Herrchentrubel - Michael Frey Dodillet - E-Book

Herrchentrubel E-Book

Michael Frey Dodillet

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  • Herausgeber: Heyne
  • Kategorie: Lebensstil
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2016
Beschreibung

Herrchen ärgern leicht gemacht

Zehn Jahre lang hat sich Herrchen von zwei verrückten Hunden auf der Nase herumtanzen lassen. Doch ab zehn werden Hunde bekanntlich ruhiger. – Ruhiger? Herrchen weiß nicht mehr, wer ihm diesen Unsinn erzählt hat. Tatsache ist, dass Luna auch im hohen Alter noch alles zusammenfaltet, was nicht bei drei auf dem Baum ist, und Wiki Selbsterbrochenes bewacht, als handle es sich um die Goldreserven von Fort Knox. Während Trainer Krause von Handauflegen bis zu mantraartigen Lalala-Gesängen alles empfiehlt, was die Fachwelt an Absurditäten zu bieten hat, wird Herrchen klar: Es gibt nichts Schöneres als vierbeinige Dickschädel, die sich nicht verbiegen lassen. Dann jedoch entpuppt sich eines Tages eine harmlos aussehende Beule bei Luna als bösartiger Tumor, und auf einmal wird Herrchen schmerzlich klar, dass auch das wildeste Hundeleben einmal zu Ende geht … Unterhaltsam, witzig und emotional berührend wie nie!

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Seitenzahl: 240

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Herrchen ärgern leicht gemacht

Zehn Jahre lang hat sich Herrchen von zwei verrückten Hunden auf der Nase herumtanzen lassen. Doch ab zehn werden Hunde bekanntlich ruhiger. – Ruhiger? Herrchen weiß nicht mehr, wer ihm diesen Unsinn erzählt hat. Tatsache ist, dass Luna auch im hohen Alter noch alles zusammenfaltet, was nicht bei drei auf dem Baum ist, und Wiki Selbsterbrochenes bewacht, als handle es sich um die Goldreserven von Fort Knox. Während Trainer Krause von Handauflegen bis zu mantraartigen Lalala-Gesängen alles empfiehlt, was die Fachwelt an Absurditäten zu bieten hat, wird Herrchen klar: Es gibt nichts Schöneres als vierbeinige Dickschädel, die sich nicht verbiegen lassen. Dann jedoch entpuppt sich eines Tages eine harmlos aussehende Beule bei Luna als bösartiger Tumor, und auf einmal wird Herrchen schmerzlich klar, dass auch das wildeste Hundeleben einmal zu Ende geht …

Unterhaltsam, witzig und emotional berührend wie nie!

Michael Frey Dodillet

Herrchentrubel

Graue Schnauze, großes Glück

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Copyright © 2016 by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Judith Schwaab

Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München, unter Verwendung eines Fotos vonshutterstock/eynoclub, Eri Isselee

Satz: Leingärtner, Nabburg

e-ISBN: 978-3-641-15758-6V001

www.heyne.de

Für Luna und Wiki.

Es ist so schön, dass es euch gibt.

Wer sonst würde mit mir

bei diesem Sauwetter rausgehen.

Was ihr vorher unbedingt wissen solltet

Worum es in diesem Buch geht

Der dritte Band der Herrchen-Trilogie beginnt mit der Erkenntnis, dass fuchsteufelswilde Hündinnen im reifen Alter nicht ruhiger, sondern noch fuchsteufelswilder werden, und endet mit der Überlegung, ob die zart leuchtende Regenbogenbrücke wohl breit genug ist, damit keiner runtersegelt und sich wehtut, wenn da oben die finale Schlägerei ausbricht.

Dazwischen flippt ein kleiner Rüde aus, weil ihm jemand seine Butterkotze stibitzen will; Herrchen demonstriert am Jaberg, wie man vibrierende Hundeseniorinnen vom Morden abhält, indem man sie in den Schwitzkasten nimmt; und gewaltfrei erziehende, glücklich über allem schwebende Hundetrainerinnen namens Gundula trällern Ankersignale in den Hildener Stadtwald, bis die Käuzchen von den Bäumen kippen.

Der Tapas-Stammtisch, der mittlerweile ein Haus weitergezogen und zum Schweinshaxen-Stammtisch mutiert ist, gibt wie üblich seinen Düsseldorfer Senf dazu. In markanten Nebensätzen werden drängende Fragen der Hundeerziehung verwurstet. Auch die provenzalischen Campingplätze schlagen wieder die Hände über dem Kopf zusammen. Mit anderen Worten, wir befinden uns im Jahre elf der Hundeerziehung und stellen aufatmend fest: Irgendwie ist alles noch beim Alten.

Worum es in diesem Buch nicht geht

Impfen, barfen, südosteuropäische Straßenhunde und Cesar Millan. Es gibt Fettnäpfchen, die betrete ich nach so vielen Jahren einfach nicht mehr. Wir werden auch nicht diskutieren, ob ein vierfach gemoppeltes, vegan wattiertes Komfortgeschirr bessere Führung erlaubt als das edelstählerne Kettenhalsband aus dem moralisch fragwürdigen Tierbedarfsgroßmarkt. Genauso wenig wollen wir wissen, ob man seinen laktoseintoleranten Hund mit trockenen Demeterpellets füttern oder doch lieber mit frischer Katze barfen soll und was passiert, wenn man dieses heikle Thema in Katzenforen diskutiert.

Wer in diesem Buch die erste Geige spielt

Ich nicht! Der Hundehalter an sich ist zweitrangig und wird in seiner Bedeutung völlig überschätzt. Seine Befindlichkeiten können großzügig vernachlässigt werden, solange er gut zu Fuß ist und noch so tadellos hört, dass er dem Runter-vom-Sofa-Knurren seiner Hunde unverzüglich Folge leistet. Falls ihr euch jetzt – in meinen Augen zu Recht, aber ich kann da leider wenig machen – nicht ausreichend gewürdigt fühlt, reicht eure Beschwerde auf der Facebook-Seite meiner Hunde ein. Ihr findet die Adresse am Ende des Buches. Versucht bitte, einen Ochsenziemer beizulegen, sonst wird euer Anliegen nicht bearbeitet.

Die erste Geige spielt Luna. Sie ist eine mittlerweile elfjährige wandelnde Verhaltensstörung, die alles verkloppt, was vier Beine hat und nicht bei drei auf dem Baum ist. Luna lebte ein zufriedenes Divaleben, bis ihr aus heiterem Himmel die zweite erste Geige vor die Nase gesetzt wurde: Wiki, ein zuckersüßer Terriermischling, der alle Herzen im Sturm erobert und jedem gnadenlos seine zweiundvierzig Zähne in den Unterarm rammt, der ihm frisch gebuddelte Mauselöcher, gemopste Butterpäckchen oder körperwarmes Erbrochenes streitig machen möchte. Wir haben ihn vor fünf Jahren in einem Anfall geistiger Umnachtung aus dem Tierheim Solingen abgeholt und in unsere Familie überführt. Seither knetet ihn Luna jeden Morgen einmal kräftig durch und fragt sich den Rest des Tages, wann der Wahnsinnsknabe wohl wieder verschwindet.

Wenn unsere Kinder früher zu sehr über die Schule gemotzt haben, haben wir Erziehungsberechtigten immer einen bedächtigen Zeigefinger gehoben und pädagogisch wertvoll gesprochen: »Du sagst jetzt sofort drei gute Sachen über Bio.«

In der Hundeerziehung funktioniert das auch. Luna muss in regelmäßigen Abständen drei gute Sachen über Wiki sagen. Nach längerem Überlegen kommt immer dasselbe dabei heraus.

Erstens: Er hat Ohren.

Zweitens: Er hört nicht.

Drittens: Er mault nicht beim Durchkneten.

Wenn wir zu dritt unterwegs sind, kommt es gelegentlich zu unerwünschten Übergriffen. Vorsichtshalber habe ich mir Erklärungen zurechtgelegt, um meinen Mitmenschen deeskalierend begegnen zu können. Auf die Frage, was denn bloß mit meinen Hunden los sei, antworte ich mit umwölktem Blick: »Bei Luna wurde eine disruptive Launenfehlregulationsstörung (DLFRS) diagnostiziert, und Wiki leidet an einer Sonderform des Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivität-Syndroms (ADHS). Ich tue, was ich kann.« Probiert das mal aus! Es wirkt unfassbar kompetent. Ihr könnt natürlich auch die Wahrheit sagen: »Ich habe meine Hunde nicht im Griff, und der Kleine kann manchmal ein echter Arsch sein.«

Aber das muss jeder selber wissen.

Wie es zu diesem Buch kam

In jenem Urlaub in Sainte-Croix-du-Verdon – Luna war erst anderthalb Jahre alt, stand also quasi in der zarten Blüte ihrer Jugend – ächzten wir beide jeden Morgen den steilen Weg hoch zur Dorfbäckerei. Jeden Morgen trafen wir den netten Herrn aus Holland mit seiner Schäferhündin. Jeden Morgen brachten sich die beiden Damen beinahe gegenseitig um. In drei Wochen hatten wir nur ein einziges Mal kein Theater mit den Hunden. Da trafen wir nicht auf dem engen Pfad aufeinander, sondern oben vor der kleinen Bar.

»Meine ist noch jung«, erklärte ich mit der kindlichen Zuversicht, die ahnungslose Amateure so gern an den Tag legen. »Da ist man noch wild und ungestüm. Im Alter legt sich das bestimmt.«

»Nee, zo simpel ist das niet«, seufzte der holländische Herr und beraubte mich innerhalb von zwanzig Sekunden aller Illusionen. »Meine Trulla ist schon zwölf. Es ist jedes Jahr schlimmer geworden mit ihr. Die Mama und die Oma von ihr habe ich auch schon gehabt, und die waren genauso.«

Zehn Jahre später wandern meine Frau Stella und ich an einem warmen Frühlingstag durch unser Erkrather Viertel. Wir sind auf dem Weg ins Grüne. Im Nachbarhaus wohnt Nelly. Nelly guckt aus dem Fenster. Luna explodiert wie ein Zehnerkracher. Sie will Nelly abmurksen. Nelly ist eine Bedrohung ungeahnten Ausmaßes. Ein West-Highland Terrier, der in eine Teetasse passt! Schwitzend angle ich mein aufgebrachtes Rumpelstilzchen aus der Luft. Stella schaut unbeeindruckt zu.

»Du«, sagt sie.

»Ja?«

»Der Holländer hatte recht.«

Fünf Minuten später haben wir den Stadtrand erreicht. Der Wind umschmeichelt die zarten Schösslinge der Baumschule. Im Umkreis von dreißig Kilometern ist kein anderer Hund zu sehen. Wir leinen unser Geschoss ab.

»Schreib was über alte Hunde«, sagt Stella. »Da draußen gibt es Millionen von Hundehaltern, die immer noch hoffen, dass es mit zunehmendem Alter besser wird.«

Die Kapitel-Häppchen

Was ihr vorher unbedingt wissen solltet

Die Luna-Kloppereien

Hell’s Granny

Management by Feinkost

Das Haudrauf-Seelchen

Die Gundula-Verschwörung

Wenn Gundulas freudig den Sex abbrechen

Schönsprech 2.0

Wer braucht schon Krause, wenn er Facebook hat

Das Butterkotze-Duell

Mein liebes Katastrophentagebuch

Dr. Jekyll und Mr. Hyde

Der Alukätzchenfighter

Die Waternapfgate-Affäre

Plädoyer für ungezogene Krausehunde

Von blauen Haltern, seltsamen Ämtern und dem Paragrafen elf

Der Napf ist rund und ein Shitstorm dauert vierzehn Tage

Die Begleithund-Katastrophe

La Souris du Baroufe au Lac

Wandern mit einem Atompilz

Das Asthmaspray von Wiedenbrück

Das Beulen-Dilemma

Ein Arschloch namens Beule

Schlägerei auf der Regenbogenbrücke

Was ich zum guten Schluss noch sagen wollte

Die Luna-Kloppereien

Was du hörst:

»Ihre brutale Hündin hat meinen Gisbert bedroht.

Dabei ist er viel schwächer.«

Was du sagst:

»Das ist mir wirklich sehr, sehr unangenehm.«

Was du denkst:

Soll sie sich mit Stärkeren anlegen? Die ist doch nicht lebensmüde.

Hell’s Granny

»Was macht Luna da?«, fragt meine Frau und schaut zu, wie unsere Hündin in einer Staubwolke am Horizont verschwindet.

»Sie verschwindet in einer Staubwolke am Horizont«, sage ich.

»Das sehe ich auch«, sagt Stella. »Aber warum macht sie das?«

»Wahrscheinlich ist irgendwo da hinten Wolfi.«

Wolfi und Luna kennen sich seit ungefähr zehn Jahren und wollen sich seit ungefähr zehn Jahren umbringen, wenn sie sich begegnen.

»Das war eine rhetorische Frage«, seufzt meine Frau. »Mir ist auch klar, dass da hinten irgendwo Wolfi ist. Aber warum macht sie das? Luna ist elf. Weißt du, wie alt sie als Mensch wäre? Unter Berücksichtigung ihrer Größe und ihres Gewichts umgerechnet etwa fünfundachtzig! Wie kann man mit fünfundachtzig in einer Staubwolke am Horizont verschwinden, nur weil man sich auf eine Schlägerei freut? Das ist die brutalste Oma, die ich kenne.«

»Sei froh, dass sie keinen Rollator hat«, murmele ich. »Dann wäre sie noch schneller.«

»Mich erinnert sie an die Hell’s Grannies von Monty Python. Die haben mit ihren Handtaschen auch immer wahllos auf Passanten eingeschlagen.«

Versonnen blicken wir unserer rüstigen Rentnerin hinterher, die fünfhundert Meter weiter vorn abbiegt, wie eine Drohne in die Baumschule hineindonnert und nicht eher wieder herauskommen wird, bis sie Wolfi auf den Mond geschossen hat – mitsamt Bauer Fürmann, dem Sohn von Bauer Fürmann, der Frau von Bauer Fürmann und den vier Pappeln, die blöde hinter ihnen herumstehen.

Alles wie gehabt.

Das ist das Schöne an unserem Städtchen. Es verändert sich mit den Jahren absolut nichts. Nelly zetert immer noch im verglasten Erker, Gisbert ist suizidgefährdet, Wolfi findet Luna doof, und Luna findet Wolfi doof. Manchmal ist Wolfi nicht auf dem Bauernhof, weil er spazieren geht. In diesem Fall findet Luna das grüne Eisentor doof, hinter dem Wolfi normalerweise auf und ab rennt. Sie detoniert, ob er da ist oder nicht.

Meistens bleiben wir vor dem Tor stehen, bis sie sich wieder beruhigt hat. Das dauert nicht lange. Ein Krause – wir nennen alle fünftausend Hundeahnunghaber, denen wir im letzten Jahrzehnt begegnet sind, der Einfachheit halber Krause –, also ein Krause hat gesagt, Ausharren vor dem Tor sei eine gute Übung, wir sollten das regelmäßig praktizieren. Es ist nur ungünstig, wenn plötzlich der Heinz mit seinem brummelnden Husky ins Training platzt und gedankenlos zwischen uns und Wolfis Tor hindurchspaziert.

KAAA – – – WUMM!

Heinz und Husky werden jedes Mal ganz schnell. Sie trauen mir nicht. Es sieht ja auch irrsinnig aus, wie ich mit einem wild schlängelnden, pelzigen Vierzig-Kilo-Aal in den Händen dastehe und zwischen den Zähnen hervorpresse, er brauche sich keine Sorgen zu machen, es sei alles in Ordnung. Der ginge in diesem Moment wahrscheinlich lieber mit Freddy Krueger ein Bier trinken.

Dabei weiß Heinz doch wie alle anderen im Viertel, wie es um uns bestellt ist. Luna laboriert an einer kombinierten Freilauf- und Leinenaggression sowie an diversen weiteren Macken, die ihr in der Nachbarschaft die Berufsbezeichnung Problemhund eingebracht haben. Ich finde diesen Begriff diskriminierend und spreche lieber von einer emotionsflexibel veranlagten Andersbefähigten mit Perforationshintergrund.

Das geht in etwa so.

»Hören Sie mal, Sie! Ja, Sie! Wenn Ihre aggressive Töle noch einmal auf meinen Gisbert losgeht, zeige ich Sie an.«

»Luna ist nicht aggressiv, sie ist nur disruptiv launenfehlreguliert. Außerdem habe ich sie an der Leine. Es kann nichts passieren, solange Gisbert nicht wieder in uns hineinrennt. Wollte er sich gerade umbringen?«

»Das kann ich nicht verhindern. Gisbert hört ja nicht.«

Damit ich während des in scharfem Ton geführten nachbarschaftlichen Verhörs nicht von den Füßen gerissen werde, praktiziere ich den dodilletschen Schwitzkasten, der sich schon bei Husky-Heinz so gut bewährt hat. Ich drücke die vor Mordlust vibrierende Luna an mein linkes Bein, vergrabe beide Fäuste tief in ihrer Halsschwarte und verwandele mich in einen stählernen Schraubstock. Es ist das Einzige, was zurzeit einigermaßen hilft.

Neben uns steht Wiki und schaut schwanzwedelnd zu. Wiki ist Lunas kleiner Rüde. Sie hat ihn vor vier Jahren bekommen. Wir dachten, wenn Luna morgens jemanden zum Verkloppen hat, ist sie nachmittags auf der Hunderunde besser gelaunt. Eines von vielen hochambitionierten Erziehungskonzepten, die leider nicht aufgegangen sind.

»Sie können dankbar sein, dass ich noch nicht beim Ordnungsamt war.«

»Ich bin sowas von dankbar, Frau, äh …«

»Mein Gisbert traut sich kaum noch aus dem Haus.«

»Dafür ist er aber sehr oft alleine unterwegs.«

Ihren vernichtenden Blick nehme ich nicht wahr. Ich habe alle Hände voll zu tun. Luna versucht, rückwärts aus meinen Armen zu entkommen, um den verängstigten, traumatisierten Gisbert zu schreddern, dessen Nase sich gerade in ihren Hintern bohrt, als gäbe es dort Erdöl.

»Sie! Ihr Hund windet sich gleich aus Ihrem Griff.«

»Ja, es ist im Augenblick nicht einfach«, schnaufe ich. »Vielleicht möchten Sie mit Gisbert weitergehen?«

»Gisbert! Komm mal bei dem Hund wech!«

»Er hört nicht!«

»Sag ich doch.«

Der Gisbert soll mal froh sein, dass ich unser Equipment regelmäßig überprüfe, denke ich. Es hat auch Zeiten gegeben, da habe ich das nicht getan. Da habe ich blind darauf vertraut, dass Edelstahl Edelstahl ist und Hund eben Hund. Also ein Häuflein Fell, Haut und Knochen auf der einen Seite und auf der anderen Seite massives Roheisen, geschmolzen in einem achttausend Grad heißen Lichtbogenofen, veredelt mit Chrom, Nickel und Molybdän. Wer denkt denn da an Ermüdungsbruch? Beim Hund vielleicht. Aber doch nicht beim Stahl!

Seit einer peinlichen Szene im Neanderteal weiß ich jedenfalls, dass eine lockere Leine nicht zwingend etwas mit vorbildlicher Leinenführigkeit zu tun haben muss. Es kann auch einfach sein, dass – PZOIIINGGG! – das Kettenhalsband in der Mitte durchreißt und man mit baumelndem Equipment blöd im Wald steht. Als leidgeprüfter Krawallmausinhaber bin ich heilfroh, dass die Gegnerin kein nach Feuerwehr, Ordnungsamt und Landesjagdverband kreischendes Gisbertfrauchen war, sondern eine geistesgegenwärtige Johanna Bond 007 mit der Lizenz zum Deeskalieren.

Während ich noch irritiert auf das pulverisierte Edelstahlhalsband in meiner Hand blickte, stürzte sich Luna schon auf das zarte Windspiel, das uns vergnügt entgegentänzelte. Dessen Besitzerin war mindestens genauso verwundert wie ich. Eben hingen meine beiden doch noch an Strippen? Wie konnte es da sein, dass eine braun gefleckte Mistkröte aus unserem Dreierverbund herausflog und sich über ihren Schatz hermachte? Vor Schreck ließ ich Wikis Leine fallen. Meine aufgebrachte schwarz-weiße Radaurassel startete sofort durch und raste hinter Luna her. In trauter Zweisamkeit ist so eine Schlägerei noch viel schöner. Mein Gott, ja, ich habe auch schon mal besser ausgesehen.

Die Verblüffung der Frau hielt nur kurz an. Dann kam 007 zum Vorschein. Sie schickte ihren Hund mit einem knappen Befehl in den Wald und ließ ihn dort Kreise laufen. Seelenruhig wartete sie ab, bis er mit Luna auf den Fersen zum dritten Mal wieder an ihr vorbeigaloppierte. In einer einzigen fließenden Bewegung irritierte sie meine wutschnaubende Hündin durch einen geschmeidigen Sohlenstups in die Flanke, sodass Luna kurz aus dem Takt kam und ich sie mit einem Hechtsprung einsacken konnte, schnappte sich Wikis Leine, bevor dieser Lunas frei gewordenen Job als Oberhetzer übernehmen konnte, drückte mir die Leine in die Hand und rief ihr Windspiel zu sich. »Ganz normal alles, sind halt Hunde«, sagte sie freundlich und ließ mich mit offenem Mund stehen.

Eine Heldin des Gassigangs, bis heute leider anonym geblieben. Ich weiß also immer noch nicht, wo der Bundespräsident den Orden hinschicken soll. Seither zerre ich jedenfalls einmal pro Monat prüfend an allen im Haus befindlichen Karabinern, Haken, Ösen und Kettengliedern.

»Wir sind dann mal wieder weg«, macht Gisberts Frauchen mir Hoffnung.

»Ja bitte«, flehe ich. »Seien Sie mal wieder weg.«

Luna zuckt wie ein Berserker. Gleich hebelt sie mich von den Füßen.

»Das muss aber bald mal besser werden mit Ihnen.«

»Gnmmpf.«

»Ist ja kein Zustand.«

»Bnmmpf.«

»Halten Sie bloß diesen gefährlichen Hund fest.«

»K-k-k.«

»Gisbert! Fuß!«

Die beiden trollen sich. Gisbert interpretiert Fuß sehr liberal. Fuß bedeutet für ihn, dass er seine Alte gerade noch am Horizont erkennen können muss. Bei klarer Sicht liegen zwischen Gisbert und Fuß auch schon mal tausend Meter.

Soviel also zu den Hunden des Viertels.

Gisbert, Nelly, Wolfi, Husky, Wiki, Luna.

Die tobsüchtige Kuvaszin zählt nicht richtig dazu. Die wohnt ein bisschen außerhalb hinter den Pappeln und tut, was ein Herdenschutzhund tun muss: Sie schützt ihre Herde. Will heißen, den Rasen, den Maulwurf, die Bienchen, die Liegestühle, den Grill, die Hecke. Man kann nie richtig erkennen, ob sie im Garten lauert oder nicht. Luna und ich rennen immer völlig ahnungslos in die Katastrophe hinein. Die Kuvaszin will Luna den Garaus machen und Luna der Kuvaszin. Dazwischen nur ein Meter Kaninchendraht und spindeldürres Buchsbäumchenzeugs.

Ein Albtraum!

Nachdem wir jahrelang den Garten der Kuvaszin gemieden haben, sind wir unlängst wieder einmal vorbeigeradelt. Meine Güte, habe ich gedacht, was soll schon passieren, die Damen sind elf, altersweise und nach so langer Zeit kennen die sich gar nicht mehr, und außerdem sehen beide nicht mehr so gut, und die Arthrose zwickt, und man wird im Alter ja auch ruhiger und – – – GOTT SEI DANK WAR DAS BUCHSBÄUMCHENZEUGS MITTLERWEILE METERDICK! Die Grannies gingen aufeinander los wie die Berserker!

Meine Stammtischjungs finden Lunas Verhalten ganz in Ordnung. Nach dem fünften Alt sowieso. Eine unberechenbare Granate wie Luna mit sich zu führen habe auch sein Gutes, sind sie sich einig. Man könne nachts völlig entspannt durch die übelsten Gegenden laufen und müsse sich nicht sorgen, überfallen und beraubt zu werden. Die vier Herren sind in mittleren bis großen Unternehmen beschäftigt und absolvieren gelegentlich Business-Seminare in Positive Thinking. Ich profitiere davon. Wenn ich ihnen eine Weile gut zugehört habe, bin auch ich in der Lage, jede Unannehmlichkeit des Hundehalterlebens mit Zuckerguss zu überziehen.

Leinenführigkeit sei gesundheitsschädlich, sage ich zum Beispiel gern. Vor allem größere Hunde sollten ständig ziehen. Kräftig in der Leine zu hängen stärke die Rücken- und die Hinterlaufmuskulatur. Das erleichtere das Treppensteigen im Alter und beuge eventuellen Hüftschäden vor.

Es gibt da, glaube ich, eine Studie. Ich suche sie bei Gelegenheit mal raus.

»Woran denkst du gerade?«, fragt Stella.

Wir schauen beide unserer Hündin zu, wie sie unverrichteter Dinge aus der Baumschule biegt, nach rechts und links guckt und gemächlich auf uns zutrottet, nachdem sie uns entdeckt hat.

»An dies und das«, sagte ich. »Und an den lebensmüden Gisbert.«

»Die Hunde können nichts dafür«, sagt sie und leint Luna an. »Die Halter haben einen an der Waffel.«

»Ich nicht«, sage ich. »Ich gehöre zu den Guten.«

»So siehst du aus.«

Sie drückt mir die Leine in die Hand. Am Horizont taucht Wolfi auf. Er ist ganz offensichtlich auf dem Weg in den Wald. Luna explodiert. Nur Minuten später kommen wir an Wolfis grünem Hoftor vorbei. Luna explodiert.

Es ist schön, dass es Konstanten im Leben gibt.

Management by Feinkost

Luna und ich haben uns acht Jahre lang den Arsch aufgerissen, und es wurde nicht besser. Jetzt machen wir seit drei Jahren gar nichts mehr, und es wird nicht schlechter. Damit steht eindeutig fest, welche Erziehungsmethode die uns noch verbleibende gemeinsame Zeit begleiten wird: seliges Nichtstun.

Die letzte dokumentierte Erziehungsrunde, mit der ich Lunas Leinenaggression in den Griff zu bekommen versuchte, nannte sich Management by Feinkost. Bevor ich zur hausgemachten Bestechung für Wohlverhalten griff, hatte ich es selbstverständlich körpersprachlich probiert. Leider bin ich für diese Form der Kommunikation völlig ungeeignet. Meine Kinder wissen auch ganz genau, warum.

An einem sonnigen Frühlingstag versuche ich, eine mit schwerer Erde gefüllte Schubkarre über unsere holperige Wiese zu bugsieren. Als ich mit dem linken Fuß in ein von den Hunden aufgebuddeltes Mauseloch trete und mit dem rechten an einem Maulwurfshaufen hängen bleibe, ist mein Schicksal besiegelt.

Wild eiernd versuche ich, auf einer Strecke von zehn abschüssigen Metern mein Gleichgewicht zu halten. Ich stolpere nach Osten, während die Karre nach Westen ausbricht, reiße das Ruder in letzter Sekunde herum, ramme mir die Handgriffe in die Leiste, lasse das Gefährt los, bevor ich meinen eigenen Schuh überfahre, und lande schließlich der Länge nach auf der Schnauze. Lotta und Marie beobachten diesen unwürdigen Akt der Hilflosigkeit ungerührt von Anfang bis Ende und diagnostizieren trocken: »Er ist ein echter Körperklaus.«

Hätte ich das mal früher gewusst! Ich hätte mir nicht jahrelang den Kopf über meine eigene Unzulänglichkeit zerbrochen. Warum bloß kriege ich meine Hunde nicht erzogen? Wieso machen die mich täglich zum Hanswurst? Bin ich zu schwach? Zu doof? Zu ahnungslos? Nein! Ich bin ein Körperklaus!

Körperkläuse grätschen zwischen Hund und Reizlage, fauchen KSSST und werden nicht für fünf Pfennig ernst genommen. Klar, der Hund springt beiseite. Aber nicht, weil er beeindruckt ist, sondern, weil er fürchtet, dass ihm der Körperklaus mal wieder auf die Pfoten trampelt. Beim Ausweichen stellt er fest, hey, da vorne riecht es lecker nach Reh, und wo ich eh grade auf dem Sprung bin … tschüss! Der Körperklaus zappelt derweil am Waldrand, versucht, sich interessanter zu machen als das jagdbare Getier, und johlt in einem fort: AUUSSSS ZURÜCK PLATZZZZ!

Das funktioniert aber nicht. Ein Körperklaus ist nämlich von Natur aus nicht interessant. Das klingt paradox. So seltsam, wie er herumfuchtelt, müsste er eigentlich der totale Magnet sein. Aber hier weiß der gewiefte Hund zu unterscheiden. Dieser Hampelmann am Horizont ist kein Mensch, der sich interessant macht, um mich vom Jagen abzulenken, sondern ein Körperklaus, der sich ganz normal bewegt. Und was er da mit seinem dünnen Stimmchen ruft – »SSSÜCKKKTZZZZZ!« –, hat mit einem Kommando nichts zu tun. So klingen Babyrasseln.

Manche Naturtalente werfen ihren Hunden einen kurzen Blick zu, schon backen die kleine Brötchen. Guckt ein Körperklaus, geht der Hund nicht in Deckung, sondern sieht sich nach allen Seiten um. Er denkt, oha, der Klaus guckt, irgendwo muss etwas zum Verkloppen sein.

ENDE DER LESEPROBE