Heilkunst Reloaded -  - E-Book

Heilkunst Reloaded E-Book

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Beschreibung

Wie Menschen gelebt haben und leben, hat sich sehr verändert, aber stets war und wird ihr Leben auch von Leid und Krankheit begleitet. Pionierinnen und Pioniere haben einiges gewagt, um dieses Leid zu lindern und Menschen besser vor Krankheiten schützen zu können. Sie unternahmen riskante Operationen, erforschten kleinste Strukturen, erkundeten die Seele des Menschen und deckten den Einfluss von gesellschaftlichen Lebensbedingungen auf die Gesundheit auf. Doch nicht nur einzelne Persönlichkeiten, Forschungsgemeinschaften oder Ereignisse trugen und tragen zum Fortschritt und damit einhergehend zu einem Wandel in der Medizin bei: Blicken wir auf das Gesundheitswesen, so sehen wir eine Vielzahl von Akteurinnen und Akteure aus Politik, Gesellschaft und Wissenschaft, die gemeinsam das Ziel verfolgen, die Sicherung und weitere Verbesserung einer patientenorientierten gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. Für eine nachhaltige und qualitativ hochwertige Patientenversorgung ist es daher erforderlich, bereits Medizinstudierende, aber immer wieder auch Hochschullehrende und Gesundheitsfachberufe dafür zu sensibilisieren. Mit dieser Intention werden in diesem Buch auf ebenso unterhaltsame wie wissenschaftlich fundierte Weise bedeutende Meilensteine der Medizin- und Gesundheitsgeschichte sowie in der Historie gewachsene, organisationale Kooperationen zusammengetragen und gebündelt.

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Seitenzahl: 423

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Mit freundlicher Unterstützung der Institut für Kommunikations- und Prüfungsforschung gGmbH (IKPF)

Jana Jünger | Wulf Bertram | Konstantin Brass | Anna Mutschler Eckhard Nagel (Hrsg.)

Heilkunst Reloaded

Medizingeschichten von Entdeckergeist, Mut und Gestaltungskraft

mit Beiträgen von

J. Aldenhoff | F. Aschenbrenner | E. Baum | M. Baumann | W. Bertram | V. Borger | K. Brass | S. Bushuven | A. Conrad | G. Danzer | U. Dittmer | G. Döller | A. Eggert | D. Eichenberger zur Bonsen | A. Encke | M.R. Fischer | U. Förstermann | R. Frankenberger | S. Frantz | C. Friedrich | M. Frosch | W. Georg | T. Greschik | O. Gröne | C. Groß | N. Halama | A. Hasenburg | R. Hecker | S.C. Herpertz | M. Herrmann | H. Hildebrandt | E. von Hirschhausen | K. Hofmann | J. Holst | G. Hörl | J. Hübner | C. Jassoy | G. Jonitz | J. Jünger | K. Kemmritz | U. Koch-Gromus | I.B. Kopp | S. Krieger | T.-T. Lâm | F. Lammert | H. Lang | M. Leuzinger-Bohleber | G. Matheis | E.D. Munz | A. Mutschler | E. Nagel | G. Nettekoven | T. Niedenthal | F. Niroomand | N. Ouédraogo | F. Paulsen | U. Repschläger | B. Salzberger | T. Schäfer | B. Schlegelberger | S. Schramm | M. Schütz | R. Seifert | M. Sievers | A. Spaic | A. Stallmach | G. Stöcker | R. Strametz | M.-J. Sturm | S. Taubner | U. Teichert | U. Teichgräber | A. Thater | P. Tinnemann | G. Trabert | B. Vajen | B. Vajen | H. Vatter | S. Weinbrenner | J. Weis | C. Witte | W. Wohlgemuth

Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft

Das Herausgeber-Team

Prof.in Dr.in med. Jana Jünger, MME

Institut für Kommunikations- und Prüfungsforschung gGmbH

Wieblinger Weg 92a

69123 Heidelberg

Dipl.-Psych. Dr. med. Wulf Bertram

Arminstr. 25

70178 Stuttgart

Dipl.- Inform. Med. Konstantin Brass

Institut für Kommunikations- und Prüfungsforschung gGmbH

Wieblinger Weg 92a

69123 Heidelberg

Dipl.-Päd.in Anna Mutschler

Institut für Kommunikations- und Prüfungsforschung gGmbH

Wieblinger Weg 92a

69123 Heidelberg

Univ.-Prof. Dr. Dr. med. habil. Dr. phil.

Dr. theol. h.c. Eckhard Nagel

Universität Bayreuth

Institut für Medizinmanagement und

Gesundheitswissenschaften

Prieserstr. 2

95444 Bayreuth

MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG

Unterbaumstr. 4

10117 Berlin

www.mwv-berlin.de

ISBN 9783954668519 (eBook: PDF)

ISBN 9783954668526 (eBook: ePub)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Informationen sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Berlin, 2024

Dieses Werk ist einschließlich aller seiner Teile urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Die Verfassenden haben große Mühe darauf verwandt, die fachlichen Inhalte auf den Stand der Wissenschaft bei Drucklegung zu bringen. Dennoch sind Irrtümer oder Druckfehler nie auszuschließen. Der Verlag kann insbesondere bei medizinischen Beiträgen keine Gewähr übernehmen für Empfehlungen zum diagnostischen oder therapeutischen Vorgehen oder für Dosierungsanweisungen, Applikationsformen oder ähnliches. Derartige Angaben müssen vom Leser im Einzelfall anhand der Produktinformation der jeweiligen Hersteller und anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit hin überprüft werden. Eventuelle Errata zum Download finden Sie jederzeit aktuell auf der Verlags-Website.

Produkt-/Projektmanagement: Lisa Maria Pilhofer, Viola Schmitt, Berlin

Copy-Editing: Monika Laut-Zimmermann, Berlin

Layout, Satz und Herstellung: zweiband.media, Agentur für Mediengestaltung und -produktion GmbH, Berlin

Coverbild: Generative ai/Adobe Stock

Zuschriften und Kritik an:

MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Unterbaumstr. 4, 10117 Berlin, [email protected]

Vorwort

Klimawandel, demografische Entwicklungen, kriegerische Auseinandersetzungen und wirtschaftliche Krisen stellen unsere Gesellschaft vor neue Herausforderungen. Die Gesundheit der Menschen und des Planeten sind in nie da gewesenem Ausmaße gefährdet. Gleichzeitig ist der Mangel an Ärztinnen und Ärzten sowie Mitarbeitenden in den Gesundheitsfachberufen eine internationale Herausforderung, in vielen Bereichen erscheint eine menschenwürdige Versorgung gefährdet. Unser solidarisches Gesundheitssystem, das als ein Grundpfeiler der Demokratie Verlässlichkeit und Vertrauen für alle Menschen und Bevölkerungsschichten bieten soll, ist bereits jetzt schon überlastet. Wandel und Anpassung – Transformation – ist eine gemeinsame generationenübergreifende Aufgabe und Verantwortung.

Passt da ein Buch, das Geschichten erzählt und sich mit alten und neuen Meilensteinen in Medizin und Ausbildung der Gesundheitsfachberufe beschäftigt? Wieso sich mit vergangenen „Heroinnen und Heroen“ und Entdeckungen auseinandersetzen und der Entstehung von Gemeinschaften und Netzwerken nachspüren? Warum von alten, mitunter vergessenen Geschichten von Personen und Ereignissen, die für besondere Wege, Strömungen, Errungenschaften, aber auch für Irrtümer oder schweres Unrecht stehen, berichten?

Von der Verborgenheit der Gesundheit sprach der hermeneutische Philosoph Hans-Georg Gadamer. Er brachte damit zum Ausdruck, dass wir – solange es uns gut geht – unserer Gesundheit nicht bewusst sind, sie uns selbstverständlich erscheint. Erst wenn die verborgene Selbstregulationskompetenz und das Zusammenspiel psychischer und physischer Ausgleichssysteme den Herausforderungen nicht mehr gewachsen sind, wird für uns die Beeinträchtigung unserer Gesundheit spürbar.

Umgeben von einer zunehmenden Digitalisierung in der Medizin und allen Lebenswelten, einer schier unendlichen Verfügbarkeit und Zuwachs von Wissen und vielfältigsten Therapiemöglichkeiten, ist uns manchmal gar nicht recht bewusst, wie es in der Geschichte zu all diesen Neuerungen, Innovationen, nationalen und internationalen Netzwerken kam. Wir vergegenwärtigen uns in unserem Alltag kaum, wie Ereignisse und Entdeckungen sich über die Jahrtausende Medizingeschichte zusammengefügt und mit dazu beigetragen haben, dass wir heute – noch im Vergleich mit den Verhältnissen vor 100 Jahren – eine fast verdoppelte Lebenserwartung haben. Das Funktionieren des Systems war uns zur Selbstverständlichkeit geworden und schien nicht wirklich in Gefahr. Unbewusst sind wir davon ausgegangen, dass die Selbstregulationskräfte ausreichen würden, dass die Ausgleichssysteme den wachsenden Herausforderungen des Gesundheitssystems gewachsen seien und wir die zukünftigen Ärztinnen und Ärzte gut genug ausbilden würden. Die jetzigen Krisen lassen jedoch die Überforderung des Systems von Klimawandel bis zur demografischen Entwicklung, von der Kommerzialisierung der Medizin bis hin zum weltweiten Fachkräftemangel in den Gesundheitsberufen für alle spürbar werden. Sie verlangen nach raschem Handeln. Es ist notwendig, Menschen in den Gesundheitsberufen so rasch wie möglich für diese Herausforderungen auszubilden oder weiter zu qualifizieren. Die Geschichte der Reformen in der Ausbildung zukünftiger Ärztinnen und Ärzte ist so alt wie die Medizinische Ausbildung selbst. Reformen waren und sind kontinuierlich notwendig, um die veränderten Anforderungen der Gesellschaft an Ärztinnen und Ärzten und Gesundheitsberufe in der Aus-, Weiter- und Fortbildung aufzugreifen. Dass Reformen notwendig sind, darüber ist man sich einig.

Wieso machen wir uns dann die Mühe, längst Vergangenes und derzeit Aktuelles auf gemeinsame Faktoren zu untersuchen? Wieso innehalten und reflektieren, was wir für unser heutiges Handeln lernen und in unsere Praxis transferieren? Warum die Heilkunst „reloaden“? Und was soll denn überhaupt „neu geladen“ werden?

Unser Ziel war nicht ein medizinhistorisches Buch, auch wenn viele Beiträge aus der Medizingeschichte stammen. Ein lebendiges, kurzweiliges Buch sollte es werden – von Autorinnen und Autoren aus Medizin und Gesundheitsberufen, aus Philosophie, Politik und Kultur. Mit ihnen haben wir uns auf den gemeinsamen Weg begeben, besonderen Ereignissen in unterhaltsamer Art nachzuspüren. Bereits die Auswahl von Menschen, Ereignissen und Netzwerken war herausfordernd. Wir haben deshalb den Fokus darauf gelegt, diejenigen auszuwählen, die besonders für den Wandel in der Aus-, Weiter- und Fortbildung von Ärztinnen und Ärzten und Angehörigen von Gesundheitsberufen Wegweisendes mitzuteilen haben und die oft im Verborgenen gewirkt haben (z.B. Florence Nightingale, Maria Daelen etc.). Ohne jeglichen Anspruch auf Repräsentativität oder gar Rangordnung haben wir diese Geschichten in dieses Buch neu „geladen“. Zum anderen hat auch die medizinische Aus- und Weiterbildung einen „Reload“ nötig. Auch damit beschäftigt sich unser Buch. Entsprechend den Vorschriften und Herausforderungen unserer Zeit geht es darum, die wesentlichen Gegenstände, Kompetenzen und Haltungen in die medizinische Ausbildung und Versorgung zu integrieren, „nachzuladen“, und so – wie es der Masterplan Medizinstudium 2020 fordert – unsere künftigen Ärztinnen und Ärzte bestmöglich auf ihre ärztliche Berufsausübung vorzubereiten.

Im ersten Teil des Buches weckt als Einstieg jeweils ein kurzes Feature von Wulf Bertram die Neugier und setzt den Rahmen für die folgenden Geschichten verschiedener Autorinnen und Autoren. Wer steckt hinter den medizinischen Innovationen und Entdeckungen? Was hat die Menschen vorangetrieben und warum? Welche Hindernisse stellten sich ihnen in den Weg und welchen Widrigkeiten bis hin zu tödlichen Verfolgungen waren diejenigen ausgesetzt, die eine Entdeckung, eine bahnbrechende Idee verfolgten? Welche glücklichen Fügungen halfen bei der Verbreitung – oft erst posthum – bei der Umsetzung und Verbreitung der Errungenschaften und Innovationen? Wir haben Geschichten von Menschen und Ereignissen ausgewählt, die neue Wege gegangen sind und die positive Veränderungen bewirkt haben oder die ihre Aufgabe mit jahrzehntelanger Verzögerung vollenden konnten (z.B. Ingeborg Rapoport, Rita Levi-Montalcini etc.). Diese Geschichten zeugen von lebenslanger Neugier und Entdeckergeist, sie zeugen davon, welch Unglaubliches möglich ist und wie wir heute alle davon profitieren. Sie erzählen von Menschen, die über sich selbst hinausgewachsen sind und an ihre Aufgabe geglaubt haben, aber verschweigen nicht die oft beschwerlichen und verschlungenen Pfade, derer es bedurfte, bis die Früchte ihrer Arbeit zum Nutzen der Patientinnen und Patienten und der Bevölkerung greifbar wurden.

Im zweiten Teil des Buches haben wir eine kleine Reihe von bedeutsamen Netzwerken ausgewählt, die aus Zusammenschlüssen von engagierten Personen aus z.B. Medizin, Gesundheitsberufen und Politik entstanden sind, um notwendige Veränderungen in der Gesundheitsversorgung gemeinsam besser voranbringen zu können. Welche Netzwerke wurden gegründet? Warum und mit welcher Zielsetzung? Welche Auswirkungen haben diese auf Wissenschaft, Gesellschaft und Medizin? Und auch welchen Einfluss auf die heutige und zukünftige Ausbildung? Diese Netzwerke zeugen von Gestaltungskraft, von der hohen Bedeutung der Zusammenarbeit und des Zusammenhalts, um Anforderungen und Herausforderungen des Gesundheitswesens im „Hier und Jetzt“ und in der Zukunft gemeinsam angehen und lösen sowie Transformation ermöglichen zu können.

Wir möchten Sie, liebe Leserinnen und Leser, herzlich einladen, sich mit uns auf eine Reise zu begeben, in den Geschichten zu stöbern und sich anregen zu lassen, gemeinsam eine neue Geschichte gelingender Transformation, ein neues gemeinsames Narrativ der Bewältigung der größten Krise der Menschen zu schaffen. Wir wünschen uns, dass ihnen Vergnügliches und Nachdenkliches, Erschütterndes und Zuversichtliches in den transformativen Medizingeschichten begegnet, das Ihnen Anregungen und Impulse für ein neues, gemeinschaftliches Denken und Handeln bietet.

Über 80 Autorinnen und Autoren aus verschiedenen Berufsgruppen und Fachdisziplinen haben an diesem Buch mitgearbeitet und ihre Medizingeschichten mit uns geteilt. Durch ihre Expertise, Erfahrungen, Ansichten und persönliche Handschrift in den Beiträgen ist dieses Buch zu etwas ganz Besonderem geworden. Ihnen gebührt unser größter Dank.

Ganz besonderer Dank gilt auch dem Verleger Herrn Dr. Thomas Hopfe, der uns geduldig über einen langen Zeitraum begleitet und uns das Zutrauen zu einem Buch mit so vielen unterschiedlichen Autorinnen und Autoren geschenkt hat. Danken möchten wir auch seinem engagierten Team, hier insbesondere Frau Lisa Maria Pilhofer, das zur Fertigstellung des Buches konsequent beigetragen hat.

Herzlich danken möchten wir auch denen, die sich mit uns auf die Suche nach schönen Fotografien und Abbildungen gemacht haben und uns private Bilder, die bisher dem öffentlichen Publikum verschlossen waren, zur Verfügung gestellt haben.

Ferner gilt unser Dank auch nationalen und internationalen Beraterinnen und Beratern, die immer wieder neue Ideen und Impulse für das Buch einbrachten.

Viel Freude beim Lesen wünscht Ihnen das Herausgeber-Team

Jana Jünger

Wulf Bertram

Konstantin Brass

Anna Mutschler

Eckhard Nagel

Oktober 2023

Die Kurzeinleitungen zu den jeweiligen Kapiteln wurden von Wulf Bertram verfasst.

Inhalt

IMutige Genies und wegweisende Entdeckungen in der Medizin

1Fauler Zahn aus grauer Vorzeit

Eine kleine Geschichte der Zahnmedizin: Von Bohren und Kratzen zu Prävention und Oraler MedizinRoland Frankenberger

2Loch im Kopf

Neurochirurgie in der SteinzeitHartmut Vatter und Valeri Borger

3Ärztin „under cover“

Der lange Weg von Ärztinnen im Verborgenen zur gendersensiblen MedizinChristiane Groß

4Die Mutter der Psychotherapie

Diotima – Mutter der Psychotherapie und die Schönheit der SeeleErnst Dietrich Munz

5Vater der Medizin – Hippokrates von Kos

Hippokrates – Wissenschaft und EthikSusanne Weinbrenner

6Ein magisches Nahrungsergänzungsmittel der Antike

Können Worte Medizin sein?Eckart von Hirschhausen

Wünsche für die Mediziner:innen von morgenEckart von Hirschhausen

7Mönche, Drogen und Mixturen

Von der Pflanzenheilkunde des Mittelalters zur evidenzbasierten PhytotherapieJutta Hübner

8Ein arabisches Update für die Medizin des Mittelalters

Ibn Sīnā und der Reiz der Philosophie für das islamisch-theologische DenkenMira Sievers

Kanon der MedizinAnna Mutschler

9Ein mittelalterliches Multitalent

Hildegard von Bingen (1098–1179)Tobias Niedenthal

10Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker …

„Nicht nur zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie auch als Ärzt:in ‚Ihren und Ihre‘ Apotheker:in!“ – Heilberufliche Zusammenarbeit im Wandel der ZeitenKerstin Kemmritz

11„Allein die Dosis macht das Gift“

Theophrastus Bombast von Hohenheim (genannt Paracelsus)Ulrich Förstermann

12Ein enttäuschter Student revolutioniert die Anatomie

Anatomie: Auch in Zukunft eine Mischung aus dreidimensionalem Verständnis und haptischer Erfahrung, nur mit viel mehr digitalen Elementen und MöglichkeitenFriedrich Paulsen

13Blut im Kreisverkehr

Eine Geschichte von Eminenz versus EvidenzThorsten Schäfer

14Gibt es mich wirklich und wenn ja, aus was?

Sind wir oder werden wir?Gerhard Danzer

15Die erste promovierte Ärztin Deutschlands

Dorothea Christiane Erxleben und PatientensicherheitErika Baum

16Gebt ihnen Saures!

Prävention und Gesundheitsförderung sind wichtige Pfeiler für die öffentliche GesundheitUte Teichert

17Mit Lanzette und Spritze gegen Bakterien und Viren

Impfungen – Eine der großen Errungenschaften der MedizinBernd Salzberger

18Segensreiche Medikamente und verhängnisvolle Drogen

Vom Opium zum Morphin – Segen und Fluch eines wirksamen ArzneistoffsChristoph Friedrich

19Vom Narco-Junkie zum Helfer der Menschheit

William Crawford Long – Von Anästhesiologie und PatientensicherheitReinhard Strametz und Stefan Bushuven

20Das Rätsel des Kindbettfiebers

Ignaz Philipp Semmelweis – Mutiger und beharrlicher Vorreiter der Patientensicherheit und der evidenzbasierten MedizinRuth Hecker

Ignaz Semmelweis und das Change-ManagementStefan Bushuven

21The Lady with the Lamp

Florence Nightingale – Wegbereiterin und ReformerinGertrud Stöcker

22Ein Arzt in sozialer Verantwortung

Ein Verfechter der Verbindung von Medizin und PolitikEckhard Nagel und Andrea Thater

23Große Chirurgie

Christian Albert Theodor Billroth (1829–1894): Begründer der modernen wissenschaftlichen ChirurgieHauke Lang

24Not und Elend begünstigen eine weltweite Seuche

Armut ist die schlimmste und gefährlichste InfektionskrankheitGerhard Trabert

25Pionier der Medizindidaktik

Lehre für das Wohl der Patientinnen und PatientenMartin R. Fischer

26Bürgerschreck und Gründervater einer neuen Seelenlehre

Vom „Bürgerschreck“ zur internationalen PsychoanalyseMarianne Leuzinger-Bohleber

27Die schwachen Ströme des Herzens

EKG: Über 150 Jahre essenziell in Klinik und LehreStefan Frantz

28Fräulein Professor

Rahel Hirsch – Die erste deutsche Professorin für MedizinAngelika Eggert

29Ein verschimmelter Nährboden macht Medizingeschichte

Mit Schimmel gegen BakterienThiên-Trí Lâm und Matthias Frosch

30Von der Weidenrinde zum Blockbuster

AcetylsalicylsäureRoland Seifert

31Strahlender Fortschritt

Eine Forscherin baut das Fundament für die StrahlenheilkundeMax-Johann Sturm, Walter Wohlgemuth und Ulf Teichgräber

32Humane Medizin und mutige Politik hinter den Kulissen

Masterplan Medizinstudium 2020 – Der lange Weg zu einer zukunftsfähigen MedizinerausbildungGabriele Hörl

33Thure von Uexküll

Thure von Uexküll, die Neugier und das IMPPWulf Bertram

34Geht es meinem Baby gut?

Der APGAR ScoreDorothée Eichenberger zur Bonsen

35Leitlinien machen die Medizin sicherer und transparenter

Leitlinien unterstützen evidenzbasiertes HandelnFrank Lammert

Evidenzbasierte Medizin: Leitlinien führen auch in Notfallsituationen zu begründeten EntscheidungenAndreas Stallmach

36Geflüchtet, verfolgt und geehrt

Die zu Unrecht um 77 Jahre verzögerte PromotionUwe Koch-Gromus

37Psychotherapie in sozialer Verantwortung

Psychotherapie für die MassenSvenja Taubner

38Eine Rose für die Kämpferin

Deutsche KrebshilfeGerd Nettekoven

39Mut zum Widerstand

Medizin als EntmenschlichungMathias Schütz

40Bewegen und Berühren

Von der „Bewegung und Berührung des Menschen“ zur „Bewegung im System“Ute Repschläger

41Lebensrettende Stromschläge

Ein kleiner Schlag mit großer WirkungFeraydoon Niroomand

42Nobelpreis für zwei „wissenschaftliche Clowns“

Die Entschlüsselung der DNA hat mehrere Väter und auch eine MutterBrigitte Schlegelberger, Beate Vajen und Bastian Vajen

43Eine Pille verändert die Gesellschaft

Wie die Pille die Welt veränderte – Empfängnis und VerhütungKonstantin Hofmann und Annette Hasenburg

44Ein spektakulärer Erfolg der Chirurgie

Transplantation: Leben durch fremde OrganeEckhard Nagel und Alexandra Spaic

45Ein Küchenkraut rettet Menschenleben

Erfolgreiche Naturheilkunde gegen MalariaUlf Dittmer

46Der Student soll …

Von Willkür zur fairen Prüfung – Eine unendliche Geschichte?Jana Jünger und Armin Conrad

47Eine Impfung gegen Krebs

Von der Hypothese zu einer Schutzimpfung gegen KrebsNobila Ouédraogo und Michael Baumann

48Eine rätselhafte Krankheit wird entschlüsselt

Gemeinsam gegen eine neue Infektionskrankheit (HIV)Christian Jassoy

49Vom Labor im Schlafzimmer zum Nobelpreis für Medizin

Wie entdeckt wurde, dass Funktion und Wachstum von Nervenzellen zusammenhängenJosef Aldenhoff

50Gute Nachrichten aus Mainz

Das bisher kleinste „Schweizer Taschenmesser“ für die MedizinNiels Halama

IIGemeinsam gestalten: Gründung solidarischer Netzwerke

1World Health Organization (WHO)Jens Holst und Peter Tinnemann

2Selbsthilfeorganisationen im GesundheitswesenJoachim Weis und Carsten Witte

3Ärzte ohne Grenzen e.V.Stefan Krieger

4Population Health Management – Die Anforderung der kommenden JahrzehnteHelmut Hildebrandt, Oliver Gröne und Teresa Greschik

5Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V. (KLUG) – Planetary Health als neuer Kontext für Medizinstudium und GesundheitssektorMartin Herrmann

6Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF)Albrecht Encke und Ina B. Kopp

7Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e.V. (bvmd)Sebastian Schramm und Florian Aschenbrenner

8Von der Ausbildung zur Weiterbildung: Staatsexamina als Garant für einen guten Start in die WeiterbildungGünther Jonitz und Günther Matheis

9Master of Medical Education (MME): Geburt eines neuen postgradualen Studiengangs für Multiplikator:innen und Führungskräfte in der medizinischen AusbildungJana Jünger, Sabine C. Herpertz und Martin R. Fischer

10Medizin-Didaktik vernetzt: Mehr Wert für die LehreGabriele Döller, Thorsten Schäfer, Martin R. Fischer und Jana Jünger

11UCAN und wie die Himmelsscheibe von Nebra einen Weg zur besseren Prüfung aufzeigtJana Jünger, Martin R. Fischer, Waldtraud Georg und Konstantin Brass

Schlusswort

IIIAnhang

Abbildungsverzeichnis

Personenregister

Sachwortverzeichnis

I

Mutige Genies und wegweisende Entdeckungen in der Medizin

Einer der ersten zahnärztlichen Eingriffe

1Fauler Zahn aus grauer Vorzeit

Das bisher älteste Zeugnis eines (zahn-)ärztlichen Eingriffs fand sich bei Ausgrabungen in der Felsenhöhle Riparo Villabruna in Norditalien. Dort wurde ein etwa 14.000 Jahre altes, gut erhaltenes menschliches Skelett gefunden. Bei der Untersuchung fiel ein kariöser Backenzahn auf, der mit einer sehr kleinen spitzen Steinklinge bearbeitet worden sein muss – vermutlich um infiziertes Gewebe zu entfernen. Dieser steinzeitliche Backenzahn beweist, dass bereits die Menschen der jüngeren Altsteinzeit unter faulenden Zähnen litten – und erstaunliche Behandlungen erfuhren. Ob und wie sie gewirkt haben, bleibt allerdings im Dunkeln.

Eine kleine Geschichte der Zahnmedizin: Von Bohren und Kratzen zu Prävention und Oraler Medizin

Roland Frankenberger

“A clean tooth never decays.” – „Ein sauberer Zahn wird nicht krank.“

(Willoughby D. Miller)

Ähnlich wie in der Medizin ist eine der folgenreichsten Begleiterscheinungen der Neuzeit, dass unsere Patienten und Patientinnen um ein Vielfaches älter werden als noch vor wenigen hundert Jahren. Bezüglich der menschlichen Zähne drängt sich der Vergleich mit der Ehe auf – beide wurden in Epochen etabliert als Menschen kaum älter als 30 Jahre wurden. In Anbetracht signifikant längerer Lebensspannen traten somit neben heute ungleich höheren Scheidungsraten eben auch Probleme mit den Zähnen auf, da diese – so wie Eheleute – in der Neuzeit viel länger „durchhalten“ müssen.

Während Patient:innen noch im Mittelalter aufgrund von Karies – in der Regel durch die daraus folgenden Senkungsabszesse – regelmäßig verstarben, spielte die Parodontitis in diesem Zeitalter eher selten eine letale Rolle, wobei trotzdem der Mundgeruch auf der einen und die wackeligen Zähne auf der anderen Seite beklagt wurden. Überraschenderweise war die Karies jedoch gar nicht so weit verbreitet wie man meinen könnte, denn vor der Einführung von raffiniertem Zucker war die Ernährung z.B. im Mittelalter eher „zahngesund“.

Das bisher älteste Zeugnis eines zahnärztlichen Eingriffs wurde bei Ausgrabungen in der Felsenhöhle von Riparo Villabruna bei Sovramonte in Norditalien entdeckt, wo man ein ca. 14.000 Jahre altes, gut erhaltenes menschliches Skelett fand. Bei der Untersuchung fiel ein kariöser Molar (Backenzahn) auf, der offensichtlich mit einer kleinen spitzen Steinklinge bearbeitet wurde, um das infizierte Zahnhartgewebe zu entfernen. Dieser Zahn aus der Steinzeit beweist, dass bereits die Menschen der jüngeren Altsteinzeit unter faulenden Zähnen litten – und für damalige Verhältnisse erstaunliche Behandlungen erfuhren.

Obwohl zahnmedizinische Behandlungen wie Füllungen oder Trepanationen bereits seit 12.000 v. Chr. immer wieder dokumentiert wurden, wurde das gemeine Volk in der Fläche sehr lange primär exodontisch, also extraktionszentriert, behandelt. Diese Aufgabe fiel in der Regel den Barbieren zu, die neben dem Haareschneiden auch einfachere oralchirurgische Eingriffe übernahmen.

Von den Sumerer:innen bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts herrschte die Theorie vom Zahnwurm vor, der sich nach damaligem Verständnis als Parasit für die Karies verantwortlich zeichnete. Erst Pierre Fauchard (1678–1761) stellte die Zahnmedizin auf eine wissenschaftliche Basis und beschrieb erstmals die Parodontitis. W.D. Miller (1890) entwickelte die chemoparasitäre Theorie der Kariesentstehung und prägte den Leitsatz der Kariesprävention „A clean tooth never decays“ – „Ein sauberer Zahn wird nicht krank“. Weitere Meilensteine der frühen wissenschaftlichen Zahnmedizin waren die Röntgenstrahlen (1895) sowie die Lokalanästhesie (1905).

Die Zeit des Nationalsozialismus war eine rabenschwarze Zeit in der deutschen Zahnmedizin (s. Kap. I.39). Die Zahnmedizin im Nationalsozialismus wurde erst sehr spät im Rahmen eines trilateralen Forschungsprojekts der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK), Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) aufgearbeitet (2019). Dabei wurde herausgearbeitet, dass mindestens 60% der untersuchten zahnärztlichen Hochschullehrenden im „Dritten Reich“ Parteigänger:innen der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) waren. Das ist eine Prozentzahl, die weit über anderen Berufsgruppen liegt. Ebenso erhob die DGZMK nach 1949 in vielen Fällen diejenigen zu Ehrenmitglieder:innen und Medaillen-Träger:innen, die sich im „Dritten Reich“ den Nationalsozialist:innen und der NSDAP angedient und diese damit letztlich hoffähig gemacht hatten. Bei 50% aller Ausgezeichneten war dies der Fall. Hinzu kommen 48 nachweisliche zahnärztliche Kriegsverbrecher:innen, ca. 300 Waffen-SS-Angehörige, darunter ca. 100 KZ-Zahnärzt:innen.

Die Zeit des Wirtschaftswunders in Deutschland war auch in der Zahnmedizin von einem deutlichen Aufwind charakterisiert. Da bedingt durch die Verluste des 2. Weltkriegs nicht genug zahnärztliches Personal verfügbar war, wurden im Jahre 1952 den Dentist:innen ermöglicht, nach 60 Stunden zusätzlicher Fortbildung die zahnärztliche Approbation zu erlangen. Die drei Jahre später in 1955 inaugurierte Approbationsordnung fußte aufgrund der durch Kriegsfolgen oft zahnlosen Patient:innen primär auf Zahnersatzkunde (Prothetik) mit einem präklinischen und klinischen Schwerpunkt auf Kronen, Brücken und Prothesen. Es ist kaum zu glauben, aber diese „Nachkriegs-AOZ“ sollte bis zu ihrer Ablösung im Jahr 2021 ganze 66 Jahre überdauern. Es war seit 25 Jahren überfällig, die in der Kariesprävention sehr erfolgreich agierende deutsche Zahnmedizin endlich auch in der akademischen Ausbildung an den Paradigmenwechsel hin zu einem präventionsorientierten Fach bzw. Studiengang anzupassen. Während die AOZ von 1955 den Vorteil hatte, dass man sie im Sinne einer modernen Ausbildung junger Zahnmediziner:innen recht gut „beugen“ konnte, lagen die anachronistischen Trends jedoch lange auf der Hand. Mit der ersten Reform der AOZ – eine zweite muss zur Renovierung des ersten Studienabschnitts zwingend bald folgen – wurden jedoch sinnvolle Meilensteine inkl. dringend erforderlicher horizontaler Transparenz zur Medizin umgesetzt. Die Zahnmediziner:innen der Zukunft müssen präventiv gut aufgestellt und als Entzündungsspezialist:innen in der Oralen Medizin verortet sein, um den Herausforderungen des demografischen Wandels inkl. Polypharmazie und multimorbidem Patientengut im Rahmen der Morbititätskompression erfolgreich begegnen zu können. Fundamentale Desiderate aller verantwortlichen deutschen Zahnmediziner:innen sind in diesem Zusammenhang eine kapazitär-strukturelle Gleichstellung mit der Medizin und ein signifikanter Ausbau von Interdisziplinarität und Interprofessionalität. Es ist vor dem Hintergrund der beschriebenen Herausforderungen der Oralen Medizin nicht hilfreich, wenn eine halbe Generation Mediziner:innen in ihrem Studium nie etwas über die multiplen Wechselwirkungen zwischen Mundhöhle und Gesamtorganismus gehört hat und der Mund eine „Black Box“ darstellt. Dass sich dies im Rahmen des Masterplans Medizinstudium 2020 endlich wieder ändert, ist sehr zu begrüßen.

Kernaussagen:

Über Jahrtausende wurde der Zahnwurm für Karies, deren Folgen häufig letal waren, verantwortlich gemacht.

Unzutreffende Theorien können über Jahrtausende Bestand haben. Die Wissenschaft sollte daher Theorien und Modelle regelmäßig hinterfragen und auf ihre Aktualität hin überprüfen.

In der Zahnmedizin hat ein Paradigmenwechsel von der Zahnersatzkunde hin zu einem präventionsorientiertem Fach stattgefunden, die Wechselwirkung zwischen Mundhöhle und Gesamtorganismus ist gleichermaßen bedeutsam für Human- und Zahnmediziner:innen.

Prof. Dr. med. dent. Roland Frankenberger

Roland Frankenberger ist Direktor der Poliklinik für Zahnerhaltung an der Universität Marburg, seit 2019 Präsident der Deutschen Gesellschaft für Zahn, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) und Präsidiumsmitglied des Medizinischen Fakultätentages (MFT).

Trepanation des Schädels

2Loch im Kopf

Neurochirurgie in der Steinzeit: Die operative Schädelöffnung am lebenden Individuum bezeichnet man als Trepanation. Der älteste Nachweis einer solchen Operation gelang an einem Fund im Gebiet des heutigen Marokkos und wird auf 12.000 bis 10.000 v. Chr. datiert. Während eine Trepanation heute nach wie vor aus therapeutischen Gründen zur Entlastung eines raumfordernden Blutergusses oder bei erhöhtem Hirndruck zum Abfluss des Hirnwassers durchgeführt wird, kann man nur spekulieren, aus welchen Gründen in grauer Vorzeit die Löcher in den Schädel gebohrt wurden: aus kultisch-rituellen Gründen, zur Behandlung von Kopfschmerzen oder zur Befreiung von bösen Geistern unter der Schädelkalotte? Aus den verheilten Wundrändern einiger Schädellöcher lässt sich jedenfalls schließen, dass manche Opfer solcher Eingriffe die Tortur erstaunlicherweise überlebt haben.

Neurochirurgie in der Steinzeit

Hartmut Vatter und Valeri Borger

„Ich habe mich zum Thema ‚Trepanation for the National Health‘ für das Parlament in Chelsea zur Wahl gestellt. Es war nicht meine Absicht, gewählt zu werden; es war eher ein Kunstprojekt. Mein Ziel war es, den Wissenschaftlern zu zeigen, dass Trepanation ein interessantes Gebiet ist und weiter erforscht werden sollte.“

(Amanda Feilding, Countess of Wemyss and March, englische Drogen- und Hirnforscherin, Gründerin der Beckley Foundation für psychedelische Forschung, die eine evidenzbasierte Reform der Drogenpolitik zum Ziel hat. Sie bohrte sich 1970 selbst ein Loch in den Kopf, um die Wirkung der Trepanation auf das Bewusstsein zu erfahren.)

Die Entwicklung von chirurgischen Fertigkeiten begleitet die Menschheit von Beginn an und hat ihren Ursprung mit dem aufrechten Gang und der Entwicklung von Handfertigkeiten genommen. Eine der schon sehr früh entwickelten Fertigkeiten des Homo sapiens war es, Schädel zu eröffnen. Eine solche operative Schädeleröffnung am lebenden Individuum bezeichnet man als Trepanation. Das für die Durchführung dieser Prozedur benötigte Instrument bezeichnet mal als Trepan. Diese Bezeichnung entstammt dem griechischen Wort „Trypanon“, welches man am ehesten mit dem Begriff „Bohrer“ übersetzen kann.

Die archäologische Forschung liefert erste Hinweise für die Anwendung der Techniken zur Schädeleröffnung bereits bei den Menschen der Jungsteinzeit (Neolithikum) vor mehr als 12.000 Jahren (Goodrich 2014). Bis heute existieren mehr als 1.500 Funde von entsprechend behandelten Schädeln. Die ältesten Exemplare werden auf 10.000 v. Chr. datiert und stammen aus Nordafrika. Das älteste europäische Exemplar ist mehr als 10.000 Jahre alt und wird am ehesten gar in das Zeitalter der Altsteinzeit (Paläolithikum), sicher jedoch in das Zeitalter der Jungsteinzeit eingeordnet. Die Verteilung der Schädel-Funde über Europa, Asien, Nord-, Mittel- und Südamerika sowie Ozeanien und deren zeitliche Zuordnung stützt die Theorie, dass diese Praxis bereits früh ziemlich weitverbreitet in verschiedenen uralten Kulturen war.

Anhand der Untersuchungen insbesondere von Schädel-Funden aus den späten 1600 n. Chr. in Frankreich hielt sich die vorherrschende Meinung, dass die Öffnungen in den Schädeln postmortem erzeugt worden sind. Es war Paul Broca, welcher durch die von E.G. Squier, einem französischen Diplomaten in Peru, gemachten Beobachtungen sowie durch sorgfältige Analysen der Schädel-Funde zur Überzeugung gelang, dass die steinzeitlichen Schädelöffnungen auch premortem durchgeführt worden sind (Apuzzo et al. 2007). Die entsprechenden Funde zeigten am Rande der Löcher knöcherne Veränderungen, die darauf hinweisen, dass die in der Art und Weise Behandelten die Prozedur eine bestimmte Zeit überlebt haben müssen. Interessanterweise finden sich besonders viele Funde auf dem Gebiet, welches sich heute über Peru, Mexiko und Nordamerika erstreckt, wohingegen im fernen Osten und China keine derartige Schädel-Funde bis dato entdeckt wurden.

Im Gegensatz zu der eindeutigen Evidenz von steinzeitlichen Trepanationen, ranken sich über die Motivation der Durchführung derartiger Behandlungen in unterschiedlichen steinzeitlichen Kulturen bis heute viele Mythen und Spekulationen oder es besteht zumindest eine kontroverse Meinung darüber. Vor dem Hintergrund der fehlenden schriftlichen und sonstigen originären Überlieferungen aus der Zeit, finden sich in der Wissenschaft lediglich Belege für die Annahme, dass die Prozeduren der Schädelöffnung aus therapeutischen oder auch rituellen Überlegungen heraus durchgeführt worden sind. So zeigen sog. peruanische und dänische Schädel häufiger Trepanationen in der linken temporoparietalen Region als mögliches Indiz für eine therapeutische Entlastung von linksseitigen intrakraniellen Hämatomen, welche dem Opfer von einem oder einer rechtshändigen Angreifer:in durch einen mutmaßlichen Schlag gegen den Kopf zugefügt worden sind. Dagegen waren im jungsteinzeitlichen Frankreich die Trepanationen vermutlich vorwiegend rituell motiviert. Bei den postmortem durchgeführten Eingriffen wurden auf diese Art und Weise rundliche Schädelknochen-Fragmente entnommen und nach weiterer Bearbeitung als Amulett oder Talisman getragen. Eine weitere mögliche Motivation, die zumindest in den Texten des Ebers-Papyrus aus dem Ägypten um 1500 v. Chr. beschrieben wird, ist die „Heilung“ z.B. von Kopfschmerzen und Übelkeit durch die Vertreibung bzw. das Ablassen von „bösen Geistern und Dämonen“ (Assina et al. 2014). Eine zugleich sehr elegante wie auch aufgrund von fehlenden Beweisen ebenfalls spekulative Theorie ist die Auferstehung von den Toten durch chirurgische Manipulation am Kopf. Genährt wurde diese Praxis vermutlich durch die gemachte Beobachtung, dass die Opfer von durch scharfe Waffen zugefügten Penetrationsverletzungen der Brust- und Bauchhöhle in der Regel dem sicheren Tod geweiht waren, wohingegen Opfer stumpfer Gewalteinwirkung gegen den Kopf sich durchaus auch von ihren Verletzungen erholen und somit dem vermeintlich sicheren Tod entkommen konnten.

Erstaunlich ist nicht nur die Fülle möglicher Gründe, Schädelöffnungen vorzunehmen, sondern auch das bereits verfügbare Repertoire an Operationstechniken von Steinzeit-Neurochirurgen. Durch die Beobachtungen an den vorliegenden Funden lassen sich überwiegend vier Techniken nachvollziehen:

Kratzen

Furchen

Bohren und Schneiden

rechteckiges Einschneiden

Das dafür benötigte Instrumentarium durchlief eine Art Evolution vom einfachen Flintstein über sog. Tumi-Messer bis hin zu einem Bogenbohrer, zumeist aus Obsidiangestein. Obwohl die Steinzeit-Neurochirurgen bei ihren Eingriffen primitivste Instrumente benutzten und man ihnen unterstellen muss, ohne jegliches fundamentales medizinisches Wissen agiert zu haben, so waren sie überraschenderweise relativ erfolgreich. Die näheren Analysen der archäologischen Funde zeigen, dass einige der Behandelten die Operationen auch längere Zeit überlebt haben. In manchen Quellen werden sogar Überlebensraten von bis zu 80% berichtet. Somit wurde bereits in der Steinzeit das Fundament für die ersten neurochirurgischen Eingriffe am Schädel und Hüllen des Hirns gelegt und hierdurch die Evolution dieses vergleichsweisen jungen Fachgebietes der modernen operativen Medizin in Gang gesetzt. Die Entwicklung der modernen Neurochirurgie zeigt einen enormen technischen und medizinischen Progress und dennoch mutet die einfache Bohrlochtrepanation für die neutralen Betrachter:innen auch heute noch oft wie aus der Steinzeit gegriffen.

Kernaussagen:

Die Trepanation war sehr früh eine weit verbreitete „Verletzung des Körpers“, um Heilung zu erzielen.

Prozeduren der Schädelöffnung wurden wahrscheinlich aus therapeutischen und/oder rituellen Beweggründen durchgeführt.

Die medizinischen Kernhandlungen und Grundprinzipien ärztlichen Handelns bleiben oft über die Jahrzehnte gleich. Mit „einfachen Mitteln“ war und ist man häufig noch heute relativ erfolgreich.

Prof. Dr. med. Hartmut Vatter

Hartmut Vatter ist Direktor der Klinik für Neurochirurgie und Direktor des Neurozentrums des Universitätsklinikums Bonn. Er ist spezialisiert auf vaskuläre Neurochirurgie, Schädelbasis- und Hirntumorchirurgie sowie Epilepsiechirurgie.

 

Dr. med. Valeri Borger

Valeri Borger ist Neurochirurg und Leitender Oberarzt der Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums Bonn. Zu den klinischen und wissenschaftlichen Schwerpunkten gehören u.a. Epilepsiechirurgie und Hirntumorchirurgie.

Literatur

Apuzzo ML, Liu CY, Sullivan D, Faccio RA (2007) Surgery of the human cerebrum – a collective modernity. Neurosurgery 61(1 Suppl), 28–31

Assina R, Sarris CE, Mammis A (2014) The history of craniotomy for headache treatment. Neurosurgical Focus FOC 36(4), E9

Goodrich J (2014) How to get in and out of the skull: from tumi to “hammer and chisel” to the Gigli saw and the osteoplastic flap. Neurosurgical Focus FOC 36(4), E6

Die erste Ärztin der Antike

3Ärztin „under cover“

Bereits im 5. bis 4. Jahrhundert v. Chr. hatten es Frauen mit dem Medizinstudium und dem Arztberuf nicht gerade leicht: Es war ihnen, ebenso wie den Sklaven, nicht gestattet, die Heilkunde zu erlernen und auszuüben. Nachdem sich die begabte junge Athenerin Agnodike vergeblich um eine Zulassung zum Studium bemüht hatte, ließ sie sich die Haare kurz schneiden und verkleidete sich als Mann, um bei dem alexandrinischen Arzt Herophilos Medizin und Geburtsheilkunde zu studieren. So konnte sie anschließend ungestört und erfolgreich praktizieren. Nachdem sie einmal eine Frau behandelt hatte, die wegen einer gynäkologischen Krankheit unter starken Schmerzen litt, wurde sie verklagt, weil es männlichen Ärzten verboten war, Frauen gynäkologisch zu behandeln. Es blieb ihr also nichts anderes übrig, als sich als Frau zu outen. Daraufhin wurde sie allerdings erneut verklagt, diesmal weil sie gesetzeswidrig als Frau den Arztberuf ausgeübt hatte. Durch die Intervention ihrer Patientinnen, darunter einige einflussreiche Athenerinnen, wurde das Verfahren jedoch schließlich eingestellt. Auch das Gesetz wurde geändert und Agnodike ging als erste Ärztin in die Geschichte ein. Seitdem war es in Athen freigeborenen Frauen erlaubt, Geburtshilfe und Heilkunst zu erlernen und zu praktizieren.

Der lange Weg von Ärztinnen im Verborgenen zur gendersensiblen Medizin

Christiane Groß

„Erstaunlich, daß der Mensch nur hinter seiner Maske ganz er selbst ist.“

(Edgar Allen Poe)

Wie gehe ich an die Betrachtung der Lebensgeschichte dieser mutigen Ärztin heran, die sich vor etwa 2.300 Jahren für ihre eigenen Ideale eingesetzt hat?

Ein erster Schritt führt mich zu dem Verfasser, der uns von Agnodike erzählt hat. Hyginus Mythographus lebte wahrscheinlich zur Zeit Kaisers Augustus und hat über die Geschichte dieser Ärztin berichtet (Boriaud 1997). Er greift dabei auf alte griechische mythologische Sagen zurück. Genealogiae und Fabulae heißen seine beiden Schriften über Mythen und Stammbäume der Götter. Agnodike gehört nach diesen Quellen in den Bereich der Götter oder wird zumindest gottähnlich verortet.

Nun nähere ich mich dem Namen Agnodikes und zerlege ihn, da ich keine direkte Übersetzung finden konnte, in die folgenden Teile: agnos, gnosis, agnosis, -dike, -ik, -ike. Agnos bedeutet in der Übersetzung aus dem Altgriechischen unverdorben, keusch, aber auch mädchenhaft und rein. Gnosis kennen wir bis heute aus dem Religionsumfeld und kann übersetzt werden mit Wissen oder Erkenntnis (Online-Wörterbuch 2023). Agnosis ist dann das Gegenteil, die Unwissenheit, die Unkenntnis. Dike, in der griechischen Mythologie die Tochter von Zeus und Themis, wird als Personifikation der Gerechtigkeit beschrieben (von Sybel 1886). Die Endungen -ik und -ike weisen als Wortbildungselemente auf feminine Substantive hin, die ein Fachgebiet, einen Sammelbegriff oder das Wesen einer Sache bezeichnen (Wiktionary 2023).

Der antike Autor, der eine Geschichte über eine Frau erzählt, die, als Mann verkleidet, als Arzt arbeitet, wird sich über den Namen dieser Figur Gedanken gemacht haben: Die Anerkennung ihres Mutes, aber auch das Entsetzen, dass solch eine Maskerade nicht aufgefallen sein soll. Tatsächlich ist es für uns heute undenkbar, dass gerade ein lehrender Arzt nicht bemerkt haben soll, dass er eine Frau, eine Studentin, vor sich hat. Der Lehrer Agnodikes, Herophilos von Chalkedon (um 300 v. Chr.) (Ogilvie 1986), der auch als Vater der Anatomie beschrieben wird, wollte es womöglich einfach nicht wissen. Der Begriff Agnosis scheint angebracht.

Agnodike selbst erscheint rein und unverdorben, weil sie sich ihrem Ziel als Frau verpflichtet sieht und diesem Ziel viel, wahrscheinlich ihr gesamtes Leben, unterordnet. Sie eignet sich das Wissen der Medizin an, obwohl sie dieses Wissen nicht haben dürfte. Darauf scheint auch die Ambivalenz zwischen den Begriffen agnos und agnosis hinzuweisen. Wenn nun das Verbot gerade durch eine Frau umgangen wird, wird es selbst ad absurdum geführt. Die Endung des Namens Agnodike weist zudem auf Gerechtigkeit hin, die auch in dieser Geschichte zu finden ist: Agnodike wurde es nach dem Prozess weiterhin gestattet, als Ärztin zu praktizieren.

Frauen, die sich als Männer verkleiden mussten, um ihre Ziele zu erreichen, gab es immer. Sie faszinieren uns, sodass wir einen Teil dieser Geschichten auch in der Literatur finden können, wie beispielsweise in Gustav Adolfs Page, der Novelle von C.F. Meyer. Gründe für eine Verkleidung als Mann waren oft Kriege, die eine Frau dazu brachten, sich für die Heimat einzusetzen. Jeanne d’Arc und Eleonore Prochaska, die sogenannte Potsdamer Jeanne d’Arc, sind Beispiele. Andere Frauen wie Isabell Erhardt (*1877), die allein durch die Wüste Nordafrikas reiste, wollten Abenteuer erleben (Rothenfluh 2018). Für eine Frau alleine wäre das damals unmöglich gewesen.

Neuere Berichte gibt es auch. So wollte Nora Vincent erforschen, wie sich das Leben von Mann und Frau unterscheidet (Bessing 2006). Sie hielt die Verkleidung eineinhalb Jahre durch und hat ihre Erfahrung 2006 veröffentlicht. Dass eine Verkleidung noch notwendig sein kann, sehen wir auch an neueren Berichten. Sisa Abu Dauuh, eine Frau aus Ägypten, wurde 2015 als besondere Mutter durch den ägyptischen Staat ausgezeichnet, weil sie es schaffte, alleine ihre Familie zu ernähren. Das konnte sie aber nur, weil sie 43 Jahre lang als Arzt verkleidet gearbeitet hatte (Süddeutsche Zeitung 2015). Sie hätte – damals schwanger – nach dem frühen Tod ihres Mannes traditionell wieder heiraten sollen, hat sich aber für ein selbstbestimmtes Leben mit einem eigenen Einkommen entschieden, dies mit Energie umgesetzt und es nicht bereut.

Es ist vorstellbar, dass ein Leben in der Selbstverleugnung in Ländern wie beispielsweise Afghanistan weiterhin für Frauen notwendig ist. In Europa ist die Situation von Frauen und Männern anders. Auch Ärztinnen sind den Ärzten weitgehend gleichgestellt. In Deutschland sind jeweils 50% Ärztinnen und Ärzte vertreten (Bundesärztekammer 2021). Vergleicht man die Hürden, die sie zu nehmen haben, mit denen von Agnodike, erkennen wir, wie weit wir es im Bemühen um Gleichstellung gebracht haben. Dennoch bestehen weiterhin Defizite. Hauptsächlich wenn es darum geht, dass Ärztinnen Führungspositionen erlangen, sind Frauen immer noch benachteiligt. Doch selbst in den chirurgischen Fächern, in denen patriarchalische Denkweisen besonders lange überdauern, wandelt sich langsam das Alltagsbild und es gibt dort mehr Ärztinnen.

Um Fortschritte zu ermöglichen, gab es immer Frauen, die mutig voran gingen. Es waren Kämpferinnen wie Agnodike oder wie Elisabeth Winterhalter, die um 1900 eine der ersten selbständigen Chirurginnen war (Görner u. Priepke 2022). Doch auch Frauen-Verbände haben ihren Anteil, darunter der Vorgängerverein des Deutschen Ärztinnenbundes (DÄB) von 1924 (Deutscher Ärztinnenbund 2014). Damals ging es darum, Frauen generell den Weg in den ärztlichen Beruf zu ebnen. Heute fördert der Verband die Motivation von Ärztinnen, sich um Spitzenpositionen zu bewerben. In der Kommunikation mit den Politikerinnen und Politikern fordert der DÄB Parität in Gremien und Institutionen, auch um durch den zusätzlichen weiblichen Blick, die Zielsetzung der Gesundheitsversorgung zu verbessern. Allerdings steht und fällt die Gleichberechtigung mit der Veränderung der Rollen von Mann und Frau in der Gesamtgesellschaft und damit einhergehend mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Agnodike, eine Ärztin mit Genderblick, eine frühe Gynäkologin und Geburtshelferin hat durch ihre Arbeit auch aufmerksam gemacht, dass Frauen als Patientinnen benachteiligt waren, auch weil Ärzte alle männlich waren und Männer Frauen nicht behandeln durften. Solange gendersensible Medizin nicht flächendeckend in allen medizinischen Fächern umgesetzt wird, ist ein Teil dieser Diskriminierung immer noch Gegenwart. Dieses Buch ist ein weiterer Schritt in die richtige Richtung, hin zu Medizin für Frauen und Medizin für Männer aber auch zur Medizin von Männern und Medizin von Frauen.

Kernaussagen:

Die Gleichwertigkeitsverneinung der Geschlechter besteht seit Beginn der Medizin. Einzelne herausragende Frauen konnten und teils können nur durch Verkleidung als Mann ihren Wunschberuf ausüben.

Obwohl seit Jahren mehr als zwei Drittel der Medizinstudierenden weiblich sind, ist nach wie vor die oberste Führungsebene mit über 80% von Männern besetzt.

Die Stärkung der Gendermedizin ist Voraussetzung, um Frauen und Männern durch eine gendersensible Behandlung gerecht zu werden.

© J. Rolfes

Dr.in med. Christiane Groß, M.A.

Christiane Groß ist Fachärztin für Allgemeinmedizin mit den Schwerpunkten Psychotherapie und ärztliches Qualitätsmanagement. Seit 2015 ist sie Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes (DÄB) sowie seit 2005 Mitglied im Vorstand der Ärztekammer Nordrhein und seit 2020 Gründungsmitglied und Vorstandsmitglied im Verein „Spitzenfrauen Gesundheit“ e.V.

Literatur

Bessing J (2006) Enthüllungen: Die Autorin Norah Vincent lebte eineinhalb Jahre als Mann verkleidet. Die Welt. URL: https://www.welt.de/print-welt/article202938/Enthuellungen-Die-Autorin-Norah-Vincent-lebte-eineinhalb-Jahre-als-Mannverkleidet.html (abgerufen am 09.06.2023)

Boriaud JY (1997) Hygin: Fables – Les belles lettres, Paris

Bundesärztekammer (2021) Ergebnisse der Ärztestatistik zum 31.12.2021. Wenn ein leichter Zuwachs in den Mangel führt. URL: https://www.bundesaerztekammer.de/baek/ueber-uns/aerztestatistik/aerztestatistik-2021 (abgerufen am 09.06.2023)

Deutscher Ärztinnenbund e.V. (2014). Chronologie des Deutschen Ärztinnenbundes e.V. URL: https://www.aerztinnenbund.de/Chronologie.0.297.1.html (abgerufen am 09.06.2023)

Görner K, Priepke D (2022) Dr. med. Elisabeth H. Winterhalter. Eine Recherche. Dokumente und Materialien. Frauen Referat Frankfurt am Main. Online bestellbar unter: info. [email protected]

Ogilvie MB (1986) Women in Science – Antiquity through the Nineteenth Century. A Biographical Dictionary with Annotated Bibliography. Cambridge, The Massachusetts Institute for Technology, S. 28, URL: Women in Science: Antiquity Through the Nineteenth Century: a Biographical … – Marilyn Bailey Ogilvie – Google Books (abgerufen am 06.03.2023)

Online-Wörterbuch (2023) „Gnosis“ beim Online-Wörterbuch Wortbedeutung.info. URL: Gnosis: Bedeutung, Definition > Wortbedeutung.info (abgerufen am 06.03.2023)

Rothenfluh A (2018) Frauen der Geschichte. Isabelle Eberhardt, die Schweizerin, die als Mann durch die Wüsten Nordafrikas zog. URL: https://www.watson.ch/wissen/frauen%20der%20geschichte/241121750-isabelle-eberhardt-als-mann-verkleidet-durch-die-wuesten-nordafrikas (abgerufen am 09.06.2023)

Süddeutsche Zeitung (2015) Auszeichnung durch Präsidenten: Ägypterin verkleidet sich 43 Jahre lang als Mann. 24. März 2015. URL: https://www.sueddeutsche.de/panorama/auszeichnung-durch-praesident-aegypterin-verkleidetsich-43-jahre-lang-als-mann-1.2407626 (abgerufen am 09.06.2023)

von Sybel L (1886) Dike. In: Roscher WH (Hrsg.) Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologue. Band V, 1, Leipzig, S. 1018–1020. URL: Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie: Roscher, Wilhelm Heinrich, 1845–1923: Free Download, Borrow, and Streaming: Internet Archive (abgerufen am 06.03.2023)

Wiktionary (2023) Das freie Wörterbuch, ein Wikibasiertes freies Wörterbuch. Endung -ik. URL: https://de.wiktionary.org/wiki/-ik (abgerufen am 09.06.2023)

Diotima im Gespräch mit Sokrates (Gemälde von Franz Caucig)

4Die Mutter der Psychotherapie

Ob es Diotima wirklich gegeben hat oder ob der Philosoph Sokrates (469–399 v. Chr.) sie als seine Lehrerin frei erfunden hat, ist umstritten: In Platons Dialog „Symposion“ schildert er jedenfalls, was Diotima ihn über das Wesen des Eros als mächtige Triebkraft zum Zeugen im Schönen gelehrt habe: Die geistige Zeugung ist wertvoller als die körperliche, und die Schönheit der Seele herrlicher als die des Leibes. Damit hat Sokrates die Seele des Menschen in den Mittelpunkt seines Denkens und Lehrens gestellt und so die abendländische Seelenkunde begründet – und damit auch Seelenheilkunde oder Psychotherapie. Eros ist als die ausgleichende Kraft zu verstehen, die im psychotherapeutischen Prozess Widersprüche aufzulösen vermag, die allein rational nicht bewältigt werden können. Deshalb ist Diotima auch die Namensgeberin des Ehrenpreises, den die deutsche Bundespsychotherapeutenkammer alljährlich vergibt.

Diotima – Mutter der Psychotherapie und die Schönheit der Seele

Ernst Dietrich Munz

„Dann aber wird er die Schönheit in den Seelen für wertvoller halten als die im Leibe.“

(Sokrates in Platons „Symposion“)

„Dann aber wird er die Schönheit in den Seelen für wertvoller halten als die im Leibe.“ Mit diesen Worten – so berichtet Sokrates im „Symposion“ des Platon – belehrte ihn die Seherin Diotima von Matinea über die Wirkung und Ziele des Eros.

Im „Symposion“ wird der Verlauf eines Gastmahls wiedergegeben, dessen Teilnehmer wie üblich einen Redebeitrag halten und sich darauf einigen, dass jeder „eine Lobrede auf den Eros“ halte.

Nach mehreren Vorrednern, die Eros als Gott der Liebe und den Glücklichsten unter den Göttern loben, der die Menschen als Individuen, die gesamte Gesellschaft und den Kosmos zu Streben nach gutem Handeln, der Tugend, dem Schönen und zu Unsterblichkeit führe, nimmt das Symposion eine Wende, als Sokrates das Wort ergreift. Er erklärt, er könne keine Lobrede halten, sondern „die Wahrheit bin ich bereit zu sprechen“ (Platon 2008, 199a). Sokrates hält nun keine eigene Rede, sondern berichtet von den Ausführungen und Belehrungen der Priesterin Diotima von Matinea in einem Gespräch, das er mit ihr geführt habe.

Zunächst entsteht ein Dialog über das Wesen des Eros. Da dieser ein Begehrender sei, somit auch an Mangel leide, könne er kein Gott sein, sondern er sei ein Daimon, „ein Mittleres zwischen sterblich und unsterblich“ (Platon 2002, S. 93), ein Vermittler zwischen den Göttern und den Menschen. Gezeugt worden sei er beim Geburtsfest der Aphrodite. Penia, die Bedürftige, war zum Betteln gekommen und habe Poros, Sohn der Metis (Klugheit) betrunken im Garten schlafen gesehen und den Plan gefasst, mit ihm ein Kind zu zeugen, sich zu ihm gelegt und Eros empfangen. Als Sohn der Penia sei Eros einerseits „allezeit arm und bei weitem nicht so zart und schön, […] und der Natur seiner Mutter gemäß immer der Dürftigkeit Genosse“ (Platon 2002, S. 95). Als Sohn des Poros stelle er andererseits allem Schönen und Guten nach, „sei tapfer, draufgängerisch und energisch, […], begierig nach Einsicht […]“ (Platon 2002, S. 95). Ziel des Eros sei das Streben der Menschen nach Gutem und Schönem, „dass einem das Gute für immer gehören soll“ (Platon 2002, S. 105), seine Anstrengung sei „die Zeugung im Schönen, sowohl nach dem Leibe als nach der Seele … Alle Menschen möchten Frucht tragen, an Leib und Seele“ (Platon 2002, S. 103). Wie das Leibliche sei auch die Seele in stetigem Wandel, ebenso wie unser Wissen in einem Werden und Vergehen.

Diotima nähert sich dem Höhepunkt ihrer Ausführungen (Sier 1997), äußert dabei Zweifel, ob Sokrates fähig sei, in die Mysterien des Eros eingeführt zu werden und erläutert dann: Wer auf dem richtigen Weg sei, würde

„die Schönheit in den Seelen für wertvoller halten als die im Leibe“ und man müsse ihn zu den Wissenschaften führen damit er sich „auf das weite Meer des Schönen wendet und im Betrachten viele schöne und herrliche Reden und Gedanken zeugt, in ungemessener Weisheitsliebe, bis er, dort gestärkt und gefördert, dann ein einzigartiges Wissen von solcher Art zu Gesicht bekommt, das sich auf ein Schönes von folgender Art bezieht“ (Platon 2002, S. 115).

Diotima – Patronin des Ehrenpreises der Deutschen Psychotherapeutenschaft

Richter (2009) führt anlässlich der ersten Verleihung des Diotima-Ehrenpreises der Deutschen Psychotherapeutenschaft aus, dass es also Diotima war, die den jungen Sokrates dazu inspirierte, als erster Philosoph die Seele des Menschen in den Mittelpunkt seines Denkens und Lehrens zu stellen. „Diotima stand damals – wenn Sie so wollen – an der Wiege der Psychotherapie. Deshalb haben wir sie zur Patronin unseres Preises gewählt“ (Richter 2009).

Richter würdigt dabei auch die Bedeutung des Sokrates für die Psychotherapie, wie sie in den Dialogen der Nachwelt überliefert wurde. Sokrates wirkte mit erkennbarem Einfluss durch Diotima

„in erster Linie im Gespräch auf seine Mitmenschen ein. In seinem Anliegen, unkontrollierter Aggression, Gewalt und Egoismus – heute würden wir sagen mangelnder Steuerungsfähigkeit und narzisstischen Beziehungsmustern – vernunftgeleitetes, verantwortliches und selbstbeherrschtes Handeln gegenüberzustellen, erwies er sich als der erste große ‚Psychotherapeut‘. Die ‚sokratische Psychotherapie‘ besteht in einem prüfenden Fragen und Konfrontieren, was zunächst Staunen, Verunsicherung und Verwirrung bewirkt, dann aber zu einem kritischen Überdenken alter und möglicherweise falscher Positionen – heute würden wir sagen Kognitionen und Beziehungsmuster – führt. Dies wiederum ist die Voraussetzung zur Entwicklung eigener neuer Betrachtungsweisen, die Sokrates in einer Art dialogischen Geburtsaktes ans Tageslicht zu befördern hilft. Sokrates sah dabei bereits, dass sein Therapieverfahren für den Einzelnen eine schmerzliche, aber heilsame Erfahrung sein kann.“ (Richter 2009)

Man kann nur noch hinzufügen, dass Sokrates ganz im Sinne von Diotima hierbei an der seelischen Entwicklung hin zur Schönheit mitwirkt. Werthmann (2009) ergänzt, dass es der psychotherapeutische Eros sei, der die therapeutische Beziehung von Alltagsbeziehungen unterscheide und es sich lohne, den psychotherapeutischen Eros in uns Psychotherapeut:innen zu pflegen (Werthmann 2009). Schönheit in den Seelen der Patient:innen zu entdecken und die Behandlung an den Bedürfnissen der Patient:innen auszurichten, gilt es bei Reformen in der medizinischen und psychotherapeutischen Ausbildung zu erreichen.

Kernaussagen:

Die Seele des Menschen wird in den Mittelpunkt des Denkens und Lehrens Sokrates gestellt. Sie ist das Grundgerüst zum Aufbau einer guten Arzt-Patient-Beziehung.

„Die Schönheit in den Seelen ist wertvoller […] als die im Leibe“ – Therapeut:innen sollten die Schönheit in den Seelen der Patient:innen entdecken und stärken.

Wie das Leibliche ist auch die Seele in stetigem Wandel, ebenso wie unser Wissen in einem Werden und Vergehen.

Dr. rer. nat. Ernst Dietrich Munz

Ernst Dietrich Munz arbeitete nach seiner Promotion in Physik und seinem Psychologiestudium als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Psychophysiologie. Danach war er als Psychoanalytiker an der Sonnenbergklinik Stuttgart tätig und ist berufspolitisch engagiert.

Literatur

Platon (2002) Symposion, Übers. von R. Rufener. Artemis und Winkler, Düsseldorf, Zürich

Platon (2008) Symposion, Übers. und Hrsg.: Paulsen T, Rehn R. Reclam, Stuttgart

Richter R (2009) Begrüßung – 1. Preisverleihung des „Diotima-Ehrenpreises der deutschen Psychotherapeutenschaft. URL: https://www.bptk.de/wp-content/uploads/2019/01/20090518_begruessungsrede_prof.richter_diotima-ehrenpreis_ptj.pdf (abgerufen am 09.06.2023)

Sier K (1997) Die Rede der Diotima, Untersuchungen zum platonischen Symposion. Teubner Verlag, Stuttgart/Leipzig

Werthmann V (2009) Dankesrede zur Verleihung des Diotima Ehrenpreises der Deutschen Psychotherapeutenschaft. URL: https://www.bptk.de/wp-content/uploads/2019/01/20090518_dankesrede_werthmannn_diotima-ehrenpreis_ptj.pdf (abgerufen am 09.06.2023)

Galen und Hippokrates

5Vater der Medizin – Hippokrates von Kos

Hippokrates (460–370 v. Chr.) gilt als berühmtester Arzt des Altertums. Er betrachtete die Medizin als eine eigenständige Wissenschaft und gründete die Ärzteschule von Kos. Sie lehrte die Theorie der vier Körpersäfte: Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle. Nach dieser Humoralpathologie waren Krankheiten ein Ungleichgewicht zwischen den Körperflüssigkeiten. Nicht die Krankheit sollte behandelt werden, sondern der ganze Mensch, dessen natürliche Heilungskräfte durch Diät, Umstellung der Lebensweise und pflanzliche Drogen angeregt werden sollten. Dazu kamen die damals bekannten Mittel der Chirurgie. Wichtiger Teil der Behandlung war die Anamnese, bei der auch die Lebensumstände der Patientinnen und Patienten, ihre Konstitution und ihr Beruf erfasst wurden. Hippokrates verkörpert das Leitbild idealer Ärztinnen und Ärzte, die wissenschaftliches Denken mit ärztlicher Erfahrung und hohem menschlichen Ethos verbinden. Dieses Leitbild findet sich im Hippokratischen Eid wieder, in der ersten Formulierung einer ärztlichen Ethik.

Hippokrates – Wissenschaft und Ethik

Susanne Weinbrenner

„Wer stark, gesund und jung bleiben will, sei mäßig, übe den Körper, atme reine Luft und heile sein Weh eher durch Fasten als durch Medikamente.“

(Hippokrates von Kos)

Zur Person

Hippokrates von Kos lebte von 460 v. Chr. (Astypalaia auf der Insel Kos) bis 370 v. Chr. (Larisa Thessalien). Er entstammte einer traditionellen griechischen Arztfamilie aus dem Geschlecht der Asklepiaden, die ihre Abstimmung auf den Heilgott Asklepios zurückführten. Wie es in Arztfamilien üblich war, wurde Hippokrates zunächst von seinem Vater ausgebildet. Danach vervollkommnete er seine Ausbildung bei anderen Ärzten aber auch bei Philosophen und Rhetorikern wie Herodikos und Demokrit. Diese geistige Schulung hat wahrscheinlich zu seinem rationalen und systematischen Zugang zur Medizin einen erheblichen Beitrag geleistet. Hippokrates war nach seiner Ausbildung viele Jahre in Griechenland und Kleinasien als Wanderarzt tätig, bevor er auf seine Heimatinsel Kos zurückkehrte. Hier gründete er eine Arztschule und eine Klinik – das Asklepeion. Hippokrates war schon zu seiner Zeit ein sehr berühmter und hoch geehrter Arzt und ist auch heute noch selbst Laien vor allem durch den Hippokratischen Eid bekannt.

Neues Krankheitsverständnis

Vor Hippokrates wurde im antiken Griechenland Tempelmedizin praktiziert. Krankheiten galten vor allem als durch Götter oder Dämonen verursacht und entsprechend bestand ihre Behandlung im Wesentlichen aus Götterbeschwörungen und rituellen Handlungen der Priester. Die Kranken wurden in den Tempel gebracht, dort sollte Asklepios die Krankheit im Schlaf von ihnen nehmen. Da Erkrankungen als von externen, höheren Mächten verursacht galten, konnte ihnen auch durch den Betroffenen wenig entgegengesetzt werden.

Das größte Verdienst, das Hippokrates aus heutiger Sicht im Hinblick auf das Praktizieren von Medizin zuzurechnen ist, besteht darin, eine ganzheitliche, systematische und auf Fakten basierende Herangehensweise an Gesundheit und Krankheit – und damit einen wissenschaftlichen Umgang der Medizin, mit ihren Fragestellungen begründet zu haben.

Medizin wird Wissenschaft

Hippokrates betrachtete Erkrankungen als eine Unausgewogenheit der im Körper der Betroffenen wirkenden Kräfte und der Umwelt, die es wieder auszugleichen gilt. Dazu entwickelte er die Vier-Säfte-Lehre (Humoralpathologie) weiter, nach deren Verständnis ein Ungleichgewicht der vier Säfte Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle für Erkrankungen verantwortlich war. Wesentliche Einflüsse sah er darüber hinaus in der Lebensweise der Menschen und in der Umwelt, das heißt beispielsweise im direkten Lebensumfeld der Patient:innen, in ihrer beruflichen Tätigkeit oder auch in klimatischen Bedingungen.

Systematisches Vorgehen

Im Umgang mit Erkrankten entwickelte Hippokrates eine systematische Herangehensweise. Indem er die erkrankten Menschen sorgfältig beobachtete, deren Symptome und Krankheitsverläufe über die Zeit verfolgte, gelang es ihm Krankheiten besser zu verstehen, ihre Entwicklung zu prognostizieren und Hinweise zu ihrer Verhütung und Therapie zu geben. Großen Wert legte Hippokrates auf die sorgfältige Befragung der Kranken (Anamnese), die Krankenbeobachtung und die Prognose