Heike soll wieder glücklich werden - Britta Frey - E-Book

Heike soll wieder glücklich werden E-Book

Britta Frey

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Beschreibung

Die Kinderärztin Dr. Martens ist eine großartige Ärztin aus Berufung, sie hat ein Herz für ihre kleinen Patienten, und mit ihrem besonderen psychologischen Feingefühl geht sie auf deren Sorgen und Wünsche ein. Die Kinderklinik, die sie leitet, hat sie zu einem ausgezeichneten Ansehen verholfen. Kinderärztin Dr. Martens ist eine weibliche Identifikationsfigur von Format. Sie ist ein einzigartiger, ein unbestechlicher Charakter – und sie verfügt über einen liebenswerten Charme. Alle Leserinnen von Arztromanen und Familienromanen sind begeistert! Aufatmend fuhr Olaf Bielert mit seinem Wagen vom Firmengelände. Es war siebzehn Uhr und endlich für diesen Tag Feierabend. Er hatte es sehr eilig, heimzufahren, da er seine kleine neunjährige Tochter dort um diese Zeit allein in der Wohnung wußte. Er nahm nicht an, daß seine Frau Petra bei Heike sein würde. Nach einer Fahrt von fünfzehn Minuten erreichte er das Sechsfamilienhaus in Lüneburg, in dem er mit Frau und Kind eine gemütlich eingerichtete Vierzimmerwohnung bewohnte. Es hätte alles so schön und wunderbar sein können, wenn nicht Petra vor einiger Zeit wieder in ihren alten Beruf zurückgegangen wäre. Obwohl er dagegen war, hatte er Petra keine Steine in den Weg legen wollen und war nach einigem Kampf einverstanden gewesen. Einverstanden auch aus dem Grund, weil Petra ihren Beruf nur halbtags ausüben wollte und Heike ja am Vormittag sowieso die Schule besuchte. Doch wie so vieles im Leben, hatte auch dieses sich schon sehr rasch verändert. Petra, als Einkäuferin in einem großen Modehaus tätig, war sehr ehrgeizig und plötzlich von dem Bestreben erfüllt, es noch weiter zu bringen. So war es schon seit einiger Zeit so weit gekommen, daß sie mehr Zeit für ihre Arbeit hatte als für ihn und Heike. Sein kleines Mädchen war oft allein, da er ja auch seinem Beruf nachgehen mußte. Nun aber lag vor ihm das Wochenende, an dem er sich wieder ganz seinem kleinen Liebling widmen konnte, und an dem vielleicht auch Petra wieder einmal mehr Zeit haben würde. All diese Gedanken gingen Olaf Bielert durch den Kopf, während er seinen Wagen in die Garage brachte und danach die Treppe hinauf zu seiner im obersten Stock liegenden Wohnung hinaufstieg. Kaum hatte Olaf die Wohnungstür aufgeschlossen, als ihm eine zierliche Mädchengestalt entgegenkam und sich in seine Arme warf. »Vati, Vati, ich habe schon so lange auf dich gewartet. Endlich bist du da. Ich freue mich ja so.« »Ich freue mich auch, mein Schatz. Jetzt habe ich wieder zwei Tage Zeit für dich.

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Kinderärztin Dr. Martens Classic – 19 –

Heike soll wieder glücklich werden

Ein krankes Mädchen weint nach der Mutter

Britta Frey

Aufatmend fuhr Olaf Bielert mit seinem Wagen vom Firmengelände. Es war siebzehn Uhr und endlich für diesen Tag Feierabend. Er hatte es sehr eilig, heimzufahren, da er seine kleine neunjährige Tochter dort um diese Zeit allein in der Wohnung wußte. Er nahm nicht an, daß seine Frau Petra bei Heike sein würde.

Nach einer Fahrt von fünfzehn Minuten erreichte er das Sechsfamilienhaus in Lüneburg, in dem er mit Frau und Kind eine gemütlich eingerichtete Vierzimmerwohnung bewohnte. Es hätte alles so schön und wunderbar sein können, wenn nicht Petra vor einiger Zeit wieder in ihren alten Beruf zurückgegangen wäre. Obwohl er dagegen war, hatte er Petra keine Steine in den Weg legen wollen und war nach einigem Kampf einverstanden gewesen. Einverstanden auch aus dem Grund, weil Petra ihren Beruf nur halbtags ausüben wollte und Heike ja am Vormittag sowieso die Schule besuchte. Doch wie so vieles im Leben, hatte auch dieses sich schon sehr rasch verändert. Petra, als Einkäuferin in einem großen Modehaus tätig, war sehr ehrgeizig und plötzlich von dem Bestreben erfüllt, es noch weiter zu bringen. So war es schon seit einiger Zeit so weit gekommen, daß sie mehr Zeit für ihre Arbeit hatte als für ihn und Heike. Sein kleines Mädchen war oft allein, da er ja auch seinem Beruf nachgehen mußte. Nun aber lag vor ihm das Wochenende, an dem er sich wieder ganz seinem kleinen Liebling widmen konnte, und an dem vielleicht auch Petra wieder einmal mehr Zeit haben würde.

All diese Gedanken gingen Olaf Bielert durch den Kopf, während er seinen Wagen in die Garage brachte und danach die Treppe hinauf zu seiner im obersten Stock liegenden Wohnung hinaufstieg.

Kaum hatte Olaf die Wohnungstür aufgeschlossen, als ihm eine zierliche Mädchengestalt entgegenkam und sich in seine Arme warf.

»Vati, Vati, ich habe schon so lange auf dich gewartet. Endlich bist du da. Ich freue mich ja so.«

»Ich freue mich auch, mein Schatz. Jetzt habe ich wieder zwei Tage Zeit für dich. Hast du überhaupt schon etwas Warmes heute gegessen?«

»Komm in die Küche, Vati, ich habe für uns beide Pfannkuchen gebacken. Ich habe es genauso gemacht, wie ich es bei Mutti gesehen habe«, antwortete Heike mit glänzenden Augen.

Liebevoll legte Olaf einen Arm um das zierliche Mädchen und sagte zärtlich: »Das finde ich ganz toll von dir, mein Schatz, doch du solltest es lieber nicht machen. Ich möchte nicht, daß du dich am Herd verbrennst.«

»Ich passe schon auf, Vati. Aber jetzt komm in die Küche, bevor meine Pfannkuchen kalt werden.« Eifrig zog das Mädchen Olaf in Richtung Küche.

Die neunjährige Heike war sehr zierlich. Das haselnußbraune Haar trug sie schulterlang. Doch das schönste an ihr waren die großen dunklen Augen, die das schmale Gesicht beherrschten. Nun, mit den strahlenden Augen, sah man dem zierlichen Mädchen nicht an, wie verletzlich und übersensibel es im Grunde doch war. Dabei war es nicht immer so gewesen, doch daran wollte Olaf in diesem Augenblick nicht denken.

Die Neunjährige hatte sogar den Tisch hübsch gedeckt, und Olaf war gerührt über so viel Eifer seiner Kleinen und setzte sich ihr gegenüber.

»Schmeckt es dir, Vati?« Voller Erwartung sah das Mädchen ihn an.

»Hast du fein gemacht, Schätzchen, es schmeckt mir wirklich sehr gut. Du bist ja eine richtige kleine Hausfrau. Ich bin mächtig stolz auf dich.«

Das zarte Gesicht überzog sich bei diesem Lob ihres Vaters mit einer sanften Röte, und ehe Olaf wußte, wie ihm geschah, hatte sie ihren Stuhl zurückgeschoben und hing ihm schon am Hals.

»Ich habe dich so lieb, Vati. Du bist der beste und liebste Vati auf der ganzen Welt.«

»Ich hab dich auch sehr lieb, mein Schätzchen. Doch iß erst fertig, damit du mir nachher zeigen kannst, was du heute in der Schule gemacht hast.« Liebevoll schob Olaf Heike von sich, die auch wieder zu ihrem Platz zurückging.

Nach dem Essen erledigten sie gemeinsam den Abwasch, und danach befaßte sich Olaf mit den schulischen Leistungen seiner Tochter.

Ganz unerwartet platzte Heike dann heraus: »Du, Vati, die Oma hat heute mittag angerufen. Oma kommt uns am Sonntag mit Opa besuchen. Ist Mutti dann auch daheim?«

»So, so… Oma und Opa kommen am Sonntag zu uns. Darüber freust du dich sicher, nicht wahr? Und Mutti ist am Sonntag ganz bestimmt bei uns. Sie muß ja nicht an jedem Wochenende fortfahren.«

»Ich will überhaupt nicht, daß sie immer wegfährt. Sie soll hier bei uns bleiben. Es ist bei uns gar nicht mehr so schön. Ich bin immer allein. Warum sagst du Mutti nicht, daß sie nicht so lange fortbleiben darf?«

»Ach, Schätzchen, ich möchte doch auch so gerne, daß Mutti nicht arbeitet. Doch sie will es so, weil es ihr große Freude macht. Du bist ja schon ein großes, vernünftiges Mädchen und wirst es verstehen, daß ich es Mutti nicht verbieten kann. Reden wird jetzt nicht mehr davon.«

»Und wann kommt Mutti heute heim? Du hast doch auch schon Feierabend.«

»Ich weiß es nicht, wann sie kommt. Wir zwei spielen jetzt ein wenig Monopoly, magst du?«

Es gelang Olaf, seine Tochter abzulenken. Was hätte er auch auf ihre Fragen antworten sollen? In seinem Innern staute sich immer mehr der Zorn gegen Petra, die ihn und Heike immer wieder vernachlässigte. Dabei war auch in ihm die Frage, wann sie an diesem Tage heimkam. Er mußte noch einmal mit ihr reden.

*

Es war gegen neun Uhr, Heike lag schon in ihrem Bett und schlief, als Olaf hörte, wie sich der Schlüssel im Schloß der Wohnungstür drehte. Einen Augenblick später wurde die angelehnte Wohnzimmertür aufgeschoben und eine mittelgroße, vollschlanke junge Frau kam ins Zimmer.

Trotz der vollschlanken Figur war Petra Bielert eine sehr hübsche Frau von vierunddreißig Jahren. Ihr dunkles Haar war lockig, und sie hatte die gleichen, großen dunklen Augen wie sie die neunjährige Heike hatte.

»Guten Abend, Olaf. Tut mir leid, daß es wieder später geworden ist. Doch es ist nicht zu ändern.«

Sie sagte zwar, daß es ihr leid täte, aber in ihren Worten, die sie mit einem Lächeln vorbrachte, war keine Spur von Bedauern zu hören.

In Olaf kochte es. Der ganze aufgestaute Zorn brach hervor.

»Es tut dir leid, sagst du, Petra? Ich kann es schon gar nicht mehr hören. Zu oft hast du es in der letzten Zeit schon gesagt. Wie stellst du dir das Leben in Zukunft vor? Denkst du nicht an unser Kind? Merkst du überhaupt nicht mehr, wie sehr du unsere Heike vernachlässigst? Ich bin mit dem Leben, so wie wir es jetzt führen, nicht mehr einverstanden, hörst du?«

»Hab dich nicht so, Olaf. Warum soll es immer die Frau sein, die auf alles verzichtet? Heike hat doch nicht nur mich, sie hat auch noch dich. Mir macht meine Arbeit Freude, und damit du es weißt, ich werde sie auf keinen Fall aufgeben. Ich bin auf einem solch guten Weg, ich werde ihn weitergehen, ob es dir nun paßt, oder nicht.«

»Nein, es paßt mir nicht, daß du dein Kind dabei zu vergessen scheinst, meine Liebe. Heike ist gerade erst neun Jahre alt. Sie ist in einem Alter, in dem sie ihre Mutter braucht. Will das nicht in deinen Kopf hinein?«

Olaf erregte sich immer mehr, und seine Stimme wurde dabei heftiger und lauter.

»Heike ist ein vernünftiges Mädchen. Außerdem wird es ja nicht jeden Tag so spät. Ich habe keine Lust mehr, weiter auf deine Vorwürfe zu hören, ich bin müde und lege mich jetzt hin.«

»Du bleibst, Petra. Wenn du jetzt gehst, dann…«

»Was dann, Olaf? Willst du mir etwa drohen?«

Auch Petras Stimme war auf einmal laut und schrill.

»Ich drohe dir nicht, ich verlange von dir, daß du dich endlich auf deine Pflichten besinnst, Petra. Es geht dabei nicht so sehr um mich, sondern nur um unser Mädel. Du bist…«

Erschrocken brach Olaf ab, denn in diesem Augenblick entdeckte er Heike, die verstört stammelte: »Was, warum streitet ihr denn? Ihr sollt doch nicht so böse miteinander sein.«

Mit ein paar raschen Schritten war Olaf an Heikes Seite und zog das Mädchen, das plötzlich in Tränen ausbrach, tröstend in seine Arme. Weich sagte er: »Du mußt nicht weinen, Schatz, du solltest doch schlafen. Komm, ich bringe dich in dein Zimmer zurück. Mutti kommt gleich auch noch zu dir, um dir gute Nacht zu sagen. Komm, kleine Mädchen müssen jetzt schlafen.«

»Aber ich…« Sehnsüchtig sah Heike zu ihrer Mutti hin. Diese nickte ihr zu und sagte: »Geh nur mit Vati, ich komme gleich noch zu dir.«

Nur widerstrebend ließ die Neunjährige sich ins Kinderzimmer bringen.

Olaf half seiner kleinen Tochter ins Bett und deckte sie fürsorglich zu.

»Gute Nacht, mein Schatz«, sagte er liebevoll und hauchte einen sanften Kuß auf ihre Stirn, dann ging er leise aus dem Zimmer und suchte das Schlafzimmer auf. Augenblicke später hörte er Petra, die an der Tür vorbeiging und das Kinderzimmer betrat.

Als Petra später auch ins Schlafzimmer kam, stellte Olaf sich schlafend. Auf keinen Fall wollte er es erneut zu einem Streit kommen lassen. Es war schon so schlimm genug, was Heike in der letzten Zeit von seinen Auseinandersetzungen mit Petra mitbekam. Er konnte nur hoffen, daß sich Petra, für ihn und Heike, für ihre gemeinsame Zukunft entscheiden würde. Es war nur gut, daß die Schwiegereltern ihren Besuch für den Sonntag angesagt hatten. Petras Eltern waren sehr liebe und vernünftige Menschen. Auf sie würde Petra vielleicht eher hören als auf ihn.

Mit diesen ein wenig beruhigenden Gedanken schlief Olaf schließlich ein.

Leises Klirren eines Schlüsselbundes ließ Olaf am nächsten Morgen erwachen. Schlaftrunken richtete er sich auf und sah Petra, die im Begriff stand, das Schlafzimmer zu verlassen.

»Wo willst du denn schon so früh am Morgen hin, Petra?« wollte er wissen und sah erstaunt, daß sie zum Fortgehen angekleidet war.

»Ich muß heute vormittag noch einmal für ein paar Stunden in die Firma, Olaf. Es tut mir leid, daß ich dich geweckt habe. Schlaf ruhig noch eine Stunde weiter. Heike schläft auch noch.«

»Muß das sein, Petra? Heike hat sich so darauf gefreut, dich wenigstens am Wochenende etwas mehr für sich zu haben? Können die in eurer Firma nicht wenigstens Rücksicht auf deine Wochenenden nehmen? Es ist doch schließlich bekannt, daß du verheiratet bist und eine neunjährige Tochter zu versorgen hast. Ich begreife dich immer weniger.«

»Fang nicht schon wieder an, Olaf. Für ein paar Stunden wirst du ja wohl allein mit Heike zurechtkommen. Wir müssen doch die Listen für die nächste Kollektion zusammenstellen, dabei kann ich nicht fehlen. Du weißt, daß meine Arbeit sehr wichtig ist.«

»Ich habe schon verstanden, Petra. Tu, was du nicht lassen kannst. Du wirst schon früh genug erkennen, wohin dich das führt.«

Petra gab keine Antwort. Mit einer eigenwilligen Bewegung warf sie den Kopf in den Nacken und verließ das Schlafzimmer.

An Schlaf war für Olaf nicht mehr zu denken, obwohl es gerade erst sieben Uhr war. Seine Gedanken beschäftigten sich mit Heike, die sicher erneut sehr enttäuscht sein würde, ihre Mutti beim Aufstehen nicht vorzufinden. Er mußte sich etwas einfallen lassen, um seine kleine Tochter abzulenken.

Da Olaf sowieso nicht mehr schlafen konnte, erhob er sich und ging leise in die Küche. Dort deckte er für sich und Heike den Frühstückstisch, danach verließ er leise die Wohnung, um beim nächsten Bäcker frische Brötchen und Milchbranchen zu besorgen.

Als er zurückkam, schlief Heike noch. Es blieb ihm also noch Zeit, die Milch für sie zu wärmen und für sich selbst frischen Kaffee zu brühen.

Gerade hatte Olaf sich eine Tasse mit Kaffee gefüllt, da wurde die Küchentür geöffnet, und Heike, noch im Nachthemdchen und bloßen Füßen, kam zu ihm in die Küche.

»Ich bin überhaupt nicht mehr müde, Vati. Darf ich schon aufbleiben? Und wo ist Mutti? Ich wollte zu ihr, aber sie war nicht mehr im Schlafzimmer.«

»Guten Morgen, mein Schatz. Natürlich darfst du aufbleiben. Wir zwei werden jetzt ganz gemütlich frühstücken, und später gehen wir zusammen einkaufen. Mutti muß heute noch ein paar Stunden arbeiten. Heute nachmittag wird sie bestimmt zu Hause bleiben.«

»Aber ich…« Das zierliche Mädchen wollte etwas sagen, brach jedoch sofort ab und senkte den Kopf. Ein paar Tränen rollten über die Wangen.

»Nicht traurig sein, mein Mädchen. Du hast doch mich auch noch. Paß einmal auf. Wenn wir eingekauft haben, gehen wir noch ein wenig bummeln, und ich kaufe dir etwas Hübsches. Einverstanden?«

»Und Mutti?«

»Wenn wir zurückkommen, ist Mutti vielleicht schon daheim. Und jetzt setz dich zu mir an den Tisch und zeig mir ein fröhliches Lächeln. Schau nur, ich war sogar schon beim Bäcker, und die Milch für dich ist auch schon warm.«

Olaf nahm die Kleine in seine Arme und fuhr ihr sanft über das dunkle Haar.

*

»Also, Frau Bielert, überlegen Sie es sich. Sie haben sich inzwischen bei uns so ausgezeichnet eingearbeitet, daß ich möchte, daß Sie mit Frau Ravenus zur Modemesse nach Frankfurt fahren. Frau Ravenus legt großen Wert auf Ihr Urteilsvermögen.«

Ein wohlwollendes Lächeln lag um die Lippen des Seniorchefs des Modehauses, für das Petra Bielert arbeitete, als er ihr diese Eröffnung machte.

»Es freut mich sehr, daß Sie und Frau Ravenus so viel Vertrauen zu mir haben«, antwortete Petra Bielert, und eine dunkle Röte färbte ihre Wangen. Etwas zögernd sagte sie dann: »Kann ich das erst mit meinem Mann besprechen? Es geht nämlich auch darum, daß meine kleine Tochter in den Tagen meiner Abwesenheit gut versorgt ist.«

»Selbstverständlich, Frau Bielert. Viel Zeit bleibt Ihnen jedoch nicht, sich zu entscheiden. Ich brauche Ihre Zusage spätestens in der kommenden Woche, da wir ja genau disponieren müssen. Sie wissen Bescheid, geben Sie mir also möglichst bald Ihre Antwort.«

Gegen Mittag war Petra schließlich für diesen Tag fertig und konnte ihr kleines Büro verlassen. In Hochstimmung erledigte sie noch einige Einkäufe für das Wochenende und fuhr danach heim.

Zu ihrem Erstaunen waren Olaf und Heike jedoch nicht in der Wohnung.

Petra sortierte die Einkäufe ein, bereitete eine leichte Mahlzeit für den Mittag vor und erledigte noch einige Arbeiten innerhalb der Wohnung. Doch erst gegen vierzehn Uhr kamen Olaf und die Kleine, beladen mit Taschen und Päckchen, nach Hause.

Es wurde wider Erwarten für Olaf, Petra und Heike doch noch ein friedlicher Tag. Olaf hielt um seiner kleinen Tochter Willen weitere Vorwürfe zurück, und Petra hütete sich ihrerseits, an diesem Nachmittag schon mit Olaf über den Wunsch ihres Seniorchefs zu sprechen. Innerlich hatte sie sich schon entschieden. Was immer Olaf auch gegen diese Reise einzuwenden hatte, sie würde die ihr gebotene Chance nutzen.

Der Sonntag begann normal. Nach dem gemeinsamen Frühstück ging Olaf mit Heike, die noch in diesem Jahr zur ersten heiligen Kommunion kommen würde, zur Messe in die nahegelegene Kirche. Petra, die inzwischen wußte, daß ihre Eltern am Nachmittag kommen würden, blieb daheim. Sie wollte noch einen Kuchen backen und danach das Mittagessen vorbereiten.

Begeistert war Petra nicht über den angekündigten Besuch ihrer Eltern, obwohl sie sie sehr liebte. Da die Mutter und der Vater nicht mit ihrem eingeschlagenen Weg einverstanden waren, fühlte sich Petra nicht wohl in ihrer Haut. Sie war es langsam leid, immerzu Vorhaltungen zu bekommen. Sie war so von Ehrgeiz besessen, es zu etwas in ihrem Beruf zu bringen, daß sie sich von allen angegriffen fühlte, die sich doch nur Sorgen um die negative Entwicklung in ihrer Ehe machten. So war Petra schon innerlich völlig auf Abwehr eingestellt und sehr mürrisch, als Olaf und Heike kurz vor zwölf von ihrem Kirchgang zurückkamen.

*

Petras Eltern, Erhard und Lotte Kotter, besaßen außerhalb von Ögela ein kleines Anwesen mit einer Blumengärtnerei. Während der Wochentage beschäftigte Erhard Kotter noch zwei Gärtnergehilfen und eine junge Floristin, denn es kamen immer wieder Laufkunden, die bedient werden mußten.

An diesem Sonntagmorgen, schon beim Frühstück, sagte Lotte, eine kleine zierliche Frau von sechsundfünfzig Jahren, zu ihrem Mann: »Was wird uns wohl heute wieder bei den Kindern erwarten, Vater? Ob sich unser Mädel nicht endlich besonnen hat? Manchmal frage ich mich, ob wir etwas verkehrt gemacht haben?«

»Aber Lotte, such doch jetzt nicht bei uns die Schuld an der Entwicklung der Kinder. Es sind erwachsene Menschen, die selbst wissen müssen, was sie tun. Ich bin auch nicht damit einverstanden, was unsere Petra in letzter Zeit auf die Beine stellt. Olaf sollte mit der Faust auf den Tisch schlagen. Er ist Petra gegenüber viel zu nachgiebig. Ein Jammer dabei ist nur, daß unser Mäus­chen dabei die Leidtragende ist. Ich frage Olaf heute nachmittag, ob ich mir die Kleine nächsten Freitagabend bis Sonntagabend holen kann. Hier bei uns fühlt sich Heike wohl und bekommt nicht so viel von den Zwistigkeiten zwischen Olaf und Petra mit. Du hast doch nichts dagegen, oder?«

»Auf keinen Fall, Erhard. Ich möchte sogar, daß Heike während der ganzen Osterferien zu uns kommt. Es läßt sich bestimmt einrichten.«

Um viertel nach elf fuhren Erhard und Lotte Kotter dann in Richtung Lüneburg ab. Da wenig Verkehr herrschte, kam Erhard schnell voran, und so um zwanzig vor eins bogen sie in die Straße ein, in der die Tochter mit Mann und Kind wohnte.

»Da, sieh nur, ist das nicht Heike? Es scheint so, als würde sie auf uns warten«, sagte Lotte Kotter, die das zierliche Mädchen als erste entdeckte.

»Sieht so aus, Lotte«, entgegnete Erhard Kotter, und schon Augenblicke später brachte er den Wagen am Straßenrand unmittelbar neben Heike zum Stehen.

»Oma, Opa, da seid ihr ja endlich. Ich habe schon auf euch gewartet.« Heikes große, dunkle Augen strahlten, als sie der aussteigenden Oma um den Hals fiel.

»Hallo, Schätzchen, nicht so stürmisch. Wenn Oma sagt, daß wir kommen, dann kommen wir auch.« Liebevoll drückte Lotte Kotter ihre Enkeltochter an sich.

»Und ich, bekomme ich keinen Begrüßungskuß, Mäuschen?« sagte in diesem Augenblick Erhard Kotter hinter seiner Frau und Heike.

Sofort löste sich das Mädchen von seiner Oma und fiel dem Opa um den Hals.