Heliosphere 2265 - Band 8: Getrennte Wege (Science Fiction) - Andreas Suchanek - E-Book

Heliosphere 2265 - Band 8: Getrennte Wege (Science Fiction) E-Book

Andreas Suchanek

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Beschreibung

Unter großen Opfern hat die HYPERION ihre Mission überstanden, doch das Schiff liegt in Trümmern. Während die Instandsetzungsarbeiten andauern, gehen einige der Offiziere getrennte Wege. Captain Cross und Alpha 365 sollen sich um das Problem mit den Kommandochips kümmern, Tess Kensington und Lukas Akoskin erhalten ihrerseits einen eigenen Auftrag, der sie direkt in die Höhle des Löwen führt - wo sie auf einen alten bekannten treffen. Unterdessen plant Admiral Pendergast ihre nächsten Schritte und auch Präsident Sjöberg bleibt nicht untätig. Dies ist der achte Roman aus der Serie "Heliosphere 2265" Am 01. November 2265 übernimmt Captain Jayden Cross das Kommando über die Hyperion. Ausgerüstet mit einem neuartigen Antrieb und dem Besten an Offensiv- und Defensivtechnik, wird die Hyperion an den Brennpunkten der Solaren Union eingesetzt.

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Table of Contents

»Getrennte Wege«

Dreadnought TORCH, im System der Rebellenflotte, Aussichtsdeck, 08. Juli 2266, 09:58 Uhr

Militärischer Versorger KENTROVE, auf dem Weg nach NOVA-Station, 09. Juli 2266, 11:52 Uhr

IL HYPERION, im System der Rebellenflotte, Kommandobrücke, 09. Juli 2266, 12:32 Uhr

Stealth-Schiff ILLUMINA, auf dem Weg ins 50 Cassiopeiae-System, 10. Juli 2266, 10:58 Uhr

Militärischer Versorger KENTROVE, Alzir-System, NOVA-Station, 09. Juli 2266, 21:45 Uhr

Stealth-Schiff ILLUMINA, Cassiopeiae 50-System, 20. Juli 2266, 14:38 Uhr

IL HYPERION, Mandantenquartier von Doktor Tauser, 09. Juli 2266, 21:28 Uhr

NOVA-Station, Alzir-System, 10. Juli 2266, 08:10 Uhr

Cas III, 50 Cassiopeiae-System, 20. Juli 2266, 16:31 Uhr

Dreadnought TORCH, am Sammelpunkt der Rebellenflotte, Krankenstation, 10. Juli 2266, 09:10 Uhr

NOVA-Station, Alzir-System, 10. Juli 2266, 12.25 Uhr

Cas III, 50 Cassiopeiae-System, Central City, 20. Juli 2266, 20:14 Uhr

NOVA-Station, Alzir-System, 10. Juli 2266, 16:30 Uhr

Cas III, militärisches Forschungszentrum, 50 Cassiopeiae-System, 20. Juli 2266, 21:48 Uhr

Gleichzeitig, im SOL-CENTER auf der Erde

NOVA-Station, Alzir-System, 28. Juli 2266, 09:15 Uhr

Cas III, 50 Cassiopeiae-System, Central City, 20. Juli 2266, 22:30 Uhr

NOVA-Station, Alzir-System, 28. Juli 2266, 09:45 Uhr

Stealth-Kreuzer ILLUMINA, 50 Cassiopeiae-System, 20. Juli 2266, 23:55 Uhr

Dreadnought TORCH, im System der Rebellenflotte, 29. Juli 2266, 18:33 Uhr

Epilog I – Der Weg zurück

Epilog II – Des Rätsels Lösung

Epilog III – Gefährliche Lügen

Vorschau

Nachwort

Die Charaktere

Impressum

Heliosphere 2265

 

Band 8

 

»Getrennte Wege«

 

von Andreas Suchanek

 

 

Dreadnought TORCH, im System der Rebellenflotte, Aussichtsdeck, 08. Juli 2266, 09:58 Uhr

 

Captain Jayden Cross starrte durch den transparenten Stahl auf die Trümmerflotte. Anders konnte er die Ansammlung aus Raumschiffen nicht bezeichnen. Da gab es Dreadnoughts und Wallschiffe, Leichte und Schwere Kreuzer. Sie alle gehörten eigentlich zur Heimatflotte des Sol-Systems. Doch statt dort die Planeten, Raumstationen und Werften zu verteidigen, schwebten sie weit entfernt im All.

Die Schäden waren dabei nicht einmal das Schlimmste, die meisten Raumer wirkten äußerlich vollständig einsatzbereit. Er kannte allerdings die Berichte und Materiallisten. Aufgrund mehrerer Gefechte mit regierunstreuen Schiffen gab es kaum Munition. Außerdem arbeiteten die Recycling-Anlagen der Raumschiffe am Limit, und dringend benötigte Ersatzteile gab es auch keine.

Die Heimatflotte war nie dazu gedacht gewesen, auf eine Tiefraummission zu gehen. Erst der Putsch von Admiral Sjöberg – dem jetzigen Präsidenten der Solaren Union – hatte Santana Pendergast dazu gebracht, mit der Heimatflotte aus dem Sol-System zu fliehen.

»Hören Sie auf, so trübsinnig ins Leere zu starren, sonst hetze ich Ihnen unseren Schiffspsychologen auf den Hals«, erklang eine Stimme zu seiner Rechten.

Jayden wandte den Kopf. »Commander Belflair.«

In den Augen der jungen Frau blitzte es belustigt auf, als sie seinen Blick erwiderte. Sie trug ihr Haar wie immer zu einem Pferdeschwanz gebunden, der bei jedem Schritt wippte. »Nennen Sie mich ruhig Kirby, Sir. Das tun alle – sogar Admiral Pendergast. Aber verraten Sie ihr nicht, dass ich Ihnen das gesagt habe.«

Sie nahm zu seiner Linken Platz, ein Pad in der Hand. »Achtunddreißig Schiffe«, sagte die I.O. der TORCH. Obwohl sie den Rang eines Commanders noch nicht erreicht hatte, diente Kirby bereits als Erste Offizierin an Bord von Pendergasts Flaggschiff. Das sagte eine Menge über ihre Qualifikation aus. Leider auch über den Personalmangel in der Rebellenflotte. »Eine kleine, schlagkräftige Armee. Allerdings hat die Jagd ihre Spuren hinterlassen – bei Raumschiffen wie Besatzungen. Ohne eine stabile Nahrungsmittelversorgung, Munitionsdepots und Raumwerften zur Wartung halten wir nicht mehr lange durch.« Sie klatschte in die Hände. »Aber genug der trüben Gedanken. Konzentrieren wir uns auf das Machbare.«

Jayden nickte. »Es geht also endlich los. Wird auch Zeit.«

Kirby, die das Pad gerade erhoben hatte, um davon abzulesen, ließ es wieder sinken. »Sir, bei allem Respekt, wir tun unser Bestes. Dass die HYPERION noch existiert, verdanken Sie dem Opfer von Captain Reva, der das eingehende Parlidenfeuer auf sich lenkte. Wir schlachten andere Schiffe aus, um die benötigten Ersatzteile für Ihren Interlink-Kreuzer zu erhalten. Unnötig zu erwähnen, dass die Kommandanten besagter Raumschiffe nicht gerade begeistert sind.«

Sie sprach mit gedämpfter Stimme. Trotzdem warfen ihnen die anwesenden Offiziere neugierige Blicke zu. Nicht viele verbrachten hier ihre Freizeit, doch diese wenigen erlebten wohl nicht oft, dass eine Lieutenant Commander einen derartigen Tonfall gegenüber einem Captain anschlug. »Alles, was Sie tun müssen, ist Geduld beweisen. Ein kleines Opfer im Vergleich zu dem, was andere bringen.«

Jayden machte eine beschwichtigende Handbewegung. »Es war nicht meine Absicht, jemandem einen Vorwurf zu machen. Gerade, weil dieser Kampf schon so viele Leben gekostet hat – vergessen Sie nicht, dass meine I.O. noch immer auf der Krankenstation liegt –, will ich endlich etwas tun. Verstehen Sie das?«

Lieutenant Commander Belflair nickte bedächtig. »Das tue ich, Sir. Aber Sie sollten künftig trotzdem bedenken, wie gewisse Bemerkungen von anderen interpretiert werden könnten.« Sie deutete auf den Pulk aus Schiffen. »Diese Frauen und Männer haben viel auf sich genommen, um bis hierherzugelangen. Sie sind verletzt, wütend und am Ende ihrer Kräfte. Ein falsches Wort, und die Wut kocht hoch.«

»Verstanden.« Er bedachte die Lieutenant Commander mit einem Lächeln. »Nachdem Sie mir nun den Kopf gewaschen haben, wie steht es momentan um mein Schiff? Und konnten Ihre Wissenschaftler endlich herausfinden, was bei der Flucht aus dem Algethi-System geschehen ist?«

Immer wieder hatte Jayden die Situation durchdacht und mittlerweile auch die Sensoraufzeichnungen der TORCH studiert. Er fand einfach keine Erklärung. Das Schiff von Admiral Pendergast war mit der angekoppelten HYPERION in den Phasenraum gewechselt. Durch eine Fehlfunktion aktivierte sich kurz darauf der Interlink-Antrieb; zwei inkompatible Techniken wurden gleichzeitig aktiv.

Chaos folgte: Die HYPERION fiel einige Lichtjahre entfernt aus dem übergeordneten Raum; bei vielfach reduzierter Beschleunigung. Die TORCH wiederum flog plötzlich mit deutlich erhöhter Geschwindigkeit auf dem vierten Phasenband, was bisher noch keinem Schiff gelungen war.

»Unsere Wissenschaftler sind sich uneins«, erwiderte Kirby. »Wie immer. Sie benötigen weitere Referenzdaten, und aktuell können wir die nicht liefern. Vielleicht ist das ja eines Tages anders. Momentan gibt es aber Wichtigeres zu besprechen.« Die I.O. wirkte bei dieser Aussage selbst ausgesprochen unzufrieden.

»Die Killchips.«

Sie nickte. »Verwenden Sie den Ausdruck jedoch bitte nicht gegenüber der übrigen Crew. Wir versuchen, die Wahrheit um die Kommandochips so lange wie möglich geheim zu halten.«

Eine nachvollziehbare Entscheidung. Sollte Sjöbergs perfide Sicherung publik werden, würde in der Flotte eine Panik ausbrechen. Wer lebte schon gerne in der Gewissheit, eine kleine Bombe im Schädel spazieren zu tragen.

»Gibt es denn neue Erkenntnisse?«

»Kommen Sie, Captain.« Kirby erhob sich. »Begleiten Sie mich auf die Krankenstation. Doktor Collins, unsere Chefärztin, konnte die Rückstände aus dem Gewebe Ihrer I.O. auswerten.«

Gemeinsam verließen sie das Beobachtungsdeck.

In den Gängen herrschte Hochbetrieb. Überall waren Offiziere der Alpha-Schicht auf den Beinen und gingen emsig ihrer Arbeit nach. Im Gegensatz zur HYPERION war die TORCH ein gut funktionierender Apparat. Mit einer Tonnage von 4,2 Millionen Tonnen, einer Länge von 900 und einer Breite von 300 Metern, gehörte das Raumschiff von Admiral Pendergast zu den schlagkräftigsten der Flotte. Es war der letzte Dreadnought der Montespan-Klasse, besaß also noch die alten Raketensysteme, eine geringere Schussfrequenz und mehr Tonnage als die Nachfolgeklasse. Außerdem ein langsameres Sensornetzwerk.

Hätte Sjöberg ein paar Monate später gehandelt, wäre Pendergast vermutlich mit einem Schiff der neuen Dreadnought-Klasse auf und davon gewesen.

»Sie tun es schon wieder«, sagte Kirby. »Sie schauen wie ein getretener Hund.«

Jayden lachte auf. »Das ist der Neid, Commander, nur der Neid. Auf meinem Schiff ging es bis vor Kurzem auch noch so zu. Aber solange wir keine Werft anfliegen und die Crew aufgestockt wird …« Er schüttelte den Kopf.

»Wie viele Opfer gab es?«

»Zweihundertvier Offiziere haben den Einsatz im Algethi-System nicht überlebt.« Er blickte zu Boden. Es war schwer, nicht an die Gesichter zu denken, die ihn jede Nacht im Schlaf heimsuchten. »Damit liegt meine Besatzung mit nur noch zweihundertsechzehn Crewmitgliedern fast bei der Hälfte.«

Kirby nickte schweigend.

Was sollte sie ihm auch sagen? Niemand konnte aktuell etwas an der Situation ändern. Leider hielten sich Gefühle so verdammt selten an Logik. Er war wütend, enttäuscht, fühlte eine nagende Schuld.

Der multidirektionale Lift brachte sie zur Krankenstation, wo Admiral Santana Pendergast zusammen mit zwei Ärzten bereits auf sie wartete. »Captain Cross, Lieutenant Commander Belflair, schön, dass sie da sind.« Sie deutete auf eine Frau im weißen Kittel. »Meine Chefärztin, Doktor Olivia Collins.«

Jayden nickte ihr grüßend zu. Die Ärztin überragte mit ihren gut zwei Metern alle Anwesenden deutlich. Ihre Gesichtszüge wirkten verhärmt, ihre Miene stoisch.

»Das ist Amon Isaak, Chefarzt der HYPERION«, sprach die Admiralin an ihre I.O. gewandt weiter. »Da er die Erstversorgung von Commander Ishida durchgeführt hat, wollte ich ihn ebenfalls dabeihaben.«

Gemeinsam betraten sie den Staseraum, der neben den Injektionsräumen lag. Hier gab es in der Mitte ein hüfthohes rundes Terminal; davor ragte eine gläserne Projektionsröhre in die Höhe. Um den Aufbau herum waren in zentrischen Kreisen geschätzte zwanzig Stasetanks angeordnet. In welchem davon seine I.O. lag, war nicht schwer zu erraten. Direkt daneben saß die Chefingenieurin der HYPERION, Lieutenant Commander Giulia Lorencia. Wie immer trug sie ihre langen braunen Haare zu einem eleganten Zopf geflochten.

»Captain Cross.« Die L.I. erhob sich. Hektisch ließ sie den Blick zwischen den Anwesenden hin- und hergleiten. »Gibt es etwas Neues?«

»Ich weiß bisher so viel wie Sie, Commander«, entgegnete Jayden. Er ging zu ihr und nahm ihre Hände in seine. »Aber in einigen Minuten sind wir hoffentlich schlauer.«

Durch das transparente Glas des Stasetanks wirkten die Gesichtszüge seiner I.O. eingefallen, die Haut gräulich fahl.

Wie die einer Toten.

»Dann fangen wir also an«, sagte Doktor Collins.

Sie trat an die Konsole und aktivierte die Projektionsröhre. In einem glitzernden Wirbel manifestierten sich verschiedenfarbige Photonen und wurden zu einem dreidimensionalen Bild. »Das hier ist das Gehirn Ihrer I.O., Captain Cross.«

Mit wenigen Schritten stand er direkt neben der Röhre. »Was bedeuten die unterschiedlichen Farbmarkierungen?«

Die Gehirnabbildung rotierte um die eigene Längsachse.

»Das Aderngeflecht wird rot dargestellt, die Medulla weiß und der Cortex grau. Das ektodermale Gewebe ist gelb eingefärbt, die Gliome und Astrozytome orange.« Collins zog einen Holopointer von der Größe eines Stiftes aus ihrer Kitteltasche. Sie aktivierte ihn und deutete auf einen bestimmten Punkt. »Bei diesen braunen Schlieren handelt es sich um Mikroperforationen, die durch die Explosion von Nano-Elementen entstanden sind.«

Jayden schluckte schwer. Die L.I. neben ihm keuchte auf. In der Grafik war viel Braun zu sehen. Eindeutig zu viel. Während es in einigen Bereichen des Hirns nur winzige Flecken gab, wurden andere Areale von Tunneln durchzogen.

»Konnten Sie die Grundstoffe des Nano-Sprengsatzes identifizieren?«, fragte Admiral Pendergast. Ihre Uniform saß makellos. Das Haar war zu einem straffen Pferdeschwanz zusammengebunden. Ihr blick war eiskalt und klar.

Collins nickte seufzend. »Es handelt sich um Standardkomponenten, die auch in Granaten Anwendung finden: RDX, TANT und PWR; auch bekannt unter der Sammelbezeichnung Composition XC. Die Einzelkomponenten wurden allerdings auf molekularer Ebene verändert. Es gibt winzige Depots, die voneinander getrennt die Inhaltsstoffe in einem inaktiven Zustand konservieren. Wird jedoch der Impulsgeber aktiviert, öffnet das die Depots – und die Stoffe verbinden sich.«

»Raus damit, Doc, haben wir die Dinger alle im Schädel?«, wollte Kirby wissen.

Die Chefärztin nickte erneut. »Ich konnte bereits einen Großteil der Crew testen. Sie, Admiral, tragen eine derartige Bombe ebenso in sich wie Commander Belflair und die übrigen Mitglieder der Kommandobrückenbesatzung. Außerdem war es mir möglich, bei unserem Chefingenieur, den Sekundäroffizieren und auch bei mir selbst die Depots nachzuweisen. Ab hier ist davon auszugehen, dass bei allen Offizieren in höherer Position die Killfunktion integriert wurde.«

Was Doktor Collins sagte, hätte ihn nicht überraschen sollen. Das Verhalten von E.C. Christopher Johnston war Hinweis genug gewesen. Der Executive Controller hatte versucht, Jayden über die Killfunktion des Kommandochips zu töten. Da der Chip jedoch durch Sarah McCall beim Fraktal-Zwischenfall auf dem Mars wie auch immer verändert worden war, hatte der Auslöseimpuls nicht funktioniert. Schließlich war ihm stattdessen Noriko Ishida zum Opfer gefallen.

An meiner Stelle.

Christopher Johnston stellte sich im Nachhinein als neurologisch rekonfiguriert heraus, weshalb er die Befehle des Regimes auf der Erde mit fanatischem Eifer ausgeführt hatte. Doktor Tauser behandelte den Mann mittlerweile und versuchte, so viele Informationen wie möglich von ihm zu erhalten. Bisher hielt sich der Erfolg jedoch in Grenzen.

»Was können wir tun?«, fragte Admiral Pendergast ihre Chefärztin.

»Es tut mir leid, Ma’am, aber tatsächlich besitzen wir nicht die technischen Möglichkeiten, den Kommandochip zu entfernen oder die Sprengstoffdepots zu extrahieren. Natürlich habe ich mich diesbezüglich mit dem L.I. kurzgeschlossen.« Collins verzog bei diesen Worten das Gesicht, als wäre eine Zahnrekonstruktion schiefgelaufen. »Wir benötigen den Extraktor, mit dem die Chips auch offiziell entfernt werden.«

»Das ist Ihr Stichwort, Captain Cross.« Admiral Pendergast hielt ihren Blick auf das Abbild von Ishidas Gehirn gerichtet. »Sie sind der einzige Kommandant, der noch über einen Alpha in der Mannschaft verfügt. Wir mussten alle anderen zurücklassen, da ihre sklavische Loyalität Sjöberg gilt. Ich will momentan gar nicht wissen, warum Ihr Alpha gegen Johnston vorging und Sie weiter unterstützt. Wichtig ist nur, dass wir durch ihn eine Chance erhalten, KASSIOPEIA zu infiltrieren. Durch ihn und ein ganz spezielles Raumschiff. Kirby, briefen Sie den Captain und seinen Sicherheitschef. Am besten auf dem Weg.«

»Sie begleiten uns?«, fragte Jayden die sommersprossige Belflair.

»Haben Sie etwas dagegen?« Sie zwinkerte keck. Direkt neben seinem Ohr flüsterte sie: »Und wenn Sie noch einmal diesen Hundeblick aufsetzen, komme ich wohl vor ein Kriegsgericht, weil ich einem vorgesetzten Offizier eine Ohrfeige verpasse.«

Diese Frau ist unmöglich. Er schüttelte den Kopf und blickte ihr nach, als sie die Krankenstation verließ.

»Wo bleiben Sie denn?!«, rief sie über die Schulter.

Er eilte ihr hinterher.

 

*

 

Nach und nach leerte sich der Raum. Lieutenant Commander Giulia Lorencia sank wieder auf ihren Stuhl. Laut Chronometer blieb ihr noch eine gute Stunde, bevor ihr Dienst im Maschinenraum der HYPERION – oder dem, was davon übrig war – weiterging. So schnell schmolz die Zeit dahin.

In den ersten Tagen nach ihrer Ankunft hatte sie ihre Freizeit auf ein Minimum reduziert und ständig gearbeitet. Schließlich musste ein Schiff instand gesetzt werden. Irgendwann war das Limit jedoch erreicht gewesen, und nach einer gehörigen Standpauke von Captain Cross nutzte sie ihre dienstfreie Zeit nun zum Entspannen – am Stasetank von Noriko.

»Wie geht es Ihnen?«, fragte Doktor Amon Isaak.

Er lächelte, was er eigentlich immer tat. Sein mittellanges schwarzes Haar wirkte, als hätte es schon verdammt lange keinen Haarstrukturierer mehr gesehen. Auch ihm machten die wenigen Pausen und der viele Stress mittlerweile sichtbar zu schaffen.

Giulia blickte lächelnd auf. »Gut, Doc. Sieht man das nicht?« Sie würde dem Mann niemals vergessen, dass er Norikos Leben gerettet hatte. Über ihren aktuellen Gemütszustand wollte sie trotzdem nicht mit ihm sprechen. »Planen Sie Ihre Versetzung auf die TORCH?«

»Weil ich so oft auf der hiesigen Krankenstation bin?« Er lachte auf. »Aber nicht doch. Hier gibt es mir zu wenig Trümmer. Und die Maschinen funktionieren obendrein auch noch. Wo bliebe da der Spaß?«

Die Antwort entlockte auch ihr ein Lächeln. Im gleichen Moment fühlte sie sich schuldig. Noriko rang mit dem Leben, und Jegorow war tot. Es gab keinen Grund für ein Lächeln. »Warum sind Sie dann ständig hier?«

»Doktor Collins behandelt die meisten meiner Patienten«, erklärte der Doc. »Wir besprechen die Genesungsfortschritte und diskutieren über die problematischeren Fälle.«

Giulia deutete auf Noriko. »Wie sie.«

Isaak nickte schweigend.

Was sollte er auch sagen? Ihnen allen sind nach und nach die Worte ausgegangen.

Der Doc schenkte ihr noch einen abschätzenden Blick, legte ihr für einen Moment die Hand auf die Schulter und ging schließlich davon. Giulia blieb schweigend in der Stille sitzen.

Als die Stunde verstrichen war, verließ sie den Raum, um auf die HYPERION überzusetzen. Ein weiterer Tag wartete. Ein weiterer verdammter Tag.

 

*

 

Militärischer Versorger KENTROVE, auf dem Weg nach NOVA-Station, 09. Juli 2266, 11:52 Uhr

 

Lieutenant Commander Tess Kensington überprüfte ein weiteres Mal die Sensordaten. In wenigen Minuten endete ihre tagelange Reise an Bord dieser fliegenden Nuss-Schale. Und da sollte doch absolut nichts schiefgehen.

»Die Frachtkiste ist gesichert«, erklang die Stimme Lieutenant Commander Lukas Akoskins zu ihrer Linken. »Und unsere Marines bereiten sich darauf vor, in ihr gemütliches Refugium im Zwischenboden zu wechseln.«

Beinahe hätte sie laut aufgeseufzt. Eine tagelange Reise an Bord eines im Vergleich zur HYPERION winzigen Schiffes war per se schon eine Herausforderung. Waren dann aber noch zehn Privates und ein Corporal anwesend, die ständig derbe Witze rissen und nichts Anderes taten, als Strategien zu besprechen, zerrte das erheblich an den Nerven.

»Ich leite in wenigen Sekunden den Phasenwechsel ein.« Der Frachttransporter würde vom zweiten auf das erste Phasenband wechseln und schließlich in den Normalraum zurückfallen.

»Bleiben Sie nur innerhalb des üblichen Rücksturz-Perimeters. Wir wollen ja keine Aufmerksamkeit auf uns ziehen.«

Tess erwiderte ein emotionsloses »Aye, Sir«. Sie wusste, wie sie ihre Arbeit zu tun hatte. Beinahe hätte sie Akoskin angeblafft, unterdrückte den Impuls jedoch. Sie besaßen zwar beide den gleichen Rang, doch der Taktik- und Waffenoffizier der HYPERION war dienstälter. Außerdem war ein solches Verhalten unangebracht. Ich muss mit ihm reden.

Seitdem Akoskin der versammelten Kommandobrückencrew seine ehemalige Zugehörigkeit zum Ketaria-Bund enthüllt hatte, konnte sie kaum noch normal mit ihm umgehen. Er war ein waschechter Killer! Und obendrein Mitglied dieser verdammten Assassinen, die meine Eltern auf dem Gewissen haben!

Sobald ihnen eine Minute zu zweit vergönnt war, würde sie ihn darauf ansprechen. Und wenn das mitten in einer Mission geschah, dann sollte es eben so sein.

»Gleich werden wir erfahren, ob der Captain der KENTROVE wirklich kein Notsignal mehr aussenden konnte.«