Heute, morgen und dann für immer - Aurelia L. Night - E-Book

Heute, morgen und dann für immer E-Book

Aurelia L. Night

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Beschreibung

Wenn du merkst, dass dieser eine Mensch alles ist, was du jemals gesucht hast, was wärst du bereit, für ihn aufzugeben? Die 19-jährige Maya hat alles, was sie sich wünscht: Einen Freund, den sie liebt, ihr Abi in der Tasche und einen Ausbildungsplatz an der besten Schwesternschule der Gegend. Doch die Wohnungssuche in der neuen Stadt entpuppt sich als reinstes Fiasko. Deshalb ist Maya froh, als sie in letzter Sekunde ein Zimmer in einer WG ergattert. Auch wenn ihr Freund Richard gar nicht glücklich über ihren neuen Mitbewohner Julian ist. Da ist Streit vorprogrammiert. Schnell wird Maya klar, dass sie mit dem engstirnigen Richard weniger gemeinsam hat, als sie dachte. Noch dazu fühlt sie sich immer mehr zu Julian hingezogen. Doch Richard macht deutlich, dass er sich ein Leben ohne sie nicht vorstellen kann. Und Maya hat Angst, dass er sich etwas antun könnte, wenn sie ihn verlässt. Maya steckt in der Klemme. Sie kann doch nicht Richards Leben gegen ihr eigenes Glück eintauschen ... 

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Die AutorinAurelia L. Night, geboren 1995 in Gelsenkirchen, arbeitet als Schilder- und Lichtreklameherstellerin. Seit sie lesen kann, lässt sie sich nur zu gern von anderen Autoren in neue, fremde Welten entführen und vergisst dabei alles um sich herum. Wenn sie nicht gerade liest oder ihrem Tagewerk nachgeht, verbringt sie ihre freie Zeit am liebsten vor dem Computer oder mit Freunden, die sie daran erinnern, dass es ein reales Leben gibt. Seit 2014 lebt Aurelia gemeinsam mit ihrem Partner und ihren zwei Katzen im beschaulichen Niedersachsen.

Das Buch

Wenn du merkst, dass dieser eine Mensch alles ist, was du jemals gesucht hast, was wärst du bereit, für ihn aufzugeben?Die 19-jährige Maya hat alles, was sie sich wünscht: Einen Freund, den sie liebt, ihr Abi in der Tasche und einen Ausbildungsplatz an der besten Schwesternschule der Gegend. Doch die Wohnungssuche in der neuen Stadt entpuppt sich als reinstes Fiasko. Deshalb ist Maya froh, als sie in letzter Sekunde ein Zimmer in einer WG ergattert. Auch wenn ihr Freund Richard gar nicht glücklich über ihren neuen Mitbewohner Julian ist. Da ist Streit vorprogrammiert. Schnell wird Maya klar, dass sie mit dem engstirnigen Richard weniger gemeinsam hat, als sie dachte. Noch dazu fühlt sie sich immer mehr zu Julian hingezogen. Doch Richard macht deutlich, dass er sich ein Leben ohne sie nicht vorstellen kann. Und Maya hat Angst, dass er sich etwas antun könnte, wenn sie ihn verlässt. Maya steckt in der Klemme. Sie kann doch nicht Richards Leben gegen ihr eigenes Glück eintauschen ... 

Aurelia L. Night

Heute, morgen und dann für immer

Roman

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Originalausgabe bei Forever Forever ist ein Digitalverlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin September 2017 (1)  © Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2017 Umschlaggestaltung: zero-media.net, München Titelabbildung: © FinePic® Autorenfoto: © privat  ISBN 9783958182165  Hinweis zu Urheberrechten Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken, deshalb ist die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben. In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Ullstein Buchverlage GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.

Mut steht am Anfang des Handelns, Glück am Ende

– Demokrit –

Du warst mein Anfang und wirst mein Ende sein.

Kapitel 1

»So wird das nie was«, stöhne ich und lasse mich erschöpft in den Autositz fallen. Meine Eltern nehmen vorne Platz, und Richard setzt sich neben mich. Er ergreift meine Hand und drückt sie leicht.

»Ach Quatsch. Die Leute wissen einfach nur nicht, was sie mit dir verpassen. Wir finden schon die perfekte Wohnung«, meint er aufmunternd.

Ich habe nur ein müdes Lächeln für ihn übrig. »Das glaube ich nicht. Sie wollen alle lieber Studenten haben, bei denen sie sicher sein können, dass die Miete pünktlich gezahlt wird.« Meine Stimme klingt matt und ernüchtert.

»Sieh nicht immer so schwarz, Maya«, rügt mich meine Mutter von vorne, und mein Vater fährt los. »Zwei Wohnungen haben wir doch noch.«

»Ja, die eine liegt am Arsch der Welt, und die andere ist eine WG.« Bei dem Wort »WG« stellen sich meine Nackenhaare auf. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, mit einem fremden Menschen das Bad zu teilen. Ich schüttle mich.

Meine Mutter sieht mich warnend an. »Du wolltest diesen Job hier unbedingt haben. Also solltest du auch offen für Neues sein.«

»Ja, aber eine WG?«, frage ich zweifelnd. Eine eigene Wohnung ist bestimmt Dutzende Male angenehmer. Ich hätte meinen Freiraum, müsste mir mit niemandem die Dusche, den Kühlschrank oder sonst was teilen.

»Dann solltest du hoffen, dass der nächste Vermieter dich haben will«, meint meine Mutter und dreht sich wieder um. Böse starre ich ihren Nacken an. Sie hat gut reden. Sie wäre am Ende nicht diejenige, die sich alles teilen müsste und gar keinen Freiraum hätte – vor allem nicht mit einem Jungen.

»Das bekommen wir schon hin, Süße.«

Dankbar schaue ich zu Richard, nur um meinen Blick dann wieder zur Zeitung schweifen zu lassen.

Wir halten vor einem alten, heruntergekommenen Haus. Die Farbe blättert ab, und am Eingang riecht es nach Urin. Ich verziehe angeekelt das Gesicht und möchte am liebsten gleich wieder umdrehen.

»Den Geruch wirst du nun öfter um dich haben«, sagt Richard lachend und legt seinen Arm um meine Schultern.

Ich schaue böse zu ihm hoch. »Eher von Desinfektionsmittel«, erwidere ich schnaubend und drücke die Tür auf, als der Summer erklingt.

Im Treppenhaus riecht es genauso wie am Eingang. Die früher mal sicher leuchtend orangen Wände sind von Dreck verunreinigt. Ich traue mich nicht einmal, das Geländer anzufassen.

Wir kommen im vierten Stock an, und ich lächle erleichtert, als ich den Vermieter erblicke. Er sieht in Ordnung aus. Zwar alt, aber nett.

»Hallo, wir sind Familie Müller, das ist meine Tochter Maya. Wir hatten uns wegen der freien Wohnung angemeldet.« Meine Mutter strahlt den alten Herrn an und reicht ihm ihre Hand.

Dieser schaut nur verächtlich auf ihre Hand und ignoriert sie. »Ich weiß. Sonst wäre ich nicht hier.«

Ich revidiere meinen ersten Eindruck gleich wieder. Dieser alte Mann ist definitiv nicht nett. Wortlos geht er in die Wohnung. Ich sehe meinem Vater an, dass er am liebsten sofort wieder umkehren würde. Doch meine Mutter folgt dem Griesgram und ich ihr. Vielleicht ist die Wohnung ja ein Traum, auch wenn der Besitzer so doof ist – und der Flur mich fast dazu bringt, mich zu übergeben.

Doch meine Hoffnung wird in null Komma nichts zerschlagen.

In der ganzen Wohnung riecht es nach dem Abfluss. Das eine Zimmer ist mickrig durch die Dachschrägen. Ich würde höchstens einen Schreibtisch und ein Bett hineinbekommen. Verwirrt schaue ich mich in der Wohnung um. »Wo ist denn die Küche?«, frage ich den Mann.

»Ne Küche gibt’s nicht.«

Überrascht sehe ich den alten Miesepeter an. »Wie? Eine Küche gibt es nicht? In der Annonce stand doch, dass eine dabei ist.«

Der Vermieter macht eine wegwerfende Handbewegung. »Das ist doch nur Blabla, damit sich mehr Leute melden. Also willste nun die Wohnung?«

Ich schaue zu meinen Eltern, die synchron den Kopf schütteln. Genauso wie Richard, der sein Gesicht vor Ekel verzogen hat.

Zweifel nagen an mir. Die einzige Alternative wäre eine WG. Fieberhaft suche ich nach irgendetwas Positivem an der Wohnung.

Eine warme Hand umschlingt meine, und ich sehe zu Richard auf, der mich aufmunternd anlächelt.

»Nein«, sage ich seufzend.

»Dann raus hier«, schnauzt der Vermieter und jagt uns schon die Treppe hinunter.

Im Auto lasse ich mich wieder verzweifelt in den Sitz sinken.

»Gott, war der unfreundlich«, sagt mein Vater und startet das Navi für die letzte Wohnungsbesichtigung. Die WG. Wieder bekomme ich eine Gänsehaut bei dem Gedanken. Aber ich habe nur noch zehn Tage, ehe die Ausbildung anfängt. Wieso muss die beste Krankenschwesternschule auch ausgerechnet so weit weg sein? Aber ich will unbedingt auf diese Schule.

Einen täglichen Pendlerweg von vier Stunden kann ich mir nicht antun. Besonders, wenn ich dann doch mal Überstunden machen sollte.

Seufzend schaue ich aus dem Fenster und hoffe, dass der Junge, mit dem ich zusammenwohne, schwul ist. Ich weiß nicht, ob ich es wirklich schaffen könnte, mir mit einem testosterongesteuerten Exemplar eine Wohnung zu teilen.

Als wir aus dem Auto steigen, muss ich erst einmal schlucken. »Das Haus sieht fantastisch aus. Das Beste, was wir bisher hatten«, ruft meine Mutter aus, und ich muss ihr recht geben.

Das Haus ist aus schwarzen Klinkersteinen erbaut, mit weißen Fugen und schönen, großen Fenstern, die einladend wirken. Es steht etwas abseits der Straße an einem kleinen Hafen, der aber verlassen aussieht. Buchsbäume wachsen um das Haus herum und verstärken die einladende Atmosphäre noch mehr.

»Das sieht aus, als könnte es dir gefallen«, meint auch Richard und legt den Arm wieder besitzergreifend um meine Schultern.

»Ja, das denke ich auch. Jetzt müssen wir nur noch gucken, wer mein Mitbewohner wäre.« Ich seufze und betätige die Klingel, auf der »Meiners« steht.

Der Summer brummt, meine Familie und ich gehen in den sauberen Flur. Er ist weiß gestrichen, und es ist sogar ein Fahrstuhl vorhanden, was das Möbelschleppen beim Einziehen erheblich leichter machen würde. Wir nehmen aber die Treppe, denn mein neues Zimmer soll – hoffentlich – im ersten Stock liegen.

»Hi, ich bin Julian«, begrüßt uns ein hübscher Typ in meinem Alter. Der Mann hat braune Haare und Augen. Er ist groß gebaut, wirkt aber ein wenig schlaksig. Seltsamerweise ist er mir sofort sympathisch.

»Hallo, wir sind die Müllers.« Meine Mutter deutet auf mich. »Das ist Maya. Wir sind gekommen, um uns das Zimmer anzugucken, welches in der Zeitung stand.«

Julian lächelt uns breit an. »Ja, Sie haben mit meiner Mutter telefoniert, glaube ich«, meint er.

Meine Mutter nickt begeistert. Julians braune Augen richten sich auf mich. »Du willst also eine Ausbildung zur Krankenschwester machen?«

Dieses Mal nicke ich, und Julian fängt erneut an zu grinsen. »Super! Dann können wir uns beim Lernen ja helfen. Ich mache ein Medizinstudium.«

Auf meine Lippen schleicht sich ein leichtes Schmunzeln. »Das wäre toll«, sage ich leise und meine es auch tatsächlich so.

»Aber wahrscheinlich wollt ihr euch erst mal umgucken. Kommt rein!« Er macht Platz, lässt uns eintreten und schließt hinter uns die Tür. »Also, das hier ist der Flur«, sagt er und breitet die Arme aus. »Das ist mein Zimmer.« Sein Finger zeigt zum nächsten Raum rechts. »Und hier liegt die Küche.«

Meine Mutter schielt hinein und seufzt wohlig. »Das ist eine wundervolle Küche. Maya, hier könntest sogar du kochen!« Sie lacht, und ich folge ihr in die Küche.

Helles Holz begrüßt mich, und moderne Küchengeräte stehen schon bereit. Ein kleiner Tisch mit vier Stühlen lädt zum gemeinsamen Essen und Trinken ein. Ein Fenster gibt den Blick auf Bäume frei, die sich sanft im Wind wiegen.

»Die Küche ist echt toll«, stimme ich zu. Dabei ist mir bewusst, dass ich diese Wohnung nicht so toll finden darf. Ich kann hier unmöglich mit einem Kerl zusammenwohnen.

»Du bist dann also Mayas Bruder?«, fragt Julian Richard und versucht, ein unverbindliches Gespräch anzufangen. Ich kann mir ein Lachen kaum verkneifen. Doch Richards böser Blick lässt mich verstummen.

»Nein«, knurrt er. »Ich bin ihr Freund.«

»Oh! Das tut mir leid. Nur wegen Familie Müller und so«, entschuldigt sich Julian. Richard ignoriert ihn aber.

Ich räuspere mich. Die Situation ist unangenehm, und ich habe das Gefühl, dass es Richard nicht recht ist, wenn ich mit Julian zusammenziehe, obwohl die Wohnung ein Traum ist und ich Julian bisher ganz nett finde. Richards Blick richtet sich warnend auf mich, und in mir wächst das schlechte Gewissen.

»Wo wäre denn mein Zimmer?«, frage ich und versuche Richards Blick zu entgehen.

Julian lächelt mich erleichtert an. Er hat den Stimmungsumschwung wohl auch bemerkt. »Das liegt direkt neben der Küche.« Er geht voraus und öffnet die Tür. Ein Fenster spendet viel Licht und beleuchtet ein geräumiges Zimmer. »Wow!«, hauche ich. »Das ist größer als mein jetziges Zimmer!«

»Und es ist nah beim Krankenhaus.« Meine Mutter kommt mit glänzenden Augen in den Raum. »Hier hast du eine ganze Menge Platz«, meint sie und mustert mich. Ich nicke begeistert. In das Zimmer würde alles hineinpassen, was ich brauchte. Mein Schreibtisch, mein Fernseher, mein Sessel – einfach alles!

Ich bin begeistert von dem Zimmer, doch traue ich dem Braten noch immer nicht so recht. Wieso sollte ein Vermieter, der Studentenwohnungen anbietet, eine Auszubildende aufnehmen? Die bisherigen Vermieter wollten partout keine Auszubildende einziehen lassen, selbst wenn meine Eltern für mich gebürgt hätten.

»Und wo ist das Badezimmer?«, fragt mein Vater.

Julian weist ihm den Weg.

Grinsend kommt mein Vater nach kurzer Zeit zurück. »Alles gut! Man kann das Bad abschließen, und eine Kamera ist auch nicht drin.« Er lacht und zwinkert Julian zu. Dieser stimmt in sein Lachen mit ein.

Richard steht zwischen meinem Vater und Julian, seine Lippen sind zu einem dünnen Strich zusammengepresst, und er ballt die Fäuste. So hat mein Vater mit ihm noch nie gescherzt.

Vielleicht wäre ein Mitbewohner doch nicht so schlecht wie gedacht. Besonders, wenn er Medizin studiert und wir uns gegenseitig beim Lernen unter die Arme greifen könnten.

»Also was hältst du davon? Es gibt zusätzlich noch ein Wohnzimmer, in dem man mal gemeinsam sitzen kann oder so«, erklärt Julian und sieht mich abwartend an.

»Können wir uns das Wohnzimmer auch noch einmal ansehen?«, frage ich. Irgendwie hoffe ich, dass der Raum eine Katastrophe ist. Einen Haken muss diese wundervolle Wohnung doch haben! Aber zugleich ist ein kleiner Teil in mir, der betet, dass das Wohnzimmer genauso schön ist wie der Rest.

»Klar«, meint Julian und geht voraus.

Ich folge ihm und weiß in dem Augenblick, in dem ich durch die Tür trete, dass ich hier wohnen möchte. Der Raum ist weiß gestrichen, ein gemütlich aussehendes Big Sofa dominiert ihn. Ein Fernseher hängt an der gegenüberliegenden Wand, und in den Regalen ringsherum stehen DVDs ordentlich sortiert.

Wieder schaue ich fragend zu meinen Eltern, die beide begeistert nicken. Als mein Blick zu Richard wandert, machen sich in mir Zweifel breit. Er wirkt eiskalt. Aber mir bleibt nichts anderes übrig, als dieses Zimmer zu nehmen. Schon seit Monaten suchen wir die perfekte Wohnung und haben nichts gefunden. Dieses Zimmer ist der letzte Ausweg, einer, mit dem ich mehr als zufrieden wäre. Also nicke ich – trotz Richards Ablehnung. »Ja, ich würde gerne hier einziehen.«

»Super! Wollen wir dann gleich den Vertrag unterschreiben?«

Verwirrt ziehe ich die Stirn kraus. »Ist der Vermieter denn da?«

»Ich bin der Vermieter«, antwortet Julian, und ich sehe ihn erstaunt an. Ihm gehört diese Wohnung? »Meine Eltern haben die Wohnung für mich gekauft, als ich hier zum Studium zugelassen wurde«, erklärt er.

»Nettes Geschenk«, murmle ich und sehe mich weiterhin staunend um.

Julian zwinkert mir zu. »Ich kann mich definitiv nicht beschweren.«

Richard tritt einen Schritt auf mich zu und legt seinen Arm um meine Hüfte. »Wenn die Wohnung dir gehört, wie kommt es dann, dass du einen Mitbewohner suchst?«, fragt er.

Sein Ton beschert mir eine Gänsehaut.

»Ach, das ist ganz einfach. Das ist eine riesige Wohnung, und ich bin alleine. Bei diesem Wohnungsmarkt finde ich es sinnvoll, wenn ich jemanden mit einziehen lasse. So ein bisschen zusätzliches Taschengeld schadet auch nicht«, erwidert Julian locker.

Richard schaut meinen neuen Vermieter und Mitbewohner böse an, aber selbst dieser Blick kann Julians Grinsen nicht verschwinden lassen.

»Richard, sei nicht so streng! Es ist zu Mayas Bestem, dass sie diese Wohnung hier bekommt«, sagt meine Mutter tadelnd und wirft Richard einen warnenden Blick zu.

»Also sollen wir dann unterschreiben?«, fragt Julian. Ich nicke und folge ihm zu dem kleinen Wohnzimmertisch, wo der Vertrag schon bereitliegt. Ich überfliege ihn kurz, lasse meine Eltern noch einmal drüber lesen, und als sie zustimmend nicken, unterschreibe ich meinen ersten Wohnungsvertrag.

»Auf eine gute Wohngemeinschaft!«, meint Julian und streckt mir die Hand entgegen.

Lächelnd nehme ich sie an. »Auf eine gute Wohngemeinschaft!«

Kapitel 2

Erleichtert lasse ich mich in den Sitz sinken und starre glücklich an die Decke.

»Siehst du«, sagt meine Mutter. »Jetzt haben wir die perfekte Wohnung für dich gefunden und sogar jemanden, der dir helfen kann! Julian ist wirklich ein netter Junge.«

Mit hochgezogener Augenbraue sehe ich meine Mutter an. »Ja, die Wohnung ist wirklich toll. Obwohl ich nicht glaube, dass ich so viel Zeit mit Julian verbringen werde.« Mein Blick wandert zu Richard, der stur aus dem Fenster schaut. Ein mulmiges Gefühl macht sich in mir breit. Ihm passt es anscheinend gar nicht, dass ich zu einem Jungen ziehen werde. Aber was soll ich denn sonst machen? Alle anderen Wohnungsbesitzer haben mir abgesagt. Und diese Wohnung liegt auch noch ideal, ich brauche nur zehn Minuten zu Fuß zu meiner Arbeit, und ich bin in der Innenstadt.

»Wieso glaubst du denn, dass du nicht viel Zeit haben wirst?«, fragt mein Vater überrascht und betrachtet mich im Rückspiegel.

»Na, wenn ich arbeite, werde ich abends, oder wann ich nach Hause komme, bestimmt halb tot ins Bett fallen.« Ich hoffe, dass Richard einsehen wird, dass diese Wohnung wirklich top ist, und mir so weit vertraut, dass ich ihn nicht hintergehe.

Doch seine Laune zieht uns während der gesamten Fahrt ziemlich runter, und wir kommen nicht wirklich in einen guten Redefluss.

Als wir ihn dann zu Hause absetzen, bin ich teilweise sogar erleichtert, dass er geht. Er gibt nur ein kurzes »Tschüs« von sich und ist dann schon in seinem Elternhaus verschwunden.

Meine Mutter seufzt. »Ich weiß wirklich nicht, was du an dem findest, mein Liebling.«

»Mama«, warne ich sie. Das Thema hatten wir schon zur Genüge. Weder meine Eltern noch meine Freunde mögen Richard. Aber was soll ich machen? Mich trennen, nur weil sie ihn nicht leiden können? Ich liebe ihn. Und das sollte ihnen eigentlich reichen. Er macht mich glücklich, das sollte sie freuen.

Meine Mutter hebt nur abwehrend die Hände. »Ich meine ja nur.«

Ich schüttle den Kopf über sie und schaue wieder nach draußen. Mittlerweile dämmert es, und ich freue mich darauf, nach dem anstrengenden Tag endlich nach Hause zu kommen. In mir macht sich eine selige Zufriedenheit breit. Ich habe tatsächlich ein Zimmer, einen Ausbildungsplatz und einen Freund, der mich liebt. Was könnte ich mehr wollen?

Doch das selige Gefühl bleibt nicht lange. Ich schrecke im Sitz hoch. »Shit!«, fluche ich.

Erschrocken sieht mich meine Mutter an, und mein Vater tritt auf die Bremse. »Was?«, rufen die beiden.

»Ich sollte dann mal lieber anfangen zu packen!«, sage ich stöhnend und lasse mich wieder in den Sitz sinken.

»Deswegen erschreckst du uns so?!«, fragt mein Vater und fährt wieder los.

»Kann ja keiner ahnen, dass ihr so empfindlich seid. Aber ich habe nur noch knapp zwei Wochen, ehe alles losgeht!« Panik setzt sich in mir fest. Ich muss noch so viel vorbereiten.

»Das bekommen wir schon alles hin, Spätzchen. Morgen beginnen wir mit dem Packen.«

Zu Hause gehe ich direkt in mein Zimmer, ziehe mich um und schmeiße mich auf mein großes Bett. Wohlig seufzend liege ich kurz da, ehe ich nach meinem Handy greife und eine Sprachnotiz an meine Mädels schicke. »Hallo, ihr Süßen! Ich wollte nur kurz anmerken: Wir sind endlich wieder zu Hause, und ich habe ein wunderschönes WG–Zimmer gefunden, das fast direkt neben dem Krankenhaus liegt!«

Ich warte eben, bis die Nachricht abgeschickt ist, und wechsle dann den Chat. Bitte sei nicht böse, dass ich das Zimmer nehme. Du hast doch auch gesehen, dass es perfekt ist!, schreibe ich Richard und will mein Handy gerade zur Seite legen, als mich eine Sprachnotiz von Sophie in der Gruppe der Mädels erreicht.

Mit einem Lächeln spiele ich die Notiz ab. »Wuah! Ich freue mich so für dich, Süße! Du hast dir das echt verdient. Aber warte mal. WG?«, fragt sie, und ich höre ihrer Stimme an, dass sie mehr Details erfahren möchte.

»Ja, eine WG«, spreche ich lachend in mein Handy. Ich liebe meine beste Freundin Sophie. Sie ist der netteste Mensch, den ich jemals kennengelernt habe. Wenn man ein Problem hat, kann man sich jederzeit an sie wenden und bekommt Hilfe. Selbst dann, wenn sie einen eigentlich nicht mag.

Plötzlich fängt mein Handy an zu klingeln. »Ja?«, frage ich, obwohl ich genau weiß, wer am anderen Ende ist.

»WG? Erzähl mir bitte mehr. Wie viele Mitbewohner wirst du haben und so weiter und sofort?«, schießt Sophie sofort los.

Ich kann mir ein Kichern nicht verkneifen und beginne zu erzählen.

»Also Julian ist dein Vermieter und dein Mitbewohner?«, fragt Sophie.

»Ja«, sage ich gedehnt.

»Hmhm. Dann werdet ihr wohl niemals Streit wegen der Miete haben, nicht wahr?«

Sofort ist meine gute Laune dahin. »Sophie, ich bin glücklich mit Richard zusammen.« Mein Ton klingt schon fast nach Jammern. Aber ich sehne mich danach, dass sie endlich akzeptiert, dass ich zu Richard gehöre und zu niemand anders.

»Liebes, Richard ist ein Vollidiot, der nur Sport im Kopf hat. Ich wette sogar, dass er sich kein bisschen darüber freut, dass du endlich eine Bleibe gefunden hast. Oder?«

Diese Erkenntnis trifft mich ungewohnt hart, und ich beiße mir auf die Lippe. »Ich denke«, meine ich kleinlaut, »wenn er erst eingesehen hat, wie toll die Wohnung ist, und vergisst, dass ein Junge mit drin wohnt, wird er sich für mich freuen.«

Sophies Lachen erschallt durchs Telefon. »Das glaubst du doch selbst nicht! Wenn es nach ihm ginge, würdest du irgendeinen Bürojob lernen, nur um dich gleich danach von ihm schwängern zu lassen. Er reist dann weiter durch Deutschland, um immer wieder Tore für seine Mannschaft zu machen und andere Weiber abzuschleppen, während du zu Hause sitzt und brav auf ihn wartest.« Sie redet sich in Rage, und ihre Worte verletzen mich. Wie kleine Splitter bohren sie sich in mein Herz.

»Du, ich muss auflegen«, wiegle ich ab. »Morgen beginnen wir mit dem Packen, und ich will früh aufstehen. Bis dann! Hab dich lieb!« Ich lege schnell auf und kämpfe gegen die Tränen an, die in mir aufsteigen.

Ich liebe Sophie, aber sie hasst Richard. Es ist so schwer, immer zwischen den Fronten zu stehen. Ich will beide in meinem Leben haben, doch Sophie macht es unnötig schwer für mich. Richard ist sie eigentlich egal. Er weiß, dass ich sie mag und akzeptiert das – im Gegensatz zu ihr. Ich will das Handy gerade weglegen, als es erneut vibriert. Ich entsperre es und lese die Nachricht von Richard.

Ich weiß, dass die Wohnung perfekt für dich ist. Aber dort wohnt ein Mann. Ein Mann, der dich dann Tag und Nacht um sich hat, während ich dich wahrscheinlich nur am Wochenende sehe – wenn überhaupt.

Seufzend lese ich die Nachricht immer und immer wieder. Er hat recht. Wir werden uns nicht mehr so oft sehen wie momentan. Aber es würde ja nicht von Dauer sein. Die Schule, bei der ich meine Ausbildung machen werde, ist die beste im ganzen Land. Dass ich dort aufgenommen worden bin, grenzt an ein Wunder. Ich muss diese Chance einfach ergreifen, auch wenn Richard damit nicht ganz einverstanden ist.

Ich lege das Handy auf meinen Nachttisch, kuschle mich in meine Decke und schließe die Augen. Morgen ist auch noch ein Tag. Morgen wird alles anders aussehen.

»Aufstehen! Du verrücktes Huhn!«, schreit meine Mutter in mein Zimmer.

»Eheh«, quengle ich und kuschle mich tiefer in meine Bettdecke. Doch plötzlich kriecht ein bekannter Duft in meine Nase. Ich schnuppere weiter, und mit Müh und Not kann ich ein Auge zwingen, sich zu öffnen. »Kaffee«, seufze ich genüsslich und strecke eine Hand unter der Bettdecke hervor.

Meine Mutter gluckst. »Gut, dass ich weiß, wie ich dich wach bekomme. Denk dran, wir müssen deine Sachen zusammenpacken und ein paar neue Möbel kaufen!«

»Neue Möbel kaufen?«, frage ich irritiert.

»Ja, meinst du, dass wir dir deine ganzen Möbel mitgeben? Du sollst doch wiederkommen und dich bei uns wohlfühlen! Also brauchst du andere Möbel.«

Jetzt war ich hellwach. Als ich vor einigen Wochen exakt dasselbe Argument meinen Eltern vorgetragen hatte, hatten sie mich nur kopfschüttelnd betrachtet. »Aber erst muss ich hier packen und mein neues Zimmer streichen!«, werfe ich ein und beobachte meine Mutter genau.

Ihre grünen Augen, die ich von ihr geerbt habe, mustern mich kritisch. »Wieso willst du denn dort noch streichen?«

»Weiß ist langweilig, Mama. Lass mich zumindest etwas Farbe hineinbringen!«, bettle ich.

Sie verdreht ihre Augen. »Na gut. Wie wäre es, wenn wir erst Farbe einkaufen, dann hier die Sachen packen, die du in deiner neuen Wohnung brauchst, und übermorgen dann zum Streichen fahren?«

Ich nicke begeistert. »Ich gehe eben rasch ins Bad und mache mich fertig!«

Voller Eifer haste ich zum Spiegel. Mein blondes Haar, das ich vor Kurzem zu einem langen Bob hatte schneiden lassen, fasse ihn nun zu einem hohen Pferdeschwanz zusammen. Dazu ziehe ich ein altes grünes T–Shirt an, das meine Augen betont, und eine zerrissene Jeans.

Im Zimmer greife ich noch nach meinem Handy und laufe dann zu meiner Mutter in die Küche. »Wir können!«, rufe ich und will schon zum Auto aufbrechen. Doch als ich die Tür öffne, renne ich direkt in eine breite Brust hinein. »Richard!«, rufe ich überrascht und starre zu meinem Freund hinauf.

»Ich dachte, ich helfe dir beim Packen. Du hast recht, und ich sollte mich wirklich für dich freuen …«, gibt er zu.

Ein Strahlen breitet sich in meinem Gesicht aus, und voller Freude gebe ich ihm einen langen Kuss. Schmetterlinge fliegen in meinem Bauch wild umher. »Danke, dass du es einsiehst«, flüstere ich. »Mama?«, rufe ich dann.

»Ich komme ja schon! Eine alte Dame ist kein D–Zug«, flucht sie und kommt aus der Küche, dabei rubbelt sie an ihrem T-Shirt.

»Guck mal, wer da ist.« Meine Freude ist nicht zu überhören.

Meine Mutter schaut überrascht nach oben. Ein künstliches Lächeln schleicht sich auf ihr Gesicht. »Richard!«

»Hallo, Ivonne. Ich wollte Maya beim Packen helfen«, meint Richard und schaut unsicher von meiner Mutter zu mir.

»Wir wollten eigentlich jetzt in den Baumarkt und Farbe kaufen.« Ihre Stimme klingt kalt und abweisend. Ich muss mich zusammenreißen, um sie nicht zurechtzuweisen. Ob sie weiß, wie sehr sie mir mit ihrem Verhalten wehtut?

»Oh, dann will ich nicht stören. Ich melde mich nachher bei dir.« Richard wendet sich schon zum Gehen, als ich meiner Mutter einen bösen Blick zuwerfe.

Sie nickt. »Geht ihr zwei lieber Farben kaufen. Er trifft deinen Geschmack bestimmt besser als ich.«

Ich kann heraushören, dass es ihr nicht gefällt, packe aber diese Chance beim Schopf und wende mich schnell wieder Richard zu. »Warte! Wir können doch die Farbe gemeinsam aussuchen, Richard.«

Abrupt dreht er sich um. »Sicher?«, fragt er unsicher, und ein kleines Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus.

Ich liebe dieses Lächeln. Dieses zurückhaltende, schon fast schüchterne Lächeln, das mir die Beine weich werden lässt. Ich nicke begeistert und schnappe mir meine Haustürschlüssel. »Fahren wir mit deinem Auto?«, frage ich und gehe schon auf den Audi zu.

Richard folgt mir. »Ich habe wohl keine andere Wahl, als zu fahren?«

Ich grinse von einem Ohr zum anderen und freue mich, dass alles wieder in Ordnung zwischen uns ist. »Nope!«

Wir steigen beide in das Auto, und Richard fährt uns zum Baumarkt.

»Was hast du dir denn für eine Farbe vorgestellt?«

»Am liebsten hätte ich eine warme Farbe. In der Ausbildung werde ich die ganze Zeit von kalten Krankenhauswänden umgeben sein, und das möchte ich ausgleichen«, erkläre ich.

»Das klingt logisch. Also ein warmes Rot? Mit deinen weißen Möbeln sieht es bestimmt toll aus.«

»Hm, ich bekomme nun doch neue Möbel. Mama hat es mir heute Morgen erzählt. Sie wollen anscheinend, dass ich wiederkomme«, meine ich. In diesem Moment fühle ich mich wohl, geliebt und einfach zufrieden. Alles scheint zu laufen, und die negativen Ereignisse verdränge ich einfach – darin war ich schon immer eine Meisterin.

Richard greift über die Mittelkonsole nach meiner Hand und drückt sie einmal. »Natürlich kommst du wieder«, meint er mit auf die Straße gerichtetem Blick.

»Ja, du musst mir aber versprechen, dass du mich auch mal besuchen kommst!«, fordere ich.

Richard schaut mich aus seinen braunen Augen ernst an. »Natürlich! Ich muss doch auf dich aufpassen!«

Erschrocken zucke ich zusammen. Auf mich aufpassen? Enttäuscht schaue ich aus dem Fenster.

»Was ist los?«, fragt Richard besorgt. Anscheinend hat er den Stimmungsumschwung bemerkt.

»Du vertraust mir nicht«, sage ich mit bebender Stimme. Ich weiß nicht, ob ich traurig oder sauer sein soll.

»Natürlich vertraue ich dir!«, widerspricht Richard. »Ich finde es immer noch nicht toll, dass du zu einem Kerl ziehst, aber ich verstehe, dass die Wohnung deine letzte Chance war. Du kannst dich immer noch nach einer neuen Bleibe umsehen, wenn du darin wohnst.«

»Was?«, frage ich entsetzt. »Ich mache es mir dort doch nicht gemütlich, um mir dann eine neue Bleibe zu suchen. Für die paar Jahre!«

»Du willst bei dem Kerl wohnen bleiben?« Jetzt klingt Richard genauso entsetzt, wie ich mich fühle.

»Natürlich!«, rufe ich aus.

»Ist das dein Ernst?!« Richards Stimme wird laut, als er in eine Parklücke fährt.

»Natürlich ist das mein Ernst! Ich suche doch nicht immer wieder eine neue Wohnung, wenn ich mit der jetzigen glücklich bin!«, haue ich ihm um die Ohren. Was bildet er sich denn bloß ein?

»Also hast du Gefallen an diesem Kerl gefunden?«, hakt Richard wütend nach.

»Hä?«, frage ich. »Wie kommst du denn darauf? Ich finde das Zimmer bombig! Es ist perfekt, ebenso die Lage! Das hat überhaupt nichts mit Julian zu tun!«, schimpfe ich.

»Ach nein? Aber leider ist er ein Teil der Wohnung!«, brüllt Richard, sodass ich im Sitz zusammenzucke.

Ich verdrehe genervt die Augen. »Es reicht, Richard! Es ist ein blödes Zimmer, das ich für drei Jahre bewohnen werde!« Mich würde es nicht wundern, wenn aus meinen Nasenlöchern Dampf entwiche, weil ich innerlich so am Kochen bin.

»Dann steige bitte auf der Stelle aus meinem Auto aus!«

Entgeistert schaue ich ihn an. »Was?«

»Ich habe da keine Lust mehr drauf! Geh!«, schreit er und wirft mich wirklich aus seinem Wagen raus.

Voller Wut steige ich aus dem Auto und knalle die Tür, heftiger als nötig, hinter mir zu.

Mit quietschenden Reifen fährt Richard davon, und ich stehe vor dem Baumarkt. Die Lust, Farbe zu kaufen, ist mir vergangen, und ich kämpfe gegen die Tränen. Ganz bestimmt würde ich nicht hier auf dem Parkplatz anfangen zu heulen! Ich hole tief Luft, krame mein Handy aus der Tasche und wähle die Nummer von Sophie.

»Was ist los?«, fragt sie sofort, und ihre Stimme lässt mich dann doch in Tränen ausbrechen.

»Er hat mich einfach stehen lassen!«, schluchze ich weinend in den Hörer.

»Oh Mann … Wo bist du?«

»Baumarkt …«, bringe ich mit belegter Stimme hervor.

»Bin schon unterwegs«, meint Sophie nur und legt dann auf.

Ich spüre die fragenden Blicke in meinem Rücken und laufe in die Seitengasse zwischen dem Baumarkt und dem Lebensmittelladen. Erschöpft lasse ich mich an der kalten Backsteinmauer hinuntersinken und schniefe in meine Arme.

»Komm her«, höre ich Sophies Stimme und spüre, wie sie mich an sich zieht. Ich bin unendlich froh, dass meine beste Freundin endlich da ist. Die Zeit in der dunklen Gasse – alleine – hat sich angefühlt wie eine kleine Ewigkeit. »Richard ist ein Arsch. Das sage ich dir aber auch nicht zum ersten Mal«, wirft sie mir liebevoll vor und drückt mich noch enger an ihre Brust.

»Ich … ich liebe ihn aber trotzdem«, schluchze ich und lasse mich gegen sie sinken.

»Leider. Was ist denn passiert?«, erkundigt sie sich voller Sorge.

»Er hat sich darüber aufgeregt, dass ich mir keine neue Wohnung suchen will, wenn ich bei Julian eingezogen bin«, sage ich geknickt und weiche ihrem Blick aus. Ich weiß genau, was Sophie sagen wird, und es tut jetzt schon weh.

»Er ist ein absoluter Vollidiot! Es ist doch natürlich, dass du keine andere Wohnung suchst, wenn du diese perfekt findest!«, verteidigt sie mein Vorhaben.

Ich zucke nur mit den Schultern. Was soll ich dazu auch noch sagen? Ich weiß selbst nicht einmal mehr, was ich von Richards Laune halten soll.

»Maya …«, meint Sophie traurig und legt ihren Kopf auf meinen Scheitel. Die beruhigende Berührung umhüllt mich mit Wärme und trocknet meine Tränen.

»Na komm«, sagt Sophie nach einer Weile und hievt mich mit hoch. »Wir holen jetzt deine Farbe!« Sie grinst mich an, und ich merke, wie mich ihre gute Laune ansteckt.

Es ist mein Leben. Und von Richard werde ich mir den Spaß nicht nehmen lassen.

Kapitel 3

»Was willst du denn für eine Farbe?«, fragt Sophie und schaut sich ein Lila an, das mich sehr an eine Aubergine erinnert.

»Sicherlich nicht die«, meine ich lachend und blicke mich nach einer fröhlichen Farbe um. Ich zeige auf ein sogenanntes »Abendrot«. »Die find ich schick!«

»Da bekommst du nach einer Weile einen Kollaps.« Skeptisch begutachtet Sophie die weiteren Töne. »Ich mag das!« Sie zeigt auf ein helles Blau.

»Das wirkt so kalt …«, erwidere ich.

Sophie seufzt und sucht weiter. Ich schaue ebenfalls auf die Farben, und plötzlich springt mir eine ins Auge.

»Die da!«, sagen Sophie und ich gleichzeitig und lachen. »Gut, dann ist die gebongt«, sagt Sophie, und wir schnappen uns zwei Fünf-Liter-Kanister dieser Farbe.

Mit Sophies Auto fahren wir zu mir nach Hause. »Willst du noch mit reinkommen?«, frage ich sie. »Wir essen jetzt und fangen dann an zu packen.«

»Klar! Ich liebe das Essen deiner Mutter!« Dann runzelt sie die Stirn. »Obwohl ich dir danach dann bestimmt beim Packen helfen soll, was ich definitiv nicht liebe«, seufzt sie zerknirscht.

Trotzdem begleitet mich Sophie zur Haustür. »Hey, Mama, ich bin wieder da!«, schreie ich durch unseren Hausflur.

Meine Mutter steckt den Kopf aus der Tür. »Ah! Hallo ihr – Sophie? Was ist passiert?« Sie durchbohrt mich mit ihrem Blick.

»Richard hat mich …«

»Er hat einen Anruf von seinen Eltern bekommen, deswegen hat er mich gefragt, ob ich seinen Platz einnehmen könnte.«

Überrascht schaue ich zu Sophie. Seit wann schützt sie ihn?

»Oh … Ich hoffe, es ist nichts Schlimmes?«, erkundigt sich meine Mutter. Obwohl sie Sophie und mir einen skeptischen Blick zuwirft, scheint sie die Ausrede erst mal zu schlucken.

Ich schüttle den Kopf. »Nein, nur eine Kleinigkeit, aber du kennst Mona«, sage ich und bin froh, dass ich mir keine Vorwürfe von meiner Mutter anhören muss.

Sie geht wieder zurück in die Küche. »Essen ist gleich fertig«, ruft sie über die Schulter. »Was habt ihr denn für eine Farbe ausgesucht?«

Sophie stellt den einen Kanister in den Flur, während ich den anderen in die Küche mitnehme. »Danke«, wispere ich ihr zu. Sie nickt bloß und äußert sich nicht weiter dazu.

»Wir haben dieses schöne Grün gefunden«, sage ich zu Mama und halte den Kanister hoch, damit sie die Farbe sehen kann.

»Das ist wirklich schön!«, sagt meine Mutter. »So hell und freundlich.«

Ich nicke begeistert und freue mich, dass ihr die Farbe gefällt und ich das leidige Thema Richard erst mal unter den Tisch schieben kann.

Nach dem Essen gehen wir alle hoch und fangen an, die Sachen, die ich hier nicht mehr benötige, in Kartons zu packen.

»Es sieht so leer aus«, bemerke ich einige Zeit später und schaue mich skeptisch um.

»Natürlich, es ist ja auch leer«, meint Sophie und stellt sich neben mich.

Es ist mittlerweile Abend, wir sind alle durchgeschwitzt und haben alles verstaut, was ich mitnehmen werde. »Danke, dass du mir geholfen hast«, sage ich zu Sophie und umarme meine beste Freundin.

»Für dich immer, weißt du doch.«

Ich lächle sie dankbar an und bringe sie dann noch zur Tür. »Danke auch, dass du Richard in Schutz genommen hast.«

»Bilde dir darauf nichts ein. Ich weiß, wie sehr es dich verletzt, wenn deine Eltern schlecht über ihn reden.«

Ich ziehe eine Augenbraue skeptisch hoch. Das weiß sie, aber nicht, dass es mich ebenfalls verletzt, wenn sie so über meinen Freund redet? Ich schüttle mich kurz und beobachte sie, wie sie zu ihrem kleinen Fiat läuft. Sie dreht sich noch einmal kurz um und winkt mir zu. Ich winke zurück und gehe dann ins Haus zurück.

»Dein Vater macht heute Überstunden, sollen wir einen Mädelsabend machen?«, fragt meine Mutter aus dem Wohnzimmer und hält zwei Filme in die Luft.

»Au ja!«, rufe ich begeistert und lasse mich aufs Sofa plumpsen. Kurz überlege ich, mein Handy zu holen, aber ich habe keine Lust auf die Nachrichten. Vor allem, will ich keine Ausflüchte von Richard lesen. Der Abend soll meiner Mama und mir gehören.

Gemeinsam genießen wir mit unserer Lieblingsschokolade So spielt das Leben.

»Ich liebe diesen Film einfach«, seufze ich und lasse mich glücklich in die Kissen sinken.

»Ja, er ist atemberaubend«, stimmt meine Mutter mir zu.

Ich sehe sie skeptisch an. »Meinst du den Film oder Josh Duhamel?«

»Von beidem etwas!«, sagt sie amüsiert und beißt genüsslich in den letzten Schokoladenriegel. »Wäre er nur nicht so jung!«, murmelt Mama schelmisch. Vergnügt schüttle ich den Kopf und schmunzle über ihren Kommentar.

»Ich hau mich ins Bett«, sage ich. »Ich fahre morgen in die Wohnung und streiche die Wände«, erkläre ich ihr und strecke mich, als ich vom Sofa aufstehe.

»Morgen schon?«, fragt sie überrascht. »Da kann ich dir aber nicht helfen.« Dabei sieht sie zerknirscht aus, als gäbe es nichts Schöneres, als das neue Zimmer der Tochter zu streichen.

»Ist schon in Ordnung, ich möchte das alleine machen.« Und auf andere Gedanken kommen, füge ich im Stillen hinzu.

Sie nickt, und ich gebe ihr einen Kuss auf die Wange. Nachdem ich im Bad fertig bin, mache ich mich auf den Weg in mein Zimmer und lasse mich in mein Bett fallen.

Die Ereignisse des Tages prasseln sofort wieder auf mich ein. Richard hat mich tatsächlich rausgeworfen und einfach so stehen gelassen. Ich schließe die Augen und versuche, irgendwie wütend auf ihn zu werden, aber ich kann nicht. Das einzige Gefühl, was sich meiner bemächtigt, ist bittere Enttäuschung, die sich durch meinen ganzen Körper zieht.

Seufzend greife ich nach meinem Handy und schaue meine Nachrichten durch. Traurig bemerke ich, dass Richard mir nicht einmal geschrieben hat. Soll ich ihm schreiben?, frage ich mich. Schaden kann es eigentlich nicht mehr, denke ich mir und beginne eine Nachricht zu tippen.

Ich hoffe, dass du weißt, dass deine Aktion heute mehr als unter aller Sau war.

Ich warte kurz auf eine Antwort, doch weder liest er die Nachricht, noch kommt er online. Meine Augen werden wieder feucht. Weinend lege ich mich ins Bett und versuche einzuschlafen.

Mit verquollenen Augen wache ich am nächsten Morgen auf und starre an meine Zimmerdecke. Was treibt mich nur dazu, mich immer wieder auf Richard einzulassen?

Ach ja, die Liebe … Ich schüttle den Kopf und stehe auf. Ich würde heute keinen einzigen Gedanken an den Idioten verschwenden! Zumindest nehme ich mir das fest vor.

Voller Elan schlüpfe ich in meine Kleider. Ich würde erst duschen, wenn ich wieder nach Hause käme. Meine Haare flechte ich zu einem Zopf, dann mache ich mich auf zum Auto. Meine Mutter und mein Vater sind schon auf Arbeit, also zwingt mich niemand zu frühstücken.

Auf der zweistündigen Hinfahrt zu meinem neuen Zimmer singe ich lauthals die Songs im Radio mit und beginne tatsächlich, gute Laune zu bekommen. Ich freue mich auf die neue Wohnung. Und vielleicht auch etwas auf Julian. Vorgestern war er sehr freundlich. So ganz anders, als Richard es ist. Ich seufze und schlage mir das Thema gleich wieder aus dem Kopf. Heute will ich nicht über Richard nachdenken. Die Aktion gestern war einfach unmöglich. Nur weil er nicht damit zurechtkommt, dass ich in eine WG ziehe, in der auch ein anderer Mann wohnt.

In mir spüre ich ein wahres Wechselbad der Gefühle, wenn ich an Richard denke. Trauer und Enttäuschung richten sich gegen ihn, und ich weiß einfach nicht, wie ich dem entgehen kann, ohne mich selbst aufzugeben. Ich liebe diesen Mann, auch wenn er ein absoluter Vollidiot ist. Aber sind das nicht alle Kerle? Selbst Josh Duhamel ist in So spielt das Leben eine absolute Vollpfeife, bis ihm bewusst wird, was er alles verloren hat.

Ich stöhne entnervt und dränge die Gedanken beiseite. Heute nicht, sage ich mir. Heute genießt du deinen Tag und streichst dein neues Zimmer.

Grinsend schließe ich die Tür zu meinem neuen Zuhause mit dem Wohnungsschlüssel auf. Beruhigende Stille begrüßt mich. Julian ist wohl in der Uni, denke ich und laufe mit den Malersachen in der Hand in mein Zimmer.

Sogar mein Radio habe ich mitgenommen. Das schließe ich nun an und drehe die Musik laut auf. Im Radio läuft Ain’t my Fault von Zara Larsson, und ich gröle lauthals mit.

Zuerst lege ich die Malerfolie auf dem Fußboden aus, damit das Laminat keine Farbspritzer abbekommt. Dann schnappe ich mir die Rolle und tunke sie in den Farbeimer. Ich genieße die Ruhe. Kein nerviges Handy, das habe ich nämlich im Auto gelassen. Nur ich, das Radio und die Farbrolle.

»Gott, was machst du hier in aller Herrgottsfrühe?«

Ich zucke erschrocken zusammen und drehe mich überrascht zu einem verschlafenen Julian um, der nur in seinen Boxershorts in meiner Zimmertür steht. Mir bleibt der Atem weg. Er sieht fantastisch aus. Er hat einen Waschbrettbauch, und seine Haut ist überall leicht gebräunt. Seine Haare sind vom Schlaf leicht verstrubbelt, und er wirkt in diesem Moment so sexy, dass ich mich nicht einmal mehr an seine Frage erinnern kann und ihn unverhohlen mit offenem Mund anstarre.

»Hallo?«, fragt er.

Ich schüttle überrumpelt den Kopf. »Ähm …« Ich deute sprachlos, immer noch auf seinen Körper starrend, auf die Rolle. »Ähm … streichen!«, rufe ich aus, erleichtert, dass mein Hirn wieder funktionsfähig ist.

»Um neun Uhr morgens?«, fragt er irritiert.

»Nun ja. Ich habe gedacht, dass du in der Uni bist. Tut mir leid, wenn ich dich geweckt habe«, meine ich entschuldigend und streiche die Wand weiter. Ich versuche mich nicht allzu sehr von Julians Anblick ablenken zu lassen, der immer wieder in meinem Augenwinkel auftaucht. Doch als Julian nach kurzer Zeit die Musik leiser dreht und mir dabei seinen Rücken zuwendet, bleibt mir die Spucke weg. Wieso zum Teufel ist er so trainiert? Richard ist Sportler und sieht nicht ansatzweise so gut aus! Überrascht schrecke ich vor meinen Gedanken zurück. Ich hatte mir doch geschworen, heute kein Richard!

»Du bist echt langsam mit dem Streichen«, bemerkt Julian und mustert mich amüsiert. Das Bedürfnis, ihm die Farbrolle ins Gesicht zu klatschen, sucht mich heim, doch ich kann mich gerade so zurückhalten.

»Gut Ding will Weile haben«, meine ich lachend und wende mich wieder meiner langsam grün werdenden Wand zu.

»Brauchst du Hilfe?«, fragt Julian. Ich höre ihm schon an, dass er darauf keine Lust hat.

»Nein, Quatsch«, rette ich ihn. »Aber einen Kaffee könnte ich vertragen.«

»Das bekomme ich hin!«, meint Julian selbstsicher und dreht sich auf den Hacken um.

Kopfschüttelnd streiche ich weiter die Wand und beginne zu summen.

»Ich hoffe, du magst den Caffè Latte von Starbucks«, meint Julian und kommt mit zwei Pappbechern auf mich zu.