Heartburn - Nora Ephron - E-Book

Heartburn E-Book

Nora Ephron

0,0
11,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Ein köstlicher moderner Klassiker über die Ehe, Verrat, Loyalität – und bittersüße Rache

Im siebten Monat ihrer Schwangerschaft erfährt Rachel, dass ihr Mann in eine andere Frau verliebt ist und sie mit ihr betrügt. Die Tatsache, dass diese Frau einen »Hals so lang wie ein Arm und eine Nase so lang wie ein Daumen« hat, ist kein Trost. Aber manchmal ist Essen ein Trost, denn Rachel ist Kochbuchautorin, und zwischen dem Versuch, Mark zurückzugewinnen, und dem Wunsch, ihn umzubringen, bietet sie uns einige ihrer Lieblingsrezepte. Heartburn ist eine Achterbahnfahrt der Liebe, des Verrats, des Verlusts und – am befriedigendsten – der Rache.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 245

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



INHALT

»» Über die Autorin

»» Über das Buch

»» Buch lesen

»» Impressum

»» Weitere eBooks von Kein & Aber

» www.keinundaber.ch

ÜBER DIE AUTORIN

Nora Ephron schrieb das Drehbuch zu und führte Regie bei dem Kinohit Julie & Julia über das Leben der legendären Fernsehköchin Julia Child und erhielt Oscar-Nominierungen für das beste Originaldrehbuch für die Filmklassiker When Harry Met Sally und Sleepless in Seattle, bei dem sie auch Regie führte. Heartburn wurde kurz nach Erscheinen der Originalausgabe 1983 mit Meryl Streep und Jack Nicholson verfilmt. Neben zahlreichen Kolumnen- und Essaybänden ist Heartburn ihr einziger Roman. Nora Ephron lebte in Manhattan, sie starb im Jahr 2012.

Über das Buch

Im siebten Monat ihrer Schwangerschaft erfährt Rachel, dass ihr Mann in eine andere Frau verliebt ist und sie mit ihr betrügt. Die Tatsache, dass diese Frau einen »Hals so lang wie ein Arm und eine Nase so lang wie ein Daumen« hat, hilft ihr auch nicht weiter. Und obwohl noch kein Kraut gegen den schmerzhaften Verlust einer Liebe gewachsen ist, hilft gutes Essen ihr stets weiter: Rachel ist Kochbuchautorin, und so bringt sie zwischen dem Versuch, Mark zurückzugewinnen, und dem Wunsch, ihn umzubringen, ihre Lieblingsrezepte zu Papier.

Nora Ephron hat mit Heartburn ein köstlich-ironisches Selbstporträt geschrieben, das einer wilden Achterbahn gleichkommt: ein Auf und Ab der Liebe, des Verrats, des Verlusts und – am befriedigendsten – der Rache.

1

Am ersten Tag fand ich es nicht komisch. Auch am dritten Tag noch nicht, obwohl es mir nun schon gelang, einen kleinen Witz darüber zu machen. »Das Unfairste an der ganzen Geschichte ist«, sagte ich, »dass ich mir nicht einmal einen Verehrer zulegen kann.« Nun ja, man muss es selbst erlebt haben, wie es so schön heißt, denn als ich es dann aufschrieb, war es nicht mehr komisch. Was es für mich komisch machte, war das Wort »Verehrer«. Es klingt so schön nach Jugend und Teenager, und da ich kein Teenager mehr bin – also gut, ich bin achtunddreißig –, und da ich, als ich entdeckte, dass mein zweiter Mann eine Geliebte hatte, kaum in der Lage war, mir einen Verehrer zuzulegen, lachten die anderen von der Gruppe über meinen Witz, obwohl ich genau wusste, dass sie mich damit nur trösten wollten. Trost hatte ich auch nötig. Ich war in New York, in der Wohnung meines Vaters, heulte die meiste Zeit, und immer wenn ich damit aufhörte und die unglaublich deprimierenden Nussbaummöbel und grauen Lampen meines Vaters sah, musste ich wieder losweinen.

Nur wenige Stunden, nachdem ich die Affäre entdeckt hatte, stieg ich in den Pendelverkehr zwischen Washington und New York und saß im Flugzeug. Eine scheußliche Widmung in einem Kinderliederbuch, einem ihrer Geschenke an meinen Mann, hatte mich darauf gebracht. Ausgerechnet ein Kinderliederbuch! »Jetzt kannst du Sam diese Lieder vorsingen«, stand da unter anderem, und ich kann Ihnen gar nicht beschreiben, wie ich die Wände hochging bei der Vorstellung, dass mein zweijähriger Sohn, mein Baby, durch dieses idiotische Geschreibsel in die Affäre zwischen meinem Mann, einem ziemlich kleinen Kerl, und Thelma Rice verwickelt wurde, die ziemlich groß ist, mit einem Hals, so lang wie ein Arm, und einer Nase, so lang wie ein Daumen, und Sie sollten einmal ihre Beine sehen, gar nicht zu reden von den Füßen, die so etwas Breitgetretenes haben.

Die Wohnung meines Vaters stand leer, weil er ein paar Tage vorher von meiner Schwester Eleanor, die im Unterschied zu mir die gute Tochter ist, in die Klinik geschafft worden war. Mein Vater führt ein psychologisch kompliziertes Leben mit seiner dritten Frau, die zufällig auch die Schwester meiner ehemaligen besten Freundin Brenda ist. Letzte Woche entdeckte Renee Fleisher, die mit Brenda und mir in die High School gegangen war, die dritte Frau meines Vaters, wie sie die Third Avenue entlangmarschierte, nur mit einem Handtuch bekleidet. Renee Fleisher rief meinen Vater an, der ihr nicht helfen konnte, weil er schon fast dabei war, zusammenzuklappen, und da rief sie mich in Washington an.

»Nicht zu fassen«, sagte sie, »ich habe eben Brendas große Schwester getroffen, und sie behauptet, sie sei mit deinem Vater verheiratet.« Mir selbst war es auch schwergefallen, es zu glauben: Wenn der eigene Vater die ältere Schwester der schlimmsten Feindin heiratet, ist das für meinen Geschmack ein bisschen viel Zufall, obwohl ich natürlich auch finde, dass all das Gerede darüber, wie klein unsere Welt ist, stimmt. Wenn man Jüdin ist, hat man keine Wahl.

»Ich habe nichts dagegen, dass du Brendas Schwester heiratest«, hatte ich zu meinem Vater am Telefon gesagt, als er mich anrief, um es mir zu erzählen, »aber, bitte, mach einen Ehevertrag, damit nicht dein ganzes Vermögen bei Brenda landet, wenn du gestorben bist.« Und Brendas große Schwester unterschrieb den Ehevertrag, das ist drei Jahre her, und jetzt rief Renee Fleisher mich an, hallo, hallo, Brendas Schwester hat deinen Vater geheiratet, und übrigens stolziert sie gerade die Third Avenue entlang und hat nur ein Handtuch an. Ich gab den Fall an meine Schwester Eleanor ab, die ihre gütige Seite herauskehrte, zu Vaters Wohnung fuhr, Anziehsachen für Brendas Schwester holte und sie zu ihrer Mutter nach Minneapolis schickte. Meinen Vater brachte sie in die Klinik »Seven Clouds«, was nicht gerade ein verheißungsvoller Name für eine Entziehungsklinik war, aber es ist immer wieder staunenswert, wie wenig Wahl man hat, wenn es um solche Anstalten geht. So zog mein Vater ab, um trocken zu werden und Aschenbecher aus Blättern zu machen, und seine Wohnung in New York war einladend leer.

Ich besaß einen Schlüssel. Ich hatte im letzten Jahr oft dort gewohnt, weil wir pleite waren. Als Mark und ich heirateten, waren wir reich, und zwei Jahre später waren wir arm. Nicht richtig arm – wir waren nicht ohne Eigentum. Wir hatten eine Stereoanlage, die Tausende von Dollar gefressen hatte, und ein Landhaus in West Virginia, das Zehntausende von Dollar gefressen hatte, und ein Haus in Washington, das Hunderttausende von Dollar gefressen hatte, und wir hatten noch viele andere Dinge – mein Gott, hatten wir viel Zeug! Wir hatten eine Wetterfahne und Steppdecken und Karussellpferde und bunte Glasfenster und Zinnschachteln und Taschenspiegel und Schokoladentassen von Cadbury und Postkarten von San Francisco vor dem Erdbeben – wir waren schon was wert. Wir hatten bloß kein Bargeld. Mir blieb es immer ein bisschen schleierhaft, wieso wir erst so viel Geld hatten und dann so wenig, aber jetzt verstehe ich es natürlich etwas besser, denn ein weiterer Grund, warum unser Geld verschwand, war die Liebschaft mit Thelma Rice. Mittendrin flog Thelma nach Frankreich, und Sie hätten mal die Telefonkosten sehen sollen!

Nicht dass ich über die Telefonrechnungen Bescheid gewusst hätte, als ich das Kinderliederbuch mit der widerlichen Widmung fand. »Mein geliebter Mark«, stand da, »ich wollte Dir zur Erinnerung an die Ereignisse von heute etwas schenken, denn unsere Zukunft liegt jetzt klar vor uns. Jetzt kannst Du Sam diese Lieder vorsingen, eines Tages singen wir sie ihm gemeinsam vor. Ich liebe Dich, Deine Thelma.« So stand es da. Ich konnte es kaum glauben. Besser gesagt, ich glaubte es wirklich nicht. Ich sah mir die Unterschrift noch einmal an und bemühte mich, einen fremden Namen herauszulesen, einen Namen, den ich nicht kannte, aber da war das T, und auch das a war klar zu erkennen, wenn auch die Buchstaben dazwischen etwas unleserlich waren, aber was gibt es schon für Namen, die mit T anfangen und auf a enden, außer Thelma. Thelma! Sie war eben noch zum Mittagessen in unserem Haus gewesen! Sie und ihr Mann Jonathan – genau genommen waren sie nicht zum Essen gekommen, nur zum Nachtisch, einem Karottenkuchen, den ich gemacht hatte und der zu viel zerdrückte Ananas drin hatte, aber er schmeckte immer noch ungeheuer gut im Vergleich zu Thelmas Süßspeisen. Sie macht immer so klebrige Puddings. Thelma, ihr Mann Jonathan – der von der Geschichte wusste, wie sich herausstellte – und mein Mann Mark, die drei saßen friedlich da, während ich in meinem bügelfreien Umstandskleid herumwackelte und den anderen Gästen Rübentorte servierte und mich wegen der Ananas entschuldigte. Vielleicht finden Sie es seltsam, dass mich ihr Erscheinen zum Mittagessen so aufregte, aber man kommt sich so schrecklich komisch vor, wenn man so eine Geschichte entdeckt. Das ist mit das Schlimmste. Und die Vorstellung, dass ich sie auch noch einlud und sie meine Einladung annahmen und alle drei dasaßen und mich für eine dumme Gans hielten – das macht alles nur noch schlimmer. Das Tödlichste aber war Thelmas Anruf am nächsten Tag, um sich zu bedanken und nach dem Rübenkuchenrezept zu fragen. Ich schickte es ihr. Natürlich ließ ich die zerdrückte Ananas weg.

»Hier ist das Rübenkuchenrezept«, schrieb ich auf eine kleine Karte dazu, »ohne alle überflüssigen Zutaten.« Ich fürchte, ich habe auch noch ein kleines lächelndes Gesicht hingemalt. Ich gehöre eigentlich nicht zu den Leuten, die Gesichter zeichnen, aber manchmal passt einfach nichts anderes. Zum Beispiel jetzt, in diesem Augenblick, würde ich am liebsten auch ein Gesicht hinter den letzten Satz malen, nur müsste es diesmal die Stirn runzeln.

Ich sollte wohl noch etwas klarstellen. Zwar fiel ich aus allen Wolken, dass Thelma Marks Geliebte war, aber dass er eine Affäre hatte, wusste ich. Das war auch der Grund, warum ich das Kinderliederbuch fand. Ich suchte in seinen Schubladen nach Beweisen. Aber ausgerechnet Thelma! Es machte mich entsetzlich wütend. Etwas anderes wäre es gewesen, wenn Mark mit irgendeiner Puppe etwas angefangen hätte, aber er war losgezogen und hatte ein Verhältnis mit einer Frau, die nicht nur riesengroß ist, sondern auch noch intelligent. Ich kann gar nicht sagen, wie oft wir, seit er das Verhältnis mit ihr hatte, von einer Party nach Hause gekommen waren und ich beim Ausziehen gesagt hatte: »Mein Gott, heute Abend hat Thelma wieder so was Komisches gesagt.« Und dann wiederholte ich es wortwörtlich. Was für ein Idiot ich war. Was für ein Idiot ich war! Ich wusste sogar, dass Thelma einen Freund hatte. Alle wussten es. Jedem erzählte sie ganz offen, dass ihr Mann wahrscheinlich vom Außenministerium an irgendeine Botschaft ganz weit weg versetzt werden und sie dann in Washington bleiben und eine Eigentumswohnung kaufen würde.

»Sie redet von einer Eigentumswohnung«, erzählte mir meine Freundin Betty Searle eines Tages am Telefon. »Da steckt ein Mann dahinter.«

»Bist du sicher?«, fragte ich.

»Natürlich«, antwortete Betty. »Die Frage ist nur, wer.« Sie überlegte einen Augenblick. »Vielleicht Senator Campbell«, meinte sie dann. »Er hat auch was von einer Eigentumswohnung gesagt.«

»Senatoren reden immer von so was«, meinte ich.

»Das stimmt schon«, sagte Betty, »aber wer könnte es sonst sein?«

»Ich werde Mark fragen.«

»Glaubst du, dass Thelma Rice mit Senator Campbell ein Verhältnis hat?«, fragte ich Mark noch am selben Abend.

»Nein«, antwortete er.

»Na, jedenfalls hat sie einen Freund.«

»Woher weißt du das?«

»Sie redet davon, eine Eigentumswohnung zu kaufen, wenn Jonathan nach Bangladesch versetzt wird«, antwortete ich.

»Jonathan wird nicht nach Bangladesch geschickt.«

»Warum nicht?«

»Weil dieser Staat viel zu wichtig für uns ist.«

»Dann nach Burkina Faso.«

Mark schüttelte den Kopf, als könne er nicht fassen, dass er sich einen so hoffnungslos dummen Weiberklatsch anhören müsse, und vertiefte sich wieder in House & Garden. Von Eigentumswohnungen sprach danach niemand mehr.

»Thelma redet nicht mehr davon«, sagte Betty ein paar Tage später zu mir am Telefon. »Was, meinst du, hat das zu bedeuten?«

»Vielleicht ist die Sache zu Ende.«

»Nein, bestimmt nicht.«

»Woher willst du das wissen?«

»Sie hat sich die Beine enthaaren lassen«, erwiderte Betty und fügte sehr betont hinzu: »Zum ersten Mal.« Und noch betonter: »Dabei ist nicht mal Sommer.«

»Aha!«

Betty Searle war eine richtige Hexe, was diese Dinge betraf – wenn man es genau bedachte, sogar in vielen Dingen. Wenn sie zum Beispiel in Washington zu einer Dinnerparty ging, konnte sie einem am nächsten Tag genau erzählen, wer erledigt war – bloß auf Grund der Sitzordnung! Sie hätte Russlandexpertin sein sollen, damals nach dem Zweiten Weltkrieg, als wir von den Sowjets nicht viel wussten und bloß die Siegerfotos aus Deutschland kannten. Wenn jemand mal zuckte, zwinkerte oder die Schultern hob, was für gewöhnliche Sterbliche nichts weiter als ein Zeichen von Nervosität oder eine dumme Angewohnheit war, konnten bei Betty schon die Alarmglocken läuten. Einmal, bei einem Cocktailempfang, wusste sie sofort, dass der Minister für Gesundheit, Erziehung und Soziales entlassen werden würde, nur weil die Frau des Vizepräsidenten ihn zur Begrüßung auf die Wange küsste und auf die Schulter klopfte.

»Wenn dir als Regierungsmitglied einer auf die Schulter klopft, kannst du dich auf was gefasst machen«, sagte sie am nächsten Tag.

»Aber es war doch nur die Frau vom Vizepräsidenten«, erwiderte ich.

Betty schüttelte den Kopf, als würde ich es nie begreifen. Noch am selben Tag rief sie den Minister für Gesundheit, Erziehung und Soziales an und verkündete ihm, seine Tage seien gezählt, aber der schlug sich gerade mit der Tabaklobby herum und nahm es auf die leichte Schulter. Zwei Tage später mieteten die Tabakleute den großen Ballsaal im »Hilton« und feierten seinen Rausschmiss, und der Minister für Gesundheit, Erziehung und Soziales begann, seine Vortragstour zu planen.

»Also, mit wem hat Thelma was?«, fragte Betty.

»Es könnte jeder sein«, sagte ich.

»Natürlich«, antwortete Betty. »Aber wer ist es?«

»Wie wärs mit Toffler, dem Abgeordneten?«

»Glaubst du wirklich?«

»Sie redet ständig davon, wie großartig er ist.«

»Und bei ihrer letzten Dinnerparty hat sie ihn neben sich gesetzt.«

»Ich frage Mark«, sagte ich. »Er saß auf der anderen Seite von ihr.«

»Glaubst du, dass Thelma Rice mit Toffler eine Affäre hat?« fragte ich Mark am Abend.

»Nein.«

»Jedenfalls hat sie einen Freund – wer es auch ist.«

»Woher weißt du das?«, fragte Mark.

»Sie ließ sich die Beine enthaaren«, antwortete ich.

»Und wir haben erst Mai.«

»Eure Klatschbörse arbeitet diese Woche auf Hochtouren, was?«, sagte Mark. »Wer hat dir das erzählt?«

»Betty.«

Mark las weiter im Architectural Digest, und kurz, darauf flog Thelma Rice für ein paar Wochen nach Frankreich, und Betty und ich gingen zu einem anderen Thema über. Der Pressesekretär des Präsidenten hatte sie nämlich mitten in der Nacht angerufen und gesagt: »Komm ins Weiße Haus in die ›Rotunda‹, und ich kitzle dir die Brüste.« Und noch andere seltsame Bemerkungen über Washington und sein Sexleben.

»Was soll ich bloß machen?«, fragte Betty mich später beim Mittagessen.

»Sag ihm, dass du die Presse informieren wirst, wenn er so was noch mal macht«, antwortete ich.

»Habe ich ja«, erwiderte Betty. »Und weißt du, was er geantwortet hat? Er sagte: ›Solange du meinen Nachrichtenständer nicht ausprobiert hast, weißt du nichts vom Leben.‹ Dann kicherte er wie ein Verrückter.« Sie stocherte in ihrem Hühnersalat »Albert Gare«. »Jedenfalls kann ich nicht beweisen, dass er es ist«, sagte sie. »Obwohl Thelma behauptet, dass er ein stadtbekannter Lüstling ist.«

»Das sagt Mark auch immer.«

Natürlich hätte ich dahinterkommen müssen. Als ich es tat, lief die Sache schon seit Monaten, seit sieben Monaten – genauso lange, wie ich schwanger war. Ich hätte es wissen müssen, hätte früher Verdacht schöpfen müssen, besonders weil Mark im Sommer so oft zum Zahnarzt ging. Sam und ich hockten in West Virginia und bohrten Luftlöcher in Kartons voller Raupen, und Mark fuhr immer wieder nach Washington zur Wurzel- und Zahnfleischbehandlung, oder weil die Fäden gezogen werden mussten oder er eine Brücke bekam. Nicht ein einziges Mal beschwerte er sich über die vielen Umstände, die das alles machte, er jammerte nicht über die Schmerzen und beklagte sich auch nicht, dass er sich Dr. lrwin Tannenbaums langweiliges Geschwätz über seine Klarinette anhören musste. Dann war Herbst, wir kehrten alle nach Washington zurück, und jeden Nachmittag tauchte Mark aus seinem Büro über der Garage auf und erklärte, er müsse Socken kaufen gehen, und jeden Abend kam er mit leeren Händen wieder nach Hause und sagte, ich hätte keine Ahnung, wie schwierig es in dieser Stadt sei, die richtigen Socken zu finden. Ich brauchte vier Wochen, bis ich begriff! Unverzeihlich, vor allem, weil mein erster Mann ähnliche Ausreden hatte, wenn er mit meiner besten Freundin Brenda einen Nachmittag im Bett verbracht hatte. Sie wurde daraufhin zu meiner Todfeindin. »Wo hast du die letzten sechs Stunden gesteckt?«, fragte ich meinen ersten Mann.

»Ich war Glühbirnen kaufen«, sagte er. Glühbirnen! Socken! Wieso habe ich bloß immer wieder Männer geheiratet, die mir solche Entschuldigungen auftischen? Als ich noch mit meinem ersten Mann verheiratet war, fuhr ich mal morgens um sechs zu einem Kerl ins Hotel und erzählte meinem Mann, dass ich in der The Today Show auftreten würde. Es kam ihm gar nicht in den Sinn, den Fernseher anzustellen und sich die Sendung anzusehen. Na, jedenfalls finde ich, dass das anständig gelogen war. Nicht, dass es zu irgendetwas gut wäre, meinen Einfallsreichtum zu beweisen. Es spielt keine Rolle, wie gerissen man ist, wenn einem beide Ehemänner so leicht beweisen können, wie blöd man ist.

Natürlich ist mein Ausflug zu dem Kerl im Hotel schon lange her – es war vor meiner Scheidung, bevor ich Mark kennenlernte, bevor ich mich entschloss, ihn zu heiraten, und mein unerschütterlicher Glaube an Treue entstand. Es ist natürlich eine schreckliche Ironie des Schicksals, dass meine Heirat mit Mark mich zum bedingungslosen Glauben an die Treue bekehrte, aber gutes Timing war nie meine Stärke. Und außerdem, die Alternative, Untreue, funktioniert nicht. Man hat nur eine bestimmte Menge an Energie, und wenn man sie wahllos verschwendet, gibt es ein großes Durcheinander, und plötzlich kann man sich nicht mehr erinnern, wem man welche Geschichte erzählt hat, und schon liegt man da und stöhnt: »Oh, Morty, Morty, Morty!«, wenn man »Oh, Sidney, Sidney, Sidney!« hätte sagen sollen, und dann denkt man plötzlich, man liebt beide, weil man in der Überzeugung erzogen wurde, dass die einzige höfliche Antwort auf »Ich liebe dich« »Ich liebe dich auch« ist, und schon glaubt man, man liebt nur den einen von den beiden, weil man ein zu schlechtes Gewissen hat und es nicht schafft, beide zu lieben.

Nachdem ich das Kinderliederbuch mit der ekelhaften Widmung gefunden hatte, rief ich Mark an. Ich werde verlegen, wenn ich verraten soll, wo ich ihn anrief – na schön, ich verrate es: Ich rief ihn bei seiner Psychiaterin an. Er geht zu einer Frau aus Guatemala, im Südosten Washingtons, die wie Carmen Miranda aussieht und einen Hund mit Namen Pepito hat. »Komm sofort nach Hause«, sagte ich. »Ich weiß über dich und Thelma Rice Bescheid.« Mark kam nicht sofort nach Hause. Erst zwei Stunden später, weil – jetzt kommts –, weil Thelma Rice auch dort war. Sie hatten eine gemeinsame Sitzung! Zum Familienrabatt! Damals wusste ich das alles noch nicht. Nicht nur, dass Thelma Rice und Mark einmal in der Woche zu Dr. Valdez und ihrem Chihuahua Pepito gingen, auch Thelmas Mann Jonathan Rice, der Unterstaatssekretär für den Nahen Osten, war ihr Patient. Mark und Thelma besuchten die Dame gemeinsam, Jonathan Rice kam allein – und so ein Mensch hat etwas mit den Friedensbemühungen im Nahen Osten zu tun!

Als Mark schließlich erschien, war ich sehr gut vorbereitet. Ich hatte mir genau zurechtgelegt, was ich sagen wollte: dass ich ihn liebte und er mich liebte und wir an unserer Ehe arbeiten müssten und wir einen kleinen Sohn hätten und bald noch ein Kind – wirklich, ich hatte eine perfekte kleine Ansprache entworfen, die für diese Situation genau passte, bloß hatte ich diese Situation falsch eingeschätzt. »Ich liebe Thelma Rice«, erklärte er mir sofort, als er kam. So war also die Lage. Dann sagte er, dass er Thelma Rice zwar liebe, aber nicht mit ihr ins Bett gehe. Offensichtlich glaubte er, ich würde mit der Tatsache, dass er sie liebte, schon fertig, aber nicht damit, dass er mit ihr schlief. »Das ist gelogen«, erwiderte ich. »Aber wenn es doch stimmt …«, verstehen Sie, ein Teil von mir wollte denken, dass es wahr war, obwohl ich wusste, dass es nicht stimmte: Ein Mann kann sogar mit einer Jalousie Sex haben. »Wenn es stimmt«, sagte ich, »dann kannst du auch mit ihr schlafen, es kommt aufs selbe heraus.« Einige Zeit später, nachdem ich noch mehr reizende Dinge über Thelma gesagt hatte, und nachdem er erklärt hatte, er werde sie nicht aufgeben und ich sei eine Hexe, eine Nervensäge, eine Nörglerin, eine streitsüchtige Xanthippe und ich hasste Washington – letzteres war unbestreitbar wahr –, also, dann sagte er, er erwartete trotz allem, dass ich bei ihm bliebe. In jenem Augenblick dachte ich, dass er verrückt geworden war. Ich saß auf der Couch, die Tränen liefen mir übers Gesicht, mein dicker Bauch ruhte auf den Schenkeln, und doch nahm ich meinen Mut zusammen, und als Mark mit seiner sechzehnten Lobeshymne auf die im Vergleich zu mir so herrliche Thelma Rice fertig war, sagte ich: »Du bist verrückt.« Ich brauchte dazu jedes Gramm Selbstvertrauen, das ich hatte.

»Du täuschst dich«, antwortete er.

Er hat recht, dachte ich. Ich täusche mich.

Na, und so bewegten wir uns im Kreis. Dann fragte er mich, ob ich für eine Weile allein sein wolle. Wahrscheinlich wollte er zu Thelma fahren und ihr erzählen, dass er ihre Liebe nicht verraten habe. Es spielte keine Rolle mehr. Er fuhr weg, und ich schnappte mir Sam und einen Koffer voll Pampers, telefonierte nach einem Taxi und verschwand in Richtung Flughafen.

2

Eine Sache habe ich nie herausgefunden: Wie schafft man es, dass auch nach der Heirat noch was passiert. Solange man allein lebt, passiert ständig etwas. Man lernt neue Männer kennen, man reist allein, man erfährt neue Tricks, man liest Anthony Trollope, man probiert Sushi, man kauft Unterwäsche, man rasiert sich die Beine. Dann heiratet man und lässt die Haare wachsen. Ich liebe die Alltäglichkeiten der Ehe, ich überlege gern, was es zum Abendessen geben wird, wo die Bilder hängen sollen, ob wir die Richardsons einladen müssen, aber das Leben hat die Tendenz, langsamer zu werden, nur noch dahinzuschleichen. Den ganzen Sommer lang trafen sich Mark und Thelma Rice heimlich, während er mir gegenüber behauptete, er gehe zum Zahnarzt. Und ich kochte. Damit verdiene ich mir mein Geld – ich schreibe Kochbücher. Ich entdeckte eine ziemlich revolutionäre und absolut idiotensichere Methode, ein Vierminutenei zu kochen, und hatte den Punkt erreicht, wo einem einfach keine Sauce Vinaigrette mehr misslingt – das alles war wirklich kein Stoff für ein Drama. (Selbst jetzt kann ich nicht glauben, dass Mark es riskieren möchte, keine Vinaigrette mehr zu bekommen. So oft gibt es die nicht.) Vorher hatten wir eine Menge Zeit mit dem Aussuchen von Mustern und Couches und mit dem Prüfen von Bauplänen verbracht. Mark war Kolumnenschreiber, ich war Expertin im Kochen, und unsere Ehe war auf Streitereien mit Bauunternehmern spezialisiert. Zuerst kämpften wir mit dem Washingtoner Unternehmer, der es neben anderen Verrücktheiten sogar schaffte, unseren Teppichboden im fünften Stock eines Washingtoner Warenhauses zu verlegen. Wir stritten mit dem Bauunternehmer in West Virginia, der unsere Haustür vergaß. »Heute gibts sowieso auf dem Land keine Haustüren mehr«, antwortete er, als wir ihn darauf hinwiesen. Das gleiche sagte er auch wegen des Papiertuchhalters und des Medizinschränkchens im Bad. Dann heuerten wir Laszlo Pump an, einen ungarischen Allerweltsmann, der die Bescherung, die die anderen beiden Bauunternehmer angerichtet hatten, beheben sollte. Und damit begannen erst die Probleme. Laszlo riss unsere Wohnzimmerwand ein und verschwand. Wir riefen ihn zu Hause an und erwischten nur seine Frau. Sie sagte, sein Vater sei gestorben. Eine Woche später sagte sie, sein Hund sei gestorben. Wieder eine Woche später sagte sie, sein Psychiater sei tot. Schließlich erreichten wir Laszlo. Er behauptete, er habe Krebs.

»Er hat Krebs«, sagte ich zu Mark, während ich auflegte.

»Quatsch!«

»Bei so was lügen die Leute nicht.«

»Oh doch«, antwortete Mark. »Bauunternehmer auf jeden Fall. Die lügen immer. Hör mal, wir fahren zu ihm hin. Mal sehen, ob er gesund ist. Wenn er gut aussieht, bringe ich ihn um.«

»Wir können nicht hinfahren.«

»Warum nicht?«

»Weil wir nicht wissen, wo er wohnt.«

»Wir sehen im Telefonbuch nach.«

»Geht nicht. Er hat eine Geheimadresse.«

»Wovon redest du eigentlich?« fragte Mark.

»Das ist der neueste Chic.«

»Welcher Typ Mensch hat eine Geheimadresse?« fragte Mark. »Ich verrate es dir. Bloß die Leute, die nicht umgebracht werden wollen. Die Leute, die ständig Angst davor haben müssen, abgemurkst zu werden.«

»Warum bist du auf mich wütend?« fragte ich.

»Ich bin nicht wütend auf dich.«

»Warum schreist du mich dann so an?«

»Weil sonst niemand da ist.«

Ich brach in Tränen aus. »Ich kann es nicht ertragen, wenn du wütend auf mich bist«, rief ich.

»Ich bin nicht wütend auf dich«, sagte Mark. »Ich liebe dich. Ich bin nicht wütend auf dich.«

»Ich weiß«, sagte ich, »trotzdem machst du mir Angst. Du erinnerst mich an meinen Vater.«

»Ich bin aber nicht dein Vater«, antwortete Mark.

»Wiederhole: Mark Feldman ist nicht mein Vater!«

»›Mark Feldman ist nicht mein Vater!‹«

»Bin ich dick?«

»Nein.«

»Bin ich kahl?«

»Nein.«

»Rieche ich nach Dr. Scholls Einlagen?«

»Nein.«

»Die Beweisaufnahme ist abgeschlossen«, sagte Mark. So endete es schließlich immer – wir gegen den Rest der Welt, Washingtons tapferstes Ehepaar im Kampf mit den Handwerkern und ihren Anrufbeantwortern. Aber was ich eigentlich sagen will, ist Folgendes: Ich saß in einem Zustand totaler Verzweiflung in der Maschine nach New York, doch insgeheim war ein Teil von mir erleichtert, dass es aus und vorbei war mit Musteransehen, Couchkaufen und dem Kampf mit den Bauunternehmern. Und ein anderer Teil von mir dachte: Okay, Rachel Samstat, endlich passiert mal was.

So heiße ich nämlich – Rachel Samstat. Ich bin immer Rachel Samstat geblieben. Auch während meiner beiden Ehen – beim ersten Mal, weil mir der Name meines Mannes nicht so gut gefiel und ich den meinen nicht ändern wollte, beim zweiten Mal, weil ich dann auf eine kleine, bescheidene Art schon als Rachel Samstat bekannt war. Die Kochbücher, die ich schreibe, gehen gut. Sie sind sehr persönlich, voller Geschichten. Kochbücher sind es eigentlich mehr so nebenbei. Ich erzähle von Freunden oder Verwandten, von Reisen und Erfahrungen und streue ab und zu ein Rezept ein. Dann kam natürlich das Fernsehen, und dadurch verkauften sich meine Bücher noch besser.

Sie werden sich sicherlich fragen, wieso ich meine eigene Sendung habe. Ich bin nicht ganz der Typ, den man üblicherweise im Fernsehen erwartet, obwohl doch etwas an mir dran sein muss, jedenfalls nach Meinung des lokalen Fernsehens, denn dort habe ich meine Show, nicht bei einem der großen Sender. »Zu sehr New York«, hatte der letzte große Sender gefunden, wo man mich vorgeschlagen hatte – eine schlaue Art von Antisemitismus, aber was solls! Ich war lieber »zu sehr New York« als irgendetwas anderes. Außerdem gehöre ich eigentlich nicht auf den Bildschirm. Ich habe ein etwas komisches, eher interessantes Gesicht, das ins richtige Leben ganz gut hineinpasst, aber im Fernsehen nicht gut rauskommt. Und deshalb bin ich beim staatlichen Fernsehen besser aufgehoben, wo Produzenten und Kameramänner an Leute wie Julia Child gewöhnt und richtig dankbar dafür sind, dass ich keine solche Riesin bin wie sie. Außerdem ist da noch mein Blinzeln. Ich blinzle.

»Hallo, ich bin Rachel Samstat« – wenn ich das sage und dabei direkt in die Kamera schaue, blinzle ich mindestens fünfzig- oder sechzigmal. Ich tue das nur, weil ich in die Kamera blicken muss. Wenn ich einen Menschen ansehe oder einen Schweinebraten, blinzle ich fast gar nicht.

Nachdem wir meine erste Show aufgenommen und das Blinzeln entdeckt hatten, schlug Richard, mein Produzent, vor, ich solle zu einem Coach für Film und Fernsehen gehen, die sich zwar auf Stimmen spezialisiert hatte, aber auch bereit war, nebenbei ein wenig mit mir an meinen Augen zu arbeiten. Sie erzählte mir immer wieder, dass sie noch nie einen Fehlschlag erlebt habe, wahrscheinlich, um mich anzuspornen, aber es bewirkte das Gegenteil. Ich war fest entschlossen, ihr erster zu werden, und das wurde ich dann auch.

»Ich glaube nicht, dass ich das Blinzeln abstellen kann«, sagte sie nach mehreren Sitzungen zu Richard.

»Aber wegen ihrer Stimme lässt sich wahrscheinlich etwas machen.«

»Uns gefällt die Stimme«, sagte Richard, Gott sei Dank, denn inzwischen war nicht mehr viel von mir übrig, an dem nicht irgendjemand herumgebastelt hätte, wobei sie gewöhnlich den bestimmten Artikel verwendeten. Die Stimme. Das Blinzeln. Das Haar. Das Kinn. »Auf dem Bildschirm hat sie eine Ausstrahlung so ähnlich wie Howard Cosell«, soll jemand ganz oben im Sender mal gesagt haben, und obwohl ich beschloss, es als Kompliment aufzufassen – man meinte wohl, ich gehöre zu den Leuten, auf die die Zuschauer auf diese oder jene Weise eindeutig reagieren –, schwebte mir Howard Cosell nicht unbedingt als Ideal vor. Ich dachte mehr an Imogene Coca oder Elaine May. Wichtig ist jedenfalls, dass ich zufällig eine komische Stimme habe, die die Leute zum Lachen bringt. Das funktioniert auch im Fernsehen, obwohl eine Stimmencoach so etwas nie begreifen wird, weil es schließlich ihre Pflicht ist, Stimmen zu drillen, dass sie klingen wie David Brinkley.

Eigentlich ist es Richards Verdienst, dass meine Fernsehsendung entstand. In einer Talkshow warb ich mal für »My Grandmother’s Cookies«, für Großmutters Plätzchen, und Richard sah mich. Vielmehr, er sah sich die The Phil Donahue Show