Heilige Offenbarung im Himalaya - Walter Babu Lüthi - E-Book

Heilige Offenbarung im Himalaya E-Book

Walter Babu Lüthi

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Beschreibung

Vierzig Jahre hat Ben intensiv nach Selbsterkenntnis gesucht. Immer wieder sucht er Gurus auf, in der Hoffnung nach Erfüllung seines Lebenswunsches. Er liest unzählige spirituelle Bücher. Auch praktiziert er anstrengende Übungen. Immer wieder mit dem Ergebnis, dass er am Schluss scheitert. Das was er sucht findet er einfach nicht. Es ist immer wieder eine schmerzhafte Erfahrung. Den Grund für das Scheitern sucht er bei sich selber. Die letzte verzweifelte Suche bringt ihn an den Rand eines körperlichen und psychischen Zusammenbruchs. Er sieht keinen Ausweg mehr. Wieder einmal mehr ist er total gescheitert. Er kann einfach nicht mehr. Seine Welt reduziert sich zu einem Häufchen Asche, zu einer finsteren Nacht. Sein Leben hat keinen Sinn mehr. Die Gedanken steuern auf einen Suizid zu. Wie ferngesteuert muss er an die Quelle des Ganges reisen. Nicht mehr wie früher als Pilger. Nein - es ist eine Reise in die majestätische Bergwelt, um wieder Boden unter die Füsse zu kriegen. Von Spiritualität will er nichts mehr wissen. Die ewige Suche nach diesem Etwas ist beendet - meint er jedenfalls. Auf seiner Reise an die Quelle wird er unerwartet mit verschiedenen Meistern und Heiligen zusammengebracht. Er sucht sie nicht. Sie werfen ihn mit der ultimativen Wahrheit auf sich selbst zurück und entziehen ihm damit die letzten fiktiven Strohhalme an die er sich klammert. Auch das letzte Häufchen Asche muss noch aufgegeben werden. Die grossen Meister und ihre Schüler im Himalaya behüten ihr heiliges Wissen. Nur wenigen Besuchern darf der Schleier der Unwissenheit gelüftet werden. Grundlegende Fragen des Seins und lange verborgene Geheimnisse werden Ben durch die heiligen Eremiten offenbart. Immer wieder erfolgen spontane Belehrungen oder Ben stellt Fragen auf die er all die Jahre nach Antworten suchte und nicht erhielt. Es dauert einige Zeit, bis er erfassen kann, was mit ihm in den hohen Bergen des Himalayas passiert. Immer mehr vergisst er, dass er eigentlich nichts mehr über Spiritualität wissen will. Der Leser wird mitgenommen auf diese aussergewöhnliche Reise zu sich selber. Das Leben von Ben wird an der Ganges Quelle in eine total unerwartete Richtung gelenkt. Ein autobiographischer Roman, der nicht zum Verstand, sondern direkt zum Herzen spricht, indem er uns an unsere tiefste innere Wirklichkeit erinnert.

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Seitenzahl: 402

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Für alle Menschen, die zur Suche der Wahrheit bestimmt sind und ihr Herz öffnen dürfen, um zu erkennen: Ich bin das Eine, ich bin frei.

Inhalt

Vorwort von Patric Pedrazzoli

Einführung

Der Absturz

Reflexionen

Erinnerungen an die Suche

Weg zur Quelle

Gangesquelle

Tapovan

Einweihung durch Amritananda

Desillusionierung

Zurück im Alltag

Eine Zusammenfassung

Nachwort

Danksagung

Personenregister

Vorwort von Patric Pedrazzoli

Der endlos Suchende, der nie findet

Bei unserer Geburt bekommen wir einiges an Ursprungskräften mit auf die Reise, etwa Lebensfreude, Glückseligkeit und enorm viel Energie. Im Lauf der Jahre verlieren wir diese oft immer mehr und mehr. Doch wo geht all das hin?

Dann versuchen wir alles wiederzufinden und begeben uns auf eine endlose Suche nach Glück und Lebensfreude. Wir suchen zuerst in materiellen Dingen wie Besitz und Geld, im Erfolg und auch in Beziehungen. Doch wir werden immer wieder enttäuscht, denn selbst wenn wir all diese Dinge erreichen, hält das Glücksgefühl nicht lange an. Selbst wenn wir all unsere Ziele, Wünsche und Träume erfüllt haben, bleibt das Glücksgefühl nicht dauerhaft bei uns. Warum ist das so?

Manche Menschen gehen dann noch tiefer, versuchen den Sinn des Lebens zu finden und entdecken den Weg in die Spiritualität. In diesem Kontext wird vieles praktiziert – Yoga, Meditation, Mentaltraining, Visualisierungen, Manifestieren und unzähliges mehr. Doch auch dort wird das dauerhafte Glück nicht gefunden, und das, obwohl die Glückseligkeit, Lebensfreude und unendliche Energie doch unser Geburtsrecht und grundsätzlich unser normaler Zustand sind. Nun … was ist geschehen, dass es so weit kommen konnte?

Viele Jahre suchte Babu nach der letzten Wahrheit, nach Befreiung. Er verirrte sich in alle möglichen Sackgassen und fand dabei nur Objekte, die nach kurzer Zeit ihren Glanz verloren. Die Folge war, dass er die Suche schlussendlich aufgab, was nötig war, um seine unerwartete Phönix-aus-der-Asche-Metamorphose zu bewirken. Erst die Erkenntnis, dass das Unauffindbare das Gesuchte ist, beendete die Suche schließlich.

Und wonach solltest du noch suchen? Wie kann etwas, das nicht auffindbar ist, erfahren werden? Es zeichnet sich ja gerade durch seine Nichterfahrbarkeit und Nichterkennbarkeit aus … Das Nichts, die Leere, die dabei empfunden wird, ist wertvoller als alles, was es auf der Welt an Erscheinungen gibt. Doch die Ich-Identifikation gaukelt uns vor, die Gefängnistüren wären verschlossen, obwohl sie in Wirklichkeit weit offen stehen. Dennoch suchen wir verzweifelt nach dem Schlüssel, um die Tür zu öffnen – die Tür, die längst offen steht. Unser wahres Sein, unsere Essenz ist ewige Freiheit. Was manifestiert wird, muss wieder vergehen. Was nie geboren wurde und nie gestorben ist, ist unsere wahre, ewige Essenz.

Wer bist du? Alles ist Brahman, Bewusstsein. Du bist Brahman, die Essenz, die ewig in allem ist … jedoch unsichtbar bleibt. Was mit den Sinnen wahrnehmbar ist, kann nicht die Essenz sein. Du bist es, worin alles erscheint. Du wirst benutzt wie ein Ball, von der Primärenergie hin- und hergeworfen während der Stürme des Lebens, denn sie ist es, die dieses Lila – dieses Spiel – spielt … entweder um sich selbst zu erkennen oder um vor sich selbst lebenslang verborgen zu bleiben.

Bei einigen indischen Pilgerstätten, die Babu besuchte, war ich selbst schon – daher kann sehr gut nachempfinden, was er insbesondere im Himalaya bei den Sadhus und Eremiten erlebte. Und so lade ich dich ein: Komm mit auf Babus spannende und erlösende Abenteuerreise, komm mit auf die Suche nach dem Unauffindbaren.

Durch tiefe innere Prozesse und ein Entdecken dessen, wer und was du nicht bist, wirst du zurück zu dir selbst finden. Gib dich dieser Geschichte voll und ganz hin und finde deine wahre Natur wieder, sodass du fortan ein glücklicheres und lebensfroheres Leben führen kannst.

Alles Liebe

Dein Patric

Einführung

Vierzig Jahre habe ich intensiv nach Erleuchtung gesucht, war bei verschiedenen Gurus, praktizierte anstrengende Sadhana1 – immer wieder mit dem Ergebnis, dass ich mich am Schluss fühlte, als wäre ich trotz aller Mühe gescheitert. Immer wieder die gleiche schmerzhafte Erfahrung. Der letzte verzweifelte Versuch brachte mich an den Rand eines körperlichen und psychischen Zusammenbruchs. Wieder gescheitert konnte ich einfach nicht mehr, sah keinen Ausweg mehr.

Wie fremdgesteuert reiste ich schließlich zur Quelle des Ganges, jedoch nicht mehr wie früher als Pilger … Nein, diesmal war es eine Reise, auf der ich schlicht den verlorenen Halt wiederfinden wollte. Von Spiritualität wollte ich nichts mehr wissen, als ich mich auf den Weg in die majestätische Bergwelt machte. Und dennoch – oder gerade deshalb? – wurde ich auf meiner Reise zur Quelle mit Meistern und Heiligen zusammengebracht, obwohl ich sie nicht gesucht hatte. Diese Gurus und Heiligen warfen mich mit ihrer ultimativen Wahrheit auf mich selbst zurück und entzogen mir damit die letzten Strohhalme, an die ich mich zu diesem Zeitpunkt noch klammerte.

Manchmal wiederholten sie sich, was rückblickend jedoch absolut notwendig war, damit ich mir die Weisheiten auch einprägte und sie nicht einfach überging. Sie sagten mir immer wieder: „Steter Tropfen höhlt den Stein“, wenn ich anmerkte, dass ich dies oder jenes schon mehrfach gehört hätte. Die Wahrheit ist im Prinzip einfach – es ist der Verstand, der aus dieser Einfachheit etwas Kompliziertes macht, weil vieles mit dem Verstand schlicht nicht erklärt werden kann.

Ich nehme dich in diesem Buch mit auf eine außergewöhnliche Reise. Mein Leben wurde an der Gangesquelle schließlich in eine absolut unerwartete Richtung gelenkt: Endlich wurde mir offenbart, wer ich bin … Oder besser gesagt: Endlich verstand ich, wer ich bin. Was ich mein Leben lang krampfhaft gesucht hatte, enthüllte sich mir am Ende in der Leichtigkeit weniger Augenblicke von selbst. Es geschah ganz einfach, was geschehen musste.

Die letztendliche Wahrheit – und das haben Ramana Maharshi, Nisargadatta Maharaj, Ramesh Balsekar, Werner Ablass sowie alle Weisen vor ihnen klar festgestellt – ist die, dass es weder Erschaffung noch Vernichtung, weder Geburt noch Tod, weder Schicksal noch einen freien Willen sowie weder einen Weg noch etwas Erreichbares gibt. Ich habe mich bemüht, die Perlen der Weisheit aufzufädeln, und hoffe sehr, dass ihre Wirkung und Wahrheit auch dein Leben bereichern, ja, vielleicht sogar verändern mögen.

Bevor es losgeht, möchte ich zum besseren Verständnis noch einige in diesem Buch häufig auftauchenden Begriffe erklären – ohne dieses Verständnis kann das, was ich erzählen möchte, leicht missverstanden werden.

Gott

Dieses Wort nutze ich, um auf „Das“ hinzudeuten, was man sich nicht vorstellen kann und was somit jenseits des Verstand-Intellekts liegt. Gott ist kein Objekt und hat keine Eigenschaften. Alles jenseits des Verstands, alles, das man sich somit nicht vorstellen kann, bezeichne ich hier als Gott – zusammen mit vielen anderen Begriffen, wie zum Beispiel Bewusstsein, Brahman, Subjekt, Quelle, Noumenon, Liebe, Realität, Wahrheit, Absolutes, Essenz, Existenz, Leere, Selbst, ursprüngliche Energie usw. Gott ist einfach diese nicht fassbare Energie. Ja, im Theismus ist Gott ein Objekt und eine Einheit mit gewissen Eigenschaften, wie zum Beispiel Allgegenwärtigkeit, Allwissen, Gnade usw. Der Glaube an einen personalen Schöpfergott, der richtet, straft und belohnt, ist aber meiner Meinung nach eine falsche und irreführende Interpretation.

geschieht

Dieses Wort steht für ein Ereignis, das einfach so eintritt, ohne dass irgendjemand etwas dafür getan hat. „Geschehen“ ist spontan und ohne Absicht oder Willen, auch wenn es sonst eine Serie von Ereignissen zu geben scheint – Ursachen und Wirkungen, die wiederum zu etwas führen, das dann „einfach geschieht“.

Bewusstsein

Es gibt nichts außer Bewusstsein – keinen Handelnden, keinen Suchenden, keinen Entscheider. Jedoch gibt es Handlungen, Suche, Entscheidungen; all das ist die unpersönliche Bewegung des Bewusstseins-in-Bewegung, die der Manifestation den Anschein gibt, real zu sein. Beispielsweise betrachtet das Ego-Ich – das Gefühl persönlicher Täterschaft – etwas als seinen höchstpersönlich eingeleiteten Ablauf, obwohl es doch immer nur der unpersönliche Ablauf des Bewusstseins durch das Körper-Geist-System ist.

Objekt

Das Objekt ist die gesamte Manifestation, etwa das Körper-Geist-System sowie alle Erscheinungen in unserer Wahrnehmung. Was du wirklich bist, ist kein Objekt, sondern die Essenz, das Subjekt. Nur durch Objekte kann sich das Subjekt selbst wahrnehmen.

Subjekt

Das Subjekt ist unsichtbar, nicht wahrnehmbar. Es ist Quelle, Essenz, Existenz, Bewusstsein, Liebe, Leere, Nichts, Gott, Brahman. Das Subjekt an sich ist sich selbst nicht bewusst (Bewusstsein in Ruhe) – erst in der Erscheinung als Objekt kann sich das Subjekt im Objekt bewusstwerden (Bewusstsein in Bewegung).

Persönliches Selbst, Ego-Ich, Ego-Verstand

Dies ist die illusorische Vorstellung eines Individuums als unabhängige Wesenheit, die sich mit dem Körper-Geist-System identifiziert. Es ist das Gefühl persönlicher Täterschaft, das sich als Handelnden, als jemanden mit denkendem Verstand, einem Namen und einer Form identifiziert. Das Ego, das Ich, ist die irrtümliche Überzeugung, Täter, Denker und Entscheider zu sein. Auch der Weise hat ein Ego-Ich, eine Form und ein Körper-Geist-System, jedoch identifiziert er sich nicht damit und hat nicht das Gefühl, Täter, Denker oder Entscheider zu sein.

Als ich den Impuls verspürte, dieses Buch zu schreiben, empfand ich eine große Freude und Energie. Die Ideen, Erinnerungen und dazugehörenden Gefühle waren plötzlich wieder sehr präsent, und so schrieben sich die Worte einfach. Worte sind Hinweise auf etwas, das in den Worten selbst nicht zu finden ist. Kein Wort offenbart seinen Sinn, wenn man sich an ihm festhalten will.

Ich wünsche dir, dass die Liebe, Weisheit und Kraft dieses Buchs dein Innerstes berühren dürfen und dich so auf deinen Weg zur Auflösung aller Wege führen, zur Quelle, ins unendliche Nicht-Sein, das gleichzeitig das Alles ist.

Walter Babu im März 2023

1 spirituelle Praktiken, um ein bestimmtes geistiges Ziel zu erreichen

Der Absturz

Es ist ein sehr unangenehmes Gefühl, nachts im dichten Schneetreiben auf stark vereister Straße zu fahren, während man nicht weiß, ob man das Auto die nächste Kurve noch schadlos übersteht. Wenn der Straßenverlauf voller Hügel ist und man immer wieder an denselben markanten Punkten vorbeifährt, weil man wegen der miserablen Sicht immer wieder die entscheidende Abzweigung verpasst und im Kreis fährt. Wenn dann noch die Zeit drängt und irgendwann vor Erschöpfung die Konzentration nachlässt, muss ja etwas passieren, einfach weil es gar nicht mehr anders möglich ist. Man crasht in die Leitplanke, das Auto wird aufs Dach geschleudert, die Räder drehen sich noch in der Luft, und dann wird es still …

So fühle ich mich im Jahr 2020, als ich mir meinen spirituellen Weg ansehe – wie jemand, der von einer vereisten Straße abgekommen ist, ohne dem selbst gesteckten Ziel, der Erleuchtung, jemals näher gekommen zu sein. Als wären all die verbissenen Anstrengungen von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen. Ich hatte all die vor meine Nase gehängten Mohrrüben für erstrebenswert und vor allem erreichbar gehalten – welch ein Irrtum!

Und so sitze ich nun ohne jegliche Perspektive in einem Flugzeug. Warum ich in meinem Zustand nach Indien – ein letztes Mal zur Quelle des Ganges – reisen will, ist mir selbst ein Rätsel. Hat sich diesmal einfach so ergeben, wie von Geisterhand geführt. Im Gegensatz zu den vielen Indien-Pilgerreisen, die ich bisher unternahm, um Erleuchtung zu erfahren, habe ich nun kein spirituelles Ziel mehr. Es ist vielmehr ein verzweifelter Versuch, wieder Boden unter meine Füße zu kriegen. Ich liebe die Einsamkeit und Reinheit des Himalayas – das ist auch schon alles. Sonst erwarte ich gar nichts mehr. Die Boeing 777 ist vor ein paar Minuten in Zürich gestartet, in etwa acht Stunden werden wir Neu-Delhi erreichen.

Es ist schon verrückt, in diesem orientierungslosen, psychisch völlig desolaten Zustand allein nach Indien zu reisen, zumal dieses Land im Moment täglich sehr hohe Corona-Neuansteckungen meldet. Klar, ich bin dreifach geimpft, aber trotzdem … schließlich bin ich nicht mehr der Jüngste. Das aktive Berufsleben liegt hinter mir, ich bin nicht mehr weit von der Siebzig entfernt. Ein indienerfahrener Reisender sagte mir mal: „Ben, um nach Indien zu reisen musst du psychisch stabil sein, sonst ist es gefährlich. Das Reisen kann sehr anstrengend sein – das Essen, die Armut und die Gesundheitsrisiken sind nicht zu unterschätzen.“ Das war vor über fünfundvierzig Jahren, ist heute jedoch nicht so viel anders, auch wenn sich Indien in den großen Städten rasant weiterentwickelt. Das sorgt zugleich dafür, dass die Unterschiede zwischen Arm, Reich und Mittelstand immer größer werden.

Ich hatte aber keine Wahl, habe mir mein Reiseziel nicht ausgesucht – es war vielmehr plötzlich sonnenklar in meinem Kopf: Geh zur Gangesquelle! Die Alternative wäre gewesen, mich umzubringen, jedoch war dies nur scheinbar eine Möglichkeit, denn Ersteres wurde zum eindringlichen Befehl: Geh jetzt zur Quelle!

Meine Frau Amari wollte unter keinen Umständen mitkommen. Sie sagte: „Da musst du ganz allein durch – ich kann dir da nicht mehr helfen.“

Das hier ist der Schluss meiner lebenslangen sinnlosen Suche nach dem Nirwana, nach der Glückseligkeit, die ich nie fand, dieser Suche, die mich immer und immer wieder enttäuschte. Ich höre selbst sagen: „Ja, Ben, diese Reise dient keiner Suche mehr … Es ist vorbei … Die ganzen esoterischen, spirituellen und heiligen Gründe für eine Pilgerreise sind belanglos geworden. Vielleicht ist das hier die bedeutendste Reise meines Lebens – eine Reise ohne Grund, eine, auf der nichts gefunden werden muss, weil nie etwas gefunden werden konnte. Du machst nur noch eine Reise in deine geliebten Berge. Ach, wie schön, so ohne höheres Ziel vor Augen … Da kann alles losgelassen werden. Ist das so befreiend … “In diesem Moment fühle ich mich seit langem mal wieder ganz leicht, kann geschehen lassen, was geschehen soll. So rütteln mich die leichten Turbulenzen in eine angenehm schläfrige Schwere. Das Flugzeug ist nur zu einem Drittel besetzt – das Coronavirus hält die Menschen vom Reisen ab, zu groß ist die Angst vor Ansteckung … Vielleicht liegt es auch am Prozedere mit den Tests, den Formalitäten und an der Ungewissheit, ob eine Rückreise möglich sein wird. Egal - jedenfalls habe ich so vier Sitze für mich allein.

Reflexionen

Allmählich tauchen in meinem Kopf Stationen meines Lebens auf. Ich wurde in eine christliche Familie geboren, die einer Freikirche angehörte. So wurde ich früh mit der christlichen Lehre und ihren die Anhänger einengenden Zwängen und Lügen konfrontiert. Schon in frühester Kindheit hatte ich Mühe mit der Auslegung dieser Religion – zu viel war nur Fassade ohne Substanz. Dementsprechend war da wie ein natürlicher Widerstand. In meiner Jugend interessierten mich unter anderem Mahatma Gandhi, Tolstoi, Hermann Hesse und Paul Brunton, ein Schüler von Ramana Maharshi. Bei meinem ersten Indienbesuch 1973 sagte mir ein Weiser: „Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom.“ Ich lehnte es mein Leben lang ab, mit dem Strom zu schwimmen, weshalb es manchmal nicht ganz leicht war. Oft war ich deswegen ein Einzelgänger, aber ich musste einfach meinem vorgegebenen Lebensplan folgen.

Mit fünfundzwanzig wurde ich zum verbissenen Langstreckenläufer. Ich kannte damals nur das Alles-oder-Nichts-Prinzip, und so drehte sich für mich zehn Jahre lang alles um Trainings, Wettkämpfe und Ernährung. Mein Trainingsaufwand betrug wöchentlich bis 170 Kilometer; tagtägliches Training. Meine Frau Amari unterstützte mich da sehr, war selber Läuferin. Nach Klassierungen auf den ersten zehn Rängen bei Wettkämpfen, auch bei Schweizer Meisterschaften, war ich motiviert, noch optimaler zu trainieren. Es gab Langstreckenwettkämpfe, die bis zu acht Stunden dauerten, auch durch die Berge. Die stundenlange Bewegung in der Einsamkeit der Natur … das wurde zu einer regelrechten Sucht. Meine Persönlichkeit ist so gestrickt, dass ich bei allem, was ich mache, hundert Prozent gebe, womit der Laufsport schnell zum verbissenen Zwang wurde. In dieser Zeit lernte ich die spirituelle Lehre von Sri Chinmoy, der selbst Langstreckenläufer war, kennen, begann zu meditieren und kam wieder stärker mit meiner spirituellen Seite in Kontakt, die mich zum Weitersuchen zwang.

Langstreckenlauf hat sehr viel mit Bewusstwerdung zu tun. Ein Marathonlauf ist wie ein Leben im Schnellverfahren: Freud und Leid liegen sehr nah beieinander. Ein Läufer ist ganz auf sich allein angewiesen. Es war immer wieder verblüffend, wie sich Probleme aus meinem Alltagsleben während des Laufens in nichts aufzulösen schienen. Während des Laufens konnten sich die Prioritäten total verschieben. Was wichtig war, wurde plötzlich total unwichtig. Der gleichmäßige Schritt und das rhythmische Atmen versetzten meinen Körper in eine Art Trancezustand. Zum Teil geschah dies natürlich auch durch die bei Schmerzen oder extremen Leistungen ausgeschütteten Endorphine, das Noradrenalin und das Serotonin, was das sogenannte Runner’s High bewirken kann. Letztlich musste ich den Laufsport aus gesundheitlichen Gründen – die Überlastung von Rücken und Gelenken – an den Nagel hängen. Das intensive Training und die Wettkämpfe hatten meinen Körper völlig ausgelaugt. In der Rückschau kann ich sagen: Ja, ich habe viel zu viel von meinem Körper verlangt.

Meine Erinnerung springt zu dem Moment, als ich im Alter von einundzwanzig Jahren meine erste Weltreise unternahm – ich war neun Monate lang unterwegs und erfüllte mir damit einen Kindheitstraum. Diese Reise führte mich durch Asien, Australien und die USA … vor allem die Konfrontation mit der Armut war für mich manchmal nicht einfach.

1977 lernte ich meine Frau Amari kennen. Wir arbeiteten im selben Betrieb, einem Rüstungskonzern. Es war der Beginn einer lebenslangen Partnerschaft, mit all den unvermeidlichen Höhen und Tiefen. Später haben wir auf einer ganz kleinen Insel auf den Seychellen geheiratet. Ich denke, dass das gemeinsame Interesse an der Spiritualität die Klammer war, die uns immer zusammenhielt. Amari und ich unternahmen unzählige Reisen auf allen Kontinenten. Immer wieder auf der rastlosen Suche nach Antworten auf meine grundlegenden Lebensfragen: Woher komme ich? Wer bin ich? Wohin gehe ich einmal? Was ist der Sinn des Lebens? Warum gibt es so viel Leid auf dieser Erde? Sicher war es manchmal eine Flucht vor dem Alltag, oft trieb mich aber auch einfach eine sehr große Neugier, Unbekanntes kennenzulernen – alte Kulturen, wilde Tiere oder auch landschaftliche Sehenswürdigkeiten. Es gibt so viel Schönes und Faszinierendes auf dieser Erde, wie zum Beispiel Machu Picchu in Peru – ein altes Heiligtum der Inka –, oder die atemberaubende 460 Kilometer lange Fahrt mit der Schmalspurbahn in Ecuador – von 3.600 Metern Höhe hinunter auf nur noch fünf Meter über dem Meeresspiegel. Aber auch die traumhaften Landschaften in Neuseeland, auf den Seychellen und auf Bali, die Garten- und Tempelanlagen in Japan und Korea, die Nationalparks in Kenia, in Südafrika, im Westen der USA sowie in Kanada und noch vieles, vieles mehr.

Vor allem während der vielen Indienreisen kamen wir immer wieder mit Spiritualität in Kontakt. Wir besuchten unzählige Tempel und Moscheen, zum Teil Jahrtausende alte heilige Stätten. Es führte uns immer wieder in andere Teile des Landes. Oft waren wir mit dem Auto oder der Bahn unterwegs – so hatten wir die Gelegenheit, dem alltäglichen Leben sehr nah zu sein, was manchmal auch anstrengend war. Nehru, Indiens erster Ministerpräsident, sagte es einmal sehr treffend: „Indien umfasst alles, was widerlich ist, aber auch alles, was nobel ist.“

Auf den Reisen erwarb ich immer wieder kunsthandwerkliche Gegenstände … etliche darunter infolge mangelnder Sensibilität, wie verschiedene Elfenbeinschnitzereien. Diese Sammlerobjekte hätte ich zu einem späteren Zeitpunkt mit Sicherheit nicht mehr gekauft. Die meisten Gegenstände hatten jedoch einen Bezug zur Spiritualität – Skulpturen von verschiedenen Gottheiten, bestehend aus unterschiedlichen Materialien. Auch Thangkas2 aus Tibet und Ladakh gehörten zu meiner Sammlung. In das Aussuchen all dieser Kunsthandwerke und Antiquitäten und das darum Feilschen investierte ich viel Zeit. In späteren Jahren kam ich zu dem Entschluss, dass ich mich von den meisten dieser Gegenstände trennen wollte, und stellte fest, dass es nicht so einfach war, diese Sachen wieder loszuwerden. Das führte mir vor Augen, wie Materielles einen binden kann. Warum hat der Mensch überhaupt den Drang, zu besitzen, was ihm gefällt? Irgendwann müssen wir ja doch alles hier auf Erden zurücklassen – dieser Zeitpunkt kommt für jeden von uns. Wie viel Freiraum und Freiheit erschaffen wir uns, wenn wir aus tiefstem Herzen sagen können: „Ich erfreue mich all der tausend Dinge, aber in dem Wissen, dass ich sie dafür nicht besitzen muss“?

Wir Menschen zahlen für unseren Wohlstand einen sehr hohen Preis und nehmen dafür den Verlust von Menschlichkeit und Gesundheit in Kauf. Der ehemalige Premierminister von Indien, Vajpayee, sagte 1999: „Heute gilt alles der Schaffung von materiellem Gewinn, sogar auf Kosten von Gesundheit und menschlichem Glück. Auch wenn einige Länder materiell florieren, hat sich doch die Lebensqualität generell verschlechtert. Dies geschah auch in Indien. In den vergangenen hundert Jahren hat unser materieller Komfort tausendfach zugenommen. Damit haben sich aber auch innerer Stress und Sorgen enorm vervielfacht.“

2 Rollbilder des tantrischen Buddhismus, auf denen Buddhas, Bodhisattvas, Schutzgottheiten, Lamas oder Asketen abgebildet sind. Sie werden nach genau definierten Regeln auf Leinen oder Seide gemalt und zur Unterstützung der Meditation in Tempeln oder über Hausaltären aufgehängt. Besonders verbreitet sind sie in Tibet, Nepal und Nordindien.

Erinnerungen an die Suche

Das Nachtmahl ist verspeist und das Essgeschirr abgeräumt. Der Flug ist ruhig, draußen herrscht längst stockdunkle Nacht. Nach der Mahlzeit macht sich meine Müdigkeit bemerkbar – Zeit zum Schlafen. So lege ich mich hin und ziehe den braun-beigen indischen Rohseidenschal über mich, den ich auf Reisen immer bei mir habe und … mein Schlafversuch scheitert. In meinem Kopf steigen weitere Erinnerungen an meinen spirituellen Weg auf, der mir über Jahrzehnte so wichtig, ja, mein Lebensinhalt war. Es war die Sehnsucht nach absoluter Glückseligkeit, die mich immer wieder neu antrieb. Erst kürzlich las ich einen Artikel über die Jagd nach Glück, dem ich nur zustimmen konnte. „Was jedoch sicher unglücklich macht, ist ein übereifriges Streben nach Glück“, stand da. Zu diesem Schluss seien Wissenschaftler der University of Toronto gekommen. „Auf der Jagd nach Glück scheint Zeit zu verschwinden, wenn Glück als Ziel betrachtet wird, das stetige Anstrengung erfordert. Die Ergebnisse untermauern die wachsende Zahl von Arbeiten, die nahelegen, dass die Suche nach Glück ironischerweise auf Kosten der Zufriedenheit geht.“

Anders gesagt: Man wird wohl nie ganz so glücklich, wie man es gerne wäre, arbeitet sich aber an der Sehnsucht danach auf. Die Wissenschaftler rieten: „Erfolgreicher könnten Interventionen sein, die den Leuten einfach mehr Zeit verschaffen und damit im Gegenzug mehr Wohlbefinden. Man könnte sich also auch einfach mal als schon ziemlich glücklich betrachten und sich wieder etwas entspannen.“

Auf die spirituelle Suche nach Erleuchtung und Glückseligkeit bezogen ist die ganze anstrengende Sucherei somit sinnlos, ja, sogar nachteilig – was ich anhand meiner diesbezüglichen Erfahrungen nur bestätigen kann. Eigentlich eine bittere Erkenntnis, nach jahrzehntelanger anstrengender Suche …

Als ich fünfundzwanzig Jahre alt war, fand ich meinen ersten Meister – Paramahansa Yogananda. Er war der erste große Meister Indiens, der lange Zeit im Westen lebte und lehrte. Im Jahr 1920 wurde er von seinem geistigen Lehrer Sri Yukteswar nach Amerika gesandt, um den Wahrheitssuchern die befreiende Wissenschaft des Kriya-Yoga zugänglich zu machen. Ich wurde auf ihn aufmerksam, als in einem Berner Kaufhaus ein Sonderverkauf mit Waren aus Indien stattfand. Unter den wenigen angebotenen Büchern befand sich „Autobiographie eines Yogi“. Ich kaufte das Buch, und nachdem ich es mit Interesse gelesen hatte, vertiefte ich mich intensiv in das Studium von Yoganandas Lehre. Zwei Jahre lang nahm ich an einem Kurs teil, um mich spirituell weiterzuentwickeln. Dabei erhielt ich von ihm alle zwei Wochen neue Lehrbriefe mit Aufgaben, die nach einem bestimmten Vorgehen abgearbeitet werden sollten. Periodisch musste ich die Aufgaben dann zur Kontrolle in den Ashram nach Los Angeles schicken. Doch schließlich wurde mir diese Lehre zu eng und ich ging weiter auf meinem Weg der Suche. Erst Jahre später erkannte ich, dass Yoganandas Konzept dem des Christentums ähnlich ist, das ich in meiner Kindheit so abgelehnt hatte.

1973 war ich in Benares in Indien – heute heißt diese Stadt Varanasi. Varanasi gilt als Stadt des Gottes Shiva Vishwanath und als eine der heiligsten Stätten des Hinduismus. Seit mehr als 2.500 Jahren pilgern Gläubige in die Stadt, die zudem ein Zentrum traditioneller hinduistischer Kultur und Wissenschaft ist. Entlang des Ganges ziehen sich über Kilometer hinweg stufenartige Uferbefestigungen, sogenannte Ghats. Viele Gläubige baden im Wasser des für sie heiligen Flusses, was von Sünden reinigen soll, während wenige Meter entfernt am Ufer die Leichen der Verstorbenen verbrannt werden. Die Asche wird anschließend ins Wasser gestreut. In Varanasi zu sterben und verbrannt zu werden bewirkt der hinduistischen Mythologie zufolge den Ausbruch aus dem ständigen Kreislauf der Wiedergeburten und gilt daher als besonderes erstrebenswert.

Ich kam nach einem Bad im Ganges über die Stufen zurück ans Ufer, da rief mich ein auffallend schöner, junger Yogi mit nacktem Oberkörper zu sich. Er saß im Lotussitz ganz allein auf einer der vielen Plattformen und machte eine Puja – ein heiliges Ritual. Der Blick aus seinen Augen traf mich wie ein Blitzschlag. Noch nie hatte ich einen Menschen mit einer dermaßen umwerfenden Ausstrahlung gesehen. Er sprach mich mit dem Namen Shambhu an und segnete mich. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt schon viele Begegnungen mit Sadhus3 gehabt, diese war jedoch außergewöhnlich, raubte mir nahezu den Verstand. Ich ging zurück ans Gangesufer, setzte mich und meditierte. Lange. Es müssen Stunden gewesen sein. Einfach weil ich nicht mehr fähig war, etwas anderes zu tun. Und als ich es endlich schaffte, wieder aufzustehen, weil ich noch einmal zu diesem einzigarten Sadhu gehen wollte, um ihn zu fragen, wer er sei, war er weg.

Als ich einige Monate später wieder zu Hause war, sah ich in einer esoterischen Buchhandlung in Bern das Bild eines Sadhus, das mich wie magisch anzog. Als ich nähertrat, konnte es nicht glauben – es war der Sadhu, der mich auf den Stufen am Ganges zu sich gerufen und gesegnet hatte. Sein Name war Haidakhan Babaji und das Bild hängt noch heute in meinem Arbeitszimmer.

Um sich auf Gott zu konzentrieren lehrte Babaji das Wiederholen des Mantras „Om Namah Shivaya“. Das ist ein Sanskritgebet, das „Ich verbeuge mich vor Shiva, Shiva ist die höchste Wirklichkeit, das innere Selbst. Shiva ist das Bewusstsein, das allem innewohnt“ bedeutet oder auch einfach nur „Dein Wille geschehe“. Dieses Mantra – das sogenannte Panchaksharamantra – ist uralt und wird von indischen wie von westlichen Meistern gleichermaßen gelehrt, um das höchste Selbst, das Ich-Bin im eigenen Inneren zu finden. Das Wiederholen des Mantras gilt als Weg zur Einheit und zur Vereinigung mit der höchsten göttlichen Essenz, die allem innewohnt. Mit dieser Lehre beschäftigte ich mich längere Zeit und stieß dabei auch auf das Buch „Der Kurs zum Selbst“ von Roger Lanphear, einem Schüler von Babaji. Ich arbeitete diesen vom Autor gechannelten, auf sechs Monate ausgelegten Kurs durch und war beeindruckt ob seiner Einfachheit. Er führt sehr behutsam zu vollkommenem Selbst-Vertrauen und Bewusstsein des eigenen Höheren Selbst. Babaji, der erleuchtete Meister aus dem Himalaya, war ein wichtiger Marker auf meinem Lebensweg und erschien mir noch viele Jahre nach Verlassen seines Körpers ungerufen in Visionen, wobei er mir sehr wertvolle Anweisungen und Hinweise gab. So kam es vor, dass ich sah, wie sich Babaji in Shiva und wieder zurück in Babaji verwandelte, und Shiva gewährte mir auch Einblick in mehrere für mich aus spiritueller Sicht nicht unwesentliche Leben, die sich vor zwei- bis dreitausend Jahren in Indien abgespielt hatten. Ich sah, wer ich in meinen früheren Leben in Indien gewesen war, und ich sah auch Amari, die schon damals meine Frau gewesen war. Ich war eine bekannte Persönlichkeit und es war kein leichtes Leben gewesen. Später erfuhr ich aus Büchern, dass mich meine damaligen Freunde auch Shambhu genannt hatten – genau wie Babaji am Gangesufer.

Seine einfache Botschaft gefiel mir. „Gott ist überall, in allem, im Wasser, im Himmel … er ist in dir.“ Dreißig Jahre später fand zufällig eine Rudraksha-Perle4 aus einer von Babajis Malas5 zu mir. Er war immer wieder präsent gewesen in meinem Leben, wie ein roter Faden, der sich immer wieder gezeigt hatte, während sich mein Lebensteppich weiterknüpfte … oder besser gesagt, während die Suche nach Antworten auf meine Lebensfragen weitergegangen war, ohne schlüssige Antworten zu liefern.

Genauso fielen mir immer wieder Bücher von Sathya Sai Baba in die Hände. Dieser heilige Mann mit dem Wuschelhaar sprach mich von der äußeren Erscheinung her nie besonders an, doch seine Anhänger betrachteten ihn als göttliche Inkarnation. Man sagte von ihm, er besitze viele Siddhis6, und seine Wundertaten wurden von vielen bezeugt. Sie erstrecken sich von Krankenheilung und Hilfe in Notsituationen über Gedankenlesen bis hin zur Materialisation verschiedenster Dinge wie etwa Ringe mit Edelsteinen, Halsketten, Statuen von Gottheiten, Uhren … ja, selbst Tote sollte er wieder zum Leben erweckt haben.

Diese Materialisationen bezeichnete er als seine Visitenkarte, um den Glauben der Menschen zu wecken oder weiter zu stärken. Das machte mich neugierig, und ich wollte mehr über das Leben und die Lehre dieses Mannes wissen. Ich las viele, viele Bücher, und der Wunsch, diesem außergewöhnlichen Heiligen zu begegnen, wurde immer stärker, sodass ich im Jahr 1987 zusammen mit Amari nach Bangalore in Südindien flog. Ein paar Tage nach unserer Ankunft organisierte ich uns für morgens um drei Uhr ein Taxi, um zum morgendlichen Darshan7 um sieben Uhr im Ashram Prasanthi Nilayam, was „Wohnsitz des höchsten Friedens“ bedeutet, zu sein. Die rund 180 Kilometer lange Fahrt von Bangalore nach Puttaparthi dauerte in den frühen Morgenstunden, also wenn noch kein starker Verkehr herrschte, etwa dreieinhalb Stunden. Puttaparthi ist ein abgelegenes kleines Bauerndorf in einer kargen Landschaft. Als wir uns endlich dem Torbogen am Dorfeingang näherten, erblickte ich bereits die großen, hellen Gebäude des Ashrams und der Sai Universität.

Auf dem Ashramgelände mussten wir uns dann – nach Hindusitte Frauen und Männer getrennt – „anleinen“. Das heißt, es wurden Kolonnen gebildet und jeweils die vorderste Person einer Kolonne durfte eine Nummer ziehen. Diese Nummer galt der ganzen Kolonne und entschied, in welcher Reihenfolge der Platz betreten werden durfte, um am Darshan teilzunehmen. Meine Kolonne erhielt die Nummer eins, was großes Glück bedeutete – es gab Anhänger, die Monate oder gar Jahre darauf warten, in dieser bevorzugten Kolonne zu sein. Da wir den Darshanplatz also zuerst betreten durften, hätte ich die Gelegenheit gehabt, mich ganz vorn hinzusetzen, doch bei diesem Gedanken war mir dann doch ein bisschen zu seltsam zumute. Einem so machtvollen Menschen so nah gegenüberzusitzen … zudem hatte ich ja keine Ahnung, wie so ein Darshan eigentlich ablief. So setzte ich mich in die zweite Reihe auf der Männerseite – die der Frauen befand sich gegenüber.

Musiker spielten religiöse indische Lieder, sogenannte Bhajans, und die wartenden Besucher stimmten mit Gesang ein. Ich war sehr nervös und mochte eigentlich gar nicht mehr länger warten. Es schien bereits eine Ewigkeit zu dauern, als Sai Baba in einer bodenlangen orangefarbenen Robe ganz langsam von hinten zu uns kam. Er war von kleinem Wuchs und dazu noch sehr zierlich, wirkte aber sehr machtvoll und majestätisch. Immer wieder hielt er an, um Menschen zu segnen. Einer Gruppe rechts von mir materialisierte er Vibhuti, heilige Asche, indem er mit der rechten Hand einige schnelle kreisende und mit den Fingern zwickende Bewegungen machte, aus denen anschließend einfach die Vibhuti rieselte. Er kam immer näher, bis er schließlich genau vor mir stehen blieb und mich ansah. Plötzlich erfasste mich eine Welle der bedingungslosen Liebe und des Friedens, wie ich sie noch nie erlebt hatte.

Während der Bhajans saß Sai Baba einfach nur schweigsam da. Erst nach einiger Zeit stand er wieder auf und machte nochmals einen Rundgang, wobei er die Anwesenden mit der für ihn typischen Handbewegung segnete und immer wieder Briefe mit Bitten oder Danksagungen entgegennahm. Dabei beachtete er aber nicht alle Briefe, die ihm entgegengestreckt wurden. Er kam langsam wieder in meine Nähe, blieb noch einmal direkt vor mir stehen und sah mir einfach nur in die Augen. Mir rannen die Tränen nur so über die Wangen, ich glaubte im Himmel zu sein. Diese Ausstrahlung von Liebe und Ruhe berührte mich zutiefst.

Während dieses ersten Darshans machte ich einige Fotos, doch nach dem Entwickeln stellte ich fest, dass sie teils verschwommen waren und helle Stellen aufwiesen. Einige Jahre später, als ich mir die Bilder wieder einmal anschaute, fiel mir auf, dass auf einem Bild ein Brief als Lichterscheinung in der Luft schwebt und die fünf ausgestreckten Finger von Sai Babas rechter Hand danach zu greifen scheinen. Dabei sind seine Fingerspitzen ebenfalls als Lichterscheinung etwa zwei Meter von seiner Hand entfernt zu sehen.

Während unserer Zeit im Ashram bekamen wir noch mehrmals die Gelegenheit, von Sathya Sai Baba Darshan zu erhalten, auch in seinem Ashram in Whitefield. Erst viel später wurde mir bewusst, welches Glück wir gehabt hatten, ihm in einer Zeit begegnet zu sein, als er noch von so wenigen Menschen aufgesucht worden war. In späteren Jahren kamen dann bis zu 15.000 Anhänger zum Darshan, an seinem Geburtstag und anderen Feiertagen sogar über hunderttausend Menschen. Sai Baba sagte seinen ersten Anhängern oft, dass eine Zeit kommen werde, in der so viele Menschen nach Puttaparthi kommen würden, dass man ihn hinter all den Anwesenden gar nicht mehr sehen könne … und es stimmte.

Während des Aufenthaltes bei Sai Baba kam es zu Erlebnissen mit ihm, die mir wirklich die Sprache verschlugen. Eines Tages saß ich im Mandir in einer der ersten Reihen und wartete auf den Beginn des Darshans. Als Sai Baba dann Platz nahm, kamen vier Studenten aus einer größeren Gruppe zu ihm, die für gewöhnlich immer in seiner Nähe saßen. Er bat alle vier zu sich, da an diesem Tag Geschenke an ihn überreicht werden durften. Als sie Briefe und andere Dinge zu seinen Füßen ablegten, hob er sanft seine rechte Hand und strich den vier Studenten über die Köpfe, jedoch ohne sie zu berühren. Sie verneigten sich ehrfurchtsvoll vor ihm, um seinen Segen zu empfangen, als aus seiner Hand plötzlich ein Schwall Vibhuti schoss, der die Köpfe der jungen Männer nacheinander weißgrau bestäubte. Sai Baba materialisierte aus seiner leeren Hand so viel Vibhuti, dass schließlich sogar die Schultern der Studenten damit bedeckt waren – was für ein Erlebnis für alle Anwesenden. Mein Mund muss sperrangelweit offen gestanden haben. Zuletzt materialisierte Sai Baba noch für jeden der vier Studenten mit einer kreisenden Handbewegung aus dem Nichts einen Ring als Geschenk.

Insgesamt vierzehn Jahre bezeichnete ich mich als Devotee, als Schüler, von Sai Baba. Durch seine Darshans, seine Bücher und sein Vorbild inspirierte er mich zur Anwendung seiner Lehren, deren Kern grundsätzliche Wahrheiten über die Gesetze des Lebens sind, sowie das Wissen über die göttliche, allmächtige und heilende Kraft der Liebe, die nicht nur in einem Guru, sondern in jedem Menschen gleichermaßen wohnt – egal welcher Nationalität oder welchem Glauben er sich zugehörig fühlt. Der einzige Unterschied zwischen den Fähigkeiten eines Gurus und den Fähigkeiten eines „normalen“ Menschen ist das volle Bewusstsein darüber, wer wir wirklich sind. Wir sind nicht der menschliche, sterbliche und damit begrenzte Körper, für den wir uns meist ein Leben lang halten, nein, wir sind vielmehr geistige, unsterbliche und unbegrenzte Wesenheiten, die von Zeit zu Zeit einen menschlichen Körper bewohnen, um zur Weiterentwicklung der eigenen Seele Erfahrungen in der grobstofflichen Welt zu machen. Je umfassender ein Mensch sich dieser ewigen Wahrheit bewusst wird, desto umfassender kann er sein geistiges Potenzial nutzen. Sind wir im vollkommenen, göttlichen Bewusstsein, ist unser geistig-menschliches Potenzial unbegrenzt.

Laut Sai Baba führt der Weg zur Verwirklichung des göttlichen Geistes in uns über die fünf menschlichen Werte: Liebe, Wahrheit, Friede, rechtes Handeln und Gewaltlosigkeit. Wendet man diese Werte täglich in Form von Gedanken, Worten und Taten an, erreicht man laut Sai Baba persönliche Erleuchtung – diese Wahrheit demonstrierte er in Vollkommenheit. Mehrere Millionen Menschen unterschiedlichster Nationalitäten, Mentalitäten und Religionen erlebten seine Fähigkeiten über viele Jahrzehnte hinweg mit eigenen Augen. Dazu gehörten Wunderheilungen, Materialisationen von heiliger Asche und Gegenständen durch die bloße Kraft des Geistes sowie die Umsetzung umfangreicher Hilfsprojekte für die indische Bevölkerung. Unter anderem ließ Sai Baba moderne Krankenhäuser bauen, in denen Menschen bis hin zu komplizierten Operationen kostenlos behandelt werden, sowie Wasserprojekte, die Hunderte Dörfer mit frischem Trinkwasser versorgen, und er gründete ein landesweites Bildungssystem nach seinen Lehren.

Bei mir schlich sich mit der Zeit allerdings das Gefühl ein, dass mich der Weg von Sathya Sai Baba nicht wirklich weiterbrachte, weil meine Lebensfragen nicht wirklich beantwortet wurden und vieles aus der Lehre nur schöne Theorie ist. Ich verspürte auch immer mehr eine gewisse Einengung und Druck, die aus seiner Lehre heraus auf mich wirkten. Das Gefühl, einfach nur „gut“ sein zu müssen und das Negative weghaben zu wollen, wurde zu groß. Ich weiß nicht, wie viele Stunden ich in jener Zeit meditierte … zusammengenommen waren es sicher Monate, und oft war es vielmehr selbst auferlegter Zwang als Freude, denn ich wollte weiterkommen, sprich: meine Befreiung erzwingen. Auch Sai Babas Konzepte und Dogmen waren dem christlichen Glauben nicht unähnlich – sie trugen nur eine andere Verkleidung. Die versprochene Erleuchtung und Befreiung schienen mir immer mehr unmöglich und ja … wie ein weiteres leeres Versprechen. Die menschlichen Schwächen und Egospiele herrschten auch unter den Anhängern im Ashram. Unter den Spiris ist das vielleicht noch ausgeprägter als woanders, denn jeder und jede wollte dem Guru näher sein als alle anderen es waren. Jeder wollte besser sein, perfekter sein … doch dabei werden das Herz und die Liebe oftmals ganz vergessen. Dennoch betrachte ich alle Erfahrung, die ich auf diesem Weg erfahren durfte, als sehr wichtig für mein spirituelles Wachstum. Diese vierzehn Jahre waren nicht immer einfach. Amari wollte von Sai Baba zum Beispiel nichts wissen – sie fühlte sich von ihm überhaupt nicht angezogen. Und irgendwann spürte ich den inneren Drang nach Veränderung, um nicht stehen zu bleiben. So wurde ich zunehmend offener für andere Wege.

Ja … und dann war bei Amari und mir auch immer wieder Jiddu Krishnamurti ein großes Thema. Während ich Schüler von Sai Baba war, konzentrierte sich Amari ganz auf Jiddu Krishnamurti. Ich glaube, das Buch „Einbruch in die Freiheit“ kannte sie auswendig. Jiddu war natürlich ein Kontrastprogramm zu Sai Baba. Hier der Anti-Guru als Freigeist – dort der Guru mit Millionen Anhängern und strikten Regeln. Das sorgte immer wieder für heftige Diskussionen zwischen uns. Wenn man jedoch von einer so starken Überzeugung durchdrungen ist, wie ich damals, ist ein Verstehen und Loslassen von eingefahrenen Konzepten unmöglich. Der Boden für eine neue Saat wurde erst nach und nach bereitgestellt – ohne mein aktives Handeln.

Krishnamurti lehrte, dass die Wahrheit nicht organisierbar ist und kein vorgegebener Weg zu ihr führt. Er lehrte, das eigene Leben und die Umwelt täglich als etwas Neues, Unbekanntes zu erleben und sich so ganz neuen Dimensionen der Schönheit und Fülle im Leben zu öffnen. Hier und jetzt hat Leben Sinn und Wirklichkeit. Er bestritt niemals die Größe eines Buddha oder Christus, lehnte jedoch jegliche kultische Verehrung ab. Krishnamurti hielt es für den größten Irrweg, die Verehrung einer Person über die jeweilige Lehre zu stellen. Sein einziges Anliegen war es, den Menschen absolut und bedingungslos frei zu machen. Hierfür stellte er jeden seiner eigenen Gegenwart und Wirklichkeit gegenüber, sodass dieser durch Selbsterkenntnis, statt durch den Glauben an die Botschaft eines anderen, zur ewigen Wirklichkeit, auf der sein Wesen aufgebaut ist, gelangen konnte.

Vierundzwanzig Jahre lang kam Jiddu Krishnamurti jeden Sommer in das schöne Schweizer Bergdorf Saanen. Davon hörte meine Frau und wir beschlossen hinzugehen. In einem kleinen Zelt, das am Flusslauf der Saane aufgestellt war, hielt der große Weisheitslehrer auf einem einfachen Holzstuhl sitzend seine Vorträge. Gelesen hatte ich schon damals viele Texte von ihm, hatte sie jedoch immer als etwas trocken und abstrakt empfunden. Von seiner Ausstrahlung aber war ich tief beeindruckt und berührt. Ich fühlte großes Glück, diesem Menschen begegnen zu dürfen. Es war das vorletzte Mal, dass er in die Schweiz kam – danach wurde er für solch weite Reisen zu alt.

Später besuchten Amari und ich dann noch seine erste Wirkungsstätte, den Hauptsitz der Theosophischen Gesellschaft in Adyar bei Madras beziehungsweise dem heutigen Chennai. Und mittlerweile, nachdem ich mich mit den Lehren verschiedenster Meistern auseinandergesetzt habe, wirken seine Texte ganz anders auf mich. Sie kommen mir nicht mehr so trocken und abstrakt vor, vielmehr erkenne ich nun die darin enthaltene Weisheit.

Ich hatte während all der Jahre viele spirituelle Meister. Die Suche nach Verwirklichung trieb mich immer weiter. Ich war ein Hardcore-Suchender, gab nie auf, spirituelle Disziplin war mir nie zu anstrengend, denn ich wollte unbedingt das Ziel erreichen. So beharrlich wie ich zuvor den Langstreckenlauf betrieben hatte, so verbissen suchte ich nach der letzten Wahrheit. Ich entschied nie, nach einem neuen Meister zu suchen – es ergab sich immer, dass ich weitergeführt wurde. Betreffend die spirituellen Reise mit einem Guru sagt man in Indien: „Bohre nicht überall flache Löcher, wenn du Wasser finden willst, denn diese Wasserlöcher werden schnell austrocknen. Finde eine geeignete Stelle und bündle all deine Anstrengung dort. Du wirst einen tiefen Brunnen bohren können, der dir für das ganze Jahr gutes Wasser geben wird. Versuche die spirituellen Lehren eines Meisters auf die gleiche Weise tief aufzunehmen. Sitze einige Jahre lang zu seinen Füssen. Es ist sinnlos, aus Neugier von einem Meister zum nächsten zu wandern und so in kürzester Zeit den Glauben zu verlieren. Ändere nicht ständig deine Entschlüsse. Wenn du zu verschiedenen Lehrern gehst und versuchst, all ihren Anleitungen zu folgen, wirst du verwirrt werden und innere Zwiespalte bekommen. Höre allen zu, aber folge nur einem. Respektiere alle, aber verehre nur einen. Lerne von allen, aber nimm nur die Lehren von einem an. Bleibe daher bei einem Guru und folge seinen Anweisungen.“

Bei mir verlief die Suche anders. Ich hatte keine Chance, auch nur ein Mal bei einem Guru zu bleiben – ich wurde jedes Mal früher oder später regelrecht weitergetrieben. Es gibt viele verschiedene Wege, und im Nachhinein sehe ich deutlich, dass jeder Weg für den, der ihn geht, genau richtig ist. Trotzdem fiel es mir nicht immer leicht, einen Guru aufzugeben. Die Umstände wurden so geschaffen, dass mir letztlich nichts anderes übrigblieb. Es geschah einfach, ohne Absicht.

So wurden die Umstände wieder mal so geschaffen, dass Amari und ich im Jahr 2000 weitergeführt wurden. Wir flogen nach Bali. Am Flughafen kaufte ich mir noch eine spirituelle Zeitschrift für den Flug, und ein Artikel über den indischen Guru Sri Harihara weckte mein Interesse. Ich war fasziniert von diesem sympathischen Guru mit den lustigen ausdrucksvollen Augen. Wieder zurück in der Schweiz sah ich in einer Buchhandlung zufällig das Programm der Basler PSI-Tage – und wer sollte da am nächsten Tag einen Vortrag halten? Sri Harihara. Ich erinnerte mich natürlich sofort wieder an den Artikel, den ich im Flugzeug gelesen hatte, und für mich stand fest: Diesen Vortrag muss ich besuchen. Natürlich wurde in dessen Rahmen auch Werbung gemacht für Kurse, die man im deutschen Ashram besuchen konnte, und über Hariharas Art-of-Living-Philosophie. Besonders neugierig auf diese Kurse wurde ich durch folgende Beschreibung: „Der Atem enthält das Geheimnis des Lebens. Der Atem ist mit der Lebensenergie in uns verbunden, mit dem Prana. Niedriges Prana drückt sich als Bedrückung, Trägheit, Dumpfheit und geringe Begeisterung aus. Wenn unser Geist und Körper mit Prana geladen sind, fühlen wir uns wach, energiegeladen und voll guter Stimmung. Besondere Atemtechniken machen unser Prana wieder lebendig und stärken unsere körperliche und geistige Gesundheit. Der Kurs wird ein Wochenende voll unmittelbarer Erfahrungen und praktischem Wissens in der Kunst des Lebens. Das Herz des Kurses ist Sudarshan Kriya, eine einzigartige Atemtechnik. Sie ist ein machtvoller Kraftspender, der alle Zellen mit Sauerstoff versorgt und mit neuem Leben auflädt. Negative Gefühle – als Giftstoffe im Körper abgelagert – werden so leicht aufgelöst und ausgewaschen. Spannungen, Enttäuschungen und Wut werden gelöst. Angst, Bedrückung und Trägheit werden fortgespült. Der Geist bleibt ruhig und in seiner Mitte zurück – mit einer klareren Sicht auf die Welt, die Beziehungen und sich selbst.“

Diesen Kurs mussten Amari und ich unbedingt belegen, das Interesse war geweckt, und er war der Beginn einer einige Jahre dauernden Schülerschaft. Es folgten noch weitere Kurse, hauptsächlich Stille-Retreats und Meditationskurse. In dieser Zeit erlebten wir auch einige Darshans, an denen Sri Harihara jeweils von den Anhängern gestellte Fragen beantwortete. Einmal wurden Amari und ich mit einigen anderen sogar in sein Privatzimmer eingeladen und machten zusätzlich einen Spaziergang mit ihm. Wir lernten viele interessante Praktiken kennen und im Rahmen eines besonderen Rituals erhielt jeder Teilnehmer ein persönliches Mantra.

In tiefen Meditationen erlebte ich ein starkes Dankbarkeitsgefühl gegenüber der Schöpferkraft. Ein ganz besonderes Erlebnis war für mich eine Meditation, bei der man den eigenen Tod erleben konnte. Schritt für Schritt ging es durch das Leben zurück bis hin zur Geburt und zum Tod. Für mich war es vorher unvorstellbar gewesen, wie befreiend der Tod sein kann. Jeden Ballast abzuwerfen, sich ganz frei zu fühlen, zu verschmelzen mit einer nicht in Worte zu fassenden Energie … das beseitigte meine unterschwellig stets vorhandene Angst vor dem Tod. Diese Meditation führte mir ganz klar vor Augen, dass wir im Leben oft die falschen Prioritäten setzen.

Sri Harihara war ich ganz besonders dankbar dafür, dass er mich mit der Ashtavakra Gita in Kontakt brachte. Er hat Texte daraus interpretiert und brachte mich damit in direkten Kontakt mit der Non-Dualität, auch Advaita-Vedanta8 genannt. Es sollte jedoch noch fast zwei Jahrzehnte dauern, bis mir die Augen für die ganze Weisheit dieser Lehre geöffnet werden sollten. Ramesh Balsekar sagte über die Ashtavakra Gita: „Es gibt eine klassische Abhandlung in Sanskrit – die Ashtavakra Gita. Sie beinhaltet den Dialog zwischen dem Heiligen, Ashtavakra, und seinem Schüler, König Janaka. Dieser Dialog zeigt ein außergewöhnliches Beispiel des göttlichen Elements in der Beziehung eines selbstrealisierten Gurus und eines extrem reifen Schülers, der nur noch auf diesen einen kleinen Funken wartet, der augenblicklich zur Erleuchtung führt. Die Ashtavakra Gita bietet gleichzeitig eine sehr direkte, positive und unmissverständliche Auslegung der Lehre der Nicht-Dualität – vielleicht die beste, die je entstanden ist.“

Doch wie sollte es anders sein – irgendwann wurde ich wieder weitergetrieben, denn die Regeln und Erwartungen der anderen Anhänger von Sri Harihara an mich wurden mir zu einengend. Ich hätte ein spirituelles Zentrum in der Schweiz aufbauen sollen – eine Erwartung, die ich nicht erfüllen konnte. Wie auch bei den vorhergehenden Meistern war ich dennoch sehr dankbar für all die wertvollen Erfahrungen, die mir geschenkt worden waren.

Dennoch – einmal mehr hatte ich das Gefühl, versagt zu haben. Einen Guru verlässt man nicht. Oder? Was, wenn das Gefühl, mich nicht mehr weiterentwickeln zu können, immer stärker werden würde? Wenn ein Gefühl entsteht, dass man immer am selben Ort steht, dass keine Entwicklung mehr stattfinden kann? Eine spirituelle Gemeinschaft gibt einen gewissen Halt, denn unter Gleichgesinnten wird man verstanden. Aber sobald Zweifel am eingeschlagenen Weg aufkommen, wird man vom Gleichgesinnten zum Außenseiter, ja, zum Verräter … zum Verlorenen.

Guru-Hopping ist ein negativer Ausdruck für jemanden, der immer wieder den Guru wechselt. Das bringe keinen Fortschritt, das mache man nicht, wird einem gesagt. Ich wollte Glückseligkeit finden. Die aktive Suche danach ist wie der indische Moschusochse, der einen speziellen Geruch in seinem Anus hat, aber im ganzen Wald nach diesem einen Geruch sucht. Genau so suchte ich nach Glückseligkeit außerhalb von mir selbst und konnte sie nicht finden, denn was immer wir finden – nichts ist von Dauer. Dies ist die Wahrheit der Vergänglichkeit: Glück kommt, aber Glück geht auch wieder. Und da wir das nicht glauben wollen, suchen wir ständig nach dieser schwer fassbaren Glückseligkeit.

Während meiner vierzigjährigen Suche in Form von fünfzehn Pilgerreisen nach Indien kam ich immer wieder mit Ramana Maharshi in Kontakt. Auch er beeinflusste mich maßgeblich. Sein Leben in Einfachheit, Bescheidenheit und Klarheit war einmalig. Ramana Maharshi wurde 1879 in Südindien geboren und folgte schon als Jugendlicher dem Ruf seiner Seele, der ihn zum Fuße des mystischen Bergs Arunachala bei Tiruvannamalai führte. Im August 1896, etwa sechs Wochen nach seinem Erleuchtungserlebnis, beschloss er, dass er heimlich und mit List aufbrechen müsste; er hinterließ aber zumindest einen Abschiedsbrief. Die Familie war fassungslos und hoffte vergeblich auf seine Rückkehr. Seine Mutter wurde zunehmend ängstlicher und veranlasste schließlich, nach ihm zu suchen – ohne Erfolg. Bis nach ungefähr zwei Jahren ein junger Mann die Nachricht überbrachte, von einem jungen Swami gehört zu haben. Dieser stamme aus Tiruchuli und sei in Tiruvannamalai ein verehrter Heiliger geworden. Ramanas Onkel machte sich sofort auf die Suche nach diesem Swami, der, wie sich herausstellte, tatsächlich der vermisste Neffe war. Etwas später besuchte ihn auch seine Mutter. Sie flehte ihn an, nach Hause zu kommen, aber es war umsonst. Ramana befand sich damals in einer Phase des Schweigens und schrieb ihr auf einen Zettel: „Der Schöpfer waltet über das Schicksal der Seelen. Was immer bestimmt ist, nicht zu geschehen, wird nicht geschehen, wie sehr du es auch herbeiführen möchtest. Was immer bestimmt ist, zu geschehen, wird geschehen, was immer du auch unternimmst, um es aufzuhalten. Das ist gewiss. Deshalb ist es das Beste, zu schweigen.“

Er gab sich vollständig dem Gewahrsein hin, dass sein wahres Wesen formlos, absolutes Bewusstsein war. Er blieb für den Rest seines Lebens in Tiruvannamalai, meditierte, versank in langen Samadhi9-Zuständen, bei denen er die Welt und seinen Körper völlig vergaß. Er bemerkte nicht einmal, wie ihn Ameisen und andere Insekten „anknabberten“. Ramana sprach nur sehr wenig, wenn überhaupt. Jahrelang schwieg er vollkommen, aber durch seine