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Das innere Kind heilen mit buddhistischer Praxis. Die renommierte und erfahrene Meditations-Lehrerin erklärt in diesem Ratgeber, wie Achtsamkeit und Mitgefühl wirkungsvolle Hilfsmittel sind, um Verletzungen aus der Kindheit Schritt für Schritt zu verwandeln. Alle Menschen sehnen sich nach Wertschätzung, dennoch fällt es den meisten besonders schwer, sich selbst anzunehmen. Der Grund ist häufig ein verletztes inneres Kind. Zum Selbstschutz hat es sich in der Kindheit Verhaltens- und Sichtweisen angeeignet, die auch im Erwachsenenleben meist unbewusst weiter funktionieren, aber nicht mehr gebraucht werden. Renate Seifarth begleitet seit über zwanzig Jahren Menschen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung. Viele Fallbeispiele aus ihrer langen Erfahrung machen deutlich, wie befreiend es wirkt, sich zu den schwierigen und oft verdrängten Anteilen vorzuwagen. Meditation und die Praxis des Selbst-Mitgefühls sind kraftvolle Mittel aus dem Buddhismus, um innere Akzeptanz zu entwickeln und Heilung möglich zu machen. Achtsamkeits-Praxis, Körperwahrnehmungen und Selbstliebe-Übungen helfen, ein gesundes Urvertrauen auszubilden, um wirklich glücklich und befreit zu leben. Durch das Kultivieren liebevoller Geisteszustände wird eine Neuausrichtung im Leben möglich.
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Seitenzahl: 269
Veröffentlichungsjahr: 2018
Renate Seifarth
Mit Achtsamkeit und Mitgefühl sich selbst befreien
Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG.
Das innere Kind heilen mit buddhistischer Praxis.
Die renommierte und erfahrene Meditations-Lehrerin erklärt in diesem Ratgeber, wie Achtsamkeit und Mitgefühl wirkungsvolle Hilfsmittel sind, um Verletzungen aus der Kindheit Schritt für Schritt zu verwandeln.
Alle Menschen sehnen sich nach Wertschätzung, dennoch fällt es den meisten besonders schwer, sich selbst anzunehmen. Der Grund ist häufig ein verletztes inneres Kind. Zum Selbstschutz hat es sich in der Kindheit Verhaltens- und Sichtweisen angeeignet, die auch im Erwachsenenleben meist unbewusst weiter funktionieren, aber nicht mehr gebraucht werden.
Renate Seifarth begleitet seit über zwanzig Jahren Menschen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung. Viele Fallbeispiele aus ihrer langen Erfahrung machen deutlich, wie befreiend es wirkt, sich zu den schwierigen und oft verdrängten Anteilen vorzuwagen.
Meditation und die Praxis des Selbst-Mitgefühls sind kraftvolle Mittel aus dem Buddhismus, um innere Akzeptanz zu entwickeln und Heilung möglich zu machen. Achtsamkeits-Praxis, Körperwahrnehmungen und Selbstliebe-Übungen helfen, ein gesundes Urvertrauen auszubilden, um wirklich glücklich und befreit zu leben.
Durch das Kultivieren liebevoller Geisteszustände wird eine Neuausrichtung im Leben möglich.
Heilung ist möglich
1 Wunden gibt es – anerkennen, was ist
Das verletzte innere Kind – Ursachen und Auswirkungen
Eine erste bewusste Begegnung mit dem verletzten inneren Kind
Die alltägliche Härte gegen sich selbst
Die Überzeugung, ungeliebt zu sein
Die Überzeugung, Liebe müsse verdient werden
Die Wünsche anderer erfüllen, um geliebt zu werden
Die Überzeugung, nicht richtig zu sein
Die Überzeugung, nichts zu können
Die Überzeugung, an allem schuld zu sein
Nicht wissen, was man will im Leben
Die Überzeugung, nicht Nein sagen zu dürfen
Missbraucht statt geliebt
Die kindliche Perspektive verstehen
Heilung erfordert, den Wunden zu begegnen
Die Kraft der Meditation
Sich von alten Lasten befreien
2 Die heilsame Wirkung der Achtsamkeit
Ein Weg der Heilung
Was Achtsamkeit ist
Die heilende Kraft der Achtsamkeit
Die heilsamen Aspekte der Achtsamkeit
Bemerken heilt den fehlenden Zugang zu unserem Erleben
Erkennen heilt überkommene Interpretationsweisen
Erkennen heilt das Misstrauen gegenüber der eigenen Wahrnehmung
Erkennen heilt innere Taubheit
Interesse für sich selbst heilt Missachtung
Nicht-Identifizieren heilt negative Selbstbilder
Nicht-Identifizieren eröffnet einen Entwicklungsraum
Heilung braucht Geduld und Respekt vor Widerständen
3 Achtsamkeit entwickeln
Die Beziehung zum Körper heilen
Der Beginn mit dem Atem
Den Körper entdecken
Die Sinne wiederentdecken
Die Beziehung zu den Gefühlen heilen
Gefühle entdecken
Verdeckte Gefühle einladen
Dumpfheit als Schutz respektieren
Erstarrung aufweichen
Schwierige Gefühle zulassen
Das innere Kind mitsamt den schmerzhaften Gefühlen umarmen
Die Beziehung zu den Gedanken heilen
Die Gedanken erzählen nicht, wer wir sind
Glaubenssätze erkennen und deren Wahrheit infrage stellen
Komplexe Zustände durch Achtsamkeit entwirren
Ein tiefes Verständnis unserer selbst und die Befreiung von neurotischen Persönlichkeitsanteilen
Unseren Selbstheilungskräften vertrauen
4 Heilung durch Mitgefühl – liebende Güte für uns selbst und das innere Kind
Das Herz öffnen
Lernen, uns selbst bedingungslos zu lieben
Liebende Güte für den Säugling, der wir einmal waren
Liebende Güte für uns als Kind
Liebende Güte für uns als Jugendliche
Umgang mit schwierigen Erinnerungen während der Liebende-Güte-Meditation
Liebende Güte für den Körper
Liebende Güte für bestimmte Persönlichkeitsanteile
Mitgefühl für das innere Kind
Mit leidvollen Erfahrungen im Alltag umgehen
Selbstfürsorge
Mitfreude für das innere Kind
Die Entwicklungsleistung des Kindes würdigen
Das innere Kind spielerisch entdecken lassen
Dem inneren Kind Gleichmut schenken
5 Heilsame Qualitäten entfalten
Großzügigkeit statt Maßlosigkeit
Wahre Großzügigkeit als guter Freund
Maßloses Geben und der Druck, geben zu müssen
Geduld statt Apathie
Die zwei hilfreichen Seiten der Geduld
Der falsche Freund Apathie
Gleichmut statt Gleichgültigkeit
Der gute Freund Gleichmut oder Gelassenheit
Die falsche Freundin Gleichgültigkeit und das Abspalten von Gefühlen
Weisheit statt theoretischen Wissens
Die gute Freundin Weisheit
Theoretisches Wissen, ein potenziell falscher Freund
Vertrauen statt blinden Glaubens
Stufen des Vertrauens
Der falsche Freund blinder Glaube
Ethische Integrität statt Dogmatismus
Der gute Freund ethische Integrität
Der falsche Freund Dogmatismus
Schluss: Gemeinsam in die Welt gehen
Dank
Literaturhinweise
Für die Arbeit mit dem inneren Kind
Für die Vertiefung der Achtsamkeit und der liebenden Güte
Für die Vertiefung der buddhistischen Lehre
Wir alle möchten lieben und geliebt werden. Wir möchten erfüllt und authentisch leben. Wir möchten Verbundenheit und Frieden erfahren. Doch so viele von uns können sich selbst nicht lieben. Ständig kritisieren wir uns, nie haben wir den Eindruck, wir seien gut genug. Depression, Minderwertigkeitsgefühle, Strenge bestimmen unser Leben. Unsere Beziehungen wollen nicht gelingen. Sie bleiben oberflächlich, unbefriedigend und ohne Tiefe. Statt Vertrauen und Liebe sitzen Misstrauen, Angst und Groll tief in unserem Herzen.
Woran kann das liegen? Auffallend oft schauen wir auf eine unglückliche Kindheit, in der wir uns nicht gesehen, nicht geliebt gefühlt und uns als nicht angenommen erlebt haben. Kleine Anlässe können die Wunden der Kindheit wieder wachrufen, vor allem im Kontakt mit nahestehenden Menschen. Ein schiefer Blick, ein falsches Wort und plötzlich rasten wir aus, fühlen uns ertappt, empfinden Scham über Belanglosigkeiten, fühlen uns klein, schwach, ausgeliefert.
Wir sind vielleicht selbst überrascht von unseren kindlichen Reaktionen. Doch wenn wir die Rolle unserer Kindheit für unser jetziges Leben betrachten, können wir besser verstehen, warum das so ist.
In der Kindheit entwickeln wir ein Bild von uns selbst, mit dem wir auf die Welt, auf andere zugehen. Aufgrund dieses Bildes entscheiden wir, was wir uns zutrauen, wie wir unsere Beziehungen gestalten und welche Rollen wir anstreben.
Wir entwickeln in dieser Zeit auch grundlegende Vorstellungen von der Welt, in die wir geboren wurden, was wir hier erwarten können, ob sie schön oder schrecklich ist. Dazu gehören auch Annahmen über die Menschen, mit denen wir diese Welt teilen. Auf dieser Basis entscheiden wir, ob wir andere grundsätzlich als freundlich und vertrauenswürdig oder eher unfreundlich und gefährlich einstufen. Aus den grundlegenden Vorstellungen heraus interpretieren wir später das Verhalten unserer Umgebung, ob andere uns mögen oder ablehnen, und leiten daraus ab, welche Motive sich hinter ihren Taten verbergen, ob sie uns Gutes tun oder schaden wollen.
In der Kindheit lernen wir, unsere Bedürfnisse zu spüren und zu erkennen. Wir erfahren, welche dieser Bedürfnisse erfüllt werden und welche nicht. Aus diesen Erfahrungen heraus entwickeln sich grundlegende Glaubenssätze darüber, was wir dürfen, was wir sollen, was wir müssen. Diese Glaubenssätze prägen fortan unsere Ziele und Hoffnungen, sie nehmen Einfluss darauf, wie wir unser Leben gestalten. Kurzum, die Kindheit beeinflusst in einem hohen Maße unser späteres Leben.
Doch was, wenn die Kindheit suboptimal verlaufen ist? Wenn wir gelernt haben, dass unsere wichtigen Bedürfnisse nicht zählen und nicht erfüllt werden, weil sich niemand für uns interessierte? Wenn wir kein Zutrauen zu unseren Fähigkeiten entwickeln konnten, weil wir nur ungenügend Anerkennung erfahren haben. Wenn wir keine liebevollen Beziehungen kennengelernt haben, sondern in einer Umgebung von Missachtung und Feindseligkeit aufwuchsen? Wenn unser kindliches Vertrauen missbraucht und ausgenutzt wurde?
In jedem von uns ist die Kindheit gegenwärtig. Sie drückt sich aus in all den Persönlichkeitsanteilen, die sich damals entwickelt haben, mitsamt den Reaktionsmustern, Glaubenssätzen und Überzeugungen über uns und die Welt. Wenn sie aktiv werden, fühlen und verhalten wir uns wie damals.
Die negativen Erfahrungen in unserer Kindheit machen sich in vielen kleinen Situationen bemerkbar. Sie zeigen sich in der Art, wie wir innerlich und äußerlich auf etwas reagieren, in der Art, wie wir denken und fühlen, in den Überzeugungen und Einstellungen, die wir in uns tragen.
All diese Muster, Gefühle und Gedanken sind uns so vertraut, dass sie uns nicht auffallen. Gerade weil wir sie nicht bemerken, stellen wir sie nicht infrage und setzen so die destruktive Vergangenheit fort.
Im ersten Kapitel dieses Buches werden wir uns Beispiele anschauen, wie sich diese Wunden aus der Kindheit manifestieren können. Es sind die Themen, die mir immer wieder als Meditationslehrerin in der Arbeit mit meinen Teilnehmern und Teilnehmerinnen begegnen. Die Beispiele sollen helfen, den Zusammenhang zwischen unseren Schwierigkeiten und den Wunden unserer Kindheit besser zu verstehen.
Dabei konzentriere ich mich auf den Themenkreis, der mit Entwicklungen in der Kindheit zu tun hat, in denen wir als Kinder nicht genügend geliebt, angenommen, gesehen worden sind. Ich spreche dabei der Einfachheit halber, und auch weil dieser Sprachgebrauch verbreitet ist, vom inneren Kind. Dies ist in der Praxis nachvollziehbar, weil wir uns tatsächlich wie ein Kind oder wie das damalige Kind fühlen, Stimmen wie von damals hören und Gedankengänge mit den Sätzen unserer Eltern in Verbindung bringen können. Auch spontane Rückerinnerungen an vergangene Erlebnisse sind nicht unüblich in längeren Meditationsretreats.
Viele, die meditieren, sind anfangs überrascht von derartigen Erfahrungen. Sie hatten solche Erinnerungen nicht erwartet, noch waren sie sich bewusst, ein verletztes inneres Kind in sich zu haben. Für die Meditation, wie für jeden Weg der inneren Entwicklung, und auch für die buddhistische Praxis ist das Wissen um unser verletztes inneres Kind von Bedeutung. Manche angestrebten Ziele und manche buddhistischen Lehren können sonst missverstanden werden.
Die Heilung des inneren Kindes ist ein wichtiger Schritt zu einem erfüllten Leben. Wir wollen all die Entwicklungen nachholen, die ein Kind befähigt, ein gesundes Selbstwertgefühl zu entwickeln. Auch heute noch können wir die dafür notwendige Wertschätzung, das Selbstvertrauen und die Verbundenheit in uns aufbauen. Die Voraussetzung dafür ist ein guter Kontakt zu den eigenen Bedürfnissen, den Gefühlen und zum Körper.
Der Schritt, den Wunden der Kindheit und damit den schwierigen Gefühlen zu begegnen, mag schmerzhaft sein, führt letzten Endes aber zu einer tiefen Befreiung von den Wirkungen dieser Vergangenheit. Von da aus können wir unser Potenzial als Mensch entfalten. Wir können unsere Weichen neu stellen und uns auf einen inneren Weg begeben, auf dem sich unser Herz entfaltet und wir zutiefst erfüllende Beziehungen leben können.
Die Vergangenheit selbst können wir nicht ändern. Sie kann immer wieder von heutigen Erlebnissen erweckt werden, die alten Gefühle können auftauchen, aber wir können lernen, anders mit uns, unserer Geschichte und unseren Gefühlen umzugehen. Wir müssen uns weder über das Vergangene definieren, noch müssen wir bleiben, wer wir meinten zu sein.
Neben den erwähnten Beispielen werde ich im ersten Kapitel verbreitete Wunden des verletzten inneren Kindes vorstellen, wobei ich eher von milderen Formen sprechen möchte. Traumatische Erfahrungen brauchen sicher eine zusätzliche adäquate therapeutische Begleitung. Hier können das Buch und die Praxis eine zusätzliche Stütze sein, mehr nicht. Falls Sie von einer solchen traumatischen Vergangenheit wissen, fragen Sie Ihren Arzt oder Ihre Therapeutin, ob Meditation für Sie ein sinnvolles Mittel sein könnte.
Im zweiten und dritten Kapitel erläutere ich die Achtsamkeitspraxis. Ob wir einer spirituellen Praxis folgen oder vorrangig unsere inneren Wunden heilen wollen, Achtsamkeit steht im Zentrum von beidem. Die Achtsamkeit, die hier gemeint ist, besteht aus einer Reihe von Aspekten. Wir wollen darauf achten, dass sie alle wohl ausgebildet werden, denn erst dann kann sie ihre heilende Wirkung entfalten.
Im vierten Kapitel lernen wir die Meditation der liebenden Güte kennen. Mit ihrer Hilfe heilen wir die Beziehung zu unserem verletzten inneren Kind. Dazu gehört auch die Beziehung zu unserem Körper und zu diversen Persönlichkeitsanteilen. Wir alle haben unsere Sonnenseiten wie Schattenseiten. Wir wollen sie tief verstehen und Frieden damit schließen.
In dieser Arbeit begegnen wir selbstverständlich leidvollen Erfahrungen wie auch vielen freudvollen. Für beides öffnen wir uns mithilfe von Achtsamkeit und liebender Güte. Das verschlossene Herz öffnet sich, und wohltuendes Mitgefühl und beschwingende Mitfreude strömen hervor. Wir entdecken die Fähigkeit unseres Herzens, allen menschlichen Erfahrungen mit liebender Güte und Gleichmut zu begegnen.
Im letzten Kapitel stelle ich die Qualitäten vor, die uns helfen, tiefe, vertrauensvolle Beziehungen zu entwickeln. Es sind Qualitäten, die Kinder von ihren Eltern brauchen, um eine gesunde Entwicklung nehmen zu können. Indem wir selbst diese Qualitäten entwickeln, können wir unserem eigenen inneren Kind eine heilsame Atmosphäre bieten, in dem es weiter wachsen kann. Gleichzeitig handelt es sich um Qualitäten, die aus uns einen innerlich »schönen« Menschen machen. Es sind Qualitäten, die helfen, ein Leben erfüllt von innerem Frieden zu leben. Ich nenne sie »die guten Freunde«.
Wir können sie allerdings leicht mit anderen Qualitäten verwechseln, die das verletzte innere Kind allzu gut kennt. Aber statt dass sie uns helfen, Geborgenheit, Lebendigkeit und Wohlbefinden zu erfahren, halten sie uns zurück. Ich nenne sie »die falschen Freunde«. Diese Differenzierung soll uns helfen, nicht wieder in alte Muster zu fallen.
All die Hinweise und Adaptionen der Meditationen gehen aus meiner Arbeit mit unzähligen Menschen in den letzten fünfzehn Jahren hervor sowie aus meiner eigenen inneren Entwicklung. Dort, wo ich von den Erlebnissen anderer berichte, habe ich Namen, Geschlecht und Zusammenhänge verändert.
Der Weg der inneren Heilung erfordert Geduld, und immer wieder scheint es auf dem Weg rückwärtszugehen. Themen, die längst Vergangenheit zu sein schienen, tauchen immer wieder auf. Heilung können wir vielleicht eher als Spirale als eine lineare Angelegenheit verstehen. Gehen persönliche und spirituelle Entwicklung Hand in Hand, erhält unsere spirituelle Entwicklung eine solide Grundlage. Wir erfahren wahrlich unerschütterlichen Frieden und stehen gleichzeitig mit beiden Füßen und einem gesunden Menschenverstand mitten im Leben. Es ist meine tiefe innere Überzeugung nach all dem, was ich in den letzten fünfundzwanzig Jahren beobachten konnte, dass die Entfaltung unserer Persönlichkeit und das Transzendieren unseres Ego zusammengehören und nicht eines auf Kosten des anderen erfolgt.
Wir alle sind verletzlich, besonders als Kinder. Es ist normal, dass wir die eine oder andere Enttäuschung, Frustration und Verletzung während unserer Kindheit erleben. Wir brauchen uns deswegen weder zu schämen, noch heißt das gleich, dass unsere Eltern böse Menschen waren. Oft meinten sie es sogar gut mit uns. Sie taten ihr Bestes. Und doch kann es sein, dass unser Selbstwert Schaden erlitten hat und wir Verhaltensmuster entwickelten, die schmerzvoll sind.
Allein die Werte in unserer heutigen Gesellschaft, der enorme Erfolgs-, Zeit- und Leistungsdruck, unterstützen den Mangel an Liebe und Geborgenheit, den Kinder oft erdulden. Zu früh werden wir über Leistung definiert, zu früh lernen wir, dass wir etwas tun müssen, um geliebt zu werden. Und natürlich gibt es auch Situationen, in denen Eltern ihrem Kind – aus welchen Gründen auch immer – nicht genügend Liebe geben können. Deshalb ist es so wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass ein verletztes inneres Kind in sich zu tragen nichts ist, wofür wir uns schämen müssen.
Im Lauf unserer Entwicklung erfahren wir alle Erfolge und Niederlagen, Glück und Unglück, wir werden mal gelobt und mal getadelt, andere reden gut über uns oder verleumden uns. Wir werden verlassen, betrogen, belogen. Das alles schmerzt und passiert eigentlich jedem.
Die Worte verhallen, die Zeit verstreicht, bald scheint alles wieder gut zu sein. Zurück bleiben Narben in Form von Erinnerungen, Bildern, Botschaften, die sich auf jeden neuen Moment auswirken. Was immer wir tun, wohin wir auch gehen, welche Menschen wir auch kennenlernen, wir nehmen uns mitsamt unserer Vergangenheit und Prägung mit in jede Situation. In die Art, wie wir diesem Moment begegnen, fließt all das ein, was wir bis dahin erfahren und gelernt haben.
Besonders tief beeinflussen uns die Erfahrungen aus der Kindheit. Haben wir aus den frühen Erfahrungen den Eindruck gewonnen, wir seien nicht liebenswert, unsere Wünsche werden nicht gehört und unsere Grenzen nicht respektiert, übertragen wir dies auf jetzige Situationen. Wir vertrauen dann der Zuneigung anderer nicht, wir spüren unsere Bedürfnisse kaum und können sie auch nicht artikulieren. Wir erkennen weder unsere Grenzen, noch können wir Grenzen setzen.
Der Mangel, die Verletzungen, die wir in der Kindheit erfahren haben, prägen unsere Ansichten, Verhaltens- und Reaktionsmuster. Sie nisten sich ein in uns in Form von Glaubenssätzen und Überzeugungen. Sie sind die Brille, durch die wir die Welt und uns selbst bewerten, interpretieren und beurteilen. Schon eine kleine Kritik an unserem Verhalten oder unserer Arbeit wird dann zum Beispiel als vernichtende Ablehnung aufgefasst statt als hilfreicher Hinweis.
Im Grunde fühlen wir uns nie gut genug. In unserem Denken herrschen innere kritische Stimmen vor, die uns antreiben und denen wir es nicht recht machen können, ganz gleich, wie sehr wir uns anstrengen. Durch unsere mentalen Gewohnheiten setzen wir destruktive Verhaltensweisen fort. Die einzelnen Ereignisse können dabei längst vergessen sein, insbesondere dann, wenn sich unser Herz aus Angst und Schmerz nachhaltig verschlossen hat.
Niemand möchte eine Verletzung noch einmal erleben. Die Schutzmechanismen, Ängste und Abwehrreaktionen, die uns helfen sollen, in Zukunft derartig schmerzhafte Erfahrungen zu vermeiden, sind ganz natürlich, aber sie behindern unsere innere Entwicklung. Sie hindern uns daran, zu lieben, dauerhafte, erfüllende Beziehungen zu knüpfen und unser Leben erfüllt und glücklich zu leben.
Ein Kind, das sich nachhaltig ganz oder teilweise abgelehnt fühlt, entwickelt kein gesundes Selbstwertgefühl. Jedes Kind ist in seiner Entwicklung abhängig von seiner Umgebung. Wir brauchen Nahrung, Schutz und Fürsorge, um zu überleben. Wir brauchen emotionale Wärme, um uns angenommen und geliebt zu fühlen. Wir brauchen positive Bestätigungen von außen, um zu wissen, dass wir »richtig« sind. Nur in einer solchen Umgebung können wir ein grundlegendes Vertrauen in unseren Selbstwert aufbauen.
Vor allem brauchen wir die Erfahrung, bedingungslos geliebt zu werden. Dies ist die Grundlage dafür, dass wir vertrauen können. Von dieser Basis aus können wir mit Grenzen umgehen und aus Fehlern lernen, ohne in unserem Selbstwertgefühl gekränkt zu werden. Mit beständigen und liebevollen Beziehungen als Vorbilder lernen wir, wie wir mit Konflikten konstruktiv umgehen können. Und auch wenn unsere Wünsche nicht stets erfüllt werden, fühlen wir uns dennoch grundsätzlich gesehen und geachtet.
Hat uns als Kind eine solche Erfahrung gefehlt, so kann sich das Gefühl ausbreiten, nicht oder unzureichend geliebt, angenommen und beachtet worden zu sein. Wir wachsen mit einem nicht enden wollenden inneren Hunger nach Anerkennung und Liebe heran. Schon längst erwachsen, suchen wir immer noch nach der bedingungslosen Liebe, die wir damals vermissten. Doch suchen wir meist am falschen Ort. Wir erwarten die bedingungslose Liebe und Bestätigung von unserem Partner, unseren Vorgesetzten, unseren Freunden. Insgeheim hoffen wir, in ihnen die guten Väter und Mütter zu finden, die wir damals vermissten. Diese Beziehungen finden jedoch auf anderen Ebenen statt. Auf unserer Suche nach Heilung verwechseln wir die Beziehungsebenen und verstricken uns dementsprechend in unerfüllbare Ansprüche und Hoffnungen. Die Liebe eines Erwachsenen zu einem Kind lässt sich einfach nicht durch die Liebe zwischen Erwachsenen ersetzen.
Obendrein boykottieren wir die Suche nach Liebe durch abwertende Glaubenssätze bzw. die Überzeugung, wir seien es nicht wert, geliebt zu werden. Die unbewusste Ansicht, wir seien nicht richtig, wie wir sind, wir müssten erst perfekt sein, um liebenswert zu sein, stellt unlösbare Bedingungen an heutige Situationen. Entweder sind wir dann gezwungen, immer alles für jeden richtig zu machen, worin wir unweigerlich scheitern werden, oder der andere ist genötigt, alles gutzuheißen, was wir tun, weil wir sonst gekränkt reagieren. Auch das kann niemand über längere Zeit leisten und dabei ehrlich bleiben. Die Niederlage, die Zurückweisung sind vorprogrammiert. Am Ende erleben wir nur wieder die Bestätigung unserer Ansicht, dass wir doch nicht liebenswert sind. Wir drehen uns im Kreis.
Das ungeliebte innere Kind kann sich selbst nicht lieben, sich selbst nicht vertrauen. Es ist abhängig von der Zuwendung und Bestätigung anderer. Es lebt in der Angst, Fehler zu begehen, und wird darauf verzichten, eigenständige, unabhängige Wege zu gehen. Wenn wir als Erwachsene unser inneres Kind nicht kennen oder beachten, folgen wir den tiefen Impulsen des verletzten Kindes. Wir verhalten uns entsprechend angepasst oder suchen demonstrativ nach Aufmerksamkeit, um endlich gesehen zu werden. Allzu oft hat es den Kontakt zu seinen Wünschen und seiner Wahrheit verloren.
Wurden wir als Kind missbraucht, kommt hinzu, dass wir unserer eigenen Wahrnehmung nicht vertrauen. Dies ist ein schwerer Verlust. Diejenigen, die uns schützen und lieben sollten, haben uns nicht nur missachtet, sie haben direkt Gewalt ausgeübt. Die Grenzen, die wir als Kind spürten, wurden übertreten, und wir reden uns ein, das lieben zu müssen, was wir als schmerzvoll empfinden.
Viele Kinder überleben, indem sie bestimmte Erfahrungen und Emotionen aus Selbstschutz abspalten. Dadurch verliert das betreffende Kind den umfassenden Kontakt zu sich selbst, zu seinen Gefühlen und seinem Körper. So wird der Schmerz erträglich. Später bleiben die unterdrückten Gefühlsbereiche im Erwachsenen weiter ausgeklammert. Wir können unsere Gefühle, unsere Wut nicht spüren und zulassen, und unser Verhältnis zu unserem Körper ist gestört. Obendrein halten wir den Status quo für völlig normal. Es fällt uns gar nicht auf, dass etwas fehlt.
Kein Wunder also, dass sich die Störungen in unserem Leben fortsetzen. Manchmal führen sie zu schweren psychischen Leiden. Der US-amerikanische Psychotherapeut und Autor John Bradshaw nennt in seinem Buch »Das Kind in uns« Vertrauens- und Intimitätsprobleme, Süchte und Zwänge, undiszipliniertes, selbstbestrafendes Verhalten, Gewalttätigkeit, innere Leere sowie Co-Abhängigkeit, narzisstische Störungen, Wunderglaube und Denkstörungen als Folgen solcher Wunden aus der Kindheit. Die Liste ließe sich sicher ergänzen.
Nicht immer haben die Defizite aus der Kindheit solche starken Auswirkungen. Dennoch kann ein verletztes inneres Kind in uns schlummern. Es zeigt sich allein schon darin, wie schwer es vielen von uns fällt, sich selbst liebevoll und mitfühlend zu begegnen. Weitverbreitet ist ein ungeheurer Leistungsdruck und dass wir stets hohe Anforderungen und Erwartungen an uns selbst stellen. Unser Scheitern ist dabei meist schon vorprogrammiert, woraufhin sich die Spirale von Selbstabwertung, Selbsthass und Minderwertigkeitsgefühlen weiterdreht. Manche wiederholen das Muster, bis sie unter psychosomatischen Erkrankungen oder Depressionen zusammenbrechen.
Die teilweise gravierenden und erschütternden Missbrauchserfahrungen, denen manche Kinder ausgesetzt sind, reichen nicht aus, um das weitverbreitete gesellschaftliche Phänomen mangelnder Selbstwertschätzung und fehlenden Selbstmitgefühls zu erklären. Vielmehr treffen wir auf viele Gründe, die zu diesem Mangel führen und die wir inzwischen aufgrund der weiten Verbreitung häufig für normal halten.
Oft tragen wir ein verletztes inneres Kind in uns, ohne es zu wissen. Wir bemerken gar nicht, wie verletzt es ist, denn das, was es erfahren hat, war aus der Perspektive des Kindes normal. Demzufolge fühlen sich die daraus entwickelten Gefühle und Überzeugungen zwar schmerzvoll, aber »richtig« an. Wir stellen sie nicht infrage und übersehen das verletzte innere Kind. Wir können uns aber erst um dieses innere Kind kümmern, wenn wir beginnen, es zu bemerken. Daher möchte ich Ihnen einige Beispiele aus meinen Kursen erzählen, in denen Teilnehmende ihr verletztes inneres Kind entdeckten. Die Situationen, die zu dem Mangel an Selbstliebe und Selbstmitgefühl führten, sind ganz individuell, und dennoch können sie uns helfen, nach Parallelen in unserem Leben Ausschau zu halten. Schauen wir uns an, was Teilnehmende meiner Meditationskurse dazu berichten.
Tagtäglich begegnet mir in meiner Arbeit als Meditationslehrerin mit den Seminarteilnehmern und -teilnehmerinnen deren verletztes inneres Kind. Es zeigt sich zum Beispiel in der Art, wie an die Meditation herangegangen wird. Viele Teilnehmende strengen sich in der Meditation unglaublich an. Die Mehrzahl setzt sich dabei selbst Ziele, die weder genannt werden noch erreichbar sind. Sie meinen etwa, sie müssten während der Meditation ununterbrochen ihrem Atem folgen können. Sowie sie ihr »Scheitern« bemerken, beginnen sie an sich zu zweifeln. Selbstabwertende Gedanken, Selbstvorwürfe, Scham breiten sich aus.
Im Check-in-Gespräch frage ich in solchen Situationen die Menschen oft, ob sie diese Art des strengen Umgangs mit sich selbst auch in ihrem Alltag erleben. Bisher wurde die Frage immer bejaht. Sie erzählen, dass sie diese Strenge, dieses Sich-antreiben schon seit ihrer Kindheit gut kennen. Ihnen wird in der Meditation bewusst, wie mühevoll ihr Leben durch diese Härte sich selbst gegenüber ist.
Die Liebende-Güte-Meditation offenbart den Mangel an Selbstliebe besonders deutlich. Dabei geht es darum, eine grundlegend wohlwollende Haltung zu sich selbst wie auch anderen gegenüber zu entwickeln. Ungefähr die Hälfte aller Teilnehmenden begegnet dabei großen inneren Widerständen, wenn sie das Wohlwollen auf sich selbst richten sollen. Statt Liebe und Mitgefühl empfinden sie die Wucht ihrer Selbstablehnung und der Härte gegen sich selbst. Innere Stimmen verwehren ihnen Selbstliebe und Selbstmitgefühl und fordern Leistung und Optimierung; sie kritisieren und beschimpfen. Nicht selten berichten die Meditierenden, dass sie in den Vorwürfen sogar die Stimmen ihrer Eltern hören können.
Dabei wuchsen längst nicht alle diese Teilnehmer und Teilnehmerinnen in Familien auf, in denen schlimme Verhältnisse vorherrschten. Die Geschichten, die die Menschen erzählen, klingen vielmehr sehr normal.
Letzten Endes läuft es immer darauf hinaus, dass die Erfahrung fehlt, als menschliches Wesen, so wie wir sind, liebenswert zu sein. Diese Erfahrung brauchen wir, wie gesagt, in unserer frühen Kindheit. Daraus bildet sich das Urvertrauen in unseren Selbstwert, das durch kein Versagen, keine Enttäuschung und keine Ablehnung erschüttert werden kann.
»Keiner mag mich.« Diese Überzeugung entsteht, wenn wir uns als Kinder einfach nicht genügend geliebt fühlten. Verschiedenste Umstände können zu einer Störung oder Unterbrechung des Kontakts zwischen Kind und Eltern führen. Häufig höre ich von alleinerziehenden Müttern oder Vätern, die keine Zeit für ihre Kinder fanden. Andere berichten von Eltern, die den Großteil ihrer Energie und Zeit der Karriere widmeten, selten zu Hause waren und/oder sich nicht für ihre Kinder interessierten. Claudias Eltern hatten vier Kinder, dennoch wollten beide ihre Karriere nicht aufgeben. Der Vater arbeitete als Ingenieur in einer Führungsposition und kam abends stets sehr spät nach Hause. Die Mutter begann nach der Geburt des dritten Kindes ihre Doktorarbeit, und nach dem vierten Kind nahm sie eine Professur an. Leistung war alles, was in der Familie zählte. Beide Situationen sind weitverbreitet.
Darüber hinaus können tragische Schicksale, die den Kontakt zwischen Eltern und Kind beeinträchtigen, zu der inneren Überzeugung des Kindes führen, nicht geliebt zu werden. Manche Teilnehmenden meiner Meditationskurse berichten in den Gesprächen von ihrem schweren Start ins Leben, da sie zu früh geboren wurden. Wolfgang kam zum Beispiel viele Wochen zu früh auf die Welt. Lange Zeit lag er im Krankenhaus im Brutkasten. Ein Kontakt zu den Eltern war nicht möglich, und auch später empfand er, soweit er zurückdenken kann, den Kontakt zu ihnen als distanziert. In der Gruppe fällt er durch konsequentes Zuspätkommen auf. Provokant, aber ohne Böswilligkeit, fordert er Aufmerksamkeit von allen Seiten ein. Als ich ihm sein Verhalten spiegele, taucht plötzlich sein verletztes inneres Kind auf. Er spürt dessen Schmerz und Einsamkeit und die daraus stammende tiefe Sehnsucht, geliebt zu werden, mit der gleichzeitigen Überzeugung, dass es unmöglich ist. Tränen der Trauer beginnen zu fließen, was er als entlastend empfindet. Er beginnt sich zu beruhigen. Mit diesem Kontakt zu seinem inneren Jungen, der so lange einsam und verlassen war, beginnt ein heilsamer Prozess.
In einem anderen Fall kommt ein Geschwisterchen behindert zur Welt, mit der Folge, dass die Eltern nur noch wenig Zeit für ihr erstes Kind haben. So erging es Marion. In der Achtsamkeitsmeditation erlebt sie, wie wenig sie sich spüren kann, und in der Liebende-Güte-Meditation stößt sie gleich auf Selbsthass. Zustände von starker Zerstreutheit, Gefühllosigkeit wechseln in der Meditation mit abgrundtiefer Trauer und Einsamkeit ab. Wiederholt plagt sie der Zweifel, ob Meditation für sie geeignet sei, ob sie überhaupt meditiere, weil sie weder den Eindruck hat, den Anleitungen folgen zu können, noch dass ihre Ergebnisse jenen, von denen sie in den Vorträgen hört, in irgendeiner Form entsprächen.
Als wir im Gespräch gemeinsam nach dem Ursprung ihrer Überzeugung, nicht liebenswert zu sein, suchen, erzählt sie von ihrem Bruder, der kurz nach ihr schwerbehindert zur Welt kam. Noch heute kann sie ihm gegenüber keine Wärme empfinden, was sie sehr traurig stimmt. Sie würde gerne Mitgefühl spüren, und verstandesmäßig findet sie dies auch erstrebenswert. Doch innerlich ist sie blockiert, und das hat sich auf all ihre Beziehungen übertragen. Im Kontakt mit anderen empfindet sie nichts als dumpfe Leere. Dabei fällt sie in der Gruppe keineswegs auf. Sie wirkt angepasst, bemüht sich sehr, es allen recht zu machen, spricht mit den Menschen, als ob nichts sei. Ihr Verhalten ist vollkommen unauffällig, und wahrscheinlich bemerkten deshalb die Eltern den Schmerz ihrer Tochter nicht einmal.
Marion hat sich sehr früh von allen Gefühlen abgeschnitten und hat so auch den Kontakt zu ihrem Körper verloren. Ihr Prozess dauert viele Jahre, bis sie langsam lernt, die Trauer zu durchleben, ohne sich in den abwertenden Gedanken zu verstricken. Langsam kann sie akzeptieren, was geschehen ist, und kann ihr inneres Kind trösten, das so viel Einsamkeit erleben musste.
Andere wiederum hatten Eltern, die drogensüchtig, depressiv oder anderweitig psychisch krank und dadurch innerlich abwesend waren. Melanies Mutter litt an Schizophrenie und musste wiederholt lange Phasen in der Klinik verbringen. Kaum war die Mutter wieder aus der Klinik zurück, drehte sich alles nur um sie. Auch durfte sie nicht belastet werden, um einen neuerlichen Schub zu verhindern. Melanie lernte früh, auf ihre Mutter aufzupassen und sich selbst zurückzunehmen. Wurde ihre Mutter erneut krank, hatte sie das Gefühl, dass sie schuld daran sei.
Manche Eltern starben jung, andere trennten sich, sodass der Kontakt zu ihren Kindern litt oder abriss. Einige wiederum, die selbst Eltern sind, berichteten von ihrem schlechten Gewissen, ein Kind zu bevorzugen und es entgegen ihrer eigenen Überzeugung mehr zu lieben als ein anderes.
Keines dieser Ereignisse führt zwangsläufig zum Gefühl, nicht geliebt zu werden, oder zu starken Störungen. Es scheinen mehrere Faktoren zusammenkommen zu müssen, aber es sind solche Geschichten, die immer wieder als leidvoll erinnert und mir im Zusammenhang mit dem Gefühl, nicht liebenswert zu sein, genannt werden.
Fragen Sie sich selbst, behutsam und einfühlsam:
Haben Sie das Gefühl, als Kind nicht ausreichend gesehen, geliebt und beachtet worden zu sein?
Hatten Ihre Eltern ausreichend Zeit für Sie?
Wenn Sie möchten, nehmen Sie ein Bild von sich aus der Kindheit zur Hand. Steigen da beim Anschauen vornehmlich traurige Erinnerungen und Gefühle von Einsamkeit in Ihnen auf?
Wie gesagt, es gibt viele tragische Ereignisse, die ein solches Gefühl erzeugen können. Es muss nicht bedeuten, dass die Eltern Sie nicht wirklich liebten.
In der Achtsamkeitsmeditation wollen wir unsere Erfahrung nicht nur mit Klarheit wahrnehmen, sondern ihr auch mit Interesse begegnen. Regelmäßig werde ich gefragt, wie das denn gehe, sich einer Erfahrung interessiert zuzuwenden. Es ist, als hätten viele ihre natürliche Fähigkeit, sich für etwas zu interessieren und zu begeistern, verlernt.
Kleine Kinder dagegen lernen ganz ohne Druck. Sie lernen völlig natürlich, indem sie wissbegierig, neugierig und offen sind. Sie gehen auf alles zu, probieren aus, manche etwas zaghafter, andere draufgängerischer. Bei vielen Menschen gehen dieser natürliche Drang, etwas entdecken zu wollen, und die Offenheit für Neues im Lauf der Kindheit verloren. Zu hohe Erwartungen von außen und Leistungsdruck ersticken die Neugierde. Die Kinder bemühen sich vorrangig, die an sie gestellten Erwartungen zu erfüllen, statt ihrem Herzen zu folgen. Das setzen wir im Erwachsenenalter dann fort. Wir werden abhängig davon, dass etwas unsere Aufmerksamkeit ergreift, und vergessen, wie wir Interesse aus uns selbst heraus entfachen können. Unser Hauptaugenmerk ist auf das Ziel gerichtet, alles richtig zu machen. Wir orientieren uns im Außen.
Von jenen, denen die Fähigkeit, sich für etwas zu interessieren, fremd geworden ist, höre ich oft Geschichten, in denen deutlich wird, dass sie als Kinder nur dann Aufmerksamkeit und Zuneigung erfuhren, wenn sie die Vorstellungen und Erwartungen der Eltern erfüllten. Sie haben sich ganz auf die Linie ausgerichtet: »Wenn ich gut genug, brav genug bin, dann werde ich geliebt.« Bei vielen hat sich in der Kindheit die Überzeugung eingenistet, dass sie sich die Liebe ihrer Eltern erst verdienen müssen. Sie haben nicht erfahren, was es heißt, Liebe ohne Bedingungen geschenkt zu bekommen.
Gute Noten in der Schule, Interessen oder Hobbys, die den Vorstellungen der Eltern entsprachen, brachten die lang ersehnte Anerkennung. Abweichende Aktivitäten oder Wünsche wurden nicht wahrgenommen und schon gar nicht anerkannt oder begrüßt. Oft setzt sich diese Abhängigkeit weit ins Erwachsenenalter fort, denn eine den Vorstellungen der Eltern entsprechende Karriere oder Familiengründung sichert das elterliche Lob, während andere Lebensentwürfe kritisiert, belächelt oder abgelehnt werden. Viele berichten mir, wie sie ihr Leben nach den Vorstellungen ihrer Eltern gestalteten, um von ihnen anerkannt und gelobt zu werden.
Kinder verlieren über allzu große Vorgaben und Kritik seitens ihrer Bezugspersonen leicht den Kontakt zu ihren eigenen Wünschen. Die Neugier des Entdeckens und Erforschens, die jedes Kind mitbringt, erlischt. Sie wissen nicht mehr, was ihnen wirklich gefällt, was sie wirklich interessiert. Und falls sie noch eigene Wünsche und Vorstellungen verspüren, haben sie oft Angst, ihrem Herzen zu folgen. Sie verlieren die Fähigkeit, sich zu interessieren.