Es war kurz vor zehn am Samstagmorgen, und wegen des höllisch heißen Tages gestern, rollte ein Unwetter heran, um das Wochenende zu begrüßen.

Es passte tatsächlich, wenn man bedachte, wo ich war und was ich vorhatte. Doch jetzt gab es kein Zurück mehr. Ich hatte meine Entscheidung getroffen und würde es durchstehen, ganz egal wie verknotet mein Magen deswegen war.

Genau wie gestern Abend hatte Xander meine Einladung abgelehnt, mich an diesem Morgen zu Bailey zu begleiten. Obwohl ich seine Beweggründe verstehen konnte, nagte irgendwo in meinem Hinterkopf ein Gefühl von Zweifel. Ich tat mein Bestes, es zu unterdrücken, sobald es wieder aufflackerte.

Ich war nicht dumm. Ich wusste, dass die beiden eine gemeinsame Vergangenheit hatten, die sie stark miteinander verband, und ich war hier der Außenseiter. Doch ich wusste auch, wie Xander mit mir war. Ich kannte die Art, wie er bei meiner Berührung schmolz, wie er lächelte, wenn ich zur Haustür hereinkam, und ich wusste, dass nichts außer dem einzig Wahren ihn dazu veranlassen konnte, seine Beziehung zu Bailey aufs Spiel zu setzen.

Xander war deswegen verletzt, genau wie ich. Das Loch, das Bailey hinterlassen hatte, klaffte, und keiner konnte es für den anderen stopfen. Und genau deswegen war ich hier. Ich bog in Baileys Straße ein und kroch auf das Haus zu, in dem ich aufgewachsen war, als wäre ich ein Hund mit eingezogenem Schwanz.

Mein erster Instinkt, nachdem alles zwischen uns dreien den Bach runtergegangen war, war gewesen, zu Bailey zu fahren und ihm zu sagen, dass er verdammt noch mal zur Vernunft kommen sollte. Denn wenn ich Boudreaux in meinem Leben akzeptieren musste, dann konnte er zumindest versuchen zu verstehen, dass Xander und ich zusammengehörten.

Doch nachdem ich mit Xander darüber gesprochen hatte, war mir klar geworden, dass Bailey nicht einfach nur wütend war. Er fühlte sich von seinem Bruder und seinem besten Freund zutiefst hintergangen. Ja, ich hatte dafür gesorgt, dass ein heilloses Chaos entstand, nicht wahr?

Ich parkte den SUV am Bordstein und überlegte mir, dass Heranschleichen wohl die beste Vorgehensweise wäre. Doch fünf Minuten nachdem ich den Schlüssel abgezogen hatte, saß ich noch immer hinter dem Lenkrad.

Fuck, es fühlte sich an, als müsste ich mich übergeben.

Als Kind war ich das Paradebeispiel für Bailey und Kieran, wie man nicht sein sollte. Mir wurde immer und immer wieder gesagt, dass ich es zu nichts bringen würde. Bailey war der gute Sohn, Kieran der mutige, und ich? Ich war nur das schwarze Schaf.

Doch das war Blödsinn. Das wusste ich jetzt. Ich hatte es mit einem heimlichen Alkoholiker zu tun, der seine Wut an dem einzigen Menschen ausließ, der sein Geheimnis kannte, dem Menschen, der ihn am meisten an sich selbst erinnerte. Ich war am Anfang des Jahres auch nah daran gewesen zu zeigen, dass er recht hatte, bis Bailey mich aus der Scheiße gezogen hatte. Und das war der zweite Grund, weswegen ich heute hier war. Ich schuldete Bailey etwas. Er war wirklich der Gute von uns, und ich würde alles in meiner Macht Stehende tun, um das hier in Ordnung zu bringen.

Nach einer letzten Ermunterung öffnete ich die Autotür und ging auf die Zufahrt zu. Als ich an der Garage vorbeikam, bemerkte ich, dass eine Seite offen war und sowohl Baileys als auch Boudreauxs Auto darin standen. Gut, sie waren zu Hause. Ich stieg auf die Veranda und wollte klopfen.

Ein lauter Donnerschlag dröhnte über den Himmel, und ich machte einen mehrere Meter weiten Satz. Als mir das Herz endlich nicht mehr wie verrückt in der Kehle schlug, klopfte ich an die Haustür. Ich wartete still und leise auf der Veranda. Das einzige Geräusch, was ich hörte, war das Hämmern meines Herzschlags.

Als ein paar Minuten vergangen waren und niemand reagiert hatte, hob ich die Hand, um erneut zu klopfen, doch in dem Augenblick wurde die Tür geöffnet, und Boudreaux stand in seiner typischen schwarzen Jeans und einem engen schwarzen T-Shirt im Rahmen. Mir kam kurz der Gedanke, ihn zu fragen, ob er Kleidung in irgendeiner anderen Farbe hatte.

„Dick“, sagte er und verschränkte die muskulösen Arme vor der Brust. „Da hast du ja ein schönes blaues Auge. Ich sehe, dass du Freunde findest, wohin du auch gehst.“

„Ja, ja. Es ist auch schön, dich zu sehen.“

„Hmhm. Ich habe mich schon gefragt, wie lange es dauern würde, bis du persönlich hier auftauchst.“

Ich suchte in seiner Miene nach dem selbstgefälligen Leck-mich-am-Arsch Ausdruck, den ich erwartet hatte. Doch stattdessen sah er mich voller … Neugier an. Ich hatte keine Ahnung, was oder wie viel Bailey ihm erzählt hatte, also beschloss ich, einen Zeh ins Wasser zu stecken, um es zu prüfen, statt am tiefen Ende hineinzuspringen.

„Ich muss mit Bailey reden und scheine ihn am Telefon nie zu erwischen, also dachte ich, ich komme vorbei, um zu sehen, ob er zu Hause ist.“

Boudreauxs Augen verengten sich. „Du konntest ihn telefonisch nicht erreichen?“

„Stimmt. Äh …“ Ich schob die Hände in die Taschen, damit ich nicht herumzappelte. Ich zappelte, um Himmels willen. So, als wäre ich ein Krimineller. Scheiße, wie sich das Blatt gewendet hatte. „Hör mal, ist er zu Hause? Kann ich reinkommen?“

Ich wollte mich an ihm vorbeischieben, aber Boudreaux trat nach draußen und zog die Tür hinter sich zu.

„Hast du ein Problem?“, fragte ich.

„Nein. Doch ich denke, dass du eins hast.“

Ich öffnete den Mund, um ihm zu sagen, dass er mir zum Teufel noch mal aus dem Weg gehen sollte, als ein weiterer Donnerschlag am Himmel vibrierte.

„Hör mal, hier bricht gleich ein höllisches Unwetter los. Kannst du mich nicht einfach reinlassen?“

„Tut mir leid, das kann ich nicht tun.“

„Du kannst es nicht … Was zur Hölle soll das heißen?“

Boudreaux zuckte mit den Schultern. „Genau das, was ich gesagt habe.“

„Jetzt hör mir mal zu. Ich will Bailey sehen.“ Ich machte einen Schritt vorwärts und als Boudreaux mir wieder in den Weg trat, musste ich mich ermahnen, ruhig zu bleiben. „Geh mir aus dem Weg, Boudreaux.“

„Das wird nicht passieren.“

Ich spürte Frustration in mir aufkommen und starrte die sture Wand von einem Mann vor mir an. Wenn Boudreaux nicht vorsichtig war, würde ich ihm ein Veilchen verpassen, das zu meinem eigenen passte. „Und warum nicht?“