Herzen undercover - Cara Lay - E-Book

Herzen undercover E-Book

Cara Lay

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Beschreibung

Ein prickelnder Liebesroman vor der Kulisse der Florida Keys. Der rasante Auftakt der Elliottville-Reihe von Cara Lay. Die Journalistin Myra strandet während eines Unwetters mit ihrem Kajak auf der Privatinsel des Wirtschaftsmagnaten Conrad Hughford. Zunächst kann sie ihr Glück kaum fassen, denn sie wurde von ihrem Chef darauf angesetzt, eine Story über den reichen Unternehmer zu schreiben. Doch statt auf den Gegenstand ihrer Recherchen trifft sie auf den überaus attraktiven und geheimnisvollen Cole. Als ein aufziehender Hurrikan Myra zwingt, auf der Insel zu bleiben, erliegt sie Coles Anziehungskraft. Für Cole und Myra beginnt ein gefährliches Spiel – denn beide hüten ein Geheimnis, das der andere keinesfalls erfahren darf. »Herzen undercover« von Cara Lay ist ein eBook von feelings*emotional eBooks. Mehr von uns ausgewählte erotische, romantische, prickelnde, herzbeglückende eBooks findest Du auf unserer facebook-Seite. Genieße jede Woche eine neue Geschichte - wir freuen uns auf Dich!

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Cara Lay

Herzen undercover

Roman

Knaur e-books

Über dieses Buch

Ein prickelnder Liebesroman vor der Kulisse der Florida Keys. Der rasante Auftakt der Elliottville-Reihe von Cara Lay.

Die Journalistin Myra strandet während eines Unwetters mit ihrem Kajak auf der Privatinsel des Wirtschaftsmagnaten Conrad Hughford. Zunächst kann sie ihr Glück kaum fassen, denn sie wurde von ihrem Chef darauf angesetzt, eine Story über den reichen Unternehmer zu schreiben. Doch statt auf den Gegenstand ihrer Recherchen trifft sie auf den überaus attraktiven und geheimnisvollen Cole.

Als ein aufziehender Hurrikan Myra zwingt, auf der Insel zu bleiben, erliegt sie Coles Anziehungskraft.

Für Cole und Myra beginnt ein gefährliches Spiel – denn beide hüten ein Geheimnis, das der andere keinesfalls erfahren darf.

Inhaltsübersicht

1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel9. Kapitel10. Kapitel11. Kapitel12. Kapitel13. KapitelNachwort
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1.

Verfluchter Dreck! Musste das ausgerechnet jetzt sein!« Eine Schimpfkanonade entlud sich ins Telefon. Wer auch immer das Ziel war, hatte morgen einen Tinnitus – so viel war sicher.

Die wenigen Mitarbeiter, die sich in den Redaktionsräumen der Elliottville Gazette aufhielten, versuchten, so zu tun, als bekämen sie das Gebrüll aus dem Büro des Chefs nicht mit, und bemühten sich gleichzeitig, bloß kein Wort davon zu verpassen.

Myra grinste in sich hinein. Journalisten eben. Da war Neugier oberste Berufspflicht.

Ihr Chef Barry Owens hatte sich unterdessen etwas beruhigt. Weit genug jedenfalls, um nicht mehr jedes Wort des Gesprächs nach draußen dringen zu lassen. Ein bisschen enttäuscht, weil die willkommene Ablenkung nur von kurzer Dauer gewesen war, wandte sich Myra wieder dem Artikel zu, an dem sie gerade arbeitete. Einige Kühe waren in der Nacht ausgebrochen und hatten beinahe einen Verkehrsunfall verursacht. Sie gähnte verstohlen.

»Gregson! In mein Büro!«

Myras Kopf ruckte hoch. Mr Owens hatte das Telefonat beendet und stand nun mit hochrotem Gesicht in der Tür seines Büros. Ihre Müdigkeit verflog angesichts seiner Körpersprache augenblicklich. Die hektischen Flecken und Schweißperlen auf der Stirn waren Zeichen, die jeder Mitarbeiter als Warnung zu deuten wusste.

Myra zog den Kopf ein und setzte vorsorglich eine zerknirschte Miene auf.

Sie war sich der Blicke ihrer Kollegen überaus bewusst. War Wissensdurst hier ohnehin oberstes Gebot, so interessierte es natürlich besonders, warum ausgerechnet das Nesthäkchen im Team, deren Verantwortungsbereich nicht über das lokale Bowlingturnier und ähnliche Unwichtigkeiten hinausging, jetzt mit zitternden Knien beim Chefredakteur und Inhaber der mächtigsten, weil einzigen, Zeitung im Ort vorstellig werden musste.

Myra klopfte und trat ein. »Sie wollten mich sprechen, Mr Owens?«, fragte sie überflüssigerweise, denn das hatte nun wirklich jeder im Gebäude mitbekommen.

»Nehmen Sie Platz, Gregson.« Die Stimme des Chefs klang glücklicherweise etwas freundlicher, als er auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch wies.

Zurückhaltend lächelnd ließ sich Myra nieder und wartete still auf das, was nun kam. Sie war sich keiner Schuld bewusst, immerhin strengte sie sich an, selbst aus den langweiligsten Sachverhalten – und andere bekam sie gar nicht auf den Tisch – noch eine ordentliche Story zu machen. Als jüngste und noch dazu freie Mitarbeiterin war sie eben das hinterste Glied in der Kette.

»Habe ich das richtig in Erinnerung – Sie paddeln doch?«, eröffnete Mr Owens das Gespräch.

Myra nickte. »Ja, zumindest habe ich das, als wir noch näher am Meer lebten. Seit wir in Elliottville wohnen …«

»Ja, schon klar«, brummte der Chef. »Sie saßen schon mal in einem Seekajak, mehr muss ich nicht wissen.«

Diesmal kommentierte Myra ihr Nicken nicht. Wenn der Boss in dieser Stimmung war, machte man sich idealerweise unsichtbar.

»Howard hat gerade angerufen, er hat sich am Wochenende beim Joggen das Knie verdreht. Irgendwelche Bänder sind jetzt durch. Was macht der Trottel auch Trailrunning, wenn er zu dämlich zum Laufen ist.« Die Tonlage des Chefs hatte inzwischen Ähnlichkeit mit einem ausgehungerten Pitbull, dem jemand ein Steak wegnehmen wollte. Seine Mimik passte zum Tonfall. Myra schrumpfte unwillkürlich in ihrem Sessel, als Mr Owens seine eng stehenden, stechenden Augen auf sie richtete. »Sie fahren also morgen an Howards Stelle in die Keys.«

»Was …? Ich mache was?«, stammelte Myra. Scherzte ihr Chef, oder hatte sie sich verhört?

Barry Owens seufzte genervt und bedachte Myra mit einem Blick, als halte er sie für besonders begriffsstutzig, ließ sich dann jedoch zu einer Erklärung herab: »Howard sollte morgen für die Gazette nach Florida fahren. Der alte Hughford hat eine Privatinsel in den Keys, angeblich ist er da gerade. Unsere Chance auf eine Knüllerstory. Auf so eine Insel gelangt man einfacher als auf ein gut gesichertes Anwesen. Eine einmalige Gelegenheit, den alten Hughford zu treffen!« Owens rieb sich vergnügt die Hände, bis er Myras Gesichtsausdruck sah. »Sie haben es immer noch nicht verstanden, Mädchen?«

Myra traute sich kaum, den Kopf zu schütteln, doch sie hatte wirklich keine Ahnung, worauf ihr Chef hinauswollte.

»Den Namen Hughford haben Sie aber schon mal gehört?« Barry Owens’ Frage war rhetorischer Natur. Man konnte nicht im Lowndes County in Georgia wohnen, ohne diesen Namen zu kennen. Conrad Hughford war Multimillionär, wahrscheinlich sogar Multimilliardär, so genau kannte sich Myra mit Wirtschaftsmagnaten nicht aus. Fest stand nur, dass dieser Mann nicht am Hungertuch nagte und sein Anwesen in der Nähe von Elliottville vermutlich so groß war wie ein eigener Vorort. Nur besser gesichert, denn das gesamte Grundstück war hermetisch abgeriegelt. Der Mann lebte ausgesprochen zurückgezogen und galt als medienscheu. Insofern verstand sie die Aussagen ihres Chefs, dass man Conrad Hughford auf einer Privatinsel leichter treffen könnte als auf seinem Anwesen. Aber was hatte das mit ihr zu tun?

»Hughford wird Ende des Monats eine Pressekonferenz geben«, sprach Owens weiter. »Man munkelt, er wird etwas zur neuen Unternehmensführung sagen. Gerüchten zufolge will er kürzertreten, sich vielleicht sogar zur Ruhe setzen. Da sein einziger Sohn schon vor Jahren bei einem Unfall ums Leben kam, ist es die Neuigkeit des Jahres. Ach, was sage ich, des Jahrzehnts! Vorabinformationen zu Hughfords Nachfolger sind der Knüller. Wir wären überregional bekannt. Die Gazette würde uns landesweit aus den Händen gerissen!« Jetzt strahlte Barry Owens. Zumindest so lange, bis ihm offensichtlich wieder einfiel, dass er das Redaktionsküken auf diese Story ansetzen musste. »Vermassel das nicht, Mädchen!«, sagte er streng. »Das ist für dich eine Frage des Seins oder Nichtseins. Schaffst du es, wirst du fest angestellt. Aber falls nicht …« Er ließ die Drohung unausgesprochen in der Luft hängen. Myra hatte verstanden. Ihre Beschäftigung als freie Journalistin hing ohnehin stets am seidenen Faden. Ohne ihren zweiten Job als Bedienung im »Elliottville’s first diner« würde sie nicht über die Runden kommen. Mit ihrer Schreiberei verdiente sie einfach nicht genug – weder mit ihren Artikeln für die Elliottville Gazette, noch mit ihren Liebesromanen, die ihre eigentliche Berufung waren.

»Warum schicken Sie keinen von den anderen?«, rutschte ihr heraus, als der Druck unerträglich wurde, den Owens’ Drohung bei ihr auslöste.

Ihr Chef sah sie einen Augenblick mit einem ungläubigen Gesichtsausdruck an, dann lachte er dröhnend. »Ein guter Witz«, japste er nach einer Weile. »Passe ich etwa in ein Seekajak? Oder einer von den anderen?«

Myra merkte, wie sie rot anlief. Er hatte natürlich recht. Die Vorstellung, Barry Owens oder einer ihrer beiden nicht minder korpulenten Kollegen sollten sich in ein enges Kajak quetschen, war absurd. Außer Howard wäre sie als Einzige körperlich in der Lage, paddelnd eine Insel zu erreichen. Sie biss sich verlegen auf die Lippe.

»Schon gut, Mädchen«, sagte Owens gönnerhaft, bevor er ihr einen Zettel in die Hand drückte. »Hier ist die Adresse des Bungalows, den Howard schon gemietet hatte. Kostet dich keinen Dollar! Und ein Kajak gehört auch zum Haus. Du machst quasi Urlaub auf Kosten der Gazette. Wenn das kein Glück ist!«

Myra war sich in diesem Punkt nicht so sicher, aber da sie den Job brauchte, widersprach sie nicht, sondern steckte mit einem Nicken den Zettel ein.

 

Vierundzwanzig Stunden später schleppte sie ihre Reisetasche die drei Stufen zur Veranda ihres Bungalows hinauf.

600 Meilen und fast zehn Stunden Fahrt lagen hinter ihr. Gegen Ende hatte sie nicht einmal mehr der Anblick des türkisfarbenen Wassers aufheitern können, das immer häufiger rechts und links des Highway 1 aufleuchtete, je näher sie den Keys im Süden Floridas kam. Big Torch Key bestand nur aus geducktem Grünzeug und war damit so eintönig wie einschläfernd, und Myra hatte das Gefühl, trotz der Pausen unterwegs fielen ihr jeden Moment die Augen zu. Erleichtert hatte sie an der Rezeption die Anmeldung ausgefüllt, den Schlüssel entgegengenommen und warf ihre Tasche jetzt auf den nächstbesten Sessel.

Sie sah sich um. Der Bungalow war schlicht eingerichtet, nicht besonders groß und machte einen etwas verwohnten, aber zumindest sauberen Eindruck. Das Besondere an diesem Feriendorf war mit Sicherheit die Lage. Abseits des Touristentrubels der großen Keys, wie Key Largo, war dies hier ein Paradies für alle Ruhesuchenden. Der nächste Nachbar war weit genug entfernt, um nicht zu stören, und vor der Veranda erstreckte sich das blaugrüne Meer. Ein Anblick, der Myra in Verzückung versetzte. Sie liebte das Wasser. Bevor ihr Vater befördert worden und die Familie deshalb nach Elliottville umgezogen war, hatte sie unzählige Nachmittage in ihrem Kajak auf dem Meer verbracht. Nach ihrer Highschool- und Collegezeit hatte sich dann die Stelle bei der Gazette ergeben, und nicht zuletzt wegen ihrer Familie und Annie, ihrer besten Freundin, war sie irgendwie in Elliottville hängen geblieben. Dennoch vermisste sie ihre Zeit mit dem alten Seekajak auf dem Meer und freute sich auf den nächsten Tag, an dem sie endlich wieder mit gleichmäßigen Paddelschlägen über die Wellen gleiten konnte.

Da die Müdigkeit mit einem Mal übermächtig nach ihr griff, trug sie die Getränke und Lebensmittel vom Kofferraum ins Haus und fiel nach einem spartanischen Abendessen sofort ins Bett.

 

Myra hatte erwartet, früh am Morgen zu erwachen, aber als sie die Augen aufschlug, schien die Sonne bereits kräftig vom wolkenlosen Himmel. Sie blinzelte in Richtung Reisewecker und fuhr hoch. Es war neun Uhr durch. Sie benahm sich, als wäre sie im Urlaub, dabei hatte sie einen Auftrag zu erledigen. Barry Owens hatte nun wirklich keinen Zweifel daran gelassen, was ihr blühte, wenn sie diesen Job vermasselte.

Der lange Schlaf hatte gutgetan, und das Kribbeln des aufkeimenden Tatendrangs erfüllte Myras Körper. Sie sprang aus dem Bett, riss die Verandatür auf – und prallte gegen eine Wand stickiger Feuchtigkeit. Mit einem Stöhnen warf sie die Tür wieder zu und stellte sich unter die Dusche, um den ersten Schweißfilm des Tages abzuwaschen. Die Sommer in Georgia waren heiß, aber diese drückende Schwüle, die der Luft hier eine Konsistenz verlieh, als könne man sie ergreifen und auswringen – daran müsste sich Myra erst einmal gewöhnen. Gestern Abend hatte ein leichter Wind vom Wasser her die Haut angenehm umschmeichelt. Heute Morgen stand die Luft jedoch unbewegt vor der Veranda, sodass selbst Shorts und T-Shirt eine unerträglich dicke Kleidungsschicht bildeten.

Gut, dass sie hier allein war. Myra zuckte mit den Schultern, zog das T-Shirt, das ohnehin schon am Rücken klebte, über den Kopf und schmiss es achtlos über eine Stuhllehne, bevor sie aus den Shorts schlüpfte und in ihrem knappen Slip und BH durchs Haus lief. Erst im allerletzten Moment vor Verlassen des Bungalows warf sie sich ein hauchdünnes Minikleid über und ließ die Knopfleiste auf der Vorderseite so weit geöffnet, wie es die Schicklichkeit gerade noch erlaubte. In dieser Hitze war jeder Zentimeter Stoff auf dem Körper zu viel.

Sie machte sich auf die Suche nach dem Kajak, das laut Barry Owens zur Ausstattung zählte.

»Ist alles da, was du brauchst«, hatte Howard vorgestern am Telefon versichert, während sie hastig ihre Reisetasche packte. Darauf hatte sie sich verlassen. Ein Fehler – wie sich wenig später in dem klapprigen Schuppen herausstellte, der zu ihrem Bungalow gehörte.

Nachdem sie im Haus außer einem Paddel keine weitere Ausrüstung entdeckt hatte, war sie davon ausgegangen, sonstiges Zubehör im Bootsschuppen vorzufinden. Doch abgesehen von dem Kajak aus ausgeblichenem Kunststoff, das auch schon bessere Tage erlebt hatte, war der Schuppen leer. Okay, auf eine Schwimmweste würde sie gerne verzichten. Bei den Temperaturen wäre es ohnehin eine Tortur, sie zu tragen. Im Bereich der Keys war die See relativ ruhig, und sie musste nur wenige Meilen auf dem freien Wasser paddeln. Das machte ihr keine Sorgen. Ein bisschen bedenklich fand sie jedoch das Fehlen aller sonstigen Ausrüstungsgegenstände, die sie für gewöhnlich mitnahm. Myra verzog das Gesicht. Sie hatte eigentlich gehofft, den Nachmittag mit einigen Paddelschlägen auf dem Meer verbringen zu können. Sie wollte sich an das Boot und die fremden Gewässer gewöhnen, damit sie morgen früh zu Hughford Island hinauspaddeln und die Lage sondieren konnte. Stattdessen musste sie zunächst einen Mitarbeiter am Empfang nach Kajakzubehör fragen. Und die Zeit rannte – sie hatte den Vormittag vertrödelt, inzwischen war es Mittagszeit.

Sie warf die Schuppentür frustriert hinter sich zu und folgte den verschlungenen Wegen durch die Anlage bis zur Rezeption. Hier stieß sie mit ihrem Anliegen jedoch auf ratlose Gesichter.

»Also auf richtige Kanutouren sind wir nicht eingestellt«, druckste der junge Typ hinter dem Empfangstresen herum. »Eher so auf Menschen, die ein bisschen im Flachwasser in Küstennähe herumpaddeln wollen. Wer ausgedehnte Touren machen möchte, bucht besser einen geführten Ausflug bei einem der großen Anbieter. Gerade drüben auf Big Pine Key gibt es so ein Kajakcenter, wenn du möchtest, suche ich dir die Anschrift …«

»Nein danke«, unterbrach Myra rasch. Das fehlte auch noch, dass sie sich mit einem Aufpasser auf den Weg machen sollte. »Oder kann man sich da auch Ausrüstung leihen?«

»Keine Ahnung.« Der Rezeptionist zuckte mit den Schultern. »Fragt sich ohnehin, ob sich das lohnt.« Er warf einen Blick auf den Monitor. »Du bleibst doch eh nur noch vier Tage. Falls wir nicht vorher evakuieren müssen.«

»Bitte, was? Evakuieren?« Ein ungutes Gefühl stieg in Myra auf.

»Ja, hast du es denn nicht gehört? Eine Unwetterfront kommt auf uns zu. Und schlimmstenfalls biegt auch der Hurrikan falsch ab. Siehst du keine Nachrichten?«

Stumm schüttelte Myra den Kopf. Durch den Stress in den vergangenen zwei Tagen hatte sie wirklich nicht auf die Nachrichten geachtet. Ein Wirbelsturm war jetzt so ziemlich das Letzte, das sie gebrauchen konnte. Sie hatte vier Tage Zeit, Barry Owens die geforderten Informationen zu beschaffen. Vier Tage, die darüber entschieden, ob sie weiterhin darauf hoffen durfte, eines Tages vom Schreiben leben zu können, oder ob sie die kommenden Jahre Hamburger servierte, während sie davon träumte, irgendjemand würde auf ihre Liebesromane aufmerksam werden.

Der Typ an der Rezeption sah Myra abwartend an. »Wenn du wirklich noch paddeln willst, solltest du sofort aufs Wasser gehen. Für morgen ist bereits schlechtes Wetter angesagt.«

Myra bedankte sich und trottete zu ihrem Bungalow zurück. Die Worte des Rezeptionisten hallten in ihrem Kopf. Sie sollte sofort aufs Wasser gehen, hatte er geraten, und das stimmte wohl. So viel zum Thema, sich noch irgendwo Paddelausrüstung auszuleihen. Die Zeit hatte sie längst nicht mehr. Allein, um wieder auf den Overseas Highway zu gelangen, der die einzelnen Inseln miteinander verband, benötigte sie fast eine halbe Stunde.

Wenn sie ihre Chance auf Erledigung ihres Auftrags wahren wollte, musste sie heute noch Hughford Island inspizieren. Dann könnte sie den verregneten Tag morgen nutzen, um sich einen Schlachtplan zurechtzulegen. Sofern alles glatt lief, würde sie vor der Abreise bei besserem Wetter noch einmal zur Insel hinauspaddeln können, um den Plan in die Tat umzusetzen. Ja, das klang gut. Myra blickte wieder etwas optimistischer auf die vor ihr liegende Aufgabe.

Zurück im Bungalow, war sie dankbar, zumindest an einen wasserdichten Packsack gedacht zu haben. Schnell stopfte sie eine Flasche Wasser und ein abgepacktes Sandwich hinein, dazu kamen noch ein Taschenmesser sowie ein Stück Wäscheleine und zum Schluss ihr Kleid. Handy und Geldbörse wickelte sie in eine gesonderte Plastiktüte, die sie mit in die jetzt prall gefüllte Tasche zwängte. Nachdem sie sich sorgfältig mit Sonnencreme eingerieben hatte, war sie startklar. Sie würde im Bikini paddeln, wozu hatte sie sich schließlich monatelang im Fitnessstudio abgeplagt, um in diesem Sommer eine entsprechende Figur zu haben. Außerdem war es wirklich zu heiß für jegliche Form von Bekleidung. Sobald sie vor die Tür trat, fühlte sie sich wie in nasse Tücher gewickelt.

Mit dem Paddel in der einen Hand, dem Packsack in der anderen, ein Handtuch um den Hals gelegt und eine Sonnenbrille auf der Nase, sah sie vermutlich nach Supertouristin aus, als sie den kurzen Pfad zum Bootsschuppen passierte.

Die Wellen umspülten sanft gluckernd den Bootskörper, als Myra auf das Wasser hinausglitt. Im ersten Moment war das kippelige Gefühl ungewohnt, sie stopfte ihre Tasche vorsichtshalber besonders sorgfältig in den Bug und ihre Schlappen daneben, damit alles im Falle einer Kenterung möglichst sicher feststeckte.

Nach wenigen Paddelschlägen rann ihr der Schweiß bereits über das Gesicht. Die blonden Strähnen, die es trotz des straff gebundenen Zopfs irgendwie geschafft hatten, sich unter der Basecap hervorzustehlen, klebten auf den Wangen. Ungeduldig schob Myra die widerspenstigen Locken hinter das Ohr. Sie hatte sich so sehr darauf gefreut, endlich wieder in einem Kajak zu sitzen, und nun empfand sie es als reine Tortur. Am liebsten hätte sie jetzt schon aufgegeben, wenn sie an die rund sechs Meilen dachte, die noch vor ihr lagen. Aber als Barry Owens’ pitbullartige Miene vor ihrem geistigen Auge aufstieg, biss sie die Zähne zusammen, tauchte die Paddelblätter in gleichmäßigem Rhythmus ins Wasser und bekam kaum mit, wie sie schließlich doch noch in den tranceähnlichen Zustand geriet, den sie beim Tourenpaddeln so liebte. Das sanfte Schaukeln der Wellen, die absolute Ruhe auf dem Wasser, dazu die monotone Bewegung – all das sorgte für eine angenehme, beinahe meditative Leere in ihrem Geist. Aus der sie abrupt aufschreckte, als eine Windböe an ihrer Basecap zerrte. Alarmiert ließ Myra ihren Blick über das Wasser wandern. Vor ihr funkelte es noch immer in einem derartig intensiven türkisfarbenen Ton, als habe ein PR-Beauftragter des örtlichen Tourismusverbands die Farben eigens anmischen lassen. Als sie den Kopf jedoch in Richtung Osten drehte, stockte ihr der Atem. Am Horizont türmten sich Wolkenberge auf, die keinen Zweifel daran ließen, dass die angekündigten Unwetter tatsächlich kamen. Allerdings hatten sich die Wetterfrösche offensichtlich im Zeitplan geirrt. Die grauen Monster am Himmel sahen nicht so aus, als wollten sie bis zum nächsten Morgen abwarten. Myra fluchte und warf einen Blick auf ihre GPS-Uhr. Ihr Eindruck hatte sie nicht getäuscht. Sie hatte den größten Teil der Strecke hinter sich gebracht, die kleinen Eilande, die sie links von sich sah, gehörten bereits zur selben Inselgruppe wie die Privatinsel von Conrad Hughford. Hughford Island lag am nördlichen Rand der Keys und nach ihren Berechnungen noch etwas mehr als eine halbe Paddelmeile entfernt. Myra warf einen bangen Blick auf die Wolken, die bedrohlich wirkten, aber nicht merklich näher kamen.

Sollte sie es wagen? Es war nicht ganz ungefährlich, dessen war sie sich bewusst. Andererseits waren die Gewässer zwischen den Keys relativ geschützt, sie hatte über weite Strecken Land in erreichbarer Nähe und könnte vermutlich auf einer der unzähligen kleinen Inseln anlegen, wenn das Unwetter zu heftig würde. Jetzt aufzugeben bedeutete, Barry Owens mit leeren Händen gegenübertreten zu müssen, und Myra traute ihrem bissigen Chef durchaus zu, seine Drohung in die Tat umzusetzen, wenn sie diesen Auftrag vergeigte. Also los, feuerte sie sich selbst an und hielt weiter auf die nördlichste der Inseln zu.

Der Seegang nahm zu, je weiter sie sich dem offenen Meer näherte. Hier draußen war das Wasser tiefer und nicht mehr durch den Gürtel der Keys geschützt. Das nun doch näher rückende Unwetter trug ebenfalls dazu bei, dass die Schaukelei immer ungemütlicher wurde. Myra tastete nach ihrem Packsack und zog ihn aus dem Bug. Nachdem sie ihn geöffnet hatte, trank sie etwas von dem Mineralwasser, dann fischte sie die Wäscheleine und das Taschenmesser aus dem Durcheinander. Während das kleine Boot im Takt der Wellen stärker wippte und hüpfte, knotete sie mit fliehenden Fingern die alte Wäscheleine mit einem Ende am Boot fest und mit dem anderen am Paddel. Auf alles andere konnte man verzichten, aber ohne Ersatzpaddel war sie davon abhängig, ihr Paddel nicht zu verlieren.

Eine Spritzdecke wäre jetzt auch nicht schlecht, dachte sie lakonisch, als das erste Wasser über den Süllrand ins Boot schwappte, dem gleich eine weitere Welle folgte. Mit wachsender Beunruhigung beobachtete Myra die Pfütze im Bootsinneren. In der Hektik ihres Aufbruchs hatte sie kein Schöpfgefäß eingepackt. Sie zog das Handtuch unterm Po hervor und wischte unter ihren Beinen. Noch während sie den Stoff auswrang, spritzte eine neue Welle herein, und die Wasserlache war nahezu so groß wie zuvor. So ging es nicht.

Ihr Blick glitt über den Küstenstreifen von Hughford Island. Eigentlich hatte sie die Insel umrunden wollen, um sich einen Überblick zu verschaffen und um eine geschützte Anlegemöglichkeit auszukundschaften, die es ihr erlaubte, das kleine Eiland unbemerkt zu betreten. So wie es aussah, könnte sie sich jetzt freuen, wenn sie es, ohne zu kentern, schaffte, überhaupt um die Insel herumzupaddeln. Der Plan war Myra inzwischen herzlich egal. Sie hatte die Geschwindigkeit des herannahenden Unwetters völlig falsch bewertet. Vom Ehrgeiz getrieben, hatte sie die Stimme im Hinterkopf ignoriert, die sie warnte, dass sie die spiegelglatten Gewässer der Keys womöglich unterschätzte.

Mittlerweile platschten nicht nur unentwegt Wellenkronen über den Süllrand und verwandelten das kleine Kanu allmählich in eine Badewanne, zu allem Überfluss hatte der Wind zugenommen, und soeben fielen die ersten dicken Tropfen aus den dunklen Wolken, die auch das letzte blaue Fleckchen am Himmel verdeckt hatten.

Myra schrie auf, als eine riesige Welle in ihr Gesicht schlug und die Sonnenbrille von der Nase riss. Sie hatte alle Hände voll damit zu tun, das Kajak irgendwie auf Kurs zu halten, und musste hilflos mit ansehen, wie das teure Accessoire ins Meer gespült wurde. Im dichter werdenden Regen konnte sie Hughford Island nur noch schemenhaft erkennen. Das Boot wurde zu einem Spielball der Wellen, als Myra auf das rettende Land zuhielt. Sie musste vom Wasser herunter. In der Ferne zuckten die ersten Blitze vom Himmel. Noch klang das Donnergrollen weit entfernt. Oder es wurde vom Prasseln der dicken Tropfen, die wie Trommelwirbel auf den Kunststoff des Kajaks einschlugen, übertönt. Einerlei – sie musste schnellstmöglich an Land.

Ihre Arme schmerzten, und die Lunge stach, als sie mit aller Kraft die Paddelblätter durch das schäumende Wasser zog. Der Wind trieb pausenlos Salzwasser in ihr Gesicht; die Augen brannten, während der Regen wie Nadelstiche auf ihre Haut einhieb. Myra keuchte und fluchte im Wechsel. Sie ignorierte die krampfende Rückenmuskulatur, die schmerzhaft darauf aufmerksam machte, dass sie das schmale Kajak nicht mehr viel länger ausbalancieren konnte. Bereits jetzt hatte sich das Kanu schon zweimal bedenklich zur Seite geneigt und sich erst im letzten Augenblick wieder aufrichten lassen.

Myra drückte den Packsack mit aller Kraft in den Bug. Falls das Boot kippte, würde das verkantete Gepäck hoffentlich nicht herausgespült werden.

Mit einer Hand wischte sie sich eine Strähne aus den Augen, die ihr die Sicht versperrte. Dieser kurze Moment der Unaufmerksamkeit genügte: Die nächste Welle traf das Boot von der Seite, Myra bekam die Hand nicht mehr schnell genug ans Paddel, um einen Stützschlag auszuführen, und einen Wimpernschlag später fand sie sich in der tosenden See wieder. Das Paddel glitt aus der Hand, und sie schickte Stoßgebete zum Himmel, der Knoten möge halten. Das Stück Wäscheleine, das sie für Notfälle immer im Packsack hatte, machte heute den Unterschied zwischen Leben und Tod. Sie schwor sich in diesem Moment, nie wieder ohne gesichertes Paddel aufs Wasser zu gehen. Prustend erreichte Myra das Kajak, das nun komplett vollgelaufen war. Schnell hangelte sie sich zum Heck und drehte das Boot auf den Rücken, um den Untergang zu verhindern. Wasser tretend schaffte sie es, das Wasser so weit aus dem umgedrehten Schiffskörper fließen zu lassen, dass das Kanu an der Oberfläche blieb.

Beim nächsten Versuch rutschte der nasse Kunststoff aus ihren Händen. Myra konnte das Boot eben noch festhalten, bevor es die See davonriss. Mit allerletzter Kraft zog sie sich halb auf das Heck und gönnte sich eine Pause. Sie ließ den Kopf auf das Deck fallen und gab einen Augenblick ihrer Erschöpfung nach. Wie schön wäre es, einfach so liegen zu bleiben und nicht einen ihrer verspannten Muskeln mehr bewegen zu müssen. Ihr tat alles weh. Sie schloss die Augen, und viel hätte nicht gefehlt, diesem verlockenden Wunsch nachzugeben. Wenn sie nicht im nächsten Moment von einer mächtigen Welle ins Meer gerissen und unter die Oberfläche gedrückt worden wäre. Panik stieg in Myra auf, als sie die Orientierung verlor. Erst als das stechende Gefühl in der Lunge schon unerträglich wurde, durchbrach ihr Kopf das Wasser. Atmen! Sie konnte atmen. Gierig sog sie den Sauerstoff ein.

Die Freude, noch am Leben zu sein, währte jedoch nicht lange. Als Myra sich umblickte, trafen ihre Augen auf nichts als Grau. Graue Wellen, graue Wolken, ein Grauschleier in der Luft. Weit und breit deutete nicht ein einziger Hauch von Gelb auf den Verbleib ihres Kajaks hin. Verdammt! Myra drehte sich einmal um die eigene Achse, bis sie einsehen musste, dass das Boot verschwunden war.

Stattdessen registrierte sie etwas anderes. Etwas, das sie mit einer unbekannten Euphorie durchflutete. So also fühlte es sich an, dem Tod von der Schippe zu springen. Denn Myra merkte, dass die Wellen sie in Richtung Hughford Island trieben. Sie musste nur dafür sorgen, irgendwie über Wasser zu bleiben, dann wäre sie gerettet.

Myra verlor jegliches Zeitgefühl, als sie ihren Körper mit kleinen kraftsparenden Bewegungen an der Oberfläche hielt, während die Insel näher kam. Irgendwann kratzte aufgewirbelter Sand an ihren Beinen, und kurz darauf berührten ihre Füße den Meeresgrund. Strand! Sie hatte es geschafft. Sie schleppte sich aus dem Wasser, ließ sich fallen und brach in hysterisches Schluchzen aus. Das war verdammt knapp gewesen. Aber jetzt war sie in Sicherheit. Das dachte sie zumindest, bis sie spürte, dass sie nicht mehr allein war. Sie hob den Kopf und blickte direkt in ein bedrohlich blitzendes Augenpaar.

[home]

2.

Hastig richtete sich Myra auf. Sie war über und über mit feuchtem Sand bedeckt, ihr ehemals weißer Bikini hatte ein beigefarbenes Camouflagemuster angenommen und passte damit perfekt zum Outfit des Typen, der sie noch immer grimmig anstarrte.

Groß gewachsen war Myra ohnehin nicht, und unter diesem Blick schrumpfte sie um weitere Zentimeter. Die Augen des Mannes glitten über ihren Körper in dem knappen Bikini. Schützend verschränkte sie die Arme vor der Brust. Warum sagte der Typ nichts?

»Ich … ich bin gekentert … mein Kanu«, stammelte sie schließlich und verfluchte ihre piepsige Stimme. Warum ließ sie sich so einschüchtern? Sie tat nichts Verbotenes, sich schiffbrüchig an Land zu retten, musste doch wohl erlaubt sein. Trotz des riesigen Schildes, auf dem in unübersehbaren roten Buchstaben »Privatinsel – Betreten verboten« zu lesen war. Dass sie die Insel ohnehin unerlaubt hatte besuchen wollen, konnte der Kerl ja nicht wissen. Oder vielleicht doch? Der misstrauische Gesichtsausdruck, mit dem er sie nach wie vor musterte, ließ Myra überlegen, ob sie sich irgendwie verdächtig gemacht hatte.

Irgendwann reichte ihr das stumme Anstarren. Sie deutete mit dem Kinn in Richtung des Verbotsschildes. »Ich bin nicht absichtlich hier. Ich brauche Hilfe! Ist es unter zivilisierten Menschen nicht üblich, Gestrandeten zu helfen, anstatt sie doof anzuglotzen?«

Der Mann hob nicht einmal eine Augenbraue. Immerhin nickte er nach einem Augenblick und brummte etwas, das nach »mitkommen« klang.

Myra folgte zögernd. Der Typ war unheimlich und schien nur aus Muskeln zu bestehen. Aber hatte sie eine Wahl? Der Regen prasselte immer noch unaufhörlich nieder, während Donner über das Meer grollten. Mit zusammengebissenen Zähnen stapfte sie hinter dem Kerl her, der sich weder darum scherte, ob sie mit ihm mithalten konnte, oder dass Steine und Zweige schmerzhaft in ihre nackten Fußsohlen stachen.

Er blieb erst stehen, als sie eine kleine Hütte erreichten. Eher eine Art Schuppen, bemerkte Myra, nachdem der Typ ihr bedeutet hatte, einzutreten. Immerhin hatte das Gebäude Steinwände und ein Ziegeldach. Fenster gab es nicht, durch eine Fläche aus Glasbausteinen fiel trübes Licht in den Raum, der nur hell wurde, wenn ein Blitz über den Himmel zuckte.

»W… was … was haben Sie mit mir vor?«, krächzte Myra, als der Typ sich anschickte, sie einzuschließen.

»Das Betreten der Insel ist verboten«, entgegnete der Mann, als ob damit alles gesagt wäre.

»Verdammt!« Angst mischte sich mit Wut. »Ich habe doch gesagt, dass ich nicht absichtlich hier bin! Können Sie mich nicht einfach an Land bringen?«

»Wohl kaum, bei diesem Wetter.« Die Tür war nur noch einen Spaltbreit geöffnet.

»Hören Sie«, verlegte sich Myra aufs Betteln. »Ich bin durstig, mir ist kalt, und ich bin erschöpft. Sie können mich doch hier nicht einsperren!«

»Kann ich«, brummte er. »Das Betreten …«

»Jaja, ich weiß. … der Insel ist verboten. Schon kapiert. Aber Conrad Hughford kann doch nicht so ein Unmensch sein, mich in seinem Schuppen erfrieren zu lassen, nur weil ich vor seiner Insel gekentert bin!«

Sie hatte einen gewaltigen Fehler gemacht, wurde Myra bewusst, als erneutes Misstrauen in den Augen ihres Gegenübers aufflackerte.

»Du weißt also, auf wessen Insel du bist«, knurrte er. »Wohl doch nicht so zufällig hier gelandet, was?« Seine Stimme war noch drohender geworden. »Nur ist Conrad Hughford gar nicht auf der Insel. Was immer dein dramatischer Auftritt sollte – er war vergeblich.« Die Tür fiel zu, und mit einem unbarmherzigen Klacken wurde ein Schlüssel umgedreht.

»Wie lange soll ich denn hier warten?«, schrie Myra durch die Tür.

»Das habe ich nicht zu entscheiden«, grunzte es von draußen, dann entfernten sich Schritte, und Myra ließ sich verzweifelt auf den Rand einer Holzkiste fallen. Die Tür war der einzige Ausgang, und sie sah zu stabil aus, um auch nur daran zu denken, sie ohne Schlüssel oder schweres Werkzeug öffnen zu können.

Trotzdem musste sie es versuchen. Sie fror entsetzlich, und allein, um sich zu bewegen, begann Myra, die Regale an der Schuppenwand zu untersuchen. Und tatsächlich fand sie nach kurzer Zeit eine Schachtel mit Bohraufsätzen. Nur leider keine Bohrmaschine. Dennoch war es ein Anfang. Nachdem die anderen Kisten keine brauchbaren Hilfsmittel mehr zutage brachten, suchte Myra sich die dünnsten Bohrer heraus und kniete sich vor das Schloss. Sie erinnerte sich an eine Fernsehsendung zum Thema, wie unsicher die meisten Schließzylinder waren. In dem Bericht hatte es so einfach ausgesehen, wie geübte Einbrecher innerhalb von wenigen Momenten jedwede Tür öffnen konnten.

Myra kaute auf ihrer Unterlippe herum, während sie hoch konzentriert mit dem Bohrwerkzeug in dem Schloss hantierte. Sie war so in ihre Tätigkeit vertieft, dass sie die schnellen Schritte erst im allerletzten Augenblick wahrnahm und noch immer auf den Knien vor der Tür kauerte, als diese aufgerissen wurde.

Verdutzt blickte ein etwa dreißigjähriger Mann auf sie herunter. Seine grünen Augen begannen belustigt zu funkeln.

»Das nenne ich mal eine Begrüßung.« Ein spöttisches Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Er legte den Kopf schief, wobei ihm eine Strähne seines dunklen Haares in die Stirn rutschte und ihn weniger streng wirken ließ. Mit einer energischen Geste strich er sie zurück. »Nicht, dass ich es nicht äußerst vielversprechend finde, eine nur knapp bekleidete Dame in dieser Pose vor mir zu wissen, aber willst du nicht vielleicht doch aufstehen?« Er streckte ihr frech grinsend seine Hand hin.

Myra bekam einen hochroten Kopf. Sie ignorierte die dargebotene Hand und rappelte sich hastig auf. Seine Augen ruhten noch immer auf ihr, sein prüfender Blick ging ihr durch und durch. Es war der Blick eines intelligenten Mannes. Von jemandem, der sich nichts vormachen ließ. Er sah sie nicht so unfreundlich an wie der Muskelprotz, der sie am Strand aufgelesen hatte und den sie jetzt im Hintergrund erblickte. Dennoch verrieten ihr seine markanten Gesichtslinien und der entschlossene Zug um den Mund, dass auch mit ihm nicht zu spaßen war, wenn etwas seinen Unwillen erregte. Oder jemand – wie Myra gerade –, denn seine Augenbrauen zogen sich bedenklich zusammen. Abwartend sah er sie an. Myra schrumpfte innerlich. Er hatte sie etwas gefragt, aber Myra war von seinen vollen Lippen abgelenkt gewesen, die sich nun amüsiert kräuselten, als er ihre offensichtliche Verwirrung bemerkte.

»Ich hatte gefragt, ob wir nicht ins Haus gehen wollen«, wiederholte er seine Worte, und Myra schluckte trocken. Zwei Männer, beide muskelbepackt und anscheinend nicht allzu gut auf sie zu sprechen – und sie nur in diesem lächerlichen Nichts von Bikini bekleidet. Sie bezweifelte, sich jemals zuvor so ausgeliefert gefühlt zu haben. Andererseits konnte sie das Klappern der Zähne kaum noch unterdrücken. Sie hätte sich gerne irgendwo aufgewärmt.

Ihr innerer Kampf musste ihr ins Gesicht geschrieben stehen, denn der Blick ihres Gegenübers wurde weicher. Der spöttische Zug verschwand und wich einem warmen Lächeln, das Myra sofort vergessen ließ, wie kalt ihr war. Verdammt, sah der Typ heiß aus, wenn er etwas weniger böse dreinschaute.

»Mein Name ist Cole«, sagte er und hielt ihr abermals die Hand hin.

»Myra.« Diesmal ergriff sie seine Hand. Seine Finger umschlossen ihre, und ein Kribbeln überzog Myras Arm. Bestimmt eine Gänsehaut wegen der Kälte, redete sie sich ein. Auf einen Mann würde sie niemals so übertrieben reagieren. Ihre letzte Beziehung lag ewig zurück, und der Typ war so nichtssagend gewesen, dass sie sich an den langweiligen Sex nicht einmal mehr erinnern konnte.

»Jetzt, da wir uns kennen, kannst du ja mit ins Haus kommen. Oder willst du lieber hier weiterfrieren?«, fragte Cole mit einem Augenzwinkern.

Stumm schüttelte Myra den Kopf. Mit Bedauern registrierte sie, dass er ihre Hand losließ und sich in Richtung Haus wandte. Sie folgte ihm ein paar Schritte, doch schon nach wenigen Metern trat sie auf einen scharfkantigen Stein.

»Ah, verdammt«, fluchte sie, und Cole drehte sich alarmiert zu ihr um. Als er ihr schmerzverzerrtes Gesicht sah, begriff er.

»Nicht erschrecken, ich tu dir nichts«, sagte er ruhig, dann legte er einen Arm in ihren Rücken, den anderen unter ihre Kniekehlen und hob sie einfach hoch.

Myra keuchte überrascht auf.

»Ich habe doch gesagt, du sollst dich nicht erschrecken«, tadelte er sie sanft, und dieses warme Lächeln umspielte wieder seine Lippen. Lippen, die jetzt verführerisch nah an ihren waren. Wie es sich wohl anfühlte, sie zu küssen? Myra biss sich unwillkürlich auf ihre eigenen Lippen und rief sich zur Räson.

Zugegebenermaßen sah der Typ verflixt gut aus, aber das spöttische Lächeln, mit dem er sie in der Schuppentür bedacht hatte, würde sie ihm so schnell nicht vergeben. Er gehörte zu den Menschen, die Selbstsicherheit mit jeder Pore ausatmeten. Da irgendetwas in ihr, das über keine einzige Nervenbahn zum Kopf verfügte, auf solche Typen ansprang, hatte sie in der Vergangenheit häufiger das zweifelhafte Vergnügen gehabt, sich auf einem Date mit dieser Art von Mann wiederzufinden, und hatte irgendwann gelernt, dass Selbstsicherheit zu oft mit Überheblichkeit und Arroganz einherging.

Als habe er ihre Gedanken gelesen und wollte diese These nun belegen, zog Cole in diesem Augenblick die Augenbrauen in die Höhe. »So ein strenger Blick?«, fragte er. »Habe ich etwas falsch gemacht?«

Sein süffisanter Tonfall reizte Myra, andererseits trug er sie gerade höchst komfortabel die Stufen zu einem beeindruckend großen Portal hinauf, und Myra genoss dieses Gefühl viel zu sehr, um ihn jetzt mit einer schroffen Antwort verärgern zu wollen.