Inside Affair - Ella Frank - E-Book

Inside Affair E-Book

Ella Frank

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Beschreibung

Alexander Thorne ist der berühmteste Nachrichtensprecher des Landes. Reich, gut aussehend und beliebt. Doch Erfolg hat auch seine Schattenseiten, und als ein Stalker zu aufdringlich wird, beschließt Alexander, einen Bodyguard einzustellen. Er erkundigt sich bei einem guten Bekannten, dem Undercover-Detective Sean Bailey des Chicago PD, nach einem renommierten Personenschützer. Aber statt jemanden zu empfehlen, beschließt Sean, den Job selbst zu übernehmen, und sich zur Tarnung als Alexanders Freund und Lebenspartner auszugegeben. Damit hat Alexander absolut nicht gerechnet, denn Sean ist nicht nur nervtötend und launisch, sondern auch alles andere als schwul.

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Seitenzahl: 311

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Inside Affair

Prime Time Trilogie 1

Ella Frank

© 2021 Sieben Verlag, 64823 Groß-Umstadt

© Umschlaggestaltung Andrea Gunschera

© Englische Originalausgabe Ella Frank 2020

© Übersetzt von Sylvia Pranga

ISBN Taschenbuch: 9783967820065

ISBN eBook-mobi: 9783967820072

ISBN eBook-epub: 9783967820089

www.sieben-verlag.de

Manchmal sind die interessantesten Menschen direkt vordir.Es ist nur etwas Gewaltiges nötig, damit du es siehst.~ Xander ~

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Die Autorin

Kapitel 1

Xander

„Das ist alles von uns hier bei Global News an diesem Donnerstagabend. Ich bin Alexander Thorne, danke fürs Zuschauen und gute Nacht.“

Ich richtete mein vertrautes Lächeln auf Kamera Eins und beobachtete, wie die letzten Worte auf dem Teleprompter verschwanden. Dann hörte ich in meinem Ohr: „Uuund, wir sind raus. Alles klar.“

Ich nickte dem Kameramann zu und gab ihm damit das Zeichen, dass wir startklar waren. Dann schloss ich den Laptop. Die Tür des Studios öffnete sich und Jim Berkel – mein Produktionsleiter – kam herein.

Er hatte die Kopfhörer noch auf, das Mikrofon jedoch ausgeschaltet, und ging durch den Gang auf mich zu. Sein müdes Gesicht wirkte angespannt, er versuchte zu lächeln, scheiterte aber kläglich.

„Ausgezeichnete Show heute Abend. Gute Arbeit. Besonders die A und C Blocks. Die liefen sehr glatt.“

Ich sammelte die Papiere vor mir zusammen und betrachtete meinen Produktionsleiter aufmerksam. Jim und ich arbeiteten jetzt seit fast sechs Jahren zusammen, er versorgte mich über meinen Ohrstöpsel mit den wichtigsten Fakten und Informationen über einige der größten Nachrichtenereignisse, die es in diesem Land je gegeben hat. Aber in der ganzen Zeit, seit ich ihn kannte, hatte er sich noch nie wegen einer ganz normalen Sendung so bei mir eingeschleimt.

Während der letzten vierundzwanzig Stunden war nichts Katastrophales passiert, was bedeutete, dass die Storys, die wir heute Abend gebracht hatten, nicht Last Minute und daher gut vorbereitet gewesen waren. Also konnten die grimmige Linie um seinen Mund und der Stress, der in seinen müden Augen lauerte, nur eins bedeuten – irgendetwas war im Haus vorgefallen. Etwas, das mir nicht gefallen würde.

„Ich bin deiner Meinung, es war ein guter Abend. Und so sehr ich auch deine persönliche Zusammenfassung und Rezension der Show zu schätzen weiß, warum hörst du nicht auf, mir Honig ums Maul zu schmieren und sagst mir, warum du wirklich hier bist?“

„Das ist der wahre Grund.“

„Irgendwie bezweifle ich das ernsthaft.“ Ich schob mich vom Tisch zurück, stand auf und zog den Ohrstöpsel heraus. „Du stürmst nach einer Show nur hier rein, wenn ich etwas verpatzt habe oder Marcus auf dem Kriegspfad ist …“

„Marcus will in seinem Büro mit dir sprechen.“

Verdammt. Ich hasste es, recht zu haben. Denn wenn Marcus St. James, der Präsident der Nachrichtenabteilung, unter vier Augen mit einem reden wollte, war das nie etwas Gutes. „Warum?“

„Ich weiß es nicht.“

„Weißt du es wirklich nicht? Oder weißt du es und willst es mir nur nicht sagen?“

„Macht das einen Unterschied?“

Nicht wirklich. Wenn Marcus rief, sprang man. So lief es einfach, selbst wenn man die Nummer eins in der Nachrichtenwelt war. „Sag ihm, dass ich komme, sobald ich mich umgezogen habe.“

„Er sagte, jetzt.“

Okay. Ich wusste selbst am besten, dass, wenn Marcus sagte ‚spring’, die einzige Antwort ‚wie hoch?’ lauten durfte.

Ich nahm Mikrofon und Ohrstöpsel ab und gab sie Jim, während wir aus dem Studio gingen. Jetzt, wo der Abend sich dem Ende neigte – zumindest unser Teil davon – verwandelte sich die Nachrichtenabteilung in eine stumme Version ihrer selbst. Köpfe waren über Tastaturen geneigt, Blicke klebten an Computerbildschirmen, denn alle beendeten für heute ihre Arbeit und bereiteten sich darauf vor, innerhalb der nächsten Stunde zu gehen. Aber als ich am Schreibtisch meines Assistenten Ryan vorbeikam, sah er auf und zeigte mit seinem Stift in meine Richtung.

„Marcus …“

„Will mich sehen, ich weiß.“

Ryan warf Jim, der mir auf den Fersen folgte, einen Blick zu und fügte hinzu: „Ja, aber du sollst allein kommen.“

Fantastisch. Das verhieß nichts Gutes. Dieser scheinbar so unkomplizierte Abend wurde langsam immer rätselhafter und nerviger. Es gab nur zwei Gründe, warum eine Person überhaupt ins Büro von Marcus St. James gerufen wurde, und einer endete üblicherweise damit, dass diese Person nie wieder einen Fuß in dieses Gebäude setzte.

Aber ich hatte nichts falsch gemacht, jedenfalls erinnerte ich mich an nichts, also war es mir ein Rätsel, was der Allmächtige da oben von mir wollte.

„Okay. Sagst du ihm dann bitte, dass ich auf dem Weg nach oben bin?“

Als ich auf die doppelflügelige Tür der Nachrichtenabteilung zuging, hörte ich Ryan rufen: „Klar, Boss.“ Ich ging durch die Tür und schnurstracks zu den Fahrstühlen.

Marcus’ Büro war zwei Etagen höher, und als ich in den Flur hinaustrat, begrüßte mich ein wandgroßes Poster meines Gesichts, über dem Global News mit Alexander Thorne stand. Es war die neue Werbung, die der Sender für den Sommer geplant hatte, und als ich dort stand und mich selbst musterte, entschied ich, dass sie keinen schlechten Job gemacht hatten.

Die Kulisse des neuen Studios, das hinter mir in Weiß und Blau beleuchtet wurde, brachte meine Augen und die silbernen Strähnen in meinem dunklen Haar zur Geltung. Das Ganze sah klassisch, elegant und weltgewandt aus. Mit anderen Worten, genauso wie der Fernsehsender es geplant hatte.

Ich ging den Flur hinunter auf Marcus’ Büro zu und kam an dem Schreibtisch vorbei, wo normalerweise Carmen, seine Assistentin, saß. Offenbar war sie in den Feierabend geschickt worden, nach ihrem leeren Platz und der so gut wie verlassenen Abteilung zu urteilen. Als ich bei seiner Bürotür ankam, konnte ich nur glückliche Carmen denken.

Ich nahm mir eine Sekunde, um mich zu wappnen, und klopfte dann an.

„Es ist offen.“

Ich schob die Tür auf und betrat den einen Raum im Gebäude, den ich aktiv zu vermeiden versuchte. Und als mein Blick auf den Mann fiel, der hinter dem protzigen Schreibtisch saß, wartete ich darauf, dass Marcus hochblicken und meine Anwesenheit zur Kenntnis nehmen würde. Er tat es nicht.

„Du bist spät dran. Die Übertragung war vor fünfzehn Minuten zu Ende.“

Mein Rücken versteifte sich bei dem anschuldigenden Tonfall. Seine Stimme war die eines Schulrektors, der sich an ein bockiges Kind wendet, und nicht an den Anchorman Nummer eins des Senders und des Landes.

Als ich nicht sofort antwortete, sah Marcus endlich von dem auf, was er las und fixierte mich erwartungsvoll. Aber ich wollte mich auf keinen Fall entschuldigen.

„Ich brauchte ein paar Minuten, um das Mikro loszuwerden und hierherzukommen.“

„Ich verstehe.“ Marcus schob sich vom Tisch weg, stand auf und war mit seinen über einsneunzig eine beeindruckende Gestalt, das musste man ihm lassen. Dazu kamen sein selbstherrliches Auftreten, schlaue Augen und ein Kopf voll goldblondem Haar – womit er mich an einen Löwen erinnerte, der seine nächste Mahlzeit abschätzte.

Mit zweiundvierzig galt Marcus in der Welt der Fernsehsender als jung. Aber das hatte ihn nicht davon abgehalten, sich den Ruf einzuhandeln, mörderisch und zäh zu sein, wenn es um seinen Job ging. Er hatte einen Blick, mit dem er Glas schneiden konnte und ein Gemüt, bei dem es einem eiskalt wurde, und in der ganzen Zeit, seit ich ihn kenne, hatte ich ihn meiner Erinnerung nach nicht einmal lächeln sehen.

„Du hast heute Abend eine gute Show gemacht.“ Die Bemerkung war eher sachlich als schmeichelhaft. Er ging um seinen Schreibtisch herum.

„Das stimmt.“ Ich sagte nichts weiter, denn ich schuldete ihm nicht wirklich etwas. Ich arbeitete jetzt seit Jahren für ENN – fast zehn – und kannte meinen Wert genauso gut wie Marcus. Wenn er also ein Problem hatte, oder ihm etwas auf der Seele lag, dann konnte er es ebenso gut gleich sagen.

Marcus verschränkte die Hände hinter dem Rücken und blieb vor mir stehen. „Es gibt keine leichte Möglichkeit, das zu sagen …“

„Warum sagst du es dann nicht einfach?“ Bei meinem frostigen Tonfall kniff Marcus die Augen zusammen, aber nachdem ich wie ein kleiner Praktikant hierher gerufen worden war, verlor ich langsam die Geduld.

„Also gut. Heute Morgen wurde auf unserer Webseite eine Drohung gegen dich veröffentlicht.“

Okay. Das hatte ich nicht erwartet. Ein heftiger Tadel wegen etwas, das ich getan hatte … vielleicht. „Eine Drohung?“

„Ja.“

Jetzt hatte er auf jeden Fall meine Aufmerksamkeit. Es war nicht so, dass ich in der Vergangenheit nicht schon bedroht worden wäre. Ich war ein Nachrichtensprecher, der kein Geheimnis aus seiner Homosexualität machte, also gehörte es irgendwie dazu, ob es nun um die Storys ging, über die ich berichtete, oder um mein Privatleben. Was dieses Mal anders war, war, dass Marcus mich in sein Büro gerufen hatte. Das hatte er noch nie getan.

„Das ist nichts Neues“, betonte ich.

„Nein, das stimmt. Aber die Art der Drohung ist neu, und es ist die dritte, die du in wenigen Tagen erhalten hast. Von derselben Person.“

Moment mal. „Es hat mehr als eine gegeben? Warum weiß ich nichts davon, wenn das seit Tagen so geht?“

„Es hat drei gegeben, die erste kam am Montag.“

„Warum hat man es mir da nicht gesagt?“

„Weil ich noch nicht überzeugt war, dass es ernst ist.“

„Und jetzt bist du es?“

„Ja.“ Marcus drehte sich zu seinem Schreibtisch um und griff nach den Papieren, die er gelesen hatte. „Sieh es dir selbst an.“

Ich nahm die Papiere und sah auf die drei Nachrichten hinunter, die aus dem ENN Twitter Verlauf kopiert und Marcus als E-Mail geschickt worden waren.

MEANT2BMINE: @AlexanderThorne. Ich habe dich gestern Abend in der Sendung gesehen. Du siehst mich an und wünschst mir eine gute Nacht und ich wusste, dass es endlich Zeit ist, mich vorzustellen. Zeit, aus den Schatten zu kommen und Hallo zu sagen. Also, hallo, Alexander. Wir sehen uns bald.

Zweite Nachricht.

MEANT2BMINE: @AlexanderThorne. Ein Venti Red Eye jeden Morgen vor der Arbeit. So schaffst du also die langen Arbeitstage. Das habe ich mich immer gefragt, weißt du. Aber dieser Barista, Kyle? Meiner Meinung nach ist er ein bisschen zu freundlich. Du solltest ihm sagen, dass du vergeben bist. Sag ihm, dass du mir gehörst.

Ich schluckte gegen den Kloß an, der sich plötzlich in meinem Hals gebildet hatte und versuchte, die aufsteigende Galle zurückzudrängen. Dieser Kerl war gestört. Noch alarmierender war jedoch, dass er wusste, welchen Kaffee ich trank und wo ich ihn kaufte. Wie konnte er das alles wissen? Außer, er war mir … gefolgt.

Aber es war die letzte Nachricht, bei der sich die Härchen in meinem Nacken aufrichteten.

MEANT2BMINE: @AlexanderThorne. Warum lässt du mich so warten? Warum spielst du schwer zu kriegen? Diese Distanz, die du zwischen uns wahrst, macht mich verrückt, denn du weißt doch, dass wir zusammen sein sollten! Ich will dich berühren, bei dir sein, Alexander. Du bist dazu bestimmt, mein zu sein, und bald wird es soweit sein.

„Wie du sehen kannst, ist es die dritte Nachricht, die uns am meisten Sorgen bereitet“, sagte Marcus in die Panik hinein, die mich jetzt zu überwältigen drohte. „Wer immer das auch ist, die Drohungen spitzen sich zu. Der Tonfall ist viel wütender. Er will Kontakt, will mit dir unter vier Augen sein, und er kennt deine Adresse.“

„Stimmt“, sagte ich, als ich meine Adresse in dem Tweet direkt unter dem letzten las. Ich ging zum Fenster hinüber und sah auf die Gebäude gegenüber Marcus’ Büro hinaus. Dabei fragte ich mich zum ersten Mal, wer von dort vielleicht auf mich zurückblickte.

MEANT2BMINE? Nein, das war ein zu verrückter Gedanke.

„Hör mal“, sagte Marcus, als ich weiterhin schwieg. „Das ist wahrscheinlich nur ein übereifriger Fan. Aber wir wollen, dass du ein paar Sicherheitsmaßnahmen ergreifst.“

„Sicherheitsmaßnahmen?“

„Ja. Ein paar ist allerdings die falsche Bezeichnung. Wir wollen eher, dass du vierundzwanzig Stunden am Tag beschützt wirst, bis wir wissen, von wem diese Nachrichten kommen und ihn aufhalten. Keine Sorge, du bist versichert. Das gehört alles zu deinem Vertrag.“

Tatsächlich? Es war das erste Mal, dass ich davon hörte. Allerdings war ich auch noch nie in dem Maße persönlich bedroht worden. Trotzdem, der Gedanke, dass mich irgendein Fremder überallhin verfolgte …

„Ich weiß nicht, ob ein vierundzwanzig Stunden Schutz notwendig ist. Sprichst du von einem Leibwächter? Dabei fühle ich mich unbehaglich. Außerdem ist mein Gebäude abgesichert …“

„Das ist mir egal.“

„Es ist dir egal?“

„Ja. Du bist lebend viel zu wertvoll für mich, als dass es mich jetzt interessiert, ob du dich unbehaglich fühlst, Alexander. Du brauchst Schutz, bis man sich um die Sache gekümmert hat, und es ist mir vollkommen egal, wie du dich dabei fühlst.“

Ich konnte an seinem angespannten Kiefer erkennen, dass Marcus nicht nachgeben würde, und wenn ich richtig darüber nachdachte, musste ich ihm recht geben. Diese Person wusste, wo ich wohnte. Sie wusste, wo ich arbeitete. Und die Vorstellung, dass sie jede meiner Bewegungen beobachtet hatte, ließ mir einen Schauer den Rücken hinunterlaufen.

„In Ordnung. Ich stelle jemanden ein, okay?“

Marcus öffnete den Mund und wollte mir zweifellos sagen, dass sich der Sender darum kümmern würde, aber ich unterbrach ihn schnell.

„Ich bin derjenige, der die ganze Zeit mit diesem Mann verbringen muss, also sollte ich ihn auch aussuchen dürfen.“ Ich dachte sofort an meinen besten Freund Craig Bailey, der von allen Bailey genannt wurde, und die neue Privatdetektei, die er mit seinem Lebenspartner Henri betrieb. Sie wären eine gute Möglichkeit. Aber die Vorstellung, einen von ihnen zu bitten, bei mir einzuziehen, um mich zu beschützen, nachdem sie erst vor Kurzem zusammengezogen waren, fühlte sich irgendwie falsch an. Vielleicht konnte ich Sean, Baileys ältesten Bruder, um Rat fragen, auch wenn er eine unglaubliche Nervensäge war. Er war Detective bei der Polizei von Chicago und würde zweifellos ein paar Verbindungen zu Personenschutz-Unternehmen haben. Aber es behagte mir nicht, zu Sean zu gehen und ihn um Hilfe zu bitten.

Ja, wir kannten uns fast unser ganzes Leben lang, aber unsere Beziehung zueinander war nie einfach gewesen, es war eher eine Beziehung, die aus den Umständen heraus entstanden war. Ich gehörte zum Leben seines Bruders Bailey, und dadurch auch zu seinem. Aber was sollte ich sonst machen?

„Ich kenne jemanden, der mich mit den richtigen Leuten in Kontakt bringen können sollte“, sagte ich.

„Können sollte? Das ist nicht gut genug.“

„Er kann es.“

„Du musst dich noch heute Abend darum kümmern. Ich will morgen einen Namen haben.“

„Morgen?“

„Ja, morgen. Oder du nimmst den, den ich dir zuweise.“

Marcus zeigte auf die Nachrichten auf dem Papier. „Diese Person meint es ernst. Und wenn du klug bist, nimmst du es ernst.“

Ich nickte, weil ich den Ernst der Situation tatsächlich erkannte, wenn ich auch nicht wollte.

„Okay, überlass es mir.“ Ich holte mein Handy aus der Tasche und suchte nach Seans Nummer. „Ich habe morgen einen Namen für dich.“

„Das solltest du auch besser“, sagte Marcus, als ich zu seiner Bürotür ging. „Oh, und Alexander?“

„Ja?“

„Sei vorsichtig, wem du vertraust. Die Menschen sind nicht immer das, was sie zu sein scheinen.“

Ich runzelte die Stirn, nickte, öffnete die Tür und ging in den Flur hinaus. Dort wählte ich Detective Sean Baileys Nummer und wartete, dass er das Gespräch annahm.

Kapitel 2

Sean

„Machst du bald Feierabend, Sean?“

Ich spähte über die Abtrennung zwischen unseren Schreibtischen und sah, wie Mick Callahan seine Lampe ausschaltete und aufstand. Ich lehnte mich im Stuhl zurück und zuckte zusammen, weil meine Rückenmuskeln so verkrampft waren. „Ja, gleich. Ich muss noch ein paar Sachen zu den Beweismitteln im Willow-Fall hinzufügen, dann bin ich weg.“

„Brauchst du Hilfe?“

Ich hob eine Braue, als Callahan seine Jacke von der Stuhllehne nahm und hineinschlüpfte. „Und wenn ich ja sagen würde?“

„Dann würde ich sagen, dass du Davies darum bitten sollst. Ich habe heute Abend ein heißes Date, und das lasse ich nicht für dich sausen.“

„Als ob ich das von dir erwarten würde.“ Ich wandte meine Aufmerksamkeit wieder dem Computer zu. „Aber ich muss sagen, dass es sich wirklich verdammt gut anfühlte, dieses Arschloch heute aus dem Verkehr zu ziehen. Auch wenn es bedeutet hat, dass ich zu viele Monate mit Leuten wie dir arbeiten musste.“

„Hey, ich habe jede Minute geliebt.“ Callahan hielt mit einer Hand am Türknopf inne. „Aber vergiss nicht, heute Abend nach Hause zu gehen. Wenn du schon nicht schläfst, zieh dich wenigstens um. Diese Jeans und das Shirt können bald allein hier rausgehen.“

„Hey, ich habe die Sachen getragen, um nicht aufzufallen.“

„Aber klar. Du riechst sogar, als wärst du zwischen denen nicht aufgefallen. Gute Nacht, Sean.“

„Verschwinde, Callahan.“

Callahans Lachen wurde gedämpft, als die Tür hinter ihm zufiel, aber seine Worte hallten in meinem Kopf wider. Ich schnupperte an mir und stellte erleichtert fest, dass er nur Blödsinn gelabert hatte. Meine Klamotten sahen vielleicht aus, als würde ich seit mindestens einer Woche darin leben, aber sie stanken nicht. Wenn ich noch länger dort draußen gewesen wäre, hätte sich das wahrscheinlich geändert.

Die Festnahme heute Abend hatte eine dreimonatige Jagd beendet, die ich mit der Einheit für Waffen- und Bandenkriminalität durchgeführt hatte, daher war Callahan mein Schatten gewesen. Wir hatten einen illegalen Waffenhändler zur Strecke gebracht, dessen Weg mit einer Menge Leichen gepflastert war.

Es war ein langer, rund-um-die-Uhr Fall gewesen, der kaum Raum für etwas anderes als Arbeit gelassen hatte, und nachdem ich eine goldene Rolex eingegeben hatte – das letzte Beweisstück – schloss ich die Akte und fuhr mir mit den Fingern durch mein zu langes Haar. Ich hatte es die letzten paar Wochen wachsen lassen und beschlossen, dass ich es als Erstes morgen früh schneiden lassen würde.

Himmel, war ich müde. Mein Schlafmangel holte mich endlich ein – eigentlich holte mich das Leben ein – und beim Blick auf die Uhr sah ich, dass ich schon wieder über achtzehn Stunden ohne Unterbrechung gearbeitet hatte. Scheiße. Ich schaltete meinen Computer aus, schob mich vom Tisch zurück, und meine Knochen protestierten, als ich mich aus der verkrampften Haltung erhob, in der ich während der letzten Stunden die Papierarbeit erledigt hatte.

Ich brauchte Urlaub. Das dachte ich nicht oft – okay, das dachte ich nie – aber als ich meinen Stuhl unter den Tisch schob, mein Handy nahm und sah, dass ich zwei Anrufe von Bailey, einem meiner jüngeren Brüder, verpasst hatte, wusste ich, dass es an der Zeit war.

Ich konnte mich nicht mehr erinnern, wann ich meine Familie das letzte Mal gesehen hatte, oder wann ich bei einem der üblichen Samstagabend-Essen gewesen war. Ich war so mit diesem Fall beschäftigt gewesen, dass er meine ganze Zeit in Anspruch genommen hatte. Doch als ich auf den Parkplatz hinausging, beschloss ich, dass es richtig gewesen war, um etwas Urlaub zu bitten.

Vor ungefähr sechs Monaten war ich gefährlich kurz davor gewesen, meinen Tiefpunkt zu erreichen. Aber nachdem Bailey mir die Leviten gelesen hatte, wurde mir klar, dass der Boden einer Flasche nicht die Lösung meiner Probleme sein würde. Stattdessen hatte ich mich in der Arbeit vergraben. Jetzt war es Zeit, einmal abzuschalten.

Ich drückte den Knopf auf meinem Schlüssel, um die Tür meines schwarzen SUV aufzuschließen. Nachdem ich eingestiegen war und den Motor eingeschaltet hatte, klingelte mein Handy. Ich sah auf das Display hinunter und runzelte bei dem angezeigten Namen die Stirn. Aber als Xanders Nummer weiter auf meinem Handy blinkte, schaltete mein Hirn automatisch auf Panikbetrieb. Es gab für Alexander Thorne nur einen Grund, mich anzurufen, und es hatte normalerweise etwas mit meinem Bruder und Xanders bestem Freund zu tun – Bailey.

Scheiße, vielleicht war ihm etwas passiert. Bailey war bei seinem Job schon mal in eine Schießerei verwickelt worden.

Ich drückte auf ‚annehmen’, und das Handy verband sich mit meinem Stereosystem. „Xander? Ist alles in Ordnung? Geht es Bailey gut?“

„Ich wünsche dir auch einen guten Abend, Sean. Mir geht es gut, danke der Nachfrage. Und dir?“

Ich kniff die Augen zusammen, antwortete aber nicht. Xander seufzte.

„Es ist alles in Ordnung. Bailey geht es gut. Soweit ich weiß.“

„Was meinst du mit, soweit du weißt?“

„Na ja, ich habe ihn seit Samstag nicht gesehen, und das war vor sechs Tagen, also …“

„Xander.“ Ich rieb mir übers Gesicht. „Geht es Bailey gut?“

„Ja, davon gehe ich aus.“

„Okay, Himmel noch mal.“ Ich sah auf die Uhr und bemerkte, dass Xanders Sendung ungefähr eine Stunde her war. „Was soll dann dieser Anruf?“

Xander hustete. „Ich, äh …“

Ich runzelte die Stirn und wartete darauf, dass er fortfuhr. Es sah Xander nicht ähnlich, dass ihm die Worte fehlten, aber es war auch völlig untypisch für ihn, dass er mich überhaupt anrief.

„Ich habe mich gefragt, ob ich heute Abend bei dir vorbeikommen und dir ein paar Fragen stellen könnte.“

Nichts, was er hätte sagen können, hätte mich mehr überrascht. Ich kannte Xander fast mein ganzes Leben lang. Er war immer irgendwie Teil davon gewesen. Zuerst als das magere kleine Nachbarskind, dann als Baileys nerviger bester Kumpel und später als sein Freund.

Soweit ich wusste, waren sie zurück auf der Kumpelschiene, seit Henri Boudreaux aufgetaucht war, was mir etwas kompliziert erschien. Aber soweit es mich betraf, war Xander einfach immer da gewesen. Ein bisschen wie ein weiterer Bruder, denke ich.

„Vorbeikommen? Du bist noch nie bei mir vorbeigekommen, Xander. Weißt du überhaupt, wo ich wohne?“

„Das werde ich, wenn du es mir sagst.“ Xander hielt inne, und ich hätte schwören können, dass er irgendetwas murmelte, bevor er wieder mit mir sprach. „Komm schon, Sean. Ich brauche einen Rat, und ich will heute Abend nicht an Baileys und Henris Tür klopfen.“

„Warum nicht? Hast du Angst, dass du sie bei etwas störst?“

„Nein, ich will sie nur nicht damit behelligen, wenn ich dich fragen kann. Hörst du also bitte auf, dich so beschissen zu benehmen und hilfst mir?“

Ich konnte nicht genau sagen, warum, aber Xanders angepisster Tonfall brachte mein Hirn wieder auf Touren. „Ja, okay. Komm vorbei. Ich bin gegen zehn zu Hause.“

„Sean?“

„Ja?“

„Ich brauche deine Adresse.“

Wie seltsam war das denn? In all den Jahren, die ich Xander kannte, hatte er nie gewusst, wo ich wohne. Wahrscheinlich war er doch nicht wie ein weiterer Bruder. Nicht, dass es wichtig gewesen wäre. Worüber er sich auch Sorgen machte, es musste etwas ziemlich Ernstes sein, wenn er bereit war, seinen millionenschweren Hintern in meine Gegend zu bewegen. „Ich schreibe sie dir gleich. Wir sehen uns.“

Kapitel 3

Xander

Es gab nur einen Grund, dass ich mich aus der Stadt und in die Vororte wagte, und der hatte normalerweise etwas mit einem der Bailey-Brüder zu tun. Natürlich war es sonst nicht dieser Bailey Bruder, aber da der andere in letzter Zeit zu beschäftigt war, ging ich lieber auf Nummer sicher.

Als ich in Seans Straße bog und in der kurzen Auffahrt hinter seinem SUV parkte, fragte ich mich doch, ob ich heute Abend die richtige Entscheidung getroffen hatte. Ich hatte Sean eine ganze Weile nicht gesehen, was nicht ungewöhnlich war, wenn er einen Fall hatte. Aber die letzten paar Male, als wir Kontakt gehabt hatten, waren etwas … angespannt gewesen. Sean lebte nach dem Motto ‚nichts als Arbeit und kein Vergnügen’. Die Welt der Chicagoer Polizei schien alles zu sein, was er kannte. Ich verstand diese ‚arbeite hart und hör niemals auf’ Mentalität und respektierte sie. Ich verhielt mich sehr ähnlich. Das musste ich, um dorthin zu kommen, wo ich heute war.

Der Unterschied war allerdings, dass ich wusste, wie man aufhörte. Wenn die Nachrichten für den Abend erledigt waren und ich aus dem ENN-Gebäude trat, sorgte ich dafür, dass ich ein Leben hatte. Freunde, Liebhaber, eine Welt, die nicht immer so ernst war. Eine Welt, in der es Licht und Leichtigkeit gab. Sonst würde ich eine zynische, abgestumpfte Nervensäge werden – was mich natürlich wieder direkt zu Sean brachte.

Sean Bailey war nicht gerade ein umgänglicher Kerl und ließ andere nicht gern an sich heran. Und während ihm das in seinem Beruf wahrscheinlich half, machte es zwischenmenschliche Beziehungen … schwierig.

Die Nachrichten, die Marcus mir heute Abend gezeigt hatte, schienen es mir jedoch wert zu sein, Sean zu trotzen. Sie verunsicherten mich mehr als nur ein bisschen, sodass ich auf dem Weg hierher fast das Lenkrad verrissen hätte, weil ich wie eine Art Flüchtiger in den Rückspiegel schaute. Und wenn ich meinen Stolz schlucken und um Hilfe bitten musste, damit ich mich wieder einigermaßen wohl in meiner Haut fühlte, dann würde ich die bittere Pille schlucken und Sean um einen Namen und eine Telefonnummer bitten.

Ich seufzte, stieg aus meinem Maserati und schloss die Tür hinter mir. Ich freute mich nicht auf das Gespräch. Ich hasste, um Hilfe zu bitten, fast genauso sehr wie den Gedanken, dass ein Leibwächter jeden meiner Schritte überwachen würde. Aber Marcus wollte morgen früh einen Namen haben, und ich hatte mir geschworen, dass er einen bekommen würde.

Ich glättete die Aufschläge meiner Anzugjacke, als ich den rissigen Betonweg zum Haus ging. Als ich mich näherte, schaltete ein Bewegungssensor das Licht über der einfachen weißen Tür ein, und ich bemerkte ein paar verdorrte Hecken um den Eingang herum, die schon bessere Tage gesehen hatten. Gerade als ich klopfen wollte, wurde die Tür weit aufgerissen.

„Na, wen haben wir denn hier? Der berühmte Alexander Thorne steht auf meiner bescheidenen Türschwelle. Welchem Umstand habe ich dieses Vergnügen zu verdanken?“

Ich starrte Sean an und wünschte mir in diesem Augenblick, dass ich einen letzten Wachstumsschub gehabt hätte, der mich größer als seine einsneunzig gemacht hätte. Aber nein, Bailey und ich hatten bei einsdreiundachtzig aufgehört zu wachsen und es Sean überlassen, uns für den Rest unseres Lebens zu überragen.

Mit Schultern, die so breit waren, dass sie fast den gesamten Türrahmen ausfüllten und einer Persönlichkeit, die stachliger als jedes Stachelschwein war, halfen Seans Gesamterscheinung und sein Benehmen wohl bei dem von ihm gewählten Beruf. Für diejenigen von uns jedoch, die in einer Welt existierten, wo man mit anderen kommunizieren musste, verging kaum ein Tag, an dem Sean nicht den Mund aufmachte und jemanden in seiner Nähe höllisch provozierte.

Und im Moment war dieser Jemand zufällig ich. „Bist du fertig? Hast du dir jetzt alles von der Seele geredet?“

Sean rieb sich über die dunklen Stoppeln auf seinem Kinn und zuckte mit den Schultern. „Vielleicht, vielleicht auch nicht. Komm schon, Xander. Du musst zugeben, dass es nicht gerade jeden Tag vorkommt, dass du im Schutz der Dunkelheit bei mir aufkreuzt. Was hast du gemacht, jemanden umgebracht?“

„Himmel, nein. Würdest du aus dem Weg gehen und mich reinlassen?“ Ich trat einen Schritt vor und schob mich gegen seinen Arm. Sean ging endlich aus dem Weg.

„Okay, entspann dich.“ Er lachte leise. „Kein Grund, gleich so sauer zu werden.“

Aber als ich in den schmalen Flur ging, anhielt und ihn immer noch im Türrahmen stehen sah, konnte ich mich nicht entspannen.

Seitdem ich die Nachrichtenstation verlassen hatte, hatte ich versucht, die Nervosität zu unterdrücken, die sich immer mehr in mir aufbaute. Ich hatte versucht, nicht daran zu denken, wer mich vielleicht beobachtete, wer mich vielleicht verfolgte. Aber als Sean in der weit geöffneten Tür stand, sodass jeder hereinsehen konnte, überkam mich eine Panikwelle und … na ja, ich drehte durch. „Kannst du dich mal beeilen und die verdammte Tür zu machen?“

Sean riss die Augen auf und warf mit einer schnellen Drehung des Handgelenks die Tür zu.

„Schließ sie auch ab.“ Sean wollte etwas sagen, aber ich unterbrach ihn schnell, weil ich nicht in der Stimmung für seine besserwisserischen Bemerkungen war. „Tu es einfach, Sean.“

Ich sah aufmerksam zu, als Sean nicht nur das Schloss im Türgriff umlegte, sondern auch die Kette vorlegte. Dann wandte er sich wieder mir zu und verschränkte die Arme. „Okay, sie ist abgeschlossen. Sagst du mir vielleicht mal, was dich heute Abend so in Aufregung versetzt hat?“

„Ich bin nicht … Scheiße. Ich will nur …“ Ich fuhr mir mit der Hand durchs Haar. „Ich muss nur mit dir reden. Und ich will lieber nicht, dass dabei die Tür weit offensteht und alle Welt uns hören kann, wenn das für dich okay ist.“

Als Sean nur dastand, sah ich über meine Schulter den Flur hinunter. „Geht es da zum Wohnzimmer?“

„Ich denke, so könnte man es nennen“, sagte Sean, als ich in die Richtung ging. „Nicht, dass ich sehr oft darin wohnen würde.“

Ich blieb in dem kleinen Zimmer stehen, musterte die leeren Wände, den einzigen Fernsehsessel und Fernseher, der an die gegenüberliegende Wand montiert war. „Ich sehe, warum.“

„Ja? Weißt du, nicht alle von uns können in einem schicken Wolkenkratzer leben.“

Ich stimmte ihm absolut zu und konnte mir nicht vorstellen, dass Sean wissen würde, wie man die feineren Aspekte des Lebens in einem Luxusapartment genoss. Aber das hier? Dieses Zimmer war einfach nur deprimierend.

„Hast du jemals etwas von Fotos oder Wandfarbe gehört?“ Ich sah mich genauer um. „Etwas, das dem Zimmer ein bisschen Persönlichkeit geben würde?“

„Mein Fehler.“ Sean kam um mich herum und blieb vor mir stehen. „Ich hatte gehofft, wir könnten uns hier zusammensetzen und darüber diskutieren, welcher Farbton am besten zu meinem Teint passt. Ich dachte, du wärst hier, um um Hilfe zu bitten, nicht um mir deine Expertenmeinung in puncto Design anzubieten.“

„Kann ich nicht beides machen?“

„Nein, kannst du nicht. Ich habe gerade einen unheimlich langen Fall abgeschlossen, ich bin müde, und du hast mich angerufen. Also was ist los, Xander?“

Er hatte recht. Ich war derjenige, der ihn angerufen hatte, der ihn belästigte, und ich verhielt mich sehr unhöflich.

Was soll ich sagen? Sean brachte immer das Beste in mir zum Vorschein.

„Ich brauche deine Hilfe.“

„Ja, das hatte ich mir schon gedacht …“

„Sean, kannst du nur mal eine Sekunde lang nicht reden? Bitte.“

Sean zuckte mit den Schultern und hielt den Mund. Erstaunlich. Ich schwöre, dieser Kerl könnte unter Wasser mit Murmeln im Mund reden. Er hatte immer auf alles eine Antwort.

„Ich brauche deine Hilfe“, wiederholte ich. „Ich muss mir eine Art … Leibwächter organisieren.“

Als Sean nur schweigend dastand, sah ich ihn düster an, und er zeigte auf seinen Mund. Jetzt war es offiziell. Ich würde ihn umbringen.

„Du darfst reden.“

„Bist du sicher?“

Ich knirschte mit den Zähnen und Sean grinste.

„Ich wollte es nur nachprüfen.“

„Du wolltest eher provozieren. Also? Kannst du mir helfen oder nicht?“

Der Blick aus Seans dunkelblauen Augen wanderte über mich. „Personenschutz, hm? Ich meine, ich weiß, dass du glaubst, ein großes Tier und die Nummer eins in der Nachrichtenwelt zu sein, Xander. Aber ich kann mir kaum vorstellen, dass die Leute dich mobben, wenn du die Straße hinuntergehst und sie dich um ein Autogramm bitten.“

„Nicht diese Art von … Gott, du gehst mir so auf die Nerven.“

Ich wandte mich von ihm ab, um nicht so etwas Kindisches zu tun wie ihn zu boxen und ging zu dem kleinen Loch in der Wand, das wohl ein Fenster sein sollte. Ich erwischte mich dabei, dass ich darüber nachdachte, wer wohl da draußen sein könnte. Wer vielleicht hineinsehen könnte.

Ich schüttelte den Gedanken ab und kam schnell aufs Thema zurück.

„Mein Sender will, dass ich einen Leibwächter einstelle. Glaub mir, wenn ich nicht müsste, würde ich es nicht tun. Aber da ich keine andere Wahl habe, will ich mir jemanden aussuchen. Und ich dachte, dass du mir einen Tipp geben könntest, welches das richtige Unternehmen wäre, das ich …“

„Moment mal. Warte.“ Ich drehte mich um und sah, dass Sean um den Fernsehsessel herum auf mich zukam. „Warum brauchst du einen Leibwächter? Bedroht dich jemand?“

Ich dachte an die letzten Zeilen, die ich gelesen hatte: Ich will dich berühren, mit dir zusammen sein, Alexander. Du bist dazu bestimmt, mein zu sein, und bald wird es soweit sein.

Ich schob die Hände in die Taschen, damit sie nicht zitterten und tat mein Bestes, um nicht nervös zu erscheinen. „Es ist nichts, wirklich.“

Sean kam noch einen Schritt näher, musterte meinen Gesichtsausdruck und suchte nach der Wahrheit. Und zum ersten Mal, seit ich sein Haus betreten hatte, funkelte keine Erheiterung in seinen Augen. Sean sah hundertprozentig ernst aus.

„Das war nicht meine Frage, Xander. Hat dich jemand bedroht?“

Kapitel 4

Sean

Ich wusste nicht, warum, aber die Vorstellung, dass jemand Xander bedrohte, weckte in mir den Wunsch, meine Faust durch eine Wand zu rammen. Natürlich hatten wir in der Vergangenheit Höhen und Tiefen gehabt, aber das war zu erwarten, wenn man so lange Teil des Lebens des anderen war wie wir beide.

Aber der Gedanke, dass jemand dafür sorgte, dass Xander sich nicht sicher fühlte? Der ihm das Gefühl gab, dass er Schutz brauchte, wenn er eine verdammte Straße hinunterging? Das brachte mein Blut zum Kochen.

Während ich auf eine Antwort wartete, legte Xander den Kopf auf die Seite und sah mir in die Augen. Ich konnte seine Unentschlossenheit sehen, sein Selbstbewusstsein, auf das er so stolz war, schwankte, und er kämpfte mit seinem nächsten Zug.

Wahrheit oder Lüge. Wahrheit oder Lüge. Er nickte.

„Ja, okay? Es wurden drei Drohungen an den Sender geschickt.“

„Direkt gegen dich?“

Er schluckte, hielt jedoch den Blickkontakt. „Direkt gegen mich.“

Scheiße, das war nicht gut. Was immer auch geschickt worden war, hatte Xander aus der Fassung gebracht, und wenn man bedachte, wie selbstsicher der Mann sonst war, weckte das bei mir alle Sinne.

Ich rieb mir über den Nacken und dachte darüber nach, wie ich am besten damit umgehen sollte. Eins war sicher, ich brauchte mehr Informationen. „Ist so etwas schon mal passiert? Ich kann mir vorstellen, dass es ab und zu Verrückte gibt, die sich darüber ärgern, was oder wie du etwas berichtest.“

„Das stimmt. Ich bekomme sogar Hass-Mails wegen meines Privatlebens und den Entscheidungen, die ich treffe.“

„Weil du schwul bist?“

Er verdrehte die Augen. „Dir entgeht aber auch nichts, du Schnellmerker.“

„Ich will nur sichergehen, dass wir über dieselbe Sache reden, damit es keine Missverständnisse gibt.“

„Dann lass mich kristallklar werden. Ich habe ein paar ziemlich schreckliche Kommentare bekommen, weil ich ein schwuler Nachrichtensprecher bin, aber es ist das erste Mal, dass jemand meine Adresse hinzugefügt und geschrieben hat: Du bist dazu bestimmt, mein zu sein, und bald wird es soweit sein.“

„Verflucht noch mal. Das ist ernster Scheiß.“

Xander verzog das Gesicht. „Ich weiß. Darum verlangt mein Boss, dass ich bis morgen einen Leibwächter habe.“

„Das sollte er auch. Du weißt nicht, wozu dieser Wahnsinnige imstande ist. Will er dich kidnappen? Dir einen Schreck einjagen? Dich für sich allein haben? Glaubt er, wenn er dich nicht haben kann, dann sollte es auch kein anderer?“

„Mann, das ist so beruhigend, Sean. Danke.“

Er klang nicht beruhigt. Aber ich würde ihn nicht anlügen. „Ich will damit nur sagen, dass dein Boss recht hat. Du brauchst einen Leibwächter.“

„Und genau deswegen bin ich hier. Kennst du ein angesehenes Unternehmen? Vielleicht eins, mit dem du schon gearbeitet hast?“

Ich kannte viele Leute, aber ich würde ihn an niemanden weiterreichen. „Ich. Ich mache es. Ich arbeite als dein Leibwächter.“

Xander stammelte ein bisschen, vielleicht räusperte er sich aber auch nur. „Machst du Witze? Nein.“

Wenn das Thema nicht so ernst gewesen wäre, hätte ich das unglaublich lustig gefunden. Allerdings war nichts annähernd Komisches an dem, was er mir erzählt hatte. Ich kannte Alexander Thorne fast sein ganzes Leben lang, und ich hatte ihn noch nie so nervös gesehen. Diese Drohungen hatten sein sonst so cooles äußeres Erscheinungsbild erschüttert, und im Augenblick sah er aus, als könnte er die Wände hochgehen.

„Warum nicht?“

„Weil ich nicht will, dass die Leute wissen, dass ich einen Leibwächter habe. Ja, ich will, dass dieses Arschloch festgenommen wird. Aber wenn er sieht, dass du mir ganz in Schwarz mit düsterer Miene folgst, taucht er unter, und wir werden ihn niemals finden.“

Hm, da hatte er nicht unrecht. Aber ich hatte auch recht. Ich wollte etwas Abstand von der Polizei, wusste aber, dass ein normaler Urlaub nichts für mich war. Wie könnte ich mich also besser beschäftigen, als das hier als Nebenjob anzunehmen?

„Also gut, was hast du dir denn vorgestellt? Egal, wen du anheuerst, er wird dir folgen. So arbeiten Leibwächter nun mal.“

„Das weiß ich.“ Xanders Kiefer spannte sich an. Er war offensichtlich sauer wegen der ganzen Situation und daraus konnte ich ihm keinen Vorwurf machen. Ich würde auch nicht wollen, dass jemand jede Bewegung, die ich mache, überwacht. Aber gleichzeitig gefiel es mir auch, am Leben zu sein. „Was, wenn er …“

„Ich.“

„Du machst das nicht, Sean.“

„Oh, doch, aber darüber können wir später diskutieren. Fahr fort.“

Xander starrte mich so intensiv an, dass es mich überraschte, dass keine Laserstrahlen aus seinen Augen kamen und mich einschmolzen. Aber zu schade, ich würde nicht zulassen, dass der beste Freund meines Bruders irgendeinen Trottel von der Straße anheuerte, denn ich wusste, dass ich einen besseren Job machen würde. Xander musste es akzeptieren und sich damit abfinden.

„Was ist mit undercover?“, schlug er vor. „Wie wäre es, wenn er so tun würde, als wäre er mein Assistent?“

Mir entging nicht, dass er darauf bestand, dass, wen immer er anheuern würde, nicht ich sein würde. Aber das konnten wir später ausfechten. Jetzt mussten wir erst einmal die Details klären, und ich wusste verdammt sicher, dass ich für niemanden den Botenjungen spielen würde.