Heimat-Roman Treueband 78 - Sissi Merz - E-Book

Heimat-Roman Treueband 78 E-Book

Sissi Merz

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Beschreibung

Lesen, was glücklich macht. Und das zum Sparpreis!

Seit Jahrzehnten erfreut sich das Genre des Heimat-Bergromans sehr großer Beliebtheit. Je hektischer unser Alltag ist, umso größer wird unsere Sehnsucht nach dem einfachen Leben, wo nur das Plätschern des Brunnens und der Gesang der Amsel die Feierabendstille unterbrechen.

Zwischenmenschliche Konflikte sind ebenso Thema wie Tradition, Bauernstolz und romantische heimliche Abenteuer. Ob es die schöne Magd ist oder der erfolgreiche Großbauer - die Liebe dieser Menschen wird von unseren beliebtesten und erfolgreichsten Autoren mit Gefühl und viel dramatischem Empfinden in Szene gesetzt.

Alle Geschichten werden mit solcher Intensität erzählt, dass sie niemanden unberührt lassen. Reisen Sie mit unseren Helden und Heldinnen in eine herrliche Bergwelt, die sich ihren Zauber bewahrt hat.

Dieser Sammelband enthält die folgenden Romane:

Alpengold 241 - Frühlingsfest auf Wildenhagen

Alpengold 242 - Glaub nicht seinen falschen Schwüren

Der Bergdoktor 1829 - Filli Burger im Glück

Der Bergdoktor 1830 - Der Patriarch vom Wendler-Hof

Das Berghotel 173 - Sein Liebesschwur beim Alpenglühen

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 603

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Sissi Merz Carola Martin Andreas Kufsteiner Verena Kufsteiner
Heimat-Roman Treueband 78

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2016/2017/2018 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2024 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Covermotiv: © Shutterstock AI

ISBN: 978-3-7517-8619-5

https://www.bastei.de

https://www.luebbe.de

https://www.lesejury.de

Heimat-Roman Treueband 78

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

Alpengold 241

Frühlingsfest auf Wildenhagen

Alpengold 242

Glaub nicht seinen falschen Schwüren

Der Bergdoktor 1829

Filli Burger im Glück

Der Bergdoktor 1830

Der Patriarch vom Wendler-Hof

Das Berghotel 173

Sein Liebesschwur beim Alpenglühen

Guide

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Contents

Frühlingsfest auf Wildenhagen

Romantischer Heimatroman um eine Liebe, mit der niemand gerechnet hat

Von Sissi Merz

Nach seinem Studium in München kehrt der junge Graf Patrick von Wildenhagen nach Berghausen zurück, um seinen erkrankten Vater Maximilian bei der Bewirtschaftung des großen Gutshofes zu unterstützen und in absehbarer Zeit die Leitung zu übernehmen. Stolz präsentiert er seinem Vater seine hübsche Verlobte Elisabeth von Stetten. Doch Maximilian begegnet dieser eleganten Dame mit größter Skepsis, und allen anderen auf dem Gut geht es ebenso. Niemand traut diesem »verwöhnten Stadtmadel« zu, eines Tages die Pflichten einer Gutsherrin wahrzunehmen.

Und tatsächlich hat Elisabeth auch ganz andere Pläne! Graf Maximilian durchschaut schnell, dass seine Schwiegertochter in spe nichts Gutes im Schilde führt, doch Patrick macht die Liebe blind. Wird er rechtzeitig aus seinem Liebesrausch erwachen, ehe Elisabeth ihre bösen Absichten in die Tat umsetzen kann und Gut Wildenhagen in den Ruin treibt?

Es war ein Frühlingsmorgen wie aus dem Bilderbuch. Jetzt, Anfang März, zog sich der Winter zumindest bei Tag in die höheren Regionen des Werdenfelser Landes zurück, um in den Tälern und Niederungen den schon wärmenden Strahlen der Sonne Platz zu machen.

In der Nacht schlich Väterchen Frost freilich noch um die Hausecken und die Gipfel von Waxenstein, Kramer und Zugspitze trugen weiter ihre dicken Schneemützen. Doch auf Wiesen, Weiden und Almen spross allmählich das erste frische Grün, und die bunten Blüten von Schneeglöckchen, Krokus und Märzenbecher machten deutlich, dass der Frühling da war.

Unweit von Mittenwald, geschützt in einem Tal, lag der kleine Ort Berghausen. Man erreichte ihn nur über eine schmale, kurvige Landstraße, die zunächst an Oberau und dem Walchensee entlangführte und sich dann zwischen gesunden Mischwäldern und hohen Föhren einen Weg ins Tal von Berghausen bahnte. Der Kramer, der Hausberg des Dorfes, erhob sich im Osten auf eine Höhe von knapp fünfzehnhundert Metern und schützte Berghausen vor den kalten Winden, die von Osten her wehten und oft noch Spätfröste im Gepäck hatten.

Klimatisch war Berghausen also begünstigt. Und der schwere, fette Boden war ideal für die Landwirtschaft. Schon seit einigen Jahrhunderten wurden hier erfolgreich Ackerbau und Viehzucht betrieben. Freilich gab es auch eine Fremdenpension, und im Sommer kamen gern Wanderer in das liebliche Tal, um die Schönheiten der Natur zu bestaunen und die Ruhe und Beschaulichkeit zu genießen. Die meisten Bewohner von Berghausen lebten aber nach wie vor von der Landwirtschaft.

Neben schönen, gepflegten Höfen, die sich an der Dorfstraße aufreihten wie Perlen auf einer Schnur, lag am Ortsrand der imposante Gutsbetrieb der Landgrafen Wildenhagen.

Dieses bodenständige und bäuerlich geprägte Adelsgeschlecht lebte seit dem Jahre 1678 in Berghausen, wie die Inschrift des Eichenbalkens an der Haustür kundtat. Seinerzeit hatte ein Vorfahr des heutigen Grafen Maximilian sich als tapferer Kämpfer in Diensten seines Landesfürsten große Ehren erworben und war von seinem Lehnsherren reich mit Land und Vieh beschenkt worden.

Der bis dahin meist herumreisende junge Graf war daraufhin sesshaft geworden, hatte den Gutshof bauen lassen, geheiratet und ein halbes Dutzend Kinder in die Welt gesetzt.

Damit es später nicht zu Streitigkeiten um das Erbe kam, hatte er bestimmt, dass stets der älteste Sohn Gut Wildenhagen übernehmen solle. Und so war es über viele Generationen bis auf den heutigen Tag geblieben.

Graf Maximilian stand heuer im dreiundsechzigsten Jahr. Mit Anfang dreißig hatte er die zierliche und seelenvolle Komtess von Rath geheiratet, die seine große Liebe gewesen war.

Zu seinem Glück hatte der Landgraf feststellen können, dass Ursula auch eine patente Ader besaß. Sie führte die Wirtschaft des Gutshofes mit leichter Hand, wurde von allen Angestellten geliebt und fand in der kaum zehn Jahre älteren Hauserin Vroni eine mütterlich fühlende Freundin.

Das gemeinsame Glück wurde durch die Geburt des Stammhalters gekrönt. Der kleine Patrick war ein strammer Bursche, der prächtig gedieh und sich zu einem wahren Wonneproppen entwickelte.

Graf Maximilian war zu jener Zeit gezwungen, einige Umstrukturierungen in seinem landwirtschaftlichen Betrieb vorzunehmen. Getreide- und Milchpreise waren im Keller, die etwas antiquierte Art des Wirtschaftens rechnete sich nicht mehr. Der Landgraf stieg auf ökologischen Landbau um, ein Feld, das damals noch neu war und seine gesamte Zeit und Aufmerksamkeit in Anspruch nahm.

Es dauerte Jahre, um aus Wildenhagen einen ökologischen Musterbetrieb zu machen. Zudem setzte er auch Ursulas Idee um, in den teils leer stehenden Nebengebäuden des Gutshofes eine Straußwirtschaft einzurichten und diese dann zu verpachten.

All dies bedeutete sehr viel Arbeit. So blieb dem jungen Paar nur wenig Freizeit. Und Graf Maximilian bemerkte zunächst auch nicht, wie blass und dünn seine Frau seit der Geburt des Kindes war.

Ursula, früher fast immer munter und fröhlich, ermüdete nun schnell und war bald nur noch ein Schatten ihrer selbst. Sie bemühte sich, dies vor ihrem Mann zu verbergen, denn der hatte schließlich schon genug am Hals. Erst als seine Frau ohne ersichtlichen Grund ohnmächtig wurde, war er alarmiert.

Der Hausarzt vermutete eine chronische Erkrankung und machte eine ganze Reihe von Tests, die schließlich die grausame Wahrheit ans Licht brachten: Ursula von Wildenhagen war an Leukämie erkrankt. Eine sofort eingeleitete Therapie brachte keinen Erfolg mehr, und nur fünf Jahre nach der Hochzeit wurde Graf Maximilian Witwer.

Er trug schwer an dem Verlust, verlor bald selbst jeden Lebensmut und war nahe daran aufzugeben. Der Gutsbetrieb war ihm einerlei, er verbrachte seine Tage am Grab der geliebten Frau oder saß in dumpfem Brüten in einer Stube.

Auch die Angestellten betrauerten den viel zu frühen Tod der Gutsfrau. Und sie gaben sich Mühe, dem verzweifelten Witwer zu helfen. Der Verwalter tat seine Arbeit weitgehend selbstständig, er behelligte seinen Brotherrn nur, wenn es sein musste. Alle Angestellten waren besonders fleißig.

Das Pächterehepaar der Straußwirtschaft, Christel und Georg Bruckner, kümmerte sich um den Landgrafen, mit dem es freundschaftlich verbunden war.

Und nicht zuletzt die Hauserin Vroni hatte großen Anteil daran, dass Maximilian von Wildenhagen schließlich lernte, mit dem Verlust umzugehen, und sich wieder den Lebenden zuwandte. Sie redete ihm ins Gewissen, wurde auch deutlich und streng, wenn es sein musste. Und sie brachte vor allem den kleinen Patrick immer wieder zum Papa, auch wenn der Bub sich vor dem brummigen Mann zu fürchten begann.

Irgendwann schloss der Graf seinen Sohn dann wieder in die Arme und spürte dabei nicht nur die Liebe, die er dem Kind entgegenbrachte, sondern auch die Verantwortung. Patrick sollte später einmal Wildenhagen übernehmen. Es gab so viel, was er weder aus Büchern noch an einer Universität lernen konnte, sondern nur in der Praxis von seinem Vater.

Und es stimmte auch, was Vroni ihm immer wieder vorhielt: Der Bub hatte die Mutter verloren, nun durfte ihn nicht auch noch sein Vater im Stich lassen.

Im Laufe der Jahre wuchs Patrick zu einem verständigen jungen Mann heran. Zwischen ihm, seinem Vater und der Ersatzmutter Vroni herrschte eine große Harmonie. Und der Graf war seiner Hauserin zutiefst dankbar dafür, dass sie ihn seinerzeit nicht aufgegeben hatte.

Die Bruckners bekamen fünf Jahre nach Patricks Geburt ein kleines Mädchen, das sie Anna nannten. Die Kinder verstanden sich vom ersten Moment an gut, trotz des Altersunterschiedes. Patrick war bald Annas bester Freund, ihr kleiner Kavalier und, als sie in die Schule kam, Beschützer vor den älteren, frechen Schülern, die sie ärgern wollten.

Daheim auf dem Gutshof verbrachten die Kinder ihre ganze Freizeit zusammen. Als sie älter wurden, lockerte sich das Band ihrer Freundschaft ein wenig, doch Patrick blieb Annas bester Freund und Vertrauter aus Kindertagen und spielte nach wie vor eine wichtige Rolle in ihrem jungen Leben.

Erst als der junge Graf Berghausen verließ, um in München zu studieren, änderte sich dies. Zunächst kam Patrick noch an jedem Wochenende heim. Dann berichtete er nicht nur dem Vater von seinem Studentenleben in der Stadt, sondern sprach auch mit Anna über alles, was ihm wichtig war. Das kluge und patente Madel nahm regen Anteil.

Anna war damals ein Teenager, der noch zur Schule ging, sie erlebte den ersten Liebeskummer und ging durch all die emotionalen Hochs und Tiefs, die diesen Lebensabschnitt ausmachten. Ihre Beziehung zu Patrick war so ziemlich das Einzige, was sich in dieser Zeit nicht änderte.

Doch nach und nach wurden die Besuche des jungen Grafen auf Wildenhagen seltener, und irgendwann kam er nur noch zu Geburtstagen oder Feiertagen heim.

Maximilian nahm seinem Sohn dies nicht übel. Er ließ Patrick seine Freiheit, die enden würde, wenn er Wildenhagen übernahm.

In den letzten Jahren hatte sich der Gesundheitszustand des alten Landgrafen verschlechtert. Er litt zunehmend unter Herzbeschwerden, sein Arzt mahnte ihn immer wieder, die Leitung des Gutsbetriebs aufzugeben. In der Zwischenzeit gab es auf Wildenhagen einen jungen Verwalter namens Thomas Haberstroh, der seine Aufgabe einwandfrei erfüllte. Und Patrick war mit seinem Studium fast fertig.

Nichts sprach also dagegen, dass Graf Maximilian kürzertrat und sich schonte. Doch er wollte davon nichts hören, die Vorstellung, Patrick zur Heimkehr zu drängen, gefiel ihm nicht. So mutete er sich weiterhin mehr zu, als er bewältigen konnte, und es kam, wie es hatte kommen müssen.

Vor gut einem Jahr hatte Graf Maximilian einen Herzinfarkt erlitten. Er war längere Zeit im Spital in Mittenwald gewesen und danach noch in einer Rehaklinik. Sein Zustand war stabil, doch er musste sich schonen und war leicht pflegebedürftig.

Als Patrick davon erfuhr, hatte er seinem Vater Vorwürfe gemacht und sich entschlossen, schnellstmöglich die Leitung des Gutsbetriebs zu übernehmen. Maximilian war das gar nicht recht, doch ihm blieb nichts weiter übrig, als zuzustimmen. Bis zu Patricks Heimkehr sollte Thomas Haberstroh den Betrieb leiten.

Der alte Landgraf fügte sich also in sein Schicksal. Und wieder hatte er gute Seelen um sich, die sich kümmerten. Die mittlerweile betagte Hauserin Vroni ebenso wie Anna Bruckner, die Maximilian von Wildenhagen liebte wie eine eigene Tochter und die in ihm ihren Lieblingsonkel sah.

Nun sollte Patrick dieser Tage heimkehren, und es gab auf Wildenhagen allerlei vorzubereiten. Vroni kochte das Leibgericht des jungen Landgrafen und dachte auch an seinen Lieblingskuchen. Eine Wohnung wurde im Gutshaus neu eingerichtet, denn Patrick brachte seine Verlobte mit heim. Und der alte Graf kümmerte sich zusammen mit seinem Verwalter darum, dass die Buchhaltung auf dem aktuellen Stand war, sodass Patrick der Einstieg in die Materie erleichtert wurde.

Alle freuten sich auf die Heimkehr des jungen Wildenhagen. Nur Anna blickte diesem Ereignis mit gemischten Gefühlen entgegen.

***

»Die Tische sind alle eingedeckt. Ich geh dann mal rüber zum Onkel Max. Oder soll ich dir hier noch was helfen, Mama?«

»Lauf nur, ich komm zurecht«, versicherte Christel Bruckner ihrer Tochter, die in der offenen Küchentür stand. »Wann wird denn der Patrick heimkommen? Hat er schon angerufen?«

»Morgen, soviel ich weiß.« In Annas himmelblauen Augen zeigte sich weniger Freude als vielmehr deutlicher Missmut. »Ich versteh net, wozu die Eile gut sein soll. Er hätte sich ruhig mehr Zeit lassen können mit dem Heimkommen. Der Thomas hat doch alles im Griff. Der Patrick wird da net wirklich gebraucht.«

»Was sind denn das für Reden?«, wunderte die Wirtin sich. Von ihr hatte Anna das dunkelblonde, glänzende Haar und die ebenmäßigen Gesichtszüge geerbt. Christel schaute noch so jung und frisch aus wie die ältere Schwester ihrer Tochter. »Man könnte fast meinen, du willst nicht, dass der Patrick heimkommt. Dabei wart ihr zwei doch früher ein Herz und eine Seele. Ich dachte, du freust dich, ihn wiederzusehen.«

»Mei, die Zeiten ändern sich halt.«

»Es passt dir wohl nicht, dass er sich verlobt hat«, mutmaßte die Mutter und legte damit den Finger in die Wunde, was Anna aber unter keinen Umständen zugegeben hätte. »Aber das geht dich nix mehr an, Madel. Und du bist ja auch nimmer ungebunden.« Sie spielte damit auf Markus Talhuber, Annas Freund, an. »Obwohl es mir, ehrlich gesagt, lieber wäre, wenn du dich für einen anderen entschieden hättest.«

Das Madel verdrehte die Augen.

»Bitte net schon wieder die Leier, Mama! Mir ist klar, dass der Markus nicht eurer Vorstellung von einem idealen Schwiegersohn entspricht. Aber ich hab ihn lieb. Zählt denn das gar nicht?«

»Du weißt, dass das für uns das Wichtigste ist«, erinnerte Christel ihre Tochter ernst. »Sonst hätten wir ganz anders reagiert, als du uns diesen Profikraxler vorgestellt hast. Es tut mir leid, aber ich bin in dem Punkt der gleichen Meinung wie dein Vater: Aus dem Markus wird nie ein gesetzter Geschäftsmann. Der hat eine Unruh im Blut, die ihn nicht loslassen wird.«

»Das stimmt net. Wir haben schon darüber gesprochen, die Wirtschaft zu übernehmen, wenn ihr aufhört. Und er war nicht von vorneherein dagegen. Ich lass ihm jetzt seine Freiheit, dann wird er später gewiss ruhiger werden. Und ich weiß, dass der Markus mich von Herzen lieb hat. Deshalb werden wir es schon schaffen, Mama, keine Sorge.«

Christel Bruckner war da anderer Meinung, doch sie verkniff sich eine Erwiderung, denn sie wusste, wie das mit der Liebe in jungen Jahren war. Druck und Widerspruch von außen schmiedeten ein Pärchen sozusagen zusammen. Gab man einer Liebe, die auf keinem soliden Fundament ruhte, aber eine ehrliche Chance, so trennte sich letztendlich die Spreu vom Weizen.

Die Wirtin wusste, dass ihre Tochter über genügend gesunden Menschenverstand verfügte, um die richtige Entscheidung zu treffen, wenn es darauf ankam.

Anna verließ derweil den Gebäudeteil, in dem sich die Wirtschaft und die privaten Wohnräume der Familie Bruckner befanden, überquerte den kunstvoll gepflasterten Wirtschaftshof und betrat dann das Gutshaus. Zuerst schaute sie bei der Hauserin Vroni vorbei, die sich wie immer freute, das Madel zu sehen. Sie war damit beschäftigt, eine feine Creme zu rühren, den Hauptbestandteil der Sachertochter, die Patrick so mochte.

Anna musste kosten und war entzückt.

»Mei, schmeckt das himmlisch! An dir ist eine Zuckerbäckerin verloren gegangen, Vroni!«, lobte sie.

Die alte Hauserin lachte. Ihr Haar war in der Zwischenzeit schlohweiß geworden, doch in den hellen Augen blitzte noch immer der wache Geist, der von Entschlossenheit und Weisheit sprach.

»Ich bin ja eine geworden. Und Köchin, Hauserin, Pflegerin, Seelendoktor, Kinderfrau … Mei, wenn ich alle Aufgaben nennen sollte, die ich auf Wildenhagen schon erfüllt hab, würde mir die Creme im Wasserbad gerinnen.«

Anna stimmte in ihr Lachen ein.

»Du freust dich gewiss, dass dein ›Ziehkind‹ endlich wieder heimkommt, gelt? Wenn ich mir das hier so anschaue, wirst du ihn wohl arg verwöhnen.«

Vroni warf dem Madel einen abwägenden Blick zu. Sie kannte Anna, seit diese den ersten Schrei getan hatte. Und sie wusste immer, wie es dem Madel ums Herz war. Auch gerade jetzt.

»Ich weiß net recht«, gab sie zu. »Eigentlich hat der Bub es gar net verdient, von mir verwöhnt zu werden. Ich glaub nämlich, dass er einen großen Fehler begangen hat.«

»Was meinst damit?«, wunderte Anna sich.

»Das weißt du so gut wie ich. Oder willst du mir vielleicht erzählen, dass dieses Luftbürscherl deine erste Wahl zum Heiraten ist? Der Patrick und du, ihr wart doch füreinander bestimmt. So war es vom ersten Moment an, als ihr zwei euch in die Augen geschaut habt, fast wie im Märchen. Ich kann es bezeugen, denn ich bin ja dabei gewesen.«

»Mei, Vroni, so ein Schmarrn«, wehrte Anna ab, konnte aber nicht verhindern, dass sie rot wurde.

»Das ist kein Schmarrn, das sind die Tatsachen«, beharrte die alte Hauserin. »Und dass der Patrick sich da so eine ›von‹ gesucht hat, mag ja nach außen hin passend sein. Aber sein Herz, das gehört dir!«

»Also, das höre ich mir jetzt nimmer länger an«, murrte das Madel halbherzig. »Ich wollte eigentlich nach dem Onkel Max schauen. Deshalb geh ich lieber, bevor du mich noch mit dem Patrick in einer Schnelltrauung verbandelst.«

»Ich weiß, was ich weiß«, meinte Vroni gelassen. »Und du wirst noch an meine Worte denken, Madel …«

Maximilian von Wildenhagen saß auf der Terrasse hinter dem Haus, eine Wolldecke um die Beine geschlungen, und genoss die ersten milden Tage des kommenden Frühlings. Er lächelte Anna zu, als sie neben ihn trat, und drückte ihre Hand.

»Schön, dass du vorbeischaust, Madel. Setz dich ein bisserl zu mir«, bat er.

Sie tat ihm gern den Gefallen und schaute ihn dabei aufmerksam an. Müde wirkte er, erschöpft. Gleich schlich sich die Sorge in ihr Herz.

»Die Vögel zwitschern so schön, dass es eine wahre Pracht ist, net wahr?«, sagte er, noch ehe sie etwas erwidern konnte. »Ich freu mich, wenn du mir Gesellschaft leistest. Drinnen ist so eine Hektik, deshalb bin ich lieber hier. Aber nachher werde ich noch ein bisserl was mit dem Thomas besprechen müssen. Wenn der Patrick morgen heimkommt, soll ja alles stimmen.«

»Der Thomas macht es schon recht. Du solltest dich lieber ausruhen, Onkel Max«, riet Anna ihm. »Vielleicht unternehmen wir nachher noch einen kurzen Spaziergang, was meinst du?«

»Wenn du Zeit hast, ich würde mich freuen.«

»Freilich, für dich hab ich immer Zeit, Onkel Max. Und wenn der Patrick die Gutsleitung übernommen hat, dann kümmere ich mich gern weiter um dich. Freilich nur, falls du das willst.«

»Ich würde mich sehr darüber freuen, Madel. Du hast mir manch trübe Stunde erhellt. Aber ich will auch net egoistisch sein. Schließlich hast du drüben genug zu tun. Und dein Freund hat mehr Rechte an dir als ich alter Mann.«

»Davon mag ich nix hören. Wir zwei haben uns doch schon immer gut verstanden. Und wenn ich für dich da sein darf, Onkel Max, dann macht mich das sehr glücklich.«

»Das hör ich gern.« Der alte Wildenhagen wurde nun ernst. »Ich mach mir aber auch so meine Gedanken. Vor allem, was die Verlobte vom Patrick angeht. Ich kenn das Madel noch net. Was der Bub mir erzählt hat, ist sie lieb und nett, doch vermutlich ist er nicht ganz objektiv. Und ob sie sich hier auf Wildenhagen daheim und wohlfühlen wird, muss sich erst noch zeigen.«

»Sie ist eine Städterin, gelt? Dann wird es net leicht für sie. Das Landleben ist doch ganz etwas anderes.«

»Ja, das befürchte ich auch. Die Familie von Stetten stammt aus Nürnberg. Der Vater ist Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei. An ihrer Herkunft ist nix zu mäkeln. Die Familie hat aber fast ihr ganzes Geld verloren, als der Großvater mit dem Bankhaus pleitegegangen ist. Elisabeths Vater war damals ein junger Mann, hatte gerade das Juraexamen in der Tasche. Er musste mit nichts neu anfangen, das war gewiss net leicht.«

»Dann weiß die Tochter wohl, wie das ist.«

»Nein, sie ist verwöhnt und behütet aufgewachsen«, sagte der alte Graf lachend. »Als sie geboren wurde, hatte der Vater es schon wieder zu einem gewissen Wohlstand gebracht. Und eben das ist es, was mir Sorgen macht. Ein verwöhntes Stadtmadel als Gutsherrin? Ich glaube net, dass das funktionieren kann.«

Anna nickte nur, sagte aber nichts. Sie war der gleichen Meinung, doch sie wollte Maximilian nicht beunruhigen. Und womöglich erwiesen sich seine Vorbehalte ja auch als falsch. Anna konnte sich nicht vorstellen, dass Patrick Gefallen an einer verwöhnten Städterin gefunden hatte. Sie meinte, ihn besser zu kennen. Doch sie sollte sich getäuscht haben …

***

Am frühen Abend schaute Markus Talhuber bei Anna vorbei.

Der blendend aussehende Bursche mit der athletischen Figur weckte sogleich Begehrlichkeiten bei den weiblichen Gästen. Manch eine warf ihm schmelzende Blicke zu oder kniff ein Auge zusammen, wenn sein Blick sie streifte.

Markus lächelte darüber nur. Er war sich seiner Wirkung auf die Damenwelt durchaus bewusst. Früher hatte er nichts anbrennen lassen und war in Berghausen als Platzhirsch und Fensterlkönig berühmt gewesen. Doch seit sein Herz Anna Bruckner gehörte, schaute er keine andere mehr an.

Dass sein fleißiger Schatz noch arbeitete, wunderte ihn nicht. Anna gefiel Markus nicht nur, weil sie bildsauber und klug war, er schätzte auch ihre zupackende Art. Später einmal, wenn er seinen heimlichen Traum von einer eigenen Kletterschule verwirklicht hatte, würde sie mühelos den Laden schmeißen, während er Unterricht gab und seiner Leidenschaft fürs Kraxeln frönte. Auch mal vor exotischer Kulisse, denn schließlich würde er daheim alles in den besten Händen wissen.

Dass er Anna noch nichts davon gesagt hatte, wie er sich ihre gemeinsame Zukunft tatsächlich vorstellte, hatte einen guten Grund.

Markus fehlte nämlich schlicht und ergreifend das Startkapital, um seinen Traum zu verwirklichen. Von den Siegerprämien, die er bislang bei Wettbewerben eingestrichen hatte, konnte er gerade mal seine Ausrüstung und alle Unkosten bestreiten. Für den Lebensunterhalt gab er Unterricht für Touristen oder veranstaltete Klettertouren. Damit kam er gerade so über die Runden, etwas zurücklegen konnte er aber nicht.

Deshalb hatte der Bursche, dem moralische Bedenken fremd waren, wenn es um seinen eigenen Vorteil ging, sich ausgerechnet, dass ihn die Heirat mit Anna Bruckner einen Schritt weiterbringen würde. Sie hatte eine ansehnliche Summe auf einem Sparbuch und würde zudem eine anständige Mitgift erhalten. Und wenn er sich mit seinem Schwiegervater gut stellte, würde der vielleicht für den Rest des nötigen Kapitals bürgen. Immerhin wäre das ja eine Investition in die Zukunft seiner einzigen Tochter …

So berechnend dachte Markus über seine geplante Heirat mit dem Madel, das davon nichts ahnte. Anna hatte nun die Abrechnung fertiggestellt und konnte endlich Feierabend machen. Markus schlug vor, noch ein wenig spazieren zu gehen, bevor es im Hause Bruckner Abendessen gab, an dem er freilich gern teilnahm.

Das Madel war rechtschaffen müde, doch es stimmte schließlich zu, denn es war ein angenehm milder Frühlingsabend, die Luft klar und würzig und dazu angetan, ihr den Kopf frei zu machen vom Stress des Tages.

Hand in Hand schlenderte das junge Paar wenig später über einen gut befestigten Wanderweg, der Richtung Kramer führte. Zu beiden Seiten des Wegs lagen umgebrochene Felder, deren dunkle Schollen feucht im letzten Licht des Tages schimmerten. Hier und da hüpften Bergdohlen und Krähen herum, auf der Suche nach einem saftigen Wurm. Am Wegrand blühte der erste Lerchensporn in mattem Violett, dazwischen leuchteten noch Schneeglöckchen.

Der Kramer besaß einen prägnanten Gipfel, auf dem ein goldenes Kreuz weit ins Land leuchtete. Sein Stein war porös, und es gab sehr viele Verwerfungen und Vorsprünge, die das Kraxeln anspruchsvoll gestalteten.

Markus kannte jeden Zentimeter im Fels. Manchmal erschien ihm der Kramer wie ein alter Bekannter, der allmählich anfing, ihn zu langweilen. Und bei diesem Gedanken packte ihn die Lust auf andere Herausforderungen …

»Was gibt’s Neues bei euch?«, fragte er Anna, nachdem sie ein langes Busserl getauscht und sich tief in die Augen geschaut hatten. »Warst du wieder arg fleißig heut, mein süßes Bienerl?«

»Pass auf, dass dir das Bienerl keinen Stich verpasst«, scherzte Anna, denn sie konnte es nicht leiden, wenn Markus über ihren Fleiß dumme Scherze machte. Um sich ein wenig zu revanchieren, ließ sie ihn wissen: »Der Patrick kommt morgen heim. Auf dem Gut herrscht helle Aufregung. Alle geben ihr Bestes, damit sie ihm einen schönen Empfang bereiten können.«

»Wieso denn das?«, fragte er missmutig. »Dass er nach dem Studium wieder heimkommt, war doch klar. Er hätte sich besser ein bisserl mehr am Riemen gerissen und ein bisserl weniger gefeiert. Dann wäre er früher fertig geworden, und sein Vater hätte gewiss keinen Herzkasper vor Überanstrengung bekommen. Ja mei, manche Leute denken halt allerweil nur an sich selbst.«

»Du musst es ja wissen«, versetzte Anna spitz.

»Was meinst du jetzt damit? Bist du vielleicht immer noch hinter dem jungen Grafen her und bildest dir ein, dass er dich eines Tages zu seiner Gräfin machen wird?«

»Und wenn schon. Du bist wohl eifersüchtig.«

»Ich geb’s zu. Es gefällt mir einfach net, wie du immer noch an dem Kerl hängst. Bloß, weil er dir als Bub den Schulranzen getragen hat.«

»Jetzt sei net albern, Markus«, bat Anna versöhnlich.

Sie war stehen geblieben, denn sie hatten nun den Fuß des Kramers erreicht, um den sich ein alter Wald von Kiefern und Tannen schmiegte. Hier fand sich neben einem Materl eine Bank, die zum Verweilen einlud.

Das Madel setzte sich und ließ seinen Liebsten wissen, dass es noch immer am Patrick hing.

»So eine alte Freundschaft, die hat halt Bestand. Aber das bedeutet net, dass du Grund zur Eifersucht hättest. Der Patrick hat sich nämlich erst kürzlich verlobt. Und er bringt seine Verlobte mit, sie werden zusammen auf Wildenhagen leben.«

»Eine Verlobte hat er? Davon wusste ich ja gar nix. Und was ist das für eine? Gewiss keine Hiesige, oder?«

»Ein Madel aus der Stadt. Der Onkel Max ist damit net recht glücklich. Er befürchtet, dass sich so eine nur schwer hier bei uns einleben wird. Und eine Stadtfrau als Gutsherrin, ja mei, das passt sich auch nicht so wirklich.«

»Dann ist sie wohl reich, und der Patrick geht auf die Mitgift aus«, sinnierte der Bursche. »Anders kann ich es mir net erklären.«

»Ach, Markus, du denkst viel zu materiell. Der Patrick hat sich vermutlich verliebt, so was kommt vor.«

»Hab ich mir sagen lassen.« Er grinste frech und stahl seiner Liebsten ein Busserl. »Und wann heiraten wir beide?«

Sie schaute ihn überrascht an.

»Keine Ahnung. Du hast doch noch warten wollen. Von mir aus jederzeit.«

»Ich weiß net so recht …«

»Kriegst du kalte Füße? Du hast das Thema doch angeschnitten.«

»Darum geht’s nicht«, stellte er klar. »Aber ich hab da ein Problem. Im Moment kann ich doch nix vorweisen außer ein paar Pokalen. Ich hab kein Geld auf der Bank und gar nichts Eigenes, womit ich deine Eltern ein bisserl für mich einnehmen könnte.«

»Seit wann hast du denn Minderwertigkeitskomplexe? Das ist ja ganz was Neues«, sagte Anna und lachte.

»Hab ich net, das stimmt. Ich seh das Ganze nur realistisch. Und wenn ich das Madel, dem mein Herz gehört, heimführe, dann ganz gewiss net, um mit ihr in der Umkleide von der Bergwacht zu wohnen. Oder gleich in einer Höhle auf halber Höhe vom Kramer.«

Anna musste wieder lachen, weil sie diese Vorstellung vom Dasein als Höhlenmenschen doch recht lustig fand. Dann aber wurde sie ernst und erinnerte Markus daran, dass ihre gemeinsame Zukunft bereits auf einem soliden Fundament stand.

»Die Eltern überlassen uns eine von den Gastwohnungen im Anbau. Und wenn wir die Wirtschaft erst mal übernommen haben, dann kannst du ganz nach deinen Ideen und Vorstellungen schalten und walten. Das nenn ich was Eigenes, oder?«

»Aber ich bin nur angeheiratet und hab nix zu sagen.«

»So ein Schmarrn. Dein fleißiges Bienerl wird sehr dankbar sein, wenn du dir über Modernisierung und Reklame den Kopf zerbrichst. Ich hab dafür nämlich keinen Draht. Und bei uns beiden bist schließlich du nachgewiesenermaßen der kreative Kopf, oder?«

Der Bursche lachte nun auch und umfing sein Madel liebevoll mit seinen starken Armen.

»Wenn du mich so nett bittest, muss ich mich wohl geschlagen geben und schon recht bald bei deinem Vater um dich werben. Freilich nur, falls du auch einverstanden bist.«

»Das muss ich mir erst noch überlegen«, scherzte sie und stimmte in sein Lachen ein. Und dann tauschten sie viele verliebte Busserln, die ihre Herzen mit reiner Glückseligkeit erfüllten.

Markus aber war mit den Gedanken auch noch woanders. Dass Patrick von Wildenhagen eine reiche Braut anschleppte, machte ihn neidisch. Was hätte er selbst für einen solchen »Goldfisch« gegeben, der seinen Traum von einer eigenen Kletterschule im null Komma nichts hätte erfüllen können …

***

»Puh, bin ich froh, dass wir das hinter uns haben.« Elisabeth von Stetten verdrehte genervt die Augen. »Ich hasse solche Pflichtbesuche, bei denen sich alle sichtlich unwohl fühlen.«

»Du übertreibst, Lissy. Deine Eltern sind doch sehr nett. Ich hab mich jedenfalls gut mit deinem Vater unterhalten«, erwiderte Patrick.

»Ja, wenn man einen Sinn für langweilige Paragrafen und noch langweiligere Steuerfälle hat …«

»Du hast ebenfalls angefangen, Jura zu studieren«, erinnerte der junge Graf Wildenhagen seine Verlobte und bog von der Autobahn in die Münchner City ab.

»Die Betonung liegt auf ›angefangen‹. Jura liegt mir nicht.«

»Ebenso wenig wie Kunstgeschichte, Germanistik oder …«

»Nun hör aber auf«, bat sie ihn leicht verstimmt. »Ich habe eben noch nicht meine wahre Aufgabe im Leben gefunden.«

»Doch, hast du«, widersprach er ihr. »Gutsfrau auf Wildenhagen, das ist deine wahre und einzige Bestimmung.«

»Ja sicher.« Sie lächelte säuerlich. Zum Glück herrschte im Wagen ein graues Zwielicht, sodass Patrick dies nicht bemerkte. Er war offensichtlich der festen Überzeugung, dass sie sich nichts anderes wünschte, als sich an seiner Seite in der tiefsten Provinz zu vergraben und dort zwischen Misthaufen und schreienden Bälgern selig zu sein. Hatte er eine Ahnung!

Die schlanke Blondine mit dem puppenhaft schönen Gesicht dachte ganz anders über die Zukunftspläne ihres Verlobten. Als sie sich in Patrick verliebt hatte, war er für sie ein attraktiver und charmanter Bursche gewesen mit einem großen Vermögen im Hintergrund.

Graf Maximilian hatte nicht falsch gelegen, als er in Elisabeth eine verwöhnte Städterin vermutet hatte, denn genau das war sie. Und sie dachte nicht daran, ihr Leben in Berghausen zu vergeuden, wie sie das nannte.

Allerdings hatte sie Patrick bislang keinen reinen Wein eingeschenkt. Er sah es als selbstverständlich an, dass seine Vorstellung vom Leben auch ihre war. Und er fühlte sich verpflichtet, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten.

Elisabeth aber verfolgte ihre eigenen Pläne. Zunächst einmal würde sie Patrick nach Berghausen begleiten. Dann aber wollte sie dafür sorgen, dass die Dinge sich nach ihren Wünschen entwickelten. Und die sahen ganz anders aus, als das, was der junge Graf sich vorstellte …

Wenig später hatten sie ihre Studentenwohnung erreicht. Hier war bereits das meiste gepackt, denn am nächsten Morgen stand der Umzug nach Berghausen an.

Elisabeth hangelte sich mit gerunzelter Stirn zwischen den Umzugskartons hindurch. Sie hasste dieses Chaos. Noch schlimmer war, dass sie selbst hatte packen müssen. Denn eigentlich war das ja unter ihrer Würde.

Daheim hatten sie eine Haushälterin gehabt, die ihr stets alles hinterher geräumt hatte. Elisabeth hatte während ihrer Kindheit keinen Finger krumm machen müssen. Und sie hoffte sehr, dass dies schon bald wieder so sein würde. Als sie sich den großen Zeh an einem Karton stieß, fluchte sie giftig.

Patrick betrat die Stube mit zwei gefüllten Gläsern Wein und lächelte nachsichtig. Er stellte die Gläser auf einem Karton ab, nahm Elisabeth kurzerhand auf seine Arme und setzte sich dann mit ihr auf dem Schoß auf das schmale Sofa. Er schaute ihr tief in die Augen, schenkte ihr ein zartes Busserl, während er ihr ein Glas in die Hand drückte.

»Auf unsere gemeinsame Zukunft, auf dich und mich, mein schöner Engel!«

Sie lächelte ein wenig, denn es schmeichelte ihr, wie verliebt Patrick noch immer in sie war. Offenbar liebte er das Bild, das er sich von ihr gemacht hatte. Und Elisabeth war bemüht, dieses in perfekter Form zu erhalten.

»Wir werden sehr glücklich zusammen sein«, war sie überzeugt, und leichthin sinnierte sie: »Warte nur ab, wenn sich auf dem Gut alles eingespielt hat, dann können wir reisen, etwas von der Welt sehen und unser Leben so recht genießen.«

Erst als sie dem skeptischen Blick aus grauen Augen begegnete, wurde ihr bewusst, dass sie sich gerade ein wenig zu sehr aus dem Fenster gelehnt hatte. Rasch ruderte sie deshalb zurück.

»Ich meine damit unsere Flitterwochen. Und ab und zu eine kleine Reise muss schon drin sein, damit ich in Berghausen net versauere.«

»Gewiss können wir mal verreisen. Und was die Flitterwochen betrifft, da lasse ich dir freie Hand, mein Schatzerl. Du kannst dir das Ziel aussuchen, das dir am besten gefällt. Aber unser Leben wird sich trotzdem in Berghausen abspielen. Das habe ich dir von Anfang an gesagt.«

»Schon. Trotzdem könntest du ein wenig Rücksicht auf mich nehmen. Oder bin ich nicht ein klein bisserl wichtiger als diese Landwirtschaft, die auch von selber läuft?«

Patrick versetzte ihr einen Nasenstüber, was sie gar nicht mochte. Sie ließ sich aber nichts anmerken. Erst als sein Ton gönnerhaft wurde, begann sie sich zu ärgern.

»Ein Betrieb wie Gut Wildenhagen läuft net von selber. Der Vater war nimmer belastbar und ist krank geworden, weil er sich zu lange zu viel zugemutet hat. Und das gewiss net zum Spaß. Wildenhagen wird die Hauptrolle in unserem Leben spielen, Lissy. Da sollten wir uns nix vormachen. Aber es ist auch eine schöne Aufgabe und net zuletzt eine Ehre, wenn man bedenkt, wie viele Wildenhagens es schon gegeben hat. Und sie alle haben das Gut geleitet …«

»Wozu gibt es denn dann einen Verwalter?«, fragte sie unwillig. »Wenn du die ganze Arbeit machst, können wir den ja entlassen und sein Gehalt einsparen«, versetzte sie bärbeißig und rutschte von seinem Schoß herunter. Als sie auftrat, beschwerte sie sich: »Mein Zeh tut immer noch weh. Aber das scheint dir ganz einerlei zu sein.«

»Haben wir net noch irgendwo ein Pflaster mit kleinen Herzerln drauf?«, scherzte er mit todernster Miene.

»Das ist nicht lustig!« Elisabeth humpelte ins Schlafzimmer und ließ sich auf dem Bett nieder.

Missmutig stützte sie den Kopf in die Hände und fragte sich ernsthaft, ob sie sich für den Richtigen entschieden hatte. Sie wünschte sich ein sorgenfreies Leben im Luxus und war nicht gewillt, sich die Finger wund zu arbeiten. Das Dumme war nur, dass sie Patrick lieb hatte. Das machte es schwer, nach einer besseren Partie Ausschau zu halten …

»Nun hör auf zu schmollen, mein Herzerl«, bat der junge Mann und setzte sich zu ihr. »Ich weiß, es ist eine große Umstellung für dich. Aber du wirst sehen, wie schön das Leben auf Wildenhagen sein kann. Ich werde dir jeden Wunsch von den Augen ablesen, denn ich möchte, dass du glücklich wirst.«

»Und wenn ich mal verreisen möchte, kommst du dann mit?«

»Gewiss. Wenn es net gerade während der großen Ernte ist.«

Elisabeth bedachte Patrick mit einem giftigen Blick und stand auf.

»Dieses depperte Gut ist dir wichtiger als ich«, warf sie ihm vor. »Du liebst mich net! Ich sollte überhaupt nicht mit dir nach Berghausen gehen. Das wäre vielleicht der Fehler meines Lebens!«

»Beruhige dich, Lissy, du bist aufgeregt und hast auch ein bisserl Reisefieber«, versuchte er sie zu besänftigen, erreichte damit aber nur das Gegenteil.

»Ich bin ruhig und denke ganz klar«, hielt sie ihm entgegen. »Und ich glaube net, dass ich das Richtige tue, wenn ich mein Leben mit einem Mann verbringen will, dem ein Besitz wichtiger ist als ich. Für dich steht Wildenhagen doch an erster Stelle!«

Patrick erhob sich, legte seine Hände auf Elisabeths Schultern und suchte ihren Blick.

»Das stimmt net, und das weißt du auch«, versicherte er ihr mit großem Ernst. »Freilich ist das Gut wichtig für mich. Ich bin dort geboren und aufgewachsen. Ein Besitz, der so lange in der Familie ist, verpflichtet. Für mich hat es nie einen Zweifel daran gegeben, dass ich einmal als Gutsherr in die Fußstapfen meines Vaters treten werde. Aber du bist die Frau, die ich liebe.«

Patrick wusste, was sie hören wollte, und das sagte er ihr.

»Du bist der wichtigste Mensch in meinem Leben. Es kann gar nix für mich geben, was wichtiger wäre. Glaubst du mir das jetzt, Lissy? Oder muss ich dir erst noch einen Stern vom Himmel holen und ihn dir zu Füßen legen, damit du mir endlich voll und ganz vertraust?«

»Ich verlange ja gar keinen Stern. Ich möchte nur, dass du mich und meine Wünsche ernst nimmst. Ich mag net irgendwann wie ein altes Möbelstück in eine Ecke gestellt werden.«

»Wie kommst du nur immer auf solche Ideen?« Er lächelte ihr warm zu. »Zwischen uns ist doch alles klar. Wir haben uns lieb, und nur das zählt.«

»Ja, ich hab dich lieb, Patrick, wirklich!«, beteuerte sie da und legte ihre Arme um seinen Nacken. »So sehr, dass ich manchmal nur noch an dich und überhaupt nimmer an mich selbst denken kann. Und das will bei mir schon was heißen.«

Er musste schmunzeln und küsste sie zärtlich.

»Wir werden uns unser Leben auf Wildenhagen schon einrichten. Warte es nur ab. Und in ein paar Jahren lachen wir gewiss über all die Wenns und Abers, die uns jetzt den Kopf schwer machen.«

»Ja, freilich«, stimmte sie nur halbherzig zu, denn sie dachte darüber nun mal ein wenig anders.

***

»Sie kommen, sie kommen!« Milli, die Küchenmagd, rannte durch die Diele und schrie, als ginge es um ihr Leben.

Die Hauserin Vroni folgte ihr mit einem Kopfschütteln.

»Net so laut, du dummes Ding«, schimpfte sie. »Magst du vielleicht gleich den ganzen Landkreis informieren? Ein jeder auf Wildenhagen weiß Bescheid, also sei jetzt stad.«

Gleich verstummte Milli, bekam einen roten Kopf und zurrte nervös an ihrer Sonntagsschürze, die sie zur Feier des Tages trug.

»Tut mir leid, Vroni, ich hab net …«

»Bleib lieber in der Kuchel, wo du hingehörst, und schau, dass nix überkocht, während ich weg bin«, wies die alte Hauserin das Küchenmadel streng an.

»Aber vom Küchenfenster aus kann ich nix Gescheites sehen und …« Milli verstummte, denn Vroni hörte ihr nicht mehr zu.

Als die Haustür geöffnet wurde und das junge Paar die Diele betrat, riskierte das Küchenmadel aber doch noch einen neugierigen Blick und staunte nicht schlecht.

Fesch schaute er aus, der junge Graf Patrick. Und seine Verlobte erst! Wie aus einem Modemagazin entsprungen. Ganz kugelrund wurden Millis Augen beim Anblick der schlanken Blondine im puderfarbenen, sündhaft teuren Kostüm, zu dem die Strümpfe, Schuhe und die Handtasche perfekt passten. Und der feine Perlschmuck, der allein musste ein Vermögen gekostet haben!

Rasch schlüpfte Milli zurück in die Küche, denn in ihrer Sonntagsschürze fühlte sie sich mit einem Mal wie ein Aschenputtel.

Vroni nahm Patrick liebevoll in die Arme und drückte den jungen Mann, der sie um gut einen Kopf überragte. Er küsste die alte Hauserin herzhaft auf die Wange.

»So einen Empfang lass ich mir gefallen«, stellte er fest. »Daheim ist’s eben doch am schönsten! Wo sind denn alle anderen?«

»Die warten auf der Terrasse. Ich hab zur Feier des Tages nämlich draußen gedeckt.«

Elisabeth zog die Stirn kraus.

»Dafür ist es doch noch viel zu kalt«, sagte sie leise zu Patrick.

Vroni hatte es wohl gehört, krauste ebenfalls die Stirn und musterte die junge Frau von Kopf bis Fuß skeptisch.

Patrick beeilte sich, der alten Hauserin seine Verlobte vorzustellen.

»Vroni, das ist Elisabeth von Stetten, unsere zukünftige Gutsfrau. Ich hoffe, ihr werdet gut miteinander auskommen.«

»An mir soll’s net liegen«, war alles, was Vroni sagte, dann wandte sie sich zum Gehen.

»Sie kann mich nicht leiden«, beschwerte Elisabeth sich.

»Sie kennt dich ja noch gar net. Jetzt komm, ich möchte dich mit meinem Vater und den Bruckners bekannt machen.« Er nahm ihre Hand und führte sie durch die Diele und den Wohnraum hinaus auf die Terrasse.

Elisabeth bekam einen ersten Eindruck von der Größe und Einrichtung des Gutshauses, der positiv ausfiel. Alles hier war gediegen und hochwertig. Bei einem Verkauf würde das Anwesen in diesem guten Zustand gewiss ein paar Millionen einbringen.

Graf Maximilian strahlte, als sein Sohn ihn zur Begrüßung in die Arme schloss. Dann musterte er seine Schwiegertochter in spe freundlich.

Doch Elisabeth hatte einen feinen Draht für die leisen Zwischentöne und bemerkte durchaus eine spontan reservierte Haltung, die leicht in Ablehnung umschlagen konnte. Der alte Graf mochte sie nicht. Dagegen schaute er mehr als liebevoll zu dem jungen Madel, das neben seinem Stuhl stand, auf.

Das war also Anna Bruckner. Patrick hatte ihr viel von Anna erzählt. Und Elisabeth machte nicht den Fehler, die Gefahr, die von diesem Madel für sie und ihre Pläne ausging, zu unterschätzen. Anna Bruckner war hübsch und sah nicht aus, als sei sie auf den Kopf gefallen.

Sie von Patrick fernzuhalten hatte für Elisabeth nun Priorität. Besitzergreifend hakte sie sich bei ihrem Verlobten unter und reichte den Bruckners mit einer herablassenden Geste die Hand.

»Das Essen ist fertig«, ließ Vroni sich nun vernehmen. »Kann ich auftragen?«

»Freilich, Vroni, nur zu«, bat Maximilian.

»Esst ihr hier immer so früh zu Mittag?«, fragte Elisabeth Patrick leise, während man sich um den Tisch versammelte.

»Heut ist eine Ausnahme«, versicherte er ihr daraufhin. »Ab morgen läuft alles wieder wie immer.«

Elisabeth bedachte ihn mit einem skeptischen Blick, schwieg aber. Dass die Wildenhagens nicht nur ihre Pächter zum Mittagessen gebeten hatten, sondern dass sich nach und nach auch das ganze Gesinde um die lange Tafel auf der Terrasse versammelte, gefiel Elisabeth nicht. Sie fühlte sich in dem fröhlichen Kreis, wo viel gelacht und ständig auf das Wohl des jungen Gutsherren getrunken wurde, sichtlich unwohl.

Einzig Thomas Haberstroh, der Verwalter, war für sie von Interesse. Sie verwickelte den unscheinbaren jungen Mann in ein angeregtes Gespräch und fand rasch heraus, dass er als Helfer für ihre heimlichen Absichten durchaus infrage kam.

Thomas schien von ihr fasziniert zu sein, und es würde gewiss nicht schwer werden, ihn nach ihren Wünschen zu manipulieren. Das erschien Elisabeth zumindest wie ein kleiner Lichtblick in dieser allzu ländlichen Idylle, die ihr bereits auf die Nerven ging.

Nach dem Essen gingen die Angestellten wieder an ihre Arbeit. Milli schwärmte so lange von dem schicken Auftreten der neuen Gutsfrau, bis Vroni ihr einen Dämpfer versetzte.

»Aus der wird in hundert Jahren keine Gutsfrau. Der Herr Graf hat das schon auf den ersten Blick gesehen. Und ich sag dir eines: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sein Sohn das ebenfalls begreift und sie dorthin zurückschickt, wo sie hergekommen ist, mitsamt ihren dünnen Gewändern und ihrem viel zu teuren Schmuck!«

Nebenan in der Straußwirtschaft fiel das Urteil über Elisabeth von Stetten kaum besser aus. Georg Bruckner behielt seine Meinung aber lieber für sich.

»Wie kann der Patrick sich nur einbilden, dass die hier leben und die Wirtschaft führen will?«, wunderte sich seine Frau hingegen offen. »So ein Püpperl kann net einmal abspülen, ohne dass der Nagellack hinterher ruiniert ist. Ich sag euch, der Graf Max ist fei net zu beneiden.«

»Der Onkel Max hat schon was Ähnliches erwartet, glaub ich«, sagte Anna seufzend. »Ich hab aber net gedacht, dass Patrick tatsächlich so selbstsüchtig sein könnte. Offenbar hat er keine Sekunde lang an Wildenhagen gedacht, als er der da einen Antrag gemacht hat.« Sie machte eine wegwerfende Geste Richtung Gutshaus.

»Regt euch nicht auf«, bat ihr Vater begütigend. »Der Patrick ist seinem Herzen gefolgt und hat offensichtlich einen Fehler gemacht. Er wird einsehen, dass da was net zusammenpasst und die Konsequenzen ziehen. Er weiß, was er seinem Vater schuldig ist.«

Elisabeth hatte sich derweil in ihre neuen Räume zurückgezogen und Patrick gebeten, sie eine Weile allein zu lassen. Angeblich litt sie unter starken Kopfschmerzen.

Der junge Graf musste bekümmert feststellen, dass seine Verlobte sich auf dem Gutshof nicht wirklich wohlfühlte. Daran konnten wohl nur Zeit und Gewöhnung etwas ändern. Patrick nutzte die Gelegenheit, um sich in aller Ruhe mit seinem Vater zu unterhalten.

Graf Maximilian brachte seinen Sohn auf den aktuellen Stand, was den Gutsbetrieb anging, dann aber sprach er von persönlicheren Dingen.

»Ich hoffe, Elisabeth wird sich in eurer Wohnung wohlfühlen. Es ist gewiss eine große Umstellung für sie. Und die Aufgaben, die sie als zukünftige Gutsfrau wird übernehmen müssen, könnten ihr ebenfalls nicht behagen.«

Patrick lächelte ein wenig und versuchte, die Bedenken seines Vaters zu zerstreuen.

»Lissy ist nicht so verwöhnt, wie es auf den ersten Blick scheint. Ihre Eltern sind vernünftige, bodenständige Menschen. Gib ihr eine Chance. Sie braucht nur ein wenig Zeit, um sich an ihr neues Leben zu gewöhnen.«

»Ich hoffe, du hast recht. Du liebst sie, nicht wahr?«

Der junge Mann nickte, ohne zu zögern.

»Sie ist der Mensch, mit dem ich mein Leben verbringen möchte. Auch wenn es vielleicht ein paar Anfangsschwierigkeiten geben wird. Aber die werden wir schon meistern. Mir ist aufgefallen, dass Anna immer noch sozusagen zur Familie gehört«, wechselte er dann das Thema.

»Sie hat sich in der ersten Zeit nach der Reha sehr um mich gekümmert. Ich hab das Madel lieb wie eine Tochter, das war schon immer so. Aber das muss ich dir gewiss net sagen. Magst du net einmal in Ruhe mit der Anna reden?«

»Später, wenn sich eine Gelegenheit ergibt«, entschied er vage. Ihm war nicht verborgen geblieben, wie abweisend Anna seine Verlobte gemustert hatte. »Anna scheint Lissy nicht zu mögen. Das war jedenfalls mein erster Eindruck.«

»Anna ist ein liebes Madel. Sie wird es deiner Verlobten net schwer machen. Aber sie wird wohl auch etwas Zeit brauchen, um sich daran zu gewöhnen, dass du jetzt zu einer anderen gehörst.«

»Die Kindertage liegen hinter uns«, erinnerte Patrick seinen Vater lapidar. »So ist das Leben nun mal.«

Graf Maximilian musterte seinen Sohn daraufhin nachdenklich. Patrick erschien ihm verändert. War es der Einfluss seiner Verlobten, der aus ihm sprach? Der alte Landgraf konnte sich jedenfalls nicht daran erinnern, dass sein Sohn jemals so gleichgültig über Anna Bruckner gesprochen hatte.

***

Bereits am nächsten Morgen liefen Anna und Patrick sich zufällig über den Weg. Während Elisabeth noch schlief, unternahm der junge Mann bereits einen Ausritt in die Umgebung und schaute sich den Zustand der Felder und Weiden an, die zu Wildenhagen gehörten.

Als er in den Wirtschaftshof ritt, bemerkte er Anna, die mit einem Korb voller Eier aus dem Hühnerstall trat. Er saß ab, verharrte einen Moment und betrachtete das Madel, das ihm sehr hübsch und sehr erwachsen erschien. Anna war ihm noch immer vertraut, doch zugleich auch fremd. Ein reizvoller Kontrast. Fast ärgerlich schob er diesen Gedanken beiseite und überließ sein Pferd einem Stallburschen.

Dann ging er auf Anna zu, die gerade wieder das Haus betreten wollte.

»Grüß dich, wie geht’s?«, fragte er freundlich.

Sie blieb stehen, schaute ihn einen Moment lang mit einem etwas unschlüssigen Blick an und lächelte dann schmal.

»Gut.«

Er deutete auf den Korb.

»Willst du etwas backen? Oder sind die Eier fürs Frühstück?«

»Ich back heut Strudel.« Ihr Lächeln wurde ironisch. »Findest du das net ein bisserl deppert?« Und weil er sie nur verständnislos ansah, fuhr sie fort: »Dass wir zwei uns da wie zufällige Bekannte über Nichtigkeiten unterhalten, meine ich. Wenn wir uns sonst nix zu sagen haben, sollten wir’s vielleicht sein lassen.« Mit diesen Worten wandte sie sich zum Gehen.

»Du hast recht«, gab er da zu. »Sei mir net bös, aber ich wusste nicht so recht, was ich sagen sollte. Mit einem Mal ist ja doch alles so anders zwischen uns, gelt?«

»Findest du? Wir sind die gleichen Menschen. Wieso sollen wir nicht offen und ehrlich miteinander sein, so wie es immer zwischen uns gewesen ist?«

»Ja, wieso eigentlich net? Komm.« Patrick reichte ihr seufzend die Hand, sie stellte den Korb ab und legte ihre Rechte in seine. So spazierten sie ein Stück über den Hof und den angrenzenden Feldweg.

»Wie ist es dir denn so ergangen, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben? Der Vater sagt, du hast einen Freund.«

»Ja, den Markus Talhuber.«

»Der Kraxler? Mei, das ist aber eine etwas seltsame Wahl.«

»Net seltsamer als deine Wahl«, parierte sie.

Patrick blieb stehen und ließ Annas Hand los. Seine Miene verschloss sich und wurde abweisend. Mit einem Mal schien es, als stehe da ein Unbekannter vor Anna. Sie konnte das nicht verstehen. Was hatte sich geändert zwischen ihnen? Wieso waren sie einander so fremd geworden?

»Vielleicht sollte ich besser ins Haus gehen«, murmelte er schließlich vage. »Es gibt bald Frühstück.«

»Wenn du meinst.« Sie vergrub die Hände in den Hosentaschen.

»Anna, ich wollte dir noch danken, dass du dich so um den Vater gekümmert hast. Das war sehr lieb von dir.«

»Du weißt doch, dass ich mich schon immer gut mit deinem Vater verstanden hab. Es war keine Mühe für mich, eher eine Freude.«

»Ich dank dir trotzdem. Aber jetzt, wo wir da sind, da musst du nimmer … Ich mein, falls du keine Zeit hast, kannst du es mir und der Lissy überlassen. Wir kümmern uns schon.«

Sie musterte ihn aufmerksam.

»Willst du net, dass ich rüberkomme? Oder will deine Verlobte es nicht?«

»Davon kann keine Rede sein. Ich wollte nur …«

»Schon gut. Ich hab dich verstanden. Seltsam, ich dachte immer, dass wir zwei Spezln bleiben, egal, was geschieht. Aber ich scheine mich geirrt zu haben.« Sie machte auf dem Absatz kehrt und eilte davon.

Patrick schaute ihr betroffen nach. Es fiel ihm schwer, seine Gefühle zu sortieren, denn die waren heftig durcheinandergeraten. Seine alte Zuneigung zu Anna war noch da wie die Erinnerung an etwas Schönes, die einfach zu einem gehörte.

Zugleich schien es da nun eine Grenze zwischen ihnen zu geben, die er nicht überschreiten konnte, wollte er die Konsequenzen seines Tuns vermeiden. Ihre früher so einfache und angenehme Freundschaft war kompliziert geworden. Und er ahnte, dass dies hauptsächlich an ihm lag. Und an dem, was er fühlte …

Als Patrick wenig später ihre gemeinsamen Räume betrat, war Elisabeth schon auf den Beinen. Sie warf ihm nur einen knappen Blick zu.

»War’s nett?«, fragte sie mit leiser Ironie. Und es schien offensichtlich, dass sie nicht seinen Ausritt meinte.

»Ich hab kurz mit Anna geredet, schließlich kann ich ihr net ständig aus dem Weg gehen«, erwiderte er und hatte dabei das unangenehme Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen.

»Wieso net? Ihr habt doch nix mehr miteinander zu schaffen.«

»Ich bitte dich, Lissy! Wir sind alte Freunde. Du hast keinen Grund …«

»Habe ich den nicht? Für mich sah das eben ganz anders aus. Du bist offensichtlich blind für die hinterhältigen Absichten dieser Wirtstochter. Aber einem objektiven Beobachter wird recht schnell klar, was da gespielt wird.«

»Magst du mich aufklären? Ich verstehe nämlich nur Bahnhof.«

»Das ist mir auch aufgefallen. Dieses Madel zieht alle Register, um sich hier einzuschleichen. Während deiner Abwesenheit hat Anna bei deinem Vater und Vroni lieb Kind gemacht. Und nun will sie dich eifersüchtig machen, indem sie was mit einem anderen anfängt. Ist das net offensichtlich?«

»Nein, das ist lächerlich.«

Elisabeth hob irritiert die Augenbrauen.

»Aha. Demnach habe ich hier wohl nichts mehr zu suchen.«

»Nun rede keinen Schmarrn daher!«, rief der junge Mann da ärgerlich. »Du bauschst etwas auf, das überhaupt nicht existiert, nur in deiner Fantasie, weil du eifersüchtig bist. Aber dazu hast du keinen Grund, und das ist die Wahrheit!«

Sie musterte ihn eine Weile schweigend und abwägend.

»Also schön, ich glaube dir«, gestand sie ihm schließlich zu. »Aber wenn Anna tatsächlich nur eine alte Freundin für dich ist, nichts weiter, dann wirst du wohl nichts dagegen einzuwenden haben, dass sie in Zukunft drüben in der Wirtschaft bleibt.«

»Worauf willst du hinaus? Sie besucht öfter meinen Vater, das wird dich doch gewiss nicht stören.«

»Doch, das stört mich. Mir ist nämlich aufgefallen, dass dein Vater sie sehr viel herzlicher behandelt als mich. Deshalb wäre es mir lieber, wenn sie ihn in Zukunft nicht mehr besucht. Ich möchte mehr Zeit mit ihm verbringen, mich auch um ihn kümmern. Es liegt mir am Herzen, dass wir uns verstehen. Schließlich werden wir schon bald eine Familie sein.«

Patrick zögerte, er wusste nicht recht, was er davon halten sollte. Dass Elisabeth aber so familiär dachte, berührte ihn angenehm.

»Also schön, wenn dir wirklich daran liegt, werde ich mit Anna reden und ihr erklären, dass du dich in Zukunft um Papa kümmern willst. Sie wird das ganz sicher verstehen«, meinte er deshalb.

Elisabeth nickte zufrieden.

»Tu das. Es ist besser für alle Beteiligten, wenn die Fronten gleich zu Anfang geklärt sind.«

Allerdings zeigte Anna sich keineswegs einsichtig. Sie warf Patrick im Gegenteil vor, seinem Vater zu schaden, der gern Zeit mit ihr verbrachte. Und als sie ihm dann noch auf den Kopf zu sagte, dass Maximilian ganz sicher kein Interesse daran hatte, von Elisabeth betreut zu werden, gerieten die beiden zum ersten Mal im Leben in einen ernsthaften Streit. Sie schrien sich erbost an, keiner wollte nachgeben, und sie gingen unversöhnt auseinander.

Von diesem Tag an betrat Anna das Gutshaus nicht mehr, und Elisabeth war die lachende Dritte, deren erste Intrige auf Gut Wildenhagen sich gleich als Erfolg erwiesen hatte. Nach außen hin gab sie sich bescheiden und nett und versuchte nun, Annas Stelle beim alten Landgrafen einzunehmen. Sie wollte ihn auf ihrer Seite wissen, damit sie in Ruhe ihre weiteren Intrigen spinnen konnte …

***

»Da, bring das dem Herrn Grafen. Er ist in der guten Stube.« Vroni deutete auf ein Tablett mit Kaffee und einem Stück Strudel, aber Milli schüttelte den Kopf und weigerte sich, der Hauserin zu folgen. Es war nicht das erste Mal, dass die einfältige Magd bockte, seit Patrick und seine Verlobte sich auf Wildenhagen aufhielten. Das Madel schien etwas gegen die zukünftige Gutsherrin zu haben.

»Ich mag net. Sie ist bei ihm«, trotzte Milli.

»Was soll denn der Schmarrn? Tu, was ich dir sage. Ich hab jetzt keine Zeit, muss mich ums Nachtmahl kümmern.«

Doch Milli dachte nicht daran zu folgen. Sie machte einfach auf dem Absatz kehrt und eilte aus der Küche. Mit einem Seufzer schnappte Vroni sich das Tablett und brachte es ihrem Brotherrn. Der hielt sich allein in der guten Stube auf und bat die Hauserin, kurz zu bleiben.

»Setz dich, ich möchte was mit dir bereden, Vroni«, forderte er in einem Tonfall, der keinen Widerspruch erwartete. Sie sah den bekümmerten Blick, mit dem er sie musterte, und ließ sich auf einen Stuhl nieder. »Zunächst möchte ich mal wissen, was zwischen meinem Sohn und Anna vorgefallen ist. Gab es Streit? Wieso lässt das Madel sich nimmer bei uns blicken?«

Die alte Hauserin zögerte mit einer Antwort. Freilich wusste sie Bescheid, aber sie war nicht sicher, ob sie sich einmischen und ihren Brotherrn noch zusätzlich aufregen sollte.

Seit Patricks Verlobte ständig um ihn herumschwänzelte, war Graf Maximilian meist verleidet und überaus schlechter Stimmung, was seinem Zustand nicht eben zuträglich sein konnte. Der Doktor machte bei seinen regelmäßigen Hausbesuchen nun immer öfter ein bedenkliches Gesicht.

»Nun, was ist los? Magst du mir keine Antwort geben? Oder hat Elisabeth es dir vielleicht verboten?«, forschte er.

»Die hat mir nix zu verbieten«, kam es spontan von Vroni. Und dann berichtete sie ihm von dem Streit zwischen Anna und Patrick und den Gründen, die dazu geführt hatten.

»Es liegt alles an ihr«, schloss sie ihren Bericht düster ab. »Seit diese Person auf Wildenhagen ist, herrschen hier nur Streit und Unfrieden. Sie passt net hierher!«

Der alte Landgraf nickte bedächtig und strich sich mit einer müden Geste über den gepflegten Schnauz.

»Es ist, wie du sagst, Vroni«, gab er zu. »Ich kann dir leider net widersprechen, auch wenn ich es mir anders gewünscht hätte. Deshalb wollte ich dich auch bitten, mit Anna zu reden. Ich wäre sehr froh, wenn sie sich wieder um mich kümmern könnte. Aber unter diesen Umständen sollte ich wohl besser mit Patrick darüber sprechen.«

»Ich glaube net, dass das was nützt. Er steht unter ihrem Einfluss und …« Vroni verstummte, als Elisabeth den Raum betrat. Sie musterte die alte Hauserin irritiert und wollte wissen, ob das Abendessen schon fertig sei.

»Noch net«, musste Vroni zugeben.

»Und dann sitzt du hier seelenruhig herum und plauderst? Wie wäre es, wenn du deine Pflichten erfüllst? Dafür zahlen wir dir schließlich dein Salär.«

Vroni hatte eine passende Erwiderung auf der Zunge, doch als sie sah, wie blass und unwohl ihr Brotherr ausschaute, schluckte sie die Worte hinunter und verließ ohne Widerrede die Stube.

»Nun, wie geht es dir, Papa?«, fragte Elisabeth den alten Landgrafen mit aufgesetzter Freundlichkeit. »Kann ich etwas für dich tun? Dir etwas bringen? Vielleicht lese ich dir vor oder …«

»Nein danke.« Maximilian von Wildenhagen bedachte die junge Frau mit einem kühlen Blick. »Es wäre mir lieber, wenn du mich allein lässt, Elisabeth. Ich brauche deine Hilfe nicht.« Das war deutlich.

Es zuckte kurz und heftig um ihre vollen Lippen, doch sie zwang sich zu einem Lächeln.

»Wie du willst. Ich sehe dann später wieder nach dir«, sagte sie mit verbissener Miene.

Nachdem Elisabeth gegangen war, verließ auch der alte Landgraf die Stube und schaute bei seinem Sohn vorbei, der im Arbeitszimmer hinter dem Schreibtisch saß. Patrick lächelte, als sein Vater eintrat, und erkundigte sich nach dessen Befinden.

»Es ginge mir besser, wenn ich selbst bestimmen könnte, mit wem ich meine Zeit verbringe«, erklärte er offen. »Wie kommst du dazu, Anna wegzuschicken? Du weißt, dass ich sie mag und es genieße, sie um mich zu haben. Und sie besucht mich auch gern.«

Die eben noch entspannte Miene des jungen Mannes verschloss sich.

»Es tut mir leid, Vater, aber Anna hat sich so anmaßend benommen, dass wir uns gestritten haben. Sie nimmt sich Rechte heraus, die ihr net zustehen und …«

»Ist das deine Meinung oder die deiner Verlobten?«, wollte sein Vater provokant wissen.

»Ich muss dich bitten, in Zukunft auf Annas Gesellschaft zu verzichten«, erwiderte Patrick reserviert. »Sei halt ein klein wenig entgegenkommender Lissy gegenüber. Sie bemüht sich sehr …«

»Danke, ich verzichte lieber auf ihre Gesellschaft«, parierte Maximilian knapp und verließ das Arbeitszimmer.

Sein Sohn seufzte bekümmert auf. Es war das erste Mal, dass sie sich gestritten hatten. Bislang hatte stets Harmonie zwischen Vater und Sohn geherrscht. Doch mit einem Mal war alles anders.

Er geriet mit Anna aneinander, obwohl sie immer ein Herz und eine Seele gewesen waren. Und nun gab es Unstimmigkeiten mit seinem Vater. Dass dies tatsächlich an seiner Verlobten lag, wollte Patrick aber nicht glauben.

Er schob die neuerdings so gereizte Stimmung auf Wildenhagen der Umstellung zu. Alle mussten sich zunächst einmal an die veränderte Situation gewöhnen. Und das dauerte naturgemäß seine Zeit.

Wenig später erschien dann auch noch Elisabeth und begann sofort zu schimpfen.

»Mit deinem Vater ist nicht auszukommen, Patrick. Er gibt sich nicht das kleinste bisserl Mühe. Ehrlich gesagt weiß ich nimmer, was ich noch tun soll. Vielleicht wäre es das Beste, wenn wir eine Pflegekraft engagieren, die sich um ihn kümmert.«

Der junge Landgraf stutzte.

»Der Vater ist kein Pflegefall. Es geht ja nur um ein paar einfache Handreichungen und ein wenig Gesellschaft. Die Anna hatte damit nie ein Problem …«

Elisabeth bekam schmale Augen.

»Willst du mir jetzt auch noch vorwerfen, dass ich mir net genug Mühe gebe?«

»Das habe ich nicht gesagt, und das meine ich auch nicht. Du solltest einfach Zeit und Geduld …«

»Ich habe schon beides reichlich investiert, allerdings ohne jeden Erfolg. Dein Vater kann mich net leiden, das ist die Wahrheit. Es liegt nicht an mir!«

»Also gut, wenn es nicht klappt, dann sehen wir uns eben nach einer Pflegekraft um, die täglich vorbeikommt und diese Aufgabe übernimmt. Möglicherweise funktioniert das«, sagte Patrick seufzend.

»Ich bin sicher, es ist die beste Lösung für uns alle«, behauptete sie überzeugt.

Das hinterhältige Lächeln, das sich dabei um ihre Mundwinkel legte, bemerkte Patrick nicht mehr, denn er hatte sich wieder seiner Arbeit zugewandt. Elisabeth beugte sich über ihn und drückte ihm ein Busserl auf die Wange.

»Ich werde mich darum kümmern«, versprach sie. »Keine Sorge, ich finde schon eine geeignete Kraft, bei der dein Vater in den besten Händen ist.«

***

Schon wenige Tage später erschienen auf Wildenhagen mehrere Pflegekräfte zum Vorstellungsgespräch. Elisabeth nahm alle unter die Lupe, ohne fündig zu werden. Dieses Spielchen wiederholte sich noch einige Male, bis sie sich schließlich für eine junge Pflegerin entschied, die über wenig Berufserfahrung verfügte. Sie wohnte im Nachbarort, hieß Melanie Haslinger und machte auf Patrick keinen sonderlich tüchtigen Eindruck.

»Ich glaub net, dass das Madel viel taugt«, sagte er zu seiner Verlobten, die allerdings anderer Meinung war.

»Sie ist noch jung, aber fleißig und bereit zu lernen. Und sie kann sich sehr gut auf ihre Patienten einstellen. Das ist ja gerade in unserem Fall das Wichtigste«, versetzte sie spitz.

»Wie hat denn der Vater auf sie reagiert?«

»Er wird sich schon an sie gewöhnen«, meinte sie lapidar. Und damit war das Thema für sie erledigt.

Graf Maximilian war alles andere als begeistert von Schwester Melanie, die etwas schwer von Begriff und nicht eben die Schnellste war. Er bat sie nur um etwas, wenn es nicht anders ging, und ignorierte sie die meiste Zeit.

Für Anna sah es allerdings so aus, als habe auch ihr »Onkel Max« sie vergessen. Und das konnte und wollte sie nicht einfach so hinnehmen. Auch wenn Patrick sie gebeten hatte, sich vom Gutshaus fernzuhalten, suchte sie doch nach einer Gelegenheit, einmal wieder in Ruhe mit dem alten Grafen reden zu können. Und die bot sich ihr tatsächlich, als dieser allein auf der Terrasse saß und las.

Anna hatte Patrick und seine Verlobte am Morgen dieses Tages wegfahren sehen, was nun öfter vorkam, seit diese Pflegerin im Haus war. Der junge Landgraf hatte sich zunächst mit Eifer in die Arbeit gestürzt, doch mittlerweile schien sein Elan zu erlahmen.