Heimat-Roman Treueband 37 - Rosi Wallner - E-Book

Heimat-Roman Treueband 37 E-Book

Rosi Wallner

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Beschreibung

Lesen, was glücklich macht. Und das zum Sparpreis!

Seit Jahrzehnten erfreut sich das Genre des Heimat-Bergromans sehr großer Beliebtheit. Je hektischer unser Alltag ist, umso größer wird unsere Sehnsucht nach dem einfachen Leben, wo nur das Plätschern des Brunnens und der Gesang der Amsel die Feierabendstille unterbrechen.
Zwischenmenschliche Konflikte sind ebenso Thema wie Tradition, Bauernstolz und romantische heimliche Abenteuer. Ob es die schöne Magd ist oder der erfolgreiche Großbauer - die Liebe dieser Menschen wird von unseren beliebtesten und erfolgreichsten Autoren mit Gefühl und viel dramatischem Empfinden in Szene gesetzt.

Alle Geschichten werden mit solcher Intensität erzählt, dass sie niemanden unberührt lassen. Reisen Sie mit unseren Helden und Heldinnen in eine herrliche Bergwelt, die sich ihren Zauber bewahrt hat.

Dieser Sammelband enthält die folgenden Romane:

Alpengold 195: Der Organist von St. Zyprian
Bergkristall 276: Ein Kuss - das beste Argument
Der Bergdoktor 1747: Rufmord und Bauernstolz
Der Bergdoktor 1748: Sie kam nicht von ihm los
Das Berghotel 132: Willst du meine Mama sein?

Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 320 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 606

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Impressum

BASTEI LÜBBE AG Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Für die Originalausgaben: Copyright © 2015/2017 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2022 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotiv von © Look Studio / Shutterstock ISBN 978-3-7517-2965-9 www.bastei.de www.luebbe.de www.lesejury.de

Rosi Wallner, Lothar Eschbach, Andreas Kufsteiner, Verena Kufsteiner

Heimat-Roman Treueband 37

Inhalt

Rosi WallnerAlpengold - Folge 195Abendfriede liegt über dem Bergdorf St. Zyprian, und Elias Mang ist es, als zögen auch in sein Herz endlich wieder Ruhe und Frieden ein. Nach einer schweren Enttäuschung hat der junge Organist im Pfarrhaus des abgeschiedenen Dorfes ein neues Zuhause gefunden, und die schwärende Wunde, die Blankas Verrat ihm geschlagen hat, scheint sich allmählich zu schließen. Dennoch ist Elias fest entschlossen, niemals wieder einer Frau sein Herz zu öffnen und stattdessen sein Leben allein seiner Musik und seiner Kunst zu weihen ... Doch sein Entschluss gerät ins Wanken, als die hübsche Bernadette, die Nichte der Pfarrhaushälterin, für die Semesterferien ins Pfarrhaus kommt. Schon bald rührt etwas an diesem Madel eine Saite in Elias an, die für immer schweigen sollte. Aber gerade, als er erkennt, dass auch Bernadette ihn innig liebt, macht in St. Zyprian ein böses Gerücht die Runde: Elias soll sich einem seiner Orgelschüler in unsittlicher Weise genähert haben ...Jetzt lesen
Lothar EschbachBergkristall - Folge 276Sie haben sich von Herzen lieb, der Rottenhofer-Bernhard und seine Anita. Und wenn es einmal ein Missverständnis gibt, hilft das Heilmittel aller Verliebten: ein Kuss und die Sonne lacht wieder. Aber plötzlich schmecken die süßen Küsse nicht mehr, und Anitas schöne Augen sind gar nicht liebevoll, sondern voller Misstrauen. Von seinem Bruder wird der Bernhard nur noch ausgesprochen finster angesehen, die Schwägerin weint heimlich, und im Dorf werden seltsame Gerüchte laut. Bernhard versteht die Welt nicht mehr - bis ihm recht unsanft die Augen geöffnet werden ...Jetzt lesen
Andreas KufsteinerDer Bergdoktor - Folge 1747Es ist wirklich unglaublich, was auf den beiden Höfen am Schwender-Moos abspielt. Auf dem einen Hof lebt seit vielen Generationen die Familie Kernbacher, den anderen Hof bewirtschaften die Wallbergers. Doch von nachbarschaftlichem Frieden kann zwischen den Familien nicht im Entferntesten die Rede sein. Jeder sagt dem anderen Boshaftigkeit, Sturheit und Rufmord nach. Natürlich haben beide Familien darauf geachtet, dass auch ihre Kinder - die Kernbachers haben eine bildhübsche Tochter, die Wallbergers einen höchst attraktiven Sohn - einen großen Bogen umeinander machen. Doch seltsam - immer, wenn Saskia sich neuerdings auf den Weg ins Dorf macht, muss auch Leon "zufällig" etwas besorgen. Und plötzlich macht ein neues Gerücht im Dorf die Runde ...Jetzt lesen
Der Bergdoktor - Folge 1748Viele haben Lea davor gewarnt, sich mit Jörg Poldner einzulassen. Der Bursch sei krankhaft eifersüchtig und unberechenbar! Doch Lea hat alle Warnungen ignoriert und ist zu ihrem Jörg auf den einsam gelegenen Berghof gezogen. Wie sehr sie diesen Schritt inzwischen bereut! Längst hat sie begriffen, dass Jörg unter gefährlichen Wahnvorstellungen leidet. Er kontrolliert jeden ihrer Schritte, und wehe, sie kehrt fünf Minuten zu spät vom Einkauf im Dorf zurück. Lea sieht keinen anderen Weg mehr, als die Konsequenzen zu ziehen und den Berghof zu verlassen. Doch sie weiß, dass sie ihre Flucht sehr gründlich planen muss. Sonst passiert eine Katastrophe ...Jetzt lesen
Verena KufsteinerDas Berghotel - Folge 132Caroline Burgstaller hat sich so sehr auf ihren Urlaub im Zillertal gefreut. Doch eben erst im Berghotel angekommen, werden ihre Urlaubspläne jäh durchkreuzt. Als sie den Fahrstuhl betritt, wartet dort bereits ein kleines Madel mit blonden Zöpfen, bei dessen Anblick sich Carolines Herz schmerzhaft zusammenzieht. Ihr Kind wäre jetzt ungefähr so alt wie die Kleine - ihr Kind, das ihr der Himmel so früh genommen hat. Vom Schmerz überwältigt, schließt sie die Augen, während sich der Fahrstuhl in Bewegung setzt. Doch schon nach wenigen Sekunden bleibt er mit einem heftigen Ruck stehen. Caroline drückt erneut den Knopf, aber der Fahrstuhl bewegt sich keinen Millimeter weiter. Sie versucht es noch einmal, hektischer diesmal. Da geht auch noch das Licht aus, und es wird stockfinster. Ängstlich drängt sich das Madel an Caroline. Es zittert. Panik durchflutet Carolines Körper. Sie kann kaum atmen. Instinktiv schlingt sie einen Arm um das Kind. Was, um alles in der Welt, soll sie jetzt tun?Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Der Organist von St. Zyprian

Vorschau

Der Organist von St. Zyprian

In einem kleinen Bergdorf sucht er Vergessen und gerät in einen schlimmen Verdacht

Von Rosi Wallner

Abendfriede liegt über dem Bergdorf St. Zyprian, und Elias Mang ist es, als zögen auch in sein Herz endlich wieder Ruhe und Frieden ein. Nach einer schweren Enttäuschung hat der junge Organist im Pfarrhaus des abgeschiedenen Dorfes ein neues Zuhause gefunden, und die schwärende Wunde, die Blankas Verrat ihm geschlagen hat, scheint sich allmählich zu schließen. Dennoch ist Elias fest entschlossen, niemals wieder einer Frau sein Herz zu öffnen und stattdessen sein Leben allein seiner Musik und seiner Kunst zu weihen …

Doch sein Entschluss gerät ins Wanken, als die hübsche Bernadette, die Nichte der Pfarrhaushälterin, für die Semesterferien ins Pfarrhaus kommt. Schon bald rührt etwas an diesem Madel eine Saite in Elias an, die für immer schweigen sollte. Aber gerade, als er erkennt, dass auch Bernadette ihn innig liebt, macht in St. Zyprian ein böses Gerücht die Runde: Elias soll sich einem seiner Orgelschüler in unsittlicher Weise genähert haben …

Als Elias Mang die Dorfkirche St. Zyprian betrat, hob sich sein Herz. Helles Licht flutete in den Innenraum und ließ ihn viel größer erscheinen, als das Gebäude von außen vermuten ließ. Das holzgeschnitzte alte Kirchengestühl leuchtete honigbraun auf, und die Farben des Altarbildes, unter dem eine Vase mit einem prächtigen Frühlingsstrauß stand, traten hervor und ließen die Madonna seltsam lebendig erscheinen.

Dann sah Elias zu der Empore hoch, und er verspürte noch größeres Erstaunen. Sie wurde fast völlig von einer mächtigen Orgel eingenommen, die höchst ungewöhnlich für eine so kleine Dorfkirche war.

„Unsere Orgel ist schon etwas ganz Besonderes“, erklang hinter ihm eine tiefe Stimme, und Elias, der ganz in Betrachtung der hoch aufragenden Pfeifen versunken war, schrak unwillkürlich zusammen.

Er wandte sich um und erblickte einen hochgewachsenen, massigen Mann mittleren Alters, dessen Gewand ihn als den Dorfpfarrer auswies. Ein freundliches Lächeln lag auf seinem breitflächigen Gesicht, was aber den forschenden Blick seiner erfahrenen Augen nicht verbergen konnte.

„Albin Brandl“, stellte er sich vor, „ich bin hier der Pfarrer, was unschwer zu erkennen ist. Die Leute nennen mich nur Hochwürden, und die meisten duzen mich sogar, weil ich mit ihnen in die Schule gegangen bin oder weil sie meine Eltern – Gott hab sie selig – gut gekannt haben. Das ist sicher kein Nachteil, denn ich weiß, was meine Leut hier so denken und was sonst noch in ihnen vor sich geht.“ Brandl lachte kurz auf.

Elias stand einem Mann gegenüber, der aus bäuerlichem Geblüt stammte, wie schon sein Äußeres verriet, und der sein Amt mit Freude, aber auch mit gesundem Menschenverstand versah. Er besaß Humor, wie die Lachfältchen um seine hellen Augen bewiesen, und wirkte lebensfroh, aber auch willensstark.

Der Pfarrer seinerseits musterte den jungen Mann, der befangen vor ihm stand, ziemlich unverhohlen, wie es seine Art war. Er sah ein schönes Gesicht mit regelmäßigen Zügen vor sich, beherrscht von einem empfindsamen Mund und eigenartig hellgrauen Augen, deren Blick in die Ferne gerichtet schien. Sie bildeten einen eigenartigen Gegensatz zu den lockigen dunklen Haaren, die ihm in die Stirn fielen.

Albin Brandl seufzte innerlich auf, aber er ließ sich nichts anmerken.

„Sicher wundern Sie sich darüber, wie unser kleines Dorf zu so einer prächtigen Orgel gekommen ist. Sie geht auf eine Stiftung nach dem Ersten Weltkrieg zurück. Die drei größten Bauern im Tal haben geschworen, für eine Orgel zu spenden, wenn ihre Söhne und Erben den Krieg überleben und in ihr Heimatdorf zurückkehren würden. Alle blieben am Leben, waren wenigstens äußerlich unversehrt, und die Bauern machten ihr Versprechen wahr. So sind wir zu dieser Orgel gekommen, einem Meisterwerk der Orgelbaukunst.“

„Eine schöne Geschichte“, sagte Elias sichtlich bewegt.

„Ja. Inzwischen ist das Instrument von einer holländischen Firma überholt worden. Wie Sie sehen, ist die Orgel aus Eiche gefertigt, wie man es nur noch selten findet. Namhafte Künstler haben hier Konzerte gegeben … Dennoch ist es uns nicht gelungen, einen Organisten auf Dauer zu verpflichten. Die Gegend ist halt gar zu abgelegen, und die langen, kalten Winterabende erträgt nicht jeder, vor allem, wenn er in der Stadt aufgewachsen ist.“

„Das ist mir nur recht. Ich vertrage die Hektik in der Stadt nicht“, sagte Elias, und für einen Augenblick verdüsterte sich sein Gesicht.

„Umso besser. Zwischenzeitlich ist die Holler-Anna eingesprungen, unsere frühere Dorflehrerin, die auch Klavierstunden gegeben hat. Aber das ist halt schon ein Unterschied, und zuletzt ist ihre Arthrose immer schlimmer geworden. Das war oft ein seltsames Gelärme im Gottesdienst, auch wenn niemand etwas gesagt hat.“ Der Pfarrer lachte gutmütig. „Daher bin ich von Herzen froh, dass wir wieder einen richtigen Organisten haben, und ich heiße Sie im Namen der Gemeinde herzlich willkommen.“

„Danke, danke“, stammelte Elias, „auch ich bin froh, hier zu sein.“ Erleichterung durchströmte ihn, denn er spürte, dass Hochwürden ihm gewogen war. Denn dass der Dorfpfarrer ihm keine Steine in den Weg legte, war eine wichtige Voraussetzung für sein Wirken.

„Sonst ist die Kirche ja eher schmucklos außer dem Altarbild. So, jetzt gehen wir nach hinten ins Pfarrhaus und bereden alles“, schlug Brandl vor.

Das Pfarrhaus erwies sich als ein lang gestrecktes Gebäude mit einem direkten Verbindungsweg zu der Kirche. Dahinter erstreckte sich ein weitläufiger Garten, der von Hecken und hohem Gebüsch umgeben war.

„Das Haus ist viel zu groß für einen Pfarrer und seine Wirtschafterin“, bemerkte Hochwürden, als sie hinüberschritten. „Wir haben zurzeit keinen Kaplan und die Gästezimmer werden auch nicht genutzt. Schauen Sie sich das Ganze einmal an. Aber zuerst möchte ich Ihnen den Garten zeigen.“

Elias nickte zum Einverständnis, und nachdem sie einen Torgang durchquert hatten, traten sie in einen wunderbar angelegten Rosengarten. Die Beete waren mit Buchskugeln umgeben, Kies knirschte unter ihren Schritten, selbst an der rückwärtigen Hausmauer rankten sich Kletterrosen empor.

„Das ist eine englische Rose, sie heißt Constance Spry. Eine der ersten Züchtungen ihrer Art. Sie blüht zwar nur einmal im Jahr, dafür aber lang anhaltend und üppig. Die Mauern einer englischen Abtei sind völlig bedeckt von ihr. Es ist allerdings recht schwierig, sie über den Winter zu bringen, einmal ist sie teilweise erfroren, hat sich aber wieder erholt. Wenigstens steht sie hier ziemlich geschützt“, erläuterte der Pfarrer mit leuchtenden Augen.

Sie wanderten von Beet zu Beet, und Albin Brandl erklärte dem jungen Mann die besonderen Eigenschaften seiner Lieblinge. Elias war aufrichtig beeindruckt, was den Pfarrer sehr zufriedenstellte.

„Ich freue mich schon jetzt darauf, wenn die Rosen anfangen zu blühen“, meinte Elias.

Albins Stirn runzelte sich sorgenvoll. „Wenn nur die Eisheiligen und die Kalte Sophie keinen größeren Schaden anrichten“, gab er zu bedenken.

Elias hatte darauf nichts zu sagen, und Hochwürden deutete auf den hintern Teil der Gartenanlage, die durch eine Hecke vom Rosengarten getrennt war. Eine überwucherte Pforte führte hinein.

„Und das ist Magdalenas Reich – Magdalena Veith, meine Haushälterin. Sie hat einen wunderbaren Gemüsegarten angelegt, dazu ein Kräuterbeet und Spalierobst. Wir können uns fast aus dem Garten ernähren“, erklärte Albin nicht ohne Stolz.

Hochwürden öffnete das Törchen, und Elias bewunderte die akkurat angelegten Beete, in denen es keinem Unkraut gestattet war, Wurzeln zu schlagen. Genauso akkurat stand das Spalierobst in Reih und Glied, Magdalena Veith war augenscheinlich eine Frau, bei der alles seine Ordnung haben musste.

„Jetzt schauen wir, wo wir Sie unterbringen können. Wo ist eigentlich Ihr Gepäck?“

„Noch am Bahnhof. Meine Noten lasse ich nachschicken, das wäre sonst zu viel gewesen“, erwiderte Elias.

Sie gingen ins Haus und schritten durch hohe Gänge, die irgendwie an ein Schulgebäude erinnerten. Doch alles wirkte freundlich, und angenehme Gerüche nach hausgemachtem Essen durchzogen die Luft.

Hochwürden hob den Kopf und sog die Düfte in sich ein. „Die Magdalena hat Ihnen zu Ehren etwas Gutes gekocht“, sagte Albin anerkennend und lächelte genießerisch. „Und danach gibt es noch ein gutes Tröpfchen aus unserem Weinkeller, Sie werden staunen.“

Auch seine Leibesmitte verriet, welche irdischen Freuden der Pfarrer besonders schätzte, und plötzlich verspürte Elias heftigen Hunger. Er hatte seit einem hastig hinuntergeschlungenen Frühstück nichts mehr zu sich genommen, allerdings würde er sich noch eine Weile gedulden müssen.

Am Ende des Ganges, im Erdgeschoss, öffnete Hochwürden schwungvoll eine Tür, und sie traten in ein überaus geräumiges Zimmer ein. Trotz der schweren dunklen Möbel, die kürzlich erst poliert worden waren, wirkte es sehr hell und einladend. Das lag an den breiten Terrassentüren, die zum Rosengarten hinausgingen. Dazwischen stand ein breiter Schreibtisch, und Elias ging durch den Sinn, dass das der ideale Arbeitsplatz für ihn sei.

Lange weiße Gardinen bauschten sich an beiden Seiten der Türen, und in einem altmodischen Alkoven lud ein breites Bett zur Nachtruhe ein. Eigentlich war dieses bequeme Bett für zwei gedacht, doch Elias verbot sich sofort diesen Gedanken.

Es fiel ihm auf, dass in diesem Raum bestimmt kein Staubkörnchen zu finden war, die Dielen glänzten, und es roch angenehm nach Lavendel. In einer Ecke gab es ein Sofa mit einem Tisch davor, auf dem ein Narzissenstrauß in einem Krug stand.

Sicher ein Willkommensgruß von der Haushälterin, vermutete Elias, und er hatte das Empfinden, dass er sich hier zu Hause fühlen würde.

„Gefällt es Ihnen? Hier können Sie vorübergehend oder auf Dauer wohnen“, sagte der Pfarrer zuvorkommend.

„Auf Dauer – wenn es Ihnen und Ihrer Haushälterin nicht zu viele Umstände macht“, entfuhr es Elias spontan.

„Wir sind von Herzen froh, wenn wir endlich einmal wieder jemanden im Haus haben, der jung ist“, sagte Hochwürden erfreut. „Wir werden es gleich der Magdalena mitteilen. Und machen Sie sich nichts daraus, wenn sie ein wenig herb ist, das ist ihre Art.“

Sie gingen den anregenden Düften nach, und Elias fand sich gleich darauf in einer großen Wohnküche wieder, wo eine Frau bedächtig am Herd hantierte und so in ihre Arbeit vertieft war, dass sie ihnen zunächst keine Beachtung schenkte.

Magdalena Veith war eine große, derb wirkende Frau, die deutlich älter als Hochwürden war. Aber vielleicht kam es Elias auch nur so vor, weil sie zu jenen Frauen gehörte, die nichts auf ihr Äußeres gaben und Eitelkeit offensichtlich für eine schwere Sünde hielten. Sie trug einen sauberen, sorgfältig geplätteten grauen Kittel, der jedoch unvorteilhaft um ihre unförmige Gestalt wallte.

Ihr Gesicht war großflächig, was noch durch die gelbgrauen Haare, die sie streng nach hinten gezerrt und zu einem kleinen Knoten zusammengesteckt hatte, betont wurde. Aus ihren wasserhellen kleinen Augen sah sie Elias scharf an, und der junge Mann fühlte sich unter diesem Blick sehr unbehaglich.

„Vielen Dank für den schönen Strauß, den Sie in mein Zimmer gestellt haben“, sagte Elias höflich.

„Er möchte dort wohnen, es scheint ihm zu gefallen“, warf Hochwürden ein.

Magdalena gehört offensichtlich zu den seltenen Frauen, die wortkarg waren. Sie nickte nur kurz auf diese Eröffnung hin, und Elias glaubte, nur einen flüchtigen Schimmer von Genugtuung auf ihren unschönen Zügen wahrzunehmen.

„Was gibt es denn Gutes heut, Magdalena?“, fragte Hochwürden.

Er reckte den Hals, als wollte er in ihre Töpfe spähen, aber Magdalena verhinderte mit einer schnellen Bewegung, die ihn zurückweichen ließ, die Sicht darauf.

„Wirst schon sehen“, murmelte sie undeutlich.

Albin lachte, und die beiden ungleichen Männer gingen hinüber in das Esszimmer, das wie ein angrenzender kleiner Empfangsraum, der für Besucher gedacht war, auf den Garten hinausführte. Der Tisch war sorgfältig gedeckt; eine bestickte Leinendecke, wie man sie heute kaum noch sah, schönes Geschirr und geschliffene Gläser boten einen festlichen Anblick. Auch hier schmückte ein Narzissenstrauß in einer Kristallvase die Tischmitte, offensichtlich liebte auch Magdalena Blumen nicht weniger als Hochwürden.

Als die Wirtschafterin mit einer großen Suppenterrine den Raum betrat, hatten Albin und Elias schon Platz genommen, und nachdem sie sie vorsichtig abgesetzt hatte, ließ auch sie sich nieder. Die leichte Gemüsebrühe schmeckte köstlich, denn sie war auf eine Weise gewürzt, die Elias unbekannt war. Danach gab es einen Kalbsbraten mit einer schmackhaften Soße, locker pürierte Kartoffeln und gratinierten Blumenkohl.

„So gut hab ich noch nie gegessen“, gestand Elias ein.

„Ein Hoch auf die Köchin!“, rief Hochwürden gut gelaunt und hob das Glas mit dem leichten Tischwein in Magdalenas Richtung.

Wenn Magdalena von diesem überschwänglichen Lob beeindruckt war, so zeigte sie es jedenfalls nicht. „Es gibt noch einen Nachtisch“, bemerkte sie knapp.

Die Mahlzeit verlief in gelöster, ja heiterer Stimmung. Auch wenn Magdalena schweigsam war, so war doch Albin überaus wortgewandt und ein geistreicher Erzähler. Bald hatte auch Elias seine Scheu abgestreift, und eine angeregte Unterhaltung entspann sich zwischen den beiden, die keineswegs auf theologische Themen hinauslief. Hochwürden war ein weltoffener, vielseitig interessierter Mann, der auch die schönen Künste liebte.

Auch das Dessert – eine Schokoladenmousse mit zimtigem Nachgeschmack – erfreute den Gaumen, und Elias machte Magdalena erneut ein Kompliment. Sie nahm es mit unbewegter Miene zur Kenntnis und verschwand in der Küche, nachdem sie den Tisch abgeräumt hatte. Elias’ Angebot, ihr dabei zu helfen, hatte sie beinahe beleidigt abgelehnt.

Ziemlich nachdrücklich, wie Elias fand, hatte sie dann die Küchentür hinter sich zugezogen und Hochwürden und Elias sich selbst überlassen.

„Ja, meine Magdalena ist ein wahres Juwel, was die Koch- und Backkünste anbelangt. Allerdings wird man nicht recht klug aus ihr – aber ist schon je ein Mann ganz klug aus den Frauen geworden?“

Das war nicht abschätzig gemeint, sondern scherzhaft hingeworfen und klang beinahe liebevoll. Doch Elias reagierte nicht darauf, und Hochwürden stellte mit einem raschen Seitenblick fest, dass sich das Gesicht des jungen Mannes verschlossen hatte.

Eine verletzte Seele, dachte der Pfarrer voller Bedauern bei sich, vielleicht ist das der Grund, warum er sich hierher in die Bergeinsamkeit geflüchtet hat.

„Ich schlage vor, dass Sie erst am Sonntag offiziell anfangen, Sie müssen sich ja erst an die Orgel gewöhnen und sich einüben. Und die Gegend sollten Sie auch erkunden, es gibt hier schöne Wanderwege in völliger Ungestörtheit. Glücklicherweise ist unser Tal noch nicht von den Touristen entdeckt worden.“

Das nahm Elias als Zeichen zum Aufbruch, er erhob sich und bedankte sich noch einmal für das Festessen. Auch Albin stand auf und berührte Elias kurz am Arm.

„Ich werde jetzt in mein Studierzimmer gehen und an meiner nächsten Predigt feilen“, erklärte der Pfarrer.

Die „Studierstube“, wie er sein Arbeitszimmer nannte, war Albins Zufluchtsort. Noch nicht einmal Magdalena durfte ihn dort stören, was ihr sowieso nie in den Sinn gekommen wäre. In einer Ecke befand sich ein kleines Sofa, auf dem sich Albin gern von Magdalenas Mahlzeiten, bei denen er sich viel zu wenig Zurückhaltung auferlegte, ausruhte.

Doch das war sein kleines Geheimnis, wenngleich er manchmal das Gefühl hatte, dass seine Haushälterin ganz genau Bescheid wusste.

„Und ich werde mich um mein Gepäck kümmern“, erwiderte Elias.

„Dann schauen Sie sich auch gleich unser Dorf an bei der Gelegenheit“, schlug Hochwürden ihm vor.

***

Und so schlenderte Elias langsam durch die Dorfstraße, die vom hellen Licht der Frühlingssonne übergossen war. Der Ortskern war noch völlig in seiner Ursprünglichkeit erhalten geblieben, und Elias bewunderte die alten Häuser, deren Vorderfront teilweise mit Lüftlmalerei verziert war. Es gab auch aufwendige Schindelverkleidung und holzgeschnitzte Balkone, auf denen Blumenkästen mit Hängegeranien standen, die bald zu leuchtender Pracht erblühen würden.

Er kam am Wirtshaus vorbei, dessen kunstvoll geschmiedetes Schild die Inschrift „Zur Schwarzen Gams“ trug. Bratenduft zog heraus, doch längst nicht so verlockend wie bei dem Festmahl, das Magdalena Veith im Pfarrhaus zubereitet hatte.

Dann öffnete sich der Marktplatz vor ihm, in dessen Mittelpunkt ein hoher Steinbrunnen etwas matt vor sich hin plätscherte. Mehrere Gebäude waren kreisförmig darum angeordnet – das Rathaus, dessen Eingang beidseitig mit bepflanzten Terrakottakübeln geschmückt war, eine altertümliche Apotheke, einige Ladengeschäfte und das Doktorhaus, wie Elias an dem Schild erkennen konnte.

Der altertümliche kleine Bahnhof war schon seit Langem von Stilllegung bedroht, da nur noch viermal am Tag Regionalzüge einfuhren. Elias holte einen Rucksack und einen schäbigen kleinen Koffer aus den Schließfächern. Da er nicht gewusst hatte, wie weit der Weg zum Pfarrhaus war, hatte er sein Gepäck erst einmal hier deponiert. Sie enthielten – abgesehen von seinen Noten – seine gesamten Habseligkeiten.

Er lud sich den Rucksack auf und machte sich zügig auf den Rückweg. Ein paar Mal musste er anhalten und den Koffer abstellen, denn die Sonne brannte doch schon heiß von dem wolkenlosen Himmel, und sein Koffer schien immer schwerer zu werden. Neugierige Blicke folgten ihm, denn es geschah sehr selten, dass ein Fremder in das kleine Gebirgstal kam. Elias bemerkte allerdings nichts davon.

Er war inzwischen ins Pfarrhaus zurückgekehrt. Erleichtert ließ er den Rucksack zu Boden gleiten und sah sich in seiner neuen Behausung um. Und es gefiel ihm immer besser, je länger er hier verweilte. Noch nie hatte er einen so großzügigen, hellen Raum bewohnt, dazu noch mit einer Aussicht auf einen Rosengarten.

Dann räumte er die wenigen Kleidungsstücke, die er besaß, in den geräumigen Schrank, brachte seine Unterlagen in dem Schreibtisch unter und nahm von dem kleinen Badezimmer nebenan Besitz. Danach legte er sich auf sein Bett im Alkoven, denn die Reise war lang gewesen, und er hatte das plötzliche Bedürfnis, sich kurz auszuruhen.

Als er aufwachte und auf seine Armbanduhr sah, stellte er verärgert fest, dass er fast zwei Stunden geschlafen hatte. Es ging bereits gegen Abend, dennoch entschloss er sich, wenigstens noch einen Spaziergang zu machen, um einen Eindruck von seiner näheren Umgebung zu gewinnen.

Er zog sich um und suchte sich festere Schuhe aus, dann ging er ein Stück die Landstraße entlang und bog dann in einen Seitenweg ab, der hoch zu den Almwiesen führte. Langsam, aber ausdauernd stieg er hoch, bis er einen hohen Bergahorn erreichte, unter dem eine verwitterte Bank zum Ausruhen einlud.

Von hier aus hatte man einen wunderbaren Ausblick über das Hochtal, das von einer Gebirgskette gesäumt war. Die Gletscher waren von der Abendsonne rot überhaucht, immer wieder glitzerte und glomm es wie feurige Glut auf, Stille hatte sich über die Landschaft ausgebreitet.

Die blühenden Almwiesen wogten sanft im Wind, über ihm kreiste ein Raubvogelpaar, dessen sehnsüchtige Schreie weit hallten. Ruhe und Frieden erfüllten das Herz des jungen Mannes, zum ersten Mal nach langer Zeit.

Dann aber wanderten seine Gedanken zurück in die Vergangenheit, und er verspürte das vertraute Brennen in seiner Brust. Blanka Zirners Bild stieg vor ihm auf, und mit ihm der tiefe Schmerz, den er über ihren Verlust empfand.

Es lag gar nicht so lange zurück, dass er geglaubt hatte, dass ihm die ganze Welt offenstünde. Er hatte sein Studium in Kirchenmusik mit Auszeichnung abgeschlossen, und einige seiner Kompositionen waren bereits vielversprechend. Es gab kein Zweifel daran, dass er der Nachfolger des betagten Organisten einer Münchner Kirche werden würde, der sich auch für ihn eingesetzt hatte.

Doch nicht nur beruflicher Erfolg schien ihm bald in den Schoß zu fallen, sondern er hatte auch seine große Liebe gefunden – Blanka. Sie war die Tochter eines seiner Dozenten, und alle wunderten sich über ihren Liebesbund, denn sie waren so verschieden. Die schöne Blanka mit den wallenden rotblonden Haaren, die so leicht durch das Leben schritt und bei keinem gesellschaftlichen Ereignis fehlte. Elias waren Verpflichtungen dieser Art eher lästig, er liebte die Stille und Zurückgezogenheit, stundenlang feilte er an seinen Kompositionen.

Dennoch verband sie eine große Leidenschaft, und bis jetzt war Elias davon überzeugt, dass Blankas Gefühle für ihn aufrichtig gewesen waren. Sie konnten nicht ohne einander sein, ihr zuliebe begleitete er sie oft bei festlichen Anlässen, und Blanka bemühte sich, ihm Freiraum für sein künstlerisches Schaffen zu lassen.

Dann jedoch erlitt er eine ebenso unerwartete wie unverdiente Niederlage. Ein anderer wurde für die Stelle des Organisten vorgezogen, die inzwischen frei geworden war. Es hieß, dass der junge Mann, über dessen bisherige Laufbahn wenig bekannt war, über weitreichende Beziehungen verfügte, die ihm diesen raschen Aufstieg ermöglicht hatten.

Er war begabt, gewiss, aber sein Talent reichte bei Weitem nicht an die Musikalität von Elias heran. Gut aussehend und im gesellschaftlichen Umgang erprobt, gewann er aber rasch an Beliebtheit und wurde vor allem von den Frauen geschätzt.

Hatte sich Elias noch damit abfinden können, dass er beruflich übergangen worden war, so ereilte ihn bald ein weiterer Schicksalsschlag, den er bis jetzt nicht hatte verwinden können.

Elias stammte aus einer armen Familie und war früh verwaist, sodass er keinen Rückhalt hatte. Um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, gab er Privatunterricht oder sprang in Notfällen für andere Organisten ein. In der übrigen Zeit widmete er sich vermehrt seinen Kompositionen, und das beschäftigte ihn so, dass er kaum bemerkte, dass Blanka immer seltener mit ihm zusammen war.

Nur durch einen Zufall fand er heraus, dass es keineswegs Rücksichtsnahme auf seine Arbeit war, weshalb Blanka immer weniger Zeit mit ihm verbrachte, wie er stets angenommen hatte. Eines Abends wurde er von heftigen Kopfschmerzen gequält und entschloss sich dazu, eine Pause einzulegen und einen Spaziergang durch die Innenstadt zu unternehmen. Er schlenderte gerade gedankenverloren durch die Kaufinger Straße, als er ein glockenhelles Lachen hörte und zusammenschrak. Nur eine Frau konnte so hell lachen …

Er musste nicht lange suchen, bis er auf Blanka stieß. Sie war in Gesellschaft eines Mannes, an den sie sich verliebt schmiegte und dessen Zärtlichkeiten sie erwiderte. Elias hatte sich schnell im Eingang einer Einkaufspaßage verborgen, von wo aus er, die beiden mit brennenden Augen beobachten konnte.

Und nun erkannte er auch, wer der Mann war – sein Rivale, der ihm erst seine Stelle als Organist und dann auch die Geliebte weggenommen hatte. Elias stand da wie erstarrt, auch als das Paar schon lange aus seinem Blickfeld verschwunden war. Erst als er von einer Gruppe Jugendlicher grob zur Seite gestoßen wurde, machte er sich mit unsicheren Schritten auf den Heimweg.

Er war noch imstande, Blanka eine kurze Mitteilung, die das Ende ihrer Beziehung ankündigte, zu schreiben, dann überkamen ihn heftige Fieberschauer. Lange konnte er sich nicht erholen, es war ihm, als wäre ihm der Boden unter den Füßen weggezogen worden. Selbst in seiner Musik fand er keinen Trost mehr, denn er konnte nicht mehr komponieren. Nicht nur sein Lebensmut, sondern auch seine Schaffenskraft war zerbrochen.

Blanka hatte er nie wiedergesehen.

Einer seiner Studienfreunde riet ihm, München zu verlassen, und wies ihn auf die offene Stelle in dem kleinen Bergdorf hin. Und Elias erkannte, dass das die einzige Möglichkeit war, über sein Unglück hinwegzukommen.

Denn so schwer ihm auch der Abschied von seiner geliebten Heimatstadt fiel, so lief er doch immer wieder Gefahr, auf Blanka und ihren Gefährten zu stoßen. Die Vorstellung war ihm so unerträglich, dass er kaum noch das Haus verließ und sich ganz in seiner engen Studentenbude vergrub.

Und so kündigte er schließlich sein Zimmer, verabschiedete sich von all denen, die ihn in seinem bisherigen Leben wohlwollend begleitet hatten, und packte seine Sachen zusammen. Es sollte ein völliger Neuanfang werden – an einem Ort, wo er zu Ruhe kommen würde und vielleicht auch wieder die Kraft zum Komponieren finden könnte.

Nach einem Abendimbiss befürchtete Elias zuerst, nicht einschlafen zu können, als er in dem weichen Bett in dem Alkoven lag. Denn in der letzten Zeit hatte er oft keine Ruhe gefunden, weil er von Erinnerungen an Blanka gequält wurde. Heute jedoch fielen ihm bald die Augen zu, und er sank in einen tiefen, heilsamen Schlaf.

***

Als Elias Mang zum ersten Mal auf der Orgel von St. Zyprian spielte, blieben die Leute auf der Dorfstraße stehen und lauschten. Reine, weiche Klänge erfüllten das Gotteshaus, manchmal lieblich und melodiös, dann wieder schwollen sie kraftvoll an. Es war ein wunderbares Brausen und Jubilieren, und Hochwürden öffnete die Türen der Kirche weit, damit es weithin zu hören war.

Selbst Magdalena Veith bekreuzigte sich und murmelte: „So muss man den Herrn loben.“

Mehr als einem Dörfler traten die Tränen in die Augen, als hätten sie eine Botschaft vernommen, die endlich Freude in ihr oft trostlos gewordenes Leben brachte. Und in Albin Brandls Herzen regte sich die Hoffnung, dass dieser begabte junge Mann ihnen wenigstens noch eine Weile erhalten bliebe, ehe es ihm in diesem Dorf zu eng werden und ihn sein Talent weit von hier weg führen würde.

Elias ging ganz in seinem Orgelspiel auf, und er achtete nicht darauf, was um ihn herum geschah. Dieses Instrument war ein Wunder der Orgelbaukunst, selbst in den großen Kirchen hatte er nicht seinesgleichen gefunden. Und so sah er es als eine Fügung an, dass er hier wirken durfte, und zaghafte Dankbarkeit erfüllte sein Herz.

Und so war am Sonntag, als er zum ersten Mal beim Gottesdienst die Orgel spielte, die kleine Dorfkirche so voll, dass einige Besucher keinen Platz fanden und sich am offenen Portal zusammendrängten.

Hochwürden hielt eine ergreifende Predigt, die die Rolle der Kunst als Gotteslob im Mittelpunkt hatte und mit vielen Beispielen ausgeschmückt war. Dabei kam auch die bildende Kunst nicht zu kurz, denn Albin fand die Dorfkirche viel zu kahl und hoffte auf Spender unter den wohlhabenderen Kirchenmitgliedern.

Manch einer der Honoratioren, die ganz vorne in der Kirche saßen, musste ein Lächeln unterdrücken. Ein jeder wusste, dass Hochwürden ein Schlitzohr war.

Doch diese Gedanken verloren sich rasch, sobald sie wieder am Stammtisch beim Gamswirt vor einem Weißen saßen, ehe sie zum Sonntagsbraten nach Hause zurückkehrten, wo ihre Frauen schon ungeduldig auf sie warteten.

Heute natürlich war der neue Organist das Gesprächsthema, und Albin wurde unverhohlen nach ihm ausgefragt.

Als es ihm zu dumm wurde, verließ der Pfarrer die „Schwarze Gams“ und strebte dem Pfarrhaus zu, wo Magdalena schon das Essen auftrug. „Nirgendwo wird so ein Braten aufgetischt wie bei dir, Magdalena, das duftet schon von Weitem“, versuchte er, seine Haushälterin zu versöhnen, weil er sich mit ziemlicher Verspätung eingefunden hatte.

Und so verlief das Essen in vergnüglicher Stimmung wie immer, wenn Elias zu den gemeinsamen Mahlzeiten eingeladen war. Und das geschah fast täglich, und da Elias die Großzügigkeit des Pfarrers nicht ausnutzen wollte, revanchierte er sich, indem er bei der Gartenarbeit mithalf. Dafür waren sowohl Albin als auch Magdalena sehr dankbar. Ersterer, weil er durch seine Leibesfülle nicht mehr so beweglich war, und die Wirtschafterin, weil sie schon im Haushalt mehr als genug zu tun hatte.

Überhaupt schien die spröde Magdalena nach anfänglichem Misstrauen eine gewisse Zuneigung zu dem jungen Mann zu entwickeln, auch wenn es kaum erkennbar war. Er war so ganz anders als die Dorfburschen, und das gefiel ihr. Sein Orgelspiel hatte etwas in ihr angerührt, etwas lange Verschüttetes aus ihrer Jugendzeit, an die sie sonst nicht so gerne zurückdachte.

Elias führte in ihren Augen ein Leben ohne Fehl und Tadel, er mied sogar im Gegensatz zu Hochwürden das Wirtshaus. Er war sich nicht zu schade mitzuhelfen, und obwohl er ein äußerst gut aussehender junger Mann war, war er Frauen gegenüber sehr zurückhaltend.

Denn es konnte nicht ausbleiben, dass die Frauen und Mädchen für ihn, den Künstler, der der Orgel so wunderbare Töne entlockte, dass ihnen die Tränen in die Augen stiegen, schwärmten. Und das umso mehr, als er zwar sehr freundlich war, sich aber im Grunde genommen ablehnend verhielt. Inzwischen rankten sich schon allerlei Geschichten um ihn, dass er eine schwere Jugend gehabt habe und verbittert von einer unglücklichen Liebe sei. Vermutungen, die eigenartigerweise der Wahrheit recht nahekamen.

Den männlichen Dorfbewohnern war das nur recht.

„Hochwürden und der neue Organist wetteifern miteinander, wobei man sagen könnt, dass der Mang für ein Leben ohne Weib und Wein noch besser geeignet ist als der Albin“, spottete der Klosterbauer.

Die anderen am Stammtisch stimmten ihm lachend zu. Und auch wenn Elias Mang nicht einer der ihren war, so ließen sie ihn doch wenigstens gelten.

Elias spürte, dass er allmählich seine Kräfte wiedergewann. Langsam verblassten die quälenden Erinnerungen, und eines Tages stellte er fest, dass er ohne Schmerz an Blanka zurückdenken konnte. Er war sogar inzwischen zu der Einsicht gelangt, dass er vor einer Verbindung bewahrt worden war, die ihn letztendlich doch nicht glücklich gemacht hätte.

Das gute Essen, mit dem Magdalena die beiden Männer verwöhnte, und die reine Bergluft taten ein Übriges. Elias gewann nicht nur zunehmend Freude an der Gartenarbeit, sondern er unternahm in seiner freien Zeit auch lange Wanderungen. Mit derbem Schuhwerk und einer Wanderkarte ausgerüstet, erkundete er seine neue Heimat. Weit oben ließ er sich dann nieder, wenn er eine geeignete Stelle fand, und genoss die Einsamkeit und die einzigartige Bergwelt, die ihn umgab.

Er wirkte bald nicht mehr so ausgezehrt, und sein Schlaf wurde tiefer und traumlos. Auch die Traurigkeit, die ihn völlig beherrscht hatte, wich langsam von ihm, und es bestand kein Zweifel daran, dass er im Begriff stand, an Körper und Seele zu gesunden.

Auch Albin Brandl blieb das nicht verborgen, und da er den jungen Mann ins Herz geschlossen hatte, erfüllte ihn das mit großer Genugtuung. Doch er verlor kein Wort darüber, so sehr er auch sonst recht unverblümt in seinen Äußerungen war.

Eines Sonntags wachte Elias schon im Morgengrauen auf, und es war ihm, als hätte er geträumt, wie er eine Melodie niederschrieb. Jede einzelne Note war ihm noch deutlich in Erinnerung, und er stand hastig auf und griff zum Stift, der immer bereitlag. Ohne ein einziges Mal zu stocken, nur leise vor sich hin summend, warf er sie nieder und änderte auch später nicht die geringste Kleinigkeit.

Den ganzen Morgen über wanderte er in Gedanken verloren im Haus herum. Schließlich setzte er sich an das Klavier im Empfangszimmer, nachdem er Albin um Erlaubnis gefragt hatte, und begann zu spielen. Wehmütig und dann wieder jubilierend klang es auf, und der Pfarrer und Magdalena, die sogar ihr Küchenreich verlassen hatte, lauschten andächtig.

„Eine wunderbare Melodie“, sagte Albin bewegt, und Magdalena nickte und verschwand dann schnell wieder.

„Ich kann wieder komponieren“, brach es ungestüm aus Elias hervor, „ich kann wieder komponieren!“ Und dann bedeckte er sein Gesicht und eilte hinaus.

Und das war kein Aufflackern seines einstigen Talents, sondern Elias wurde von neuer Schaffenskraft durchdrungen. Er begann ein größeres Werk zu komponieren, das ganz auf die Orgel von St. Zyprian ausgerichtet war.

***

Der Sommer war dieses Jahr heiß und gewittrig, was den Bauern im Dorf Unbehagen bereitete. Dann es gab keine längere Schönwetterphase, sondern immer nur tageweise das sogenannte „Kaiserwetter“, dem heftige Gewitter mit schweren Regenfällen folgten. Alle bangten um die Ernte, denn die Heumahd war schon verregnet und sogar verhagelt gewesen wie schon lange nicht mehr.

Selbst Hochwürden und seine Wirtschafterin klagten. Albins Rosen vertrugen den Wechsel von starker Hitze und längerer Feuchtigkeit nicht, sie wurden so anfälliger gegen Krankheiten. Und Magdalena, die sogar Kartoffeln anbaute, murrte, dass ihre Erdäpfel am Ende noch völlig verfaulen würden.

„Bei der Magdalena hast du ja einen Stein im Brett, Elias. Die redet ja bekanntlich nicht mit jedem“, meinte Hochwürden, als der junge Mann ihm dabei half, Raupen von den Rosen zu pflücken. Längst hatte Elias den Pfarrer darum gebeten, ihn mit dem vertrauteren „Du“ anzureden, und Hochwürden war diesem Wunsch gern nachgekommen.

„Ich weiß aber nicht, womit ich das verdient habe“, lachte Elias auf und untersuchte eine Knospe, die gerade im Begriff stand, sich zu öffnen, gründlich.

„Nun, du scheust dich ja nicht mitzuhelfen“, meinte Hochwürden nur.

Tatsächlich legte Magdalena zunehmend ein gewisses Interesse an Elias an den Tag und verwickelte ihn hin und wieder in ein Gespräch. Sie stellte Fragen über seine Studienzeit in München und hörte schweigend zu. Dazwischen erkundigte sie sich nach seinen Eltern und wie es gekommen war, dass er so früh verwaist war. Doch alles war so geschickt ineinander verwoben, dass es niemals den Anschein hatte, dass sie ihn aushorchen wollte.

Elias machte nicht den geringsten Hehl daraus, dass seine Eltern arm, aber anständig gewesen waren. Alles hatten sie für ihr geliebtes einziges Kind getan.

„So waren sie also gute Leut, deine Eltern. Ewig schad drum, dass sie so früh gehen mussten“, sagte Magdalena nicht ohne Bedauern, gleichzeitig aber schien sie diese Auskunft zufriedenzustellen.

Mitte Juli entwickelte Magdalena, die ohnedies rastlos tätig war, eine noch größere Betriebsamkeit. Im zweiten Stock wurde gelüftet, und Elias half ihr dabei, in einem der Zimmer die Gardinen abzunehmen. Es war ein sehr hübsch eingerichteter Raum in hellen Farben, in dem sich ein Mädchen oder eine junge Frau wohlfühlen konnte. Vom Fenster aus konnte man bis zu den Bergen sehen, eine Aussicht, die Elias im unteren Stockwerk verwehrt war.

Außerdem sah man Magdalena in der Küche nun häufig mit einem Kochbuch vor der Nase, was für eine so erfahrene Köchin wie sie doch sehr ungewöhnlich war. Sie bereitete neuerdings Salate und leichte Speisen zu, die in Albin eine gewisse Unzufriedenheit hervorriefen.

„Soll ich ganz vom Fleisch fallen?“, wagte er eines Mittags, dagegen aufzubegehren, und sah Magdalena anklagend an.

„Ein bisserl weniger tät dir net schaden, Hochwürden. Denk an deinen Blutdruck“, gab sie grimmig zurück.

„Die Bernadette hat aber deine Knödel immer sehr gern gegessen. Sie hat kein bisserl zugenommen“, wandte Albin ein.

„Aber jetzt ist sie eine junge Frau, und du weißt ja, dass die alle so dünn wie möglich sein wollen. Deshalb gibt es halt Salate und Reis ohne Fett und Salz …“

„Bernadette?“, warf Elias fragend ein, ehe es zwischen dem Pfarrer und seiner Haushälterin zu einer längeren Auseinandersetzung kommen konnte.

„Hast du dem Elias net Bescheid gesagt, Hochwürden?“, fragte Magdalena mit einem unangenehmen Unterton.

„Ich glaub, das muss ich irgendwie vergessen haben“, stammelte Albin, fasste sich aber schnell wieder. „Also, die Bernadette ist die Nichte von der Magdalena. Sie studiert in München und über die Semesterferien kommt sie nach Hause.“

„Das ist eine lange Zeit“, sagte Magdalene, und man hätte beinahe meinen können, dass sie verklärt lächelte.

„Kommt sie öfters zu Besuch her?“, fragte Elias.

„Zu Besuch?“, echote Magdalena. „Die Bernadette ist hier aufgewachsen. Sie ist die Tochter von meinem jüngeren Bruder, Gott hab ihn und seine arme Frau selig.“

Magdalena bekreuzigte sich hastig, und ein Schatten fiel auf ihre Züge, sodass Elias es nicht wagte, weitere Fragen zu stellen.

Später, als sie allein waren, erzählte ihm Albin von Bernadette.

„Die Magdalena hat einen viel jüngeren Bruder gehabt, der war ihr Ein und Alles. Seinetwegen ist sie zurückgestanden und hat früh die Schule verlassen, damit er studieren konnte. Denn er war sehr begabt. Alles ging gut, der Bruder heiratete nach dem Studium eine Frau, die er liebte, und bald wurde Bernadette geboren. Gerade als ihre Mutter wieder schwanger war, kamen Bernadettes Eltern durch die Trunkenheitsfahrt eines verantwortungslosen Menschen ums Leben. Allein Bernadette überstand den Unfall mit leichten Verletzungen und wurde von ihrer Tante aufgenommen.“

„Das muss schwer für die Magdalena gewesen sein“, sagte Elias betroffen.

„Seitdem ist sie nimmer dieselbe. Sie hat ihren Bruder über alles geliebt und hat seinen Tod nie verwunden. Aber es war gut, dass sie die Stelle hier bei mir antreten konnte, denn ich hab nichts dagegen gehabt, dass das Madel hier aufwächst. Es waren schöne Jahre mit der Kleinen, und ohne sie wäre die Magdalena verzweifelt.“ Der Pfarrer lächelte versonnen.

Bernadette war auch sein Augenstern, und zusammen mit Magdalena und dem Kind hatte auch er etwas wie eine Familie gehabt. Immer noch glaubte er zu hören, wie das Mädchen lachend durch das Pfarrhaus tollte, auch wenn diese Zeiten schon lange vorbei waren. Doch davon sprach er nicht.

„Was studiert sie denn in München?“, fragte Elias schließlich.

„Sie studiert Sprachen, sie will gern Übersetzerin werden. Sie hat schon immer gern gelesen, und am Gymnasium hat sie dann ihre Liebe zu Sprachen entdeckt“, gab Hochwürden nicht ohne Stolz Auskunft.

„Dann ist sie wohl keine, die nur Vergnügungen im Sinn hat“, meinte Elias und hatte plötzlich die Vorstellung, dass Bernadette eines jener unscheinbaren Wesen war, die sich hinter einem Buchrücken versteckten.

Hochwürden lächelte. „So ist es. Du wirst sie ja kennenlernen, wenn es so weit ist. Für Musik interessiert sie sich übrigens auch. Sie wird sich sicher darüber freuen, dass es wieder einen Organisten an St. Zyprian gibt, vor allem einen so guten wie dich“, fügte er hinzu.

Elias lächelte über das Lob, aber es tat ihm auch gut. Wenigstens hier wurden seine Fähigkeiten geschätzt.

***

Die Nichte der Haushälterin geriet für Elias fast wieder in Vergessenheit, denn die Ankunft Bernadettes lag noch in einiger Ferne, obwohl Magdalena jeden Tag andere Vorbereitungen in Angriff nahm. Es war schon immer sein Plan gewesen, einen gemischten Kinderchor aufzustellen, und nun war die Gelegenheit dafür gekommen.

Franz Haslinger, der langjährige Grundschullehrer, zeigte sich sehr aufgeschlossen, und so fanden sich mit seiner Hilfe einige Mädchen aus verschiedenen Klassenstufen und ein paar wenige Jungen zusammen.

„Es wäre schön, wenn wir noch einen oder zwei Jungs hätten“, meinte Elias nach einer ersten Chorprobe, die mit Haslinger in der Kirche stattgefunden hatte.

„Ja, das stimmt. Ich hätt da ja noch einen Buben …“ Über Haslingers Gesicht zog ein Ausdruck des Bedauerns.

„Was ist mit dem?“

„Sein Vater lässt net zu, dass er seine Zeit mit derlei verschwendet. Das hat er mir schon mehrmals sehr nachdrücklich zu verstehen gegeben.“

„Das glaube ich nicht.“

„Oh doch. Sein Vater ist der Seebacher, der größte Bauer im Tal. Er ist hauptsächlich durch Grundstücksspekulationen reich geworden; hier geschieht nichts, ohne dass er seine Einwilligung gibt. Außerdem hat er als Lokalpolitiker von sich reden gemacht und hat Beziehungen bis in die höchsten Kreise.“

„Es ist doch überall das Gleiche“, stieß Elias erbittert hervor.

„So ist es“, sagte Haslinger knapp. „Auch ich bin mit ihm aneinandergeraten, weil er findet, dass seinem Sohn eine Vorzugsstellung zustehen tät.“

„Dann ist der Kleine wohl ein verwöhnter Bengel?“

„Alles andere als das.“

Das weckte nun Elias’ Neugier noch mehr. „Ich möchte mir den Jungen doch einmal anhören. Das heißt, wenn er selbst damit einverstanden ist.“

„Das ist er, das ist er.“ Haslinger gab ein kurzes, kollerndes Lachen von sich.

Bei der nächsten Probe war der kleine Ruben Seebacher anwesend, und als Haslinger ihn aufforderte vorzutreten, tat er das mit großer Scheu. Er war ein zartgliedriger, fast schmächtiger Junge, der schon durch seinen Wuchs stark von den Dorfjungen abfiel. Sein Gesicht war fein geschnitten und von großen dunkelblauen Augen beherrscht, die den jungen Organisten, teils ängstlich, teils forschend anblickten.

Elias spürte sofort, wie ihn eine Woge der Zuneigung für dieses Kind überkam.

„Willst du etwas für uns singen?“, fragte er behutsam.

Das Kind nickte und sah zu Boden.

„Wenn du Noten brauchst …“

„Der Ruben singt aus dem Gedächtnis, auch wenn er Noten lesen kann“, kam Haslinger dem verschüchterten Jungen zu Hilfe.

„Gut. Sing einfach etwas, was du am liebsten hast, und lass dich von uns nicht stören“, schlug Elias vor.

Der Lehrer warf der kleinen Kinderschar einen mahnenden Blick zu, dann setzten sich die beiden Männer nach hinten auf eine Kirchenbank.

Als der Junge vortrat, verstummten die Kinder sofort.

Und dann begann er zu singen und legte dabei jede Scheu ab. Hell und klar schwang sich seine Stimme, die überraschend kräftig war, hoch in den Raum, und Elias Mang überlief unwillkürlich ein Schauder. Eine Engelsstimme.

Alle lauschten mit angehaltenem Atem, bis Ruben geendet hatte.

Dann trat das Kind wieder zwischen die anderen zurück und senkte den Kopf, als schämte es sich für seinen Auftritt. Eines der Mädchen stieß ihn sanft an.

„Schön hast du wieder gesungen, Ruben. Wie ein Engerl im Himmel“, sagte sie, und beifälliges Gemurmel erhob sich.

Elias war nach vorne geeilt und legte Ruben die Hand leicht auf die Schulter. „Das war wirklich sehr schön, du hast eine wunderbare Stimme. Willst du im Chor mitsingen?“

Das Kind hob den Kopf und sah Elias vertrauensvoll an.

„Ja. Und ich tät auch gern Klavier spielen“, sagte Ruben, und eine unbändige Sehnsucht stand in seinen Augen geschrieben.

„Das Klavier in der Schule taugt halt nicht viel, da kann er nichts lernen“, warf Haslinger bedauernd ein.

„Im Pfarrhaus kannst du üben, Ruben. Hochwürden hat bestimmt nichts dagegen“, kam ihm Elias entgegen.

„Aber es geht halt alles net, so sehr ich es mir auch wünschen tät“, sagte Ruben und senkte wieder den Kopf.

„Der Ruben hat einen bösen …“

„Ist es wegen deines Vaters?“, fiel Elias dem Mädchen, das anscheinend Rubens Fürsprecherin war, schnell ins Wort.

Rubens Augen füllten sich mit Tränen. „Er wird es mir nie erlauben.“

Halsinger murmelte etwas vor sich hin, das wie „Schande“ klang, erlangte aber gleich wieder seine Selbstbeherrschung zurück. „Im Chor kannst du ja mitsingen, das ist sozusagen erweiterter Unterricht. Da kann dein Vater nichts sagen.“

„Und ich werde mit Hochwürden reden“, versprach Elias und widerstand der Versuchung, Ruben tröstend über das helle Haar zu fahren.

„Wenn das gehen tät …“ Ein schwacher Hoffnungsschimmer glomm in den Augen des Kindes auf.

Danach übte Elias mit dem Chor noch ein Lied ein, aber mit den Gedanken war er nicht recht dabei. Immer wieder flog sein Blick zu Ruben hin, der selbstvergessen sang. Er musste diesem Kind helfen …

Als er im Pfarrhaus ankam, fiel Albin sofort auf, wie aufgewühlt Elias war, und er bat ihn, in sein Studierzimmer zu kommen.

Elias hatte diesen Raum noch nie betreten, und er sah sich mit kaum verhohlener Neugierde um. Eigentlich war „Studierzimmer“ doch der richtige Ausdruck dafür, denn jede Wand, außer der zum Garten hin, war mit Bücherregalen bedeckt. Ein großer Schreibtisch, auf dem sich Papiere und weitere Bücher stapelten, nahm die Mitte des Raumes ein, ein wuchtiger Ledersessel dahinter, ein paar Stühle und ein Ecksofa vervollständigten die Einrichtung.

Eine trauliche Atmosphäre umfing ihn. Der Pfarrer ließ sich aufseufzend auf dem Ledersessel nieder, und Elias nahm auf eine einladende Geste hin ihm gegenüber Platz.

„Was hat es gegeben, Elias? Ich seh dir doch an, dass etwas vorgefallen ist. Also, heraus mit der Sprache!“, forderte ihn der Pfarrer auf.

„Es ist wegen Ruben …“

„Ruben Seebacher?“, vergewisserte sich Albin.

„Ja. Herr Haslinger hat ihn widerstrebend für den Chor vorgeschlagen, und ich hab ihn vorsingen lassen.“

„Darf er nun mitsingen?“

„Was für eine Frage! Das Kind hat eine Stimme – ich finde einfach keinen Ausdruck dafür. Er ist hochmusikalisch, und ich bin sicher, dass er auch gut Klavier spielen könnte. Das nämlich wünscht er sich sehnlichst …“ Elias hielt inne, weil ihm die Worte fehlten.

„Aber der Vater erlaubt es ihm nicht, so ist es doch? Das musst du mir nicht erzählen, ich kenn den Seebacher. Ein Sturkopf, wie er im Buche steht. Ich bin schon oft genug mit ihm aneinandergeraten.“

„Wie kann ein Vater so grausam zu seinem Kind sein?“, stieß Elias völlig außer sich hervor. „Andere Eltern wären froh, wenn ihr Kind nur einen Bruchteil von Rubens Begabung hätte.“

„Das musst du halt verstehen. Der Seebacher ist ein bodenständiger, traditionsbewusster Mensch, und so hat er halt Vorurteile gegenüber Künstlern. Er sieht in ihnen nur Schmarotzer, die zu nichts taugen“, meinte Albin.

„Der Kleine sollte nicht nur im Chor mitsingen, sondern seine Stimme, die ein Geschenk ist, müsste richtig ausgebildet werden. Und ich seh ihn schon Klavier spielen! Da muss doch etwas geschehen!“

„Du hast völlig recht. Ich werde mit dem Seebacher sprechen. Wir dürfen nur nichts überstürzen, sonst schickt er den Buben noch weg, um ihn vor ›schlechten Einflüssen‹ zu schützen. So denkt er halt“, sagte Albin. Man merkte dem Pfarrer an, dass er nicht gerade mit Freude diesem Gespräch entgegensah.

„Danke“, brachte Elias hervor.

„Das war schon längst fällig, dass ich mit dem Seebacher über den Buben red. Da liegt so manches im Argen. Und jetzt trinken wir ein Stamperl von dem Schlehenlikör, den die Magdalena selbst gebrannt hat“, lachte er, und holte eine bauchige Flasche hinter einem Bücherversteck hervor.

***

„Das lass ich net zu! Hast du gehört? Dieser neue Organist soll gefälligst die Finger von meinem Buben lassen, der führt ihn nur auf einen schlechten Weg“, wütete Severin Seebacher, nachdem Albin Brandl ihm ausführlich vorgetragen hatte, auf welche Weise sein Sohn gefördert werden sollte.

„Das Talent deines Sohnes ist ein Gottesgeschenk, aber auch eine Verpflichtung. Und du als Vater hast …“

„Hör auf mit deinem Gerede, Albin, das kannst von der Kanzel predigen!“, fiel ihm Seebacher grob ins Wort.

„Für dich wie für die anderen immer noch Hochwürden, auch wenn wir zusammen die Schulbank gedrückt haben“, sagte der Pfarrer ruhig und ließ seinen Blick nachdenklich auf dem Bauern ruhen.

Severin Seebacher war eine beeindruckende Erscheinung. Trotz seiner Größe und seines wuchtigen Körperbaus wirkte er keineswegs plump oder unbeholfen. Sein Gesicht war breitflächig, aber gut geschnitten, volle dunkle Haare fielen in seine Stirn.

„Du hast keine Kinder, du kannst das net verstehen“, behauptete Severin jetzt.

„Aber ich kenne deinen Ruben und verstehe ihn. Du jedoch denkst nur an dich selbst und nicht an das, was für den Ruben gut ist.“

Severins Gesicht rötete sich. „Mit dem Stimmbruch wird wahrscheinlich eh alles aus sein, und Ruben landet unsanft auf dem Boden der Tatsachen. Das verkraftet er vielleicht überhaupt nicht, man hat ja von solchen Fällen schon gehört. Nein, der Mang schadet ihm nur, und am End taugt der Bub zu überhaupt nichts mehr.“

„Am meisten schadest du ihm, wenn du nicht auf deinen Sohn eingehst. Das wird er dir später nie verzeihen. Nichts ist schlimmer als ein Mensch, dessen Talente für immer brachliegen und der in eine Rolle gezwungen wird, die ihm nicht liegt“, betonte Albin mit Nachdruck.

Das blieb nicht ohne Wirkung auf Seebacher, denn bei allen Vorbehalten, die er gegen den Pfarrer hatte, wusste er doch, dass Albin es gut mit ihm und seinem Sohn meinte. Er sank auf seinem Stuhl zurück und schwieg eine Weile.

„Der Ruben ist mein einziges Kind, das Einzige, was mir von meiner Familie geblieben ist“, sagte Severin mit heiserer Stimme, und tiefer Gram zeichnete sich auf seinen Zügen ab. „Er soll alles bekommen, für das ich gearbeitet hab mein Leben lang. Seit Generationen ist der Seebacher-Hof im Besitz der Familie, und das waren alle rechtschaffene Leut. Ich kann net zulassen, dass mein Bub Künstler wird und am Ende sein Erbe verschleudert.“

Albin Brandl, der ja selbst aus einer Bauernfamilie stammte, konnte durchaus verstehen, was Seebacher bewegte. Severin hatte zudem schwere Schicksalsschläge erlitten, die die Situation nicht leichter machten.

Sein ältester Sohn Sebastian, ein allseits beliebter Bursch, der jedoch einen Hang zum Leichtsinn hatte, war bei einem Autounfall, den er selbst verursacht hatte, tödlich verunglückt. Ruben war erst viel später geboren worden, und danach hatte die Bäuerin noch einmal ein Kind bekommen, ein kleines Mädchen, das bei der Geburt gestorben war. Nur wenige Tage später war ihm seine Mutter gefolgt.

Seebacher war nie darüber hinweggekommen und hatte sich standhaft geweigert, noch einmal eine Ehe einzugehen. Es gab allerdings Gerüchte über ihn, die Magdalena nicht versäumt hatte, Hochwürden wissen zu lassen. So hieß es, dass er sich häufig in München mit Gleichgesinnten treffen würde, um dort zu feiern.

„Und ich will gar net sagen, was man sich sonst noch erzählt, Hochwürden“, hatte Magdalena, tiefrot im Gesicht vor Entrüstung, hinzugefügt.

Jedenfalls ging Severin jeden Sonntag mit seinem Sohn in die Kirche, wie es sich gehörte, ließ sich aber nicht mehr die Beichte abnehmen.

„Es ist weder gesagt, dass der Ruben ein Künstler wird, noch dass er sein Erbe verschleudert. Wenn du ihn anschaust, musst du allerdings zugeben, dass er nicht gerade für die Landwirtschaft geeignet ist“, meinte Albin.

Eine tiefe Falte erschien auf der wettergegerbten Stirn Seebachers.

„Ich weiß auch net, nach wem der Ruben geraten ist. Der Sebi, mein Ältester – Gott hab ihn selig –, war von einem ganz anderen Schlag.“

„Ja, da hast recht“, gab Albin mit großem Bedauern zu.

„Aber heutzutage ist die Bauernarbeit nimmer so schwer wie früher mit den ganzen Maschinen, das kann sogar eine Frau bewältigen. Es steht also nichts dagegen, dass auch der Ruben mal ein gestandener Bauer wird“, entgegnete Seebacher trotzig.

„Da steht wirklich nichts dagegen“, gab Albin zu. „Aber warum soll er net gleichzeitig eine Gesangsausbildung bekommen und Klavier spielen lernen? Es gibt sogar Schauspieler, die eine Wirtschaft oder ein Weingut betreiben, und das nicht nur so nebenher. Heutzutage sind die Menschen vielseitiger als zu unserer Zeit.“

„Man kann net mehreren Herren gleichzeitig dienen“, erklärte Severin verstockt und schien kurz davor zu sein, das Gespräch abzubrechen.

„Hör zu, Severin. Lass den Buben im Chor, ein paar Übungen in Stimmbildung schaden ihm ja nichts, und einige Klavierstunden auch net. Dann werden wir weitersehen. Es gehört ja heute zum guten Ton, dass auch ein Mann ein Instrument beherrscht.“

„Nun gut, ich will dem Buben net im Weg stehen. Aber wenn das überhandnimmt und er nur noch Flausen im Kopf hat, dann ist es aus damit. Sag das dem Mang, das ist mein letztes Wort“, erklärte er mit großer Entschiedenheit und erhob sich.

„Damit bin ich einverstanden“, sagte der Pfarrer und begleitete ihn zum Ausgang.

Dort blieb Seebacher kurz stehen und ließ seinen Blick über die inzwischen voll erblühten Rosen streifen, die einen betörenden Duft verströmten.

„Deine Rosen, sie sind wunderschön“, murmelte er.

Albin lächelte geschmeichelt. „Das macht mir immer noch Freude.“

„Jeder sucht seine Freud eben auf eine andere Weise“, brummte Severin Seebacher mit einem boshaften Unterton.

„Und dein Sohn sucht sie in der Musik“, erwiderte der Pfarrer, aber Seebacher hatte ihm schon den Rücken zugewandt und gab ihm keine Antwort mehr.

Doch dieses Gespräch hatte zur Folge, dass Ruben im Chor bleiben durfte, und Elias begann unauffällig, an der Stimme des Jungen zu arbeiten. Ruben erlernte die richtige Atemtechnik zur Stimmkräftigung, was er bald beherrschte. Sooft er konnte, schlüpfte er ins Pfarrhaus, um dort auf dem Klavier zu üben, und Elias bewunderte die Leichtigkeit, mit der sich das Kind alles aneignete.

Ruben war der geborene Musiker.

Er hing mit großer Zuneigung und Dankbarkeit an Elias, und sie verbrachten so viel Zeit wie möglich miteinander. Und Elias wiederum fühlte sich mit Ruben, der ihm wesensverwandt war, so verbunden, als wäre er der ältere Bruder des Kindes.

Oft blätterte Ruben neugierig in den Notenblättern, die Elias beschrieben hatte, versuchte die Melodien zu singen oder am Klavier zu spielen. Und so entstand in Elias der Plan, etwas für Ruben und den Chor zu komponieren und es in der Kirche aufzuführen.

***

Darüber vergaß er ganz die Ankunft von Bernadette, obwohl im Pfarrhaus über nichts anderes mehr gesprochen wurde. Als er an einem Julimittag in der kühlen Kirche, die die sommerliche Hitze aussperrte, ein Orgelstück übte, entdeckte er eine schmale Gestalt, die ganz hinten im Schatten eines Pfeilers saß. Er unterbrach sein Spiel und ging zu ihr hinunter. „Willst du noch im Chor mitsingen?“, rief er erfreut, denn er versuchte immer noch, den Chor zu vergrößern.

Er hörte ein leises Lachen und schaute genauer hin.

„Verzeihung, ich hab Sie aus der Ferne für viel jünger gehalten“, sagte er verlegen und blieb vor ihr stehen.

Sie war wirklich sehr schmal und kindlich, aber gleichzeitig hatte sie die wachen, forschenden Augen einer Frau. Einer sehr schönen Frau, stellte er widerstrebend fest. Ihr zartes Gesicht hatte regelmäßige Züge und eine schmale Nase, es wurde von großen blaugrauen Augen und einem reizvoll geschwungenen Mund beherrscht. Silberblonde Locken fielen ihr bis auf die Schultern, ein Rosenblatt hatte sich darin verirrt. Elias ahnte, wer sie war.

Ihre Kleidung war sehr schlicht. Sie trug ein blaues Dirndl mit weißen Biesen, das aussah, als hätte es ihre Tante für sie genäht, und dazu flache Sandalen. In dem viereckigen Ausschnitt blinkte ein schmales Goldkettchen mit einem Medaillon auf, vielleicht ein Erbstück ihrer verstorbenen Mutter.

„Dann sind Sie wahrscheinlich die Bernadette?“, fragte er befangen und errötete leicht, was dem Mädchen zu gefallen schien.

„Das stimmt. Und Sie sind der Herr Mang, der so gut Orgel spielt, dass sogar meine Tante Magdalena voll des Lobes ist. Das hab ich mir gleich anhören müssen, kaum dass ich da war. So schön hab ich das noch nie gehört …“

„Das war heut nichts Besonderes“, wehrte er ab, konnte aber nicht verhindern, dass sich seine Wangen freudig röteten.

„Doch, doch. Und noch etwas – hier im Tal sagt man halt Du zueinander. Du bist also der Elias aus München, den es in unser Dörferl verschlagen hat, wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen“, lachte sie.

„Es gefällt mir hier“, gab er steif zurück.

„Ja, das haben mir die Tant und der Onkel Albin auch gesagt. Aber mir kommt es so vor, als lebtest du hauptsächlich in der Kirche und im Pfarrhaus.“

„Ich wandere viel“, verteidigte er sich und zählte die Almhütten und Aussichtspunkte auf, die er schon besucht hatte.

„Spielst noch etwas für mich?“, bat sie ihn plötzlich.

Ihr Blick machte ihn befangen, und er wandte den Kopf ab.

„Ja, gern“, murmelte er und eilte zur Empore, als wäre er auf der Flucht vor einem unbekannten Feind. Doch dann spielte er eine leichte, heitere Melodie, die so gar nicht den schwermütigen Klängen der Kirchenmusik ähnelte, sondern an sommerliche Mittage im flirrenden Sonnenlicht denken ließ.

Bernadette war wie entrückt, ihre schönen Augen schwammen in Tränen, als er wieder zu ihr hintrat. „Von wem ist das?“

Elias setzte zum Sprechen an, aber seine Stimme wollte ihm nicht gehorchen.

„Ich hab es selbst komponiert.“

Voller Bewunderung sah sie ihn an. „Du hast ein solches Talent, Elias! Du gehörst nicht in dieses kleine Dorf, wie hast du dich hierher verkriechen können!“

„Erst nachdem ich hier war, hab ich wieder komponieren können. Das ist hier entstanden. Die Stadt hat mir nicht gutgetan“, fügte er ausweichend hinzu.

„Vielleicht hast du recht. Du brauchst wohl die Stille und Besinnung …“, meinte Bernadette zögernd. Sie war aufgestanden. „Ich möchte gern in den Rosengarten, Onkel Albin hat eine neue Rosensorte, die wollt ich mir gern ansehen. Kommst mit?“

Und so schritt er ganz vertraut mit diesem Mädchen, das er noch keine Stunde kannte, zwischen den Beeten hindurch, und fühlte sich seltsam glücklich, aber auch beunruhigt. Die Blütenblätter von den weitverzweigten Kletterrosen lösten sich im Sommerwind, und Bernadette blieb plötzlich stehen.

„Du hast Rosenblätter im Haar“, kicherte sie. „Warte!“

Sie kam ganz nahe an ihn heran und pflückte die Blätter ab, und er glaubte, die Wärme und den Duft ihres Körpers zu spüren.

„Lass!“, sagte er heftig und trat zurück.

Sie legte den Kopf schräg und sah ihn an, blieb aber stumm.

Elias schämte sich sofort seiner Unbeherrschtheit und sagte reuevoll: „Entschuldige, dass ich eben so unhöflich war. Ich bin schon langsam ein richtiger Eigenbrötler geworden.“

Aber Bernadette war nicht im Mindesten gekränkt. Das gefiel ihm. Blanka hatte nämlich die Eigenschaft besessen, selbst auf eingebildete Beleidigungen hin lange und ausdauernd zu schmollen. „Das kannst ganz einfach wiedergutmachen. Du spielst mir noch eine deiner Kompositionen vor“, sagte sie und lächelte ihn verschmitzt an.

„Diese Strafe habe ich wohl verdient.“

Sie gingen weiter und bewunderten die Rosen, die Bernadette alle mit Namen kannte. Sogar die Besonderheiten der einzelnen Züchtungen waren ihr vertraut, und Elias erfuhr eine eingehende Belehrung.

Sie bemerkten dabei nicht, dass sie beobachtet wurden. Magdalena Veith stand, von der Gardine verdeckt, im Esszimmer und ließ den Blick nicht von ihnen. Und was sie sah, erfüllte sie mit großer Zufriedenheit. Bernadette, die sehr wählerisch war, was ihre Freundschaften betraf, schien Gefallen an Elias gefunden zu haben.

„Belauerst die jungen Leut?“

Magdalena fuhr herum, denn Hochwürden war unbemerkt neben sie getreten. Und obwohl sein Ton sehr tadelnd geklungen hatte, blieb er neben ihr stehen und fasste das junge Paar ebenfalls ins Auge.

„Die scheinen sich ja schon gut zu verstehen. Die Bernadette war vorhin nämlich in der Kirche, so neugierig war sie auf den neuen Organisten. Auch äußerlich passen die beiden zusammen – ein schönes Paar, nicht?“, sagte Magdalena, und beinahe hatte er den Eindruck, dass seine unerschütterliche Haushälterin gerührt war.

„Willst dir ein Kuppelpelzchen verdienten, Magdalena?“, scherzte er.

„Das hast du ganz richtig erkannt, Hochwürden. Die täten gut zueinanderpassen“, gestand sie unumwunden ein.

„In Liebesdinge mischt man sich nicht ein“, gab er zu bedenken.

„Man bringt niemanden auseinander, da stimm ich dir zu. Aber warum soll man zwei, die sich gut verstehen, aber so schüchtern sind wie der Elias, net zusammenbringen? Das ist in meinen Augen sogar ein gutes Werk.“

Albin musste unwillkürlich lachen. „Deine Auslegung von guten Werken …“

„Hat noch nie jemandem geschadet“, brachte Magdalena den Satz zu Ende. „Außerdem seh ich dir an, dass du genauso denkst wie ich.“

Albin gab einen Laut von sich, den man für eine Zustimmung halten könnte.

„Weißt, meine größte Furcht ist, dass die Bernadette in München jemanden kennenlernt, der nichts taugt oder sie von allem abbringt. Vor allem von ihrer Heimat, sodass wir sie nimmer zu sehen bekommen …“

„Ist das nicht ein bisserl egoistisch? Die Bernadette kann sich doch nicht nach uns richten, wenn sie heiraten will“, unterbrach Albin sie.

„Ja, das hört sich so an. Aber die Bernadette wär auf die Dauer kreuzunglücklich in der Großstadt, die gehört einfach hierher. Und zu den Bauernsöhnen passt sie net, das muss dir auch klar sein. Der Elias wär der Richtige für sie, und er scheint net vorzuhaben, jemals wieder von hier wegzugehen.“