Divine Damnation 3: Der Zorn der Göttin - Aurelia L. Night - E-Book

Divine Damnation 3: Der Zorn der Göttin E-Book

Aurelia L. Night

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Beschreibung

**Lass deine Magie frei und zerstöre deine Feinde**   Die Göttin der Zerstörung ist nun an der Macht und steht kurz davor, Tivras Leben und das ihres Clans für immer zu verändern. Um ihre Liebsten zu retten, muss sich Tivra auf einen folgenschweren Handel mit der Göttin einlassen, die ihre Magie missbrauchen will. Doch selbst die Kraft einer so mächtigen Magierin wie Tivra hat ihre Grenzen und schon bald befindet sie sich mitten im Kampf der Götter. Einzig und allein ihr Begleiter Avan und sein Rudel bieten ihr den Rückhalt, ohne den sie schon längst untergangen wäre …    Tauch ab in eine magische Urban-Fantasy-Welt    Erlebe eine magische Götterwelt mitten im Dschungel, einen geheimnisvollen Fluch und eine einzigartige Liebe. Ein absolutes Muss für alle Fans von düster-romantischer Fantasy! //Leserstimmen:  »Jede Seite war ein Genuss.«   »Ich habe schon lange kein so gutes Buch mehr gelesen!«   »Packend, magisch, unglaublich! Lesenswert!«     //Dies ist der dritte Band der düster-magischen Buchserie:    -- Divine Damnation 1: Vermächtnis der Magie    -- Divine Damnation 2: Der Fluch der Zerstörung   -- Divine Damnation 3: Der Zorn der Göttin//  Diese Reihe ist abgeschlossen.

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Aurelia L. Night

Divine Damnation 3: Der Zorn der Göttin

**Lass deine Magie frei und zerstöre deine Feinde**Die Göttin der Zerstörung ist nun an der Macht und steht kurz davor, Tivras Leben und das ihres Clans für immer zu verändern. Um ihre Liebsten zu retten, muss sich Tivra auf einen folgenschweren Handel mit der Göttin einlassen, die ihre Magie missbrauchen will. Doch selbst die Kraft einer so mächtigen Magierin wie Tivra hat ihre Grenzen und schon bald befindet sie sich mitten im Kampf der Götter. Einzig und allein ihr Begleiter Avan und sein Rudel bieten ihr den Rückhalt, ohne den sie schon längst untergangen wäre …

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© privat

Aurelia L. Night wurde in Gelsenkirchen geboren, wo sie auch aufwuchs. Nach einer Ausbildung als Schilder- und Lichtreklameherstellerin machte sie ihr Fachabitur in Gestaltung und arbeitet nun in einem kleinen Betrieb. Sie lebt mit ihrem Freund und zwei verrückten Katzen nahe der niederländischen Grenze. Wenn sie nicht selbst schreibt, durchlebt sie Abenteuer auf den Seiten anderer Bücher oder kämpft auf ihrer Xbox gegen Dämonen.

1

»Du kannst nicht immer glauben, dass du das bekommst, was du verlangst!«

»Ach nein? Wieso stehst du dann hier vor mir? Bereit für den Schutz deiner Schöpfung zu kämpfen?«, fragte Vinaash mich. Ihre Finger waren zu gefährlichen Klauen gebogen und die Magie wirbelte in einem elektrisierenden Strudel um sie herum.

»Weil ich dich von diesem Wahnsinn abbringen möchte!«

»Es ist kein Wahnsinn. Es ist mein Recht. Mein Geburtsrecht! Ich bin die Göttin der Zerstörung, es ist meine Verpflichtung, diesem nachzukommen!«

Wut staute sich in meinem Bauch an. »Nur weil du die Zerstörung in dir trägst, bedeutet es nicht, dass du sie nach Lust und Laune benutzen darfst!«

»Benutzt du deine Macht nicht ebenfalls nach Lust und Laune, wenn du versuchst mich davon abzuhalten, die schlimmsten Wesen zu erschaffen, die diese Welt jemals gesehen hätte?«

Ich knirschte mit den Zähnen. »Ich versuche diese Welt zu schützen – vor dir!«

»Du hast versagt, Schwesterchen, denn ich werde diese Welt zugrunde richten, entweder mit dir an meiner Seite oder ohne dich!«

Halt suchend stützte ich mich auf die Überreste einer Hauswand, als die Vision rapide von mir abließ. Ich schüttelte die Bilder ab. Dass Vinaash und Jeevan keine Freunde gewesen waren, wusste ich und dass die Göttin der Zerstörung alles tun würde, um ihren Willen zu bekommen, hatte ich mir ebenfalls denken können. Aber etwas hatten Jeevans Gefühle mit meinen gemeinsam. Wir waren sauer. Die Wut ballte sich in meinem Inneren zusammen wie ein Feuerball. Heiß und bebend erfüllte mich der Zorn. Von meinen Gefühlen angetrieben ging ich auf den zerstörten Turm zu.

Vor Monaten hatte ich geschworen, dass ich alles tun würde, um die Türme zu beschützen. Jegliches Unheil sollte ich abwenden und dafür die gesamte Kraft benutzen, die mir zur Verfügung stand. Welche Ironie es doch in sich trug, dass ich es am Ende selbst verschuldet hatte, dass die Heimat der Deva zerstört worden war. Avans Linie und mein Blut waren die Schlüssel gewesen, um die Kräfte, die in dem Stein geschlummert hatten, zu wecken. Nur unsere Blutlinien hatten es vermocht, Vinaash zu ihrer alten Macht zu verhelfen.

Ein Stich fuhr in mein Herz, als ich das Bild des Turmes realisierte und in mein Herz ließ. In diesen Trümmern befanden sich noch immer die Körper von Deva, die ich nicht hatte retten können. Sie waren mit Sicherheit tot, niemand konnte so lang unter Schutt und Geröll am Leben bleiben, es würde einem Wunder gleichen, wenn es jemand täte.

Mein Blick löste sich von dem losen Gerippe, das in den Himmel stach, und schweifte über die Umgebung. Die Straßen waren voller Leute, die im Schutt arbeiteten. Sie beachteten mich nicht, für sie war ich mit Sicherheit eine der vielen Freiwilligen, die helfen wollten.

Ich wusste nicht, was es Letizia brachte, dass sie Nima entführt und mich dadurch hergelockt hatte. Ich vermutete, sie wollte mich benutzen, damit die Log und Deva ihr zustimmten die Pashu aus Itampira zu vertreiben.

Wäre es nur um mich gegangen, hätte ich allem standgehalten, um die Wandler zu unterstützen, aber es ging um Nima … die absolut nichts mit alldem zu tun hatte. Ich hatte den Preis für meine Loyalität bei den Vertragshandlungen bezahlt: Die Deva hielten mich für eine Verräterin und hatten mich verbannt.

Aber dieses Mal konnte ich den Preis, den meine Treue bedeuten würde, nicht begleichen. Nima war unschuldig, ich konnte sie nicht Letizia überlassen und beim Rudel bleiben. Avan würde etwas einfallen, um das Rudel zu schützen und seinen Traum weiterzuverfolgen, dessen war ich mir sicher.

Die Treppen zum Keller waren freigeräumt worden, nur kleine Steinchen lagen im Weg, die geräuschvoll mit jedem Schritt unter meinen Schuhen knirschten, den ich mich tiefer in den Turm vorarbeitete.

»Du bist gekommen«, erklang Letizias Stimme, ehe ich sie sah.

Meine feinen Nackenhaare stellten sich auf, während ich um die letzte Ecke in einen Gang bog, der in einen kleinen runden Raum mündete. Letizia stand an die Wand gelehnt und sah mich an. Unter ihren Augen hatten sich tiefe dunkle Ringe breitgemacht und ihre Wangen wirkten eingefallen, ihr ganzes Gesicht sah abgespannt und müde aus, als hätte sie seit Tagen nicht geschlafen. Ihr Äußeres ließ mich kurz innehalten. Nie hatte ich Letizia in einem solch miserablen Zustand gesehen. Obwohl ich diese Frau noch immer als eine Art Vertrauensperson betrachtete – ich wollte nicht glauben, dass die Anführerin der Deva grundlos böse war –, konnte ich dieses Mal kein Mitleid mit ihr haben.

»Wo ist Nima?«, verlangte ich zu wissen.

»Es musste sein, Tivra.«

Ich runzelte die Stirn. Ihre Worte passten nicht zu dem Bild, das ich versuchte von ihr zu haben.

»Du musstest meine Schwester entführen?«, fuhr ich sie an.

»Ja. Es war notwendig, um uns alle zu schützen.«

Dieses Mal blickte ich hinter ihre falsche Fassade. Die Wut ließ meinen Körper zittern. Die Magie in mir tobte und ich war versucht ihr Wasser ins fahle Gesicht zu schleudern, um ihre Maske abzuwaschen. »Du hast keine Ahnung, worum es geht!«, knurrte ich. Meine Hände ballten sich zu Fäusten.

»Ich wusste, dass Nerim es dir sagen und du daraufhin kommen würdest.«

»Warum? Letizia, wieso das alles?« Aus welchem Grund hasste sie die Pashu so sehr, dass sie dafür selbst denjenigen schadete, die sie zu schützen versprochen hatte?

»Warum?«, wiederholte sie meine Frage. »Sieh dich um! Und erzähl mir, was du erkennst!«

Ich ließ meinen Blick in dem Kellergewölbe schweifen, kahler grauer Stein umhüllte uns. Was sollte ich ihrer Meinung nach sehen? Das große Ganze? Etwas, das sich meiner Wirklichkeit entzog?

Sie schnalzte missbilligend mit der Zunge, als ich ihr keine Antwort gab.

»Du denkst zu beengt. Der Turm konnte nicht gehalten werden. Die Pashu haben ihn vernichtet! Während diese … diese Monster immer mehr und mehr werden, stirbt das Deva-Geschlecht aus. Es werden weniger von ihnen geboren. Kaum noch eine hat die Macht, die du und ich in uns tragen! Wir haben selbst schon lange nicht mehr die Kraft, die unsere Vorfahren besaßen.«

Ich runzelte die Stirn. »Den Turm haben nicht die Pashu niedergerissen. Letizia, es gibt vieles, das du nicht weißt!«

Sie brach in ein irres Lachen aus. Zum ersten Mal erkannte ich ihr Motiv. Dieser Gefühlsausbruch verriet mehr über sie, als sie womöglich zulassen wollte. Die Anführerin des Zirkels war zerfressen von Angst.

»Vinaash kann uns helfen!«, rief sie aus und stieß sich von der Mauer ab.

Mir wurde schlagartig eiskalt. Sie konnte doch nicht ernsthaft glauben, dass die Göttin der Zerstörung unsere Rettung war!

»Sie rief mich zu sich. Lockte mich. Sie … sie versprach mir, dass sie den Deva helfen würde, wenn ich sie nur befreite … dass sie dafür Blut einer Deva bräuchte.«

Kalter Schweiß brannte auf meiner Haut. »Du hast Nora absichtlich in eine Todesfalle geschickt?«, fragte ich matt.

»Es war ein Unfall! Ich hatte falsch recherchiert.«

Ich war sprachlos. Wie konnte jemand, der geschworen hatte uns zu schützen, so naiv mit unseren Leben umgehen?

»Aber du, du konntest Vinaash befreien! Und sie verlangt mehr. Mehr von dir.«

»Ich werde Vinaash mein Blut nicht geben«, erklärte ich.

Letizia fing erneut an zu lachen.

Mit gerunzelter Stirn sah ich zu ihr. Ihr ganzer Körper bebte. Meine Wut war weiterhin präsent, unterschwellig am Brodeln, aber in mir regte sich Mitleid ihr gegenüber, diese Frau war psychisch kaputt. Die Angst hatte sie zu einem Narren werden lassen, der sich an einen Strohhalm klammerte, welcher nicht existierte. Vinaash würde den Deva niemals helfen. Die Göttin der Zerstörung würde nicht zulassen, dass wir wieder zu unserer alten Macht gelangten, weil es für sie von Nachteil wäre.

»Doch, das wirst du«, sagte Letizia und war schlagartig wieder ernst.

»Wie kommst du darauf? Ich mache alles in meiner Macht Stehende, um sie aufzuhalten!«, erwiderte ich.

Letizia hob ihre Arme. Eine Hand griff nach ihrem Feuerzeug, mit der Hilfe des Elements schleuderte sie einen Ball gegen die steinerne Mauer, die sich auf einmal zurückzog.

Schreie drangen zu mir, die ich zuvor nicht wahrgenommen hatte. »Nima!«, rief ich schockiert und wollte mich in Bewegung setzen, als eine Feuerzunge nach meinen Beinen leckte. Ich stolperte zurück und rief das Wasser zu mir. Ohne darüber nachzudenken, schleuderte ich meine Magie auf Letizia, die an die nächste Wand gedrückt wurde. »Nima!«

»Tiv …!«, hallte ihre kraftlose Stimme zurück.

Ich vergaß jegliche Vorsicht und rannte in den finsteren Tunnel hinein. Mein Atem kam keuchend über die Lippen, als ich mich ihr näherte. Dunkelheit erfüllte den Gang. Mit einer Hand berührte ich die raue Steinwand und ließ mich durch den Flur führen. »Nima!«

Ein Schmerzensschrei durchdrang die Stille, die meinem Ruf zuerst gefolgt war.

Die Angst machte mich atemlos. Panik jagte durch meine Adern, gemischt mit Adrenalin. Ich beschleunigte die Schritte. In meinen Gedanken hatte nur Nima Platz, alles andere war an einen fernen Ort gerückt.

Fackeln erhellten die Umgebung. Für einen Moment musste ich meine geblendeten Augen schließen, ehe ich sie erneut öffnete und weiterhastete.

Vor mir erschien ein kreisrunder Raum, in dessen Mitte Nima kniete. Sie war schweißnass. Das Wasser lief an ihren Schläfen hinab. Sie kniff die Augen zusammen. Ihre Züge waren von Schmerzen verzerrt.

»Nima!«, schrie ich erneut und eilte zu ihr.

Sie öffnete die Augen. Für einen Moment starrte sie mich an, als hätte sie einen Geist gesehen, ehe sie den Kopf schüttelte. »Geh!«, fuhr sie mich an.

Verwirrt strauchelte ich und blieb vor ihr stehen. »Was?«

»Verschwinde!«, keuchte sie.

Mit gerunzelter Stirn näherte ich mich meiner Schwester. »Nima, ich lass dich nicht allein hier zurück.«

»Doch! Geh! Lauf! Bevor sie zurückkommt.« Tränen liefen ihr über die Wangen.

»Was ist los, Nima?« In dem Moment krampfte sie sich zusammen und schrie erneut. »Du bekommst dein Kind!«, rief ich aus, als mir klar wurde, wieso sie solche Schmerzen litt.

»Verschwinde endlich!«

»Niemals.« Ich griff unter ihre Arme. »Kannst du laufen?«

Sie sah zu mir hoch. Ihre Augen waren in einen Schleier aus Tränen gehüllt. »Tiv, du musst verschwinden. Sie will nur dich!«

Erneut wurde mir eiskalt. »Ich lasse dich nicht hier, Nima. Komm, wir bringen dich ins Krankenhaus.«

»Du musst fliehen. Sie wird bald zurückkommen!«

»Nicht ohne dich.« Ich biss die Zähne zusammen und hievte meine Schwester in die Höhe.

Applaus ließ mich überrascht hochschauen.

In dem dunklen Gang erschien Vinaash. Ich erstarrte bei ihrem Anblick zur Salzsäule. Nimas Knie schlotterten und ich hatte alle Mühe, sie aufrecht zu halten.

»Es ist wundervoll zuzusehen, wie du dich für deine Schwester einsetzt.«

Vinaash hob die Hand. Neben mir sackten Nimas Knie weg und sie schrie gepeinigt auf.

Ich fixierte die wahnsinnige Göttin mit meinem Blick. »Was immer du tust, hör auf damit!«, fuhr ich sie an.

»Wie willst du mich aufhalten?«

Ich biss mir auf die Lippe. Nima schluchzte in meinen Armen. Schützend drückte ich sie enger an mich. »Schsch … Es wird alles gut«, raunte ich, in der Hoffnung, dass sie mir mehr glaubte, als ich es tat. Hilfe suchend betrachtete ich den Raum, aber wir waren vollkommen allein mit dieser Irren.

Hinter Vinaash trat Letizia hervor. Der Zorn loderte wieder in mir auf.

»Du glaubst wirklich, dass sie den Deva helfen wird?«, fauchte ich meine ehemalige Anführerin an. »Sieh, was sie den Log antut!«

Letizia wandte den Blick von Nima ab. Diese krallte sich in meinen Arm und schrie erneut auf. Die Wehen kamen zu schnell nacheinander. Mein Herz schlug in der Brust wie das eines verängstigten Kaninchens. Mir kam eine Idee. Eine, die mit großer Wahrscheinlichkeit mein Todesurteil war. Vorsichtig schob ich die andere Hand in die Hosentasche und ertastete eine von Gustavs Kugeln. Ich wusste nicht, ob das Benutzen der Kugel Nima und dem Kind schaden könnte. Innerlich wägte ich die Gedanken ab. Ich konnte sie nicht vor Vinaash und Letizia schützen, dafür besaß ich nicht genügend Kraft.

»Du könntest sie retten«, erklärte die Göttin.

Überrascht sah ich zu ihr auf.

»Opfere dich für sie. Komm zu mir und rette deiner Schwester und ihrem ungeborenen Kind das Leben.«

»Nein!«, stöhnte Nima und klammerte sich fester an meinen Arm. »Du darfst nicht mit ihr gehen.«

Ich zog sie an mich. Sie hatte recht, ich durfte nicht zulassen, dass Vinaash mich bekam. Der Göttin vertraute ich kein Stück und ich musste wissen, dass Nima in Sicherheit war.

Die Transportkugel schmiegte sich an meine schweißnasse Handfläche und ich zerdrückte sie.

***

Der Geruch nach Desinfektionsmittel drang an meine Nase. Mir blieb kaum Zeit. Ich war mir sicher, dass Vinaash und Letizia alles geben würden, um mich wiederzufinden.

»Ich brauche Hilfe!«, schrie ich und zog Nima hoch. »Hey!«, brüllte ich eine Krankenschwester an.

Sie drehte sich überrascht zu mir um. Als sie die schwangere Nima in meinem Arm sah, schaltete sie direkt auf Notfall um und griff sich einen Rollstuhl, während sie auf uns zueilte. »Wie kommen die Wehen?«, fragte sie mich.

»Zu schnell! Das sind vielleicht zwei Minuten«, erklärte ich.

Die Pflegerin nickte und half meiner Schwester in den Rollstuhl. »In welchem Monat sind Sie?«, erkundigte sie sich.

»Im … siebten«, antwortete Nima.

Für einen Atemzug versteifte sich die Krankenpflegerin. Sie sah zu mir. »Ich werde einen Arzt rufen«, teilte sie mit und eilte los.

Ich kniete mich vor Nima. »Dein Kind und du … ihr werdet gesund aus diesem Krankenhaus gehen, verstanden?«, versicherte ich ihr.

In Nimas braunen Augen glänzten die Tränen. »Du hättest das nicht tun dürfen.« Sie griff nach meiner Hand und drückte sie.

»Ich würde alles tun, um dich zu schützen.«

Sie schüttelte den Kopf, wollte scheinbar etwas sagen, doch sie kam nicht mehr dazu, weil ein Schrei ihre Kehle emporstieg. Ihre Hand quetschte meine. Ich zuckte zusammen, versuchte aber ihr eine Stütze zu sein.

»Okay, ab hier übernehmen wir«, teilte mir eine unbekannte Stimme mit.

Ich sah zu der Stimme hoch und blickte in die Augen eines Arztes.

»Nima, du schaffst das, verstanden?«, flehte ich sie an.

»Es ist zu früh«, teilte sie mir mit erstickter Stimme mit.

Ich schüttelte den Kopf. »Du und die kleine Kämpferin werden das hinkriegen!«

»Meinst du, es wird ein Mädchen?«, fragte sie.

»Ein gesundes Mädchen, ja.«

Die Tränen liefen über ihre Wangen. Es schnürte mir das Herz zu, dass ich nicht besser für sie da sein konnte, dass ihr Leid sogar meine Schuld war! Ich nahm sie in den Arm und drückte sie an mich. »Ich liebe dich, Nima.«

»Ich dich auch, Tiv.«

Ich schloss die Augen und speicherte jedes Detail dieses Moments in meinen Erinnerungen. Der innerliche Schmerz zerriss mich. Die Pflegerin schob Nima in dem Rollstuhl vorsichtig zurück und ich löste mich von ihr.

»Retten Sie sie, bitte!«, flehte ich den Arzt an. »Sie …«

Er legte seine schwere Hand auf meine Schulter. »Glauben Sie daran, das ist das Beste, was Sie für sie tun können.«

Ich schluckte schwer und nickte. Er folgte den beiden und ich sah den dreien nach, in der Hoffnung, dass alles gut werden würde. Der Kloß im Hals wurde unendlich dick. Es war meine Schuld, dass sie in Gefahr schwebten. Ich wandte mich in der Eingangshalle um und ging zur Rezeption.

»Kann ich einen Anruf tätigen?«, fragte ich.

Die Frau dahinter sah mich mit großen Augen an. »Wurden … wurden Sie nicht verbannt?«

Ich presste die Kiefer aufeinander. »Es war ein Notfall. Sobald ich den Anruf tätigen durfte, gehe ich.«

Die Frau nickte und reichte mir das Telefon. Ich wählte Inas Nummer.

»Malis?«

Ihre Stimme zu vernehmen ließ all die Gefühle, die in mir wüteten, ausbrechen. Ich wollte mich in ihre Arme werfen und von ihr hören, dass alles wieder gut werden würde. Aber das ging nicht.

»Ina, hier ist Tiv«, sagte ich mit zittriger Stimme, obwohl ich mir Mühe gab, stark zu sein.

»Was ist los?«, fragte sie, sofort in Alarmbereitschaft.

»Nima ist im Krankenhaus, die Wehen haben begonnen. Ihr solltet herkommen.«

»Götter!«, rief Ina aus. »Warte. Was? Was machst du im Krankenhaus?«

Ich drückte den Hörer enger an mein Ohr. »Ich kann es dir nicht sagen. Ich … ich …« Mir versagte die Stimme. Mein geschockter Blick traf den von Vinaash, die im Eingang stand und mich lauernd beobachtete. »Sag Avan, dass es mir leidtut«, presste ich hervor und legte auf.

»Es war kein schlechter Plan«, teilte mir die Göttin der Zerstörung mit, während sie sich näherte.

Mein Körper verspannte sich, bis er einer Bogensehne kurz vor dem Abschuss ähnelte. Ich hatte noch eine einzige Kugel übrig. Schmerzhaft krampfte sich mein Bauch zusammen. Wenn ich diese benutzte, könnte ich vor Vinaash fliehen und damit die Türme schützen.

»Dir ist aber bewusst, dass ich dieses Krankenhaus mit einem Fingerschnippen dem Erdboden gleichmachen könnte, nicht wahr?«

Ich presste die Zähne zusammen. Sie würde die ganze Stadt in Schutt und Asche legen. Alles in meiner Macht Stehende hatte ich versucht, um diesen Moment zu vermeiden, und doch hatte mich das Schicksal – meine verdammten Entscheidungen – genau in die Arme von Vinaash geführt. Es war unfair. Ich konnte das Leben der Log, die hier waren, nicht opfern, um in Sicherheit zu sein. Ich saß zwischen zwei Stühlen, von denen kein einziger gemütlich war.

»Jeder Weg führt zu mir, Tivra«, sprach die Göttin meine Gedanken aus, als hätte sie diese erraten.

»Es scheint ganz so«, stimmte ich ihr leise zu.

Sie reichte mir ihre Hand. »Dann widersetze dich nicht länger.«

»Schwöre mir, dass du meiner Familie sowie den restlichen Bewohnern der Inseln kein Haar krümmen und Dane gehen lassen wirst.«

Vinaash schmunzelte amüsiert. »Glaubst du wirklich, dass du mir etwas befehlen kannst?«

Starr erwiderte ich ihren durchdringenden Blick. Wenn sie Nein sagen sollte, hatte ich nichts mehr zu verlieren, der Gedanke ließ mich mutig werden. Ich holte tief Luft und drückte eine Klinge aus Wasser gegen meinen Bauch. »Wenn du Nein sagst, werde ich mich hier und jetzt umbringen.«

»Du lernst zu spielen, wie es mir scheint«, stellte Vinaash fest und ein kleines Grinsen umschmeichelte ihre Lippen. »In Ordnung, ich schwöre, dass ich deinen Liebsten nichts antun und deinem Freund die Entscheidung überlassen werde.«

Ich runzelte die Stirn, wieso sollte Dane bei ihr bleiben wollen? »Gut.« Ich wollte ihr glauben. So unbändig, dass ich ihr den Vertrauensvorschuss gab, den sie nicht verdiente. Ich ließ die Klinge wieder verschwinden und griff nach Vinaashs Hand.

»Tivra!«

Lucians Stimme ließ mich aufschauen. Mit großen Augen sah er die Göttin und unsere verschlungenen Hände an. Hinter ihm kam meine Familie hineingelaufen. Ihre Blicke richteten sich ebenfalls auf uns, doch bevor ich etwas erwidern konnte, riss mich Vinaash mit sich durch den Raum.

***

Ich kniff die Augen zusammen, stolperte zwei Schritte, ehe mein Gleichgewichtssinn zurückkehrte. Diese Art zu reisen ähnelte zwar der mit den Transportkugeln, dennoch schien mein Körper nicht zu verkraften, dass er durch den Raum geworfen wurde. Zum ersten Mal konnte ich nachempfinden, wie sich Avan und der Rest der Pashu dabei fühlen mussten, wobei ich meinen Mageninhalt bei mir behielt.

»Willkommen in meinem eigenen kleinen Königreich«, erklang Vinaashs Stimme.

Die Verkündung zwang mich dazu, die Augen zu öffnen, die ich aufgrund der blendenden Sonne zusammengekniffen hatte. Der Anblick verschlug mir den Atem. Wir befanden uns vor einer Höhle, Tropfsteine ragten aus der Decke und glitzerten im Schein der Sonne, die ihre Strahlen durch den Eingang schickte. Der Stein war so behauen, dass Stufen tiefer ins Innere des Gemäuers führten, und an den Wänden waren Zeichen eingeritzt worden.

»Wo sind wir?«, fragte ich.

»Auf der einzigen Insel, deren Bewohner mich schon immer zu schätzen wussten.«

Ich runzelte die Stirn, weil mir nicht eine einzelne Bevölkerungsgruppe einfiel, die die Göttin der Zerstörung anbetete.

»Varionta«, erklärte Vinaash, als sie meinen Blick bemerkte.

»Varionta ist eine Inselgruppe, deren Inseln viel zu gefährlich für Log sind«, stellte ich klar.

Ein Grinsen legte sich auf ihre Lippen. »Das sollten jene glauben und weitererzählen, die ich nicht mitnahm.«

Ich versteifte mich.

»Es sind Deva, Baru, Log und Pashu, die keinen Platz in eurem System hatten und hier fanden, was sie bei euch vergeblich gesucht hatten.«

Ein Schauder rann bei dem Klang ihrer Stimme meinen Rücken hinab.

»Komm mit.«

Widerstandslos folgte ich ihr die Treppen hinunter. Die Luft um uns herum wurde kühler und feuchter, umso tiefer wir in den Bergtempel eindrangen.

Ich schlang die Arme um meinen Oberkörper. Das dünne Kleid, das ich aus Avans Rudel mitgenommen hatte, eignete sich nicht für das Klima, das in der Höhle herrschte.

Am Ende der Treppe begrüßten uns bunte Bänder, die an den Tropfsteinen befestigt worden waren, sowie leuchtende Laternen, in denen flackernde Kerzen standen. Sie wiesen uns den weiteren Weg, den wir tiefer in das Gewölbe gingen. Ich vermutete, dass wir in einem Berg waren, möglich war aber auch, dass sich diese Höhle in der Nähe des Meeres befand. Wenn ich mich anstrengte, schmeckte ich die Algen und das Salz auf meiner Zunge.

Wir durchquerten einen Torbogen, der mit verschnörkelten Mustern verziert war, und landeten in einer ausladenden Halle. Staunend blieb ich stehen. Deva liefen eilig zwischen Baru, Log und Pashu durch die Räumlichkeiten. Ich blinzelte verwirrt, als ich sah, wie sich diese vier Völker so friedlich nebeneinander bewegten. Dass Wandler, Log und Deva miteinander leben konnten, war klar gewesen, wir waren uns auf so vielen Ebenen ähnlich, doch dass die Baru ebenfalls dazu in der Lage waren … damit hätte ich niemals gerechnet.

Bunte Laternen hingen an den Wänden und spendeten warmes Licht. Die Luft war stickig, aber ein frischer Strom zog durch die Halle, der es ein bisschen erträglicher machte.

»Überrascht?«

Ich sah zu Vinaash, die mich scheinbar während meines Starrens gemustert hatte. »Ein wenig. Was machen sie hier?«, fragte ich und deutete auf die Leute.

»Sie leben in diesem Tempel.«

Verwirrt runzelte ich die Stirn.

»Es gibt Wesen, die mich anbeten, Tivra.«

»Auf Varionta?«

»Die Leute werden hier mit der Zerstörung groß. Sie wissen, dass sie ihr gutes Leben mir zu verdanken haben und niemandem sonst.« Ein Lächeln zupfte an ihren Lippen.

Ich musste genau hinsehen, um mich zu vergewissern, dass es keine Täuschung war, aber es wirkte, als betrachtete Vinaash diese Leute liebevoll, während sie über deren Heimat sprach.

»Wieso sind die Baru hier so … friedlich?«

»Sie wurden als Teil der Gemeinschaft akzeptiert. Wieso sollten sie einen Hass auf die Pashu oder Deva in sich tragen?« Jetzt sah Vinaash wieder zu mir. »Wir ernten das, was wir säen. Das war immer so und wird immer so bleiben.«

Ihre Worte brachten mich zum Nachdenken. Waren die Baru ernsthaft friedliche Wesen und nur bei uns gefürchtet, weil unsere Vorfahren sie in die hinterste Ecke des Landes verbannt hatten – in der Hoffnung, dass sie nie wiederkehrten?

Ich biss mir auf die Lippe. Diese Reise brachte mich schon jetzt mehr zum Nachdenken, als ich es mir jemals vorgestellt hatte. Von der Seite warf ich Vinaash einen Blick zu, sie hatte ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Leute unter uns gelegt. Diese hatten uns noch nicht bemerkt. Ich beobachtete sie und eine Frage hämmerte sich in meinen Kopf, die ich nicht wahrhaben wollte. Konnte es sein, dass es mehr in dieser Geschichte zu sehen gab, als ich mir jemals vorzustellen gewagt hatte?

Doch während mein Blick dem ihren folgte, stach ein Gesicht aus der Masse heraus. Schlagartig verspannten sich all meine Muskeln.

Darren, der Pashu, der meine Eltern auf dem Gewissen hatte, starrte zu uns hoch. Ein bestialisches Grinsen lag auf seinen Lippen, als er uns musterte.

Ich versuchte die Gänsehaut zu ignorieren, die sich auf meinen Armen gebildet hatte, um Darren nicht zu zeigen, welche Wirkung sein Anblick auf mich hatte.

Er stand auf, bereit sich uns zu nähern. »Bring sie zu den Zellen«, befahl die Göttin dem Mörder.

Sein Grinsen wurde breiter. »Aber gern.«

Vinaash griff mit ihren eiskalten Fingern nach meinen Händen. Mit großen Augen sah ich zu ihr auf.

»Du kannst von dieser Insel nicht fliehen. Denn ich werde dich finden. Egal wo du dich zu verstecken versuchst.« Sie streichelte nahezu zärtlich über die Male, die mir Letizia zugefügt hatte. »Dafür hat die fleißige kleine Deva gesorgt.«

Ich verzog die Stirn, wollte fragen, was die Göttin damit meinte, doch in diesem Augenblick griff etwas in mich hinein. Ich keuchte und versuchte mich aus Vinaashs Händen zu winden, doch sie hielt mich erbittert fest. Ihre Finger erinnerten an Schraubzwingen, die meine Handgelenke umfassten und enger wurden, sobald ich mich mehr anstrengte freizukommen. Die eiskalte Klaue, die in meinen Körper hineingegriffen hatte, zerrte an etwas. Es fühlte sich an, als wollte es mich zerreißen. Ich spürte den Schmerz, doch kein Ton kam über meine Lippen. Ich wollte schreien, wollte, dass der Schmerz versiegte, aber ich konnte nicht das Mindeste ausrichten. Absolut gar nichts. Dieses Etwas riss weiter und mit einem Mal hörte es auf. Meine Knie zitterten unter dem Gewicht meines Körpers, Schweiß lag auf meiner Haut, der mich frösteln ließ.

Leere.

Das Einzige, was ich fühlte, war nur eine umfassende Einöde in meinem Inneren. Erschrocken sah ich zu Vinaash hoch. »Was hast du getan?«, verlangte ich mit zittriger Stimme zu wissen, obwohl es mir schon fast klar war.

»Ich habe die Verbindung der Elemente zu dir gekappt. Du kannst keinerlei Magie mehr einsetzen.«

Ihre Worte waren die Bestätigung zu diesem Gefühl der Leere in mir. Ich wollte zusammenbrechen. Der Verlust meiner magischen Verbindung rammte mich nieder, doch vor Vinaash Schwäche zu zeigen kam nicht infrage. Ich klammerte mich an meine restliche Kraft. Die Leere in mir wurde zu einem tosenden Sturm, der mich einzunehmen versuchte und all die anderen Geräusche und Eindrücke übertünchte.

»Schaff sie mir aus den Augen«, verlangte Vinaash.

Darren zerrte mich in die Halle hinunter, sodass ich gemeinsam mit ihm durch die Masse an Leuten wandern musste. Das Rauschen in meinen Ohren wurde immer stärker. Er zog mich durch einen schmalen Durchbruch, der mehr abwärtsführende Treppen beherbergte, und schubste mich weiter in die Tiefe des Gesteins, doch ich achtete nicht auf meine Umgebung. Die tosende Leere in mir vereinnahmte mich. Sie riss mich mit sich und ließ nicht locker. Ich fühlte mich fremd. Fremd in meinem eigenen Körper.

Noch immer zitterten meine Beine und ich hoffte, dass wir bald ankamen, damit ich die schwer zusammengekratzte Selbstbeherrschung loslassen konnte, die längst anfing zu bröckeln. Ich spürte das Brennen der unvergossenen Tränen in meinen Augen. Ich schaute nach oben, in der Hoffnung, sie weiter bei mir behalten zu können. Doch ich konnte nicht verhindern, dass eine einzelne Träne sich löste und über meine Wange lief.

Darren überholte mich, seine Hand noch immer um meinen Arm gelegt, und öffnete eine Zellentür. »Ich wünsche einen angenehmen Aufenthalt«, spottete er und schubste mich auf den feuchten Steinboden.

Ich strauchelte und fiel auf die Knie. Die Steine schabten über die Haut und rissen sie auf. Der Schmerz drang kaum bis zu mir durch. In meinem Inneren waberte so eine Menge davon, dass es nichts mehr machte, wenn noch etwas dazukam.

Ich presste die Lippen fest aufeinander und lauschte auf Darrens Schritte, die noch nicht erklangen.

»Ich rate dir eines, Tivra: Gib ihr, was sie will. Das wird dir das Leben leichter machen.«

Meine Fingernägel kratzten über den Boden, als ich die Hände zu Fäusten ballte. Ich konnte und wollte jetzt nicht sprechen, wenn ich zum jetzigen Zeitpunkt den Mund aufmachte, konnte ich die Tränen und die Schluchzer nicht zurückhalten, die sich mit aller Macht an die Oberfläche arbeiteten.

Ein Schnaufen drang an mein Ohr und dann – endlich! – die erlösenden Schritte, die sich von der Zelle entfernten.

Zum ersten Mal, seit Vinaash die Verbindung gekappt hatte, erlaubte ich mir aufzuatmen. Ein zittriges Schluchzen kam aus meinem Mund. Ich setzte mich auf die Fersen und starrte an die Höhlendecke. Tropfsteine hingen bedrohlich über meinem Kopf. Sie glitzerten im Schein der Fackeln, die an den Wänden des Flurs flackerten.

Verzweifelt versuchte ich den Samen in meinem Inneren zu finden, doch alles, was ich fühlte, war … diese entsetzliche Leere. Eine alles verschlingende Einöde, die mich in einen bodenlosen Abgrund riss. Die Verbindung hatte mich zu dem gemacht, was ich war. Ich war eine Deva gewesen … Doch jetzt? Schluchzend schlug ich meine bebenden Hände vor den Mund, um die Laute zu dämmen.

Ich wusste nicht, wer mich hier hörte. Weder Vinaash noch Darren sollten wissen, wie es um mich stand. Ich musste stark sein. Die harte Fassade aufrechterhalten, selbst wenn ich innerlich leer war.

Ich bin keine Deva mehr … Der Gedanke glich einem Rammbock. Ich konnte nicht fassen, dass es Vinaash möglich gewesen war, mir das zu nehmen, was mich ausmachte. Ich schloss die Augen und versuchte die ganze Situation nüchtern zu betrachten. Doch es fiel mir schwer … Die Verbindung zu den Elementen war fort. Mit einer einzigen Berührung hatte Vinaash mir jeglichen Funken Magie geraubt und den Traum meiner Zukunft zerstört.

***

In meine Unterkunft drang keinerlei Licht. Die Zeit war zu einer unspezifischen Masse zerronnen. Ich besaß keinen Schimmer, wie viele Sekunden, Minuten oder gar Stunden vergangen waren, seitdem Darren mich hergebracht hatte. Die Zellen waren kleine Höhlen, die vom Hauptgang abzweigten. Gegenüber meiner war eine leer stehende. Die neben mir konnte ich nicht einsehen. Aber in nicht allzu weiter Ferne hörte ich ein Husten.

»Hallo?«, fragte ich. Meine Stimme zitterte noch immer aufgrund der vergossenen Tränen.

Stille antwortete mir. Niemand erwiderte den Gruß. Obwohl ich erneut ein Husten hörte. Ich biss mir auf die Lippe und lehnte den Rücken gegen die feuchte Mauer. Die Kälte drang bis in meine Knochen. In diesem Loch gab es nichts, mit dem ich mich vor der eisigen Feuchtigkeit schützen konnte. Selbst eine zerlumpte Decke wäre mir im Moment recht gewesen.

Ein Knirschen lenkte meine Aufmerksamkeit zu der Zellentür. Sie schwang wie von Geisterhand auf. Achtsam rappelte ich mich auf, ließ dabei den Gang aber nicht aus dem Blick.

Vinaash trat in mein Sichtfeld. Sie hatte sich umgezogen. Ein schwarzes Kleid, das nichts der Fantasie überließ, umschmeichelte ihre Kurven, hauchzart bedeckte der Stoff ihren Körper. Sie deutete mir mit einer Hand an rauszukommen.

Ich kniff die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. Für einen kurzen Moment zog ich in Erwägung, mich zu weigern.

Sie schien es in meinem Blick zu sehen, ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. »Tu es«, verlangte sie. »Dann kann ich wenigstens Spaß mit dir haben.«

Ich ballte die Hände zu Fäusten und widerstand dem Drang der Rebellion in meinem Herzen und beugte mich ihrem Befehl. Mir wurde dabei schlecht. Mein Körper wurde von einem Zittern erfasst, als würde er sich ebenfalls gegen diese Vorstellung wehren. Aber sie hatte recht. Selbst wenn ich mich weigerte ihr zu folgen, könnte sie mich dazu zwingen, es zu tun. Mir gefiel der Gedanke nicht. Absolut nicht. Für den Moment würde ich aber die folgsame Gefangene mimen.

»So ist es brav.«

Fast kam mir die Galle bei ihren Worten hoch, als wäre ich ein Schoßhündchen, das gerade einen perfekten Trick vollführt hatte. Ich blieb vor ihr stehen und warf Vinaash einen zornigen Blick zu, in dem hoffentlich mein ganzer Überlebenswille steckte. »Nur weil ich hier bin, heißt das nicht, dass ich dir folgen werde.«

»Genau das hatte ich gehofft«, klärte sie mich mit einem Grinsen auf, das mir einen Schauder den Rücken hinabrieseln ließ. »Wir zwei werden mit Sicherheit eine Menge Spaß haben.«

Ich sparte mir die Worte und hoffte, dass mein Blick die ganze Verachtung zum Ausdruck brachte, die ich ihr gegenüber empfand. Meine Interpretation von Spaß unterschied sich unbestreitbar von ihrer.

»Wo ist Dane?«

»Komm«, verlangte sie von mir, ignorierte meine Frage und drehte sich zurück in die Richtung, aus der sie gekommen war.

Mit zusammengepressten Kiefern folgte ich ihr. Sie führte mich hinauf, doch bevor wir in der Halle landeten, in der die Bewohner herumgelaufen waren, wandte sie sich nach rechts und ging einen geraden Flur weiter. Ich hatte das Gefühl, dass in dieser Höhle ein Irrgarten aus Gängen und Räumen eingebaut worden war.

Am Ende des Korridors lag eine hölzerne Tür. Das Holz war durch die Feuchtigkeit aufgequollen. Knarzend öffnete sie sich, als Vinaash eine Handbewegung machte.

Zögerlich folgte ich der Göttin, blieb jedoch an der Schwelle wie erstarrt stehen. Vor meinen Augen breitete sich eine altmodische Folterkammer aus. Mein Puls klopfte hektisch gegen die Haut.

»Sei nicht so ängstlich. Du weißt doch, dass ich ein bisschen Spaß haben möchte.«

»Ja. Aber den kannst du auch anders haben«, hielt ich dagegen.

Ihr Blick lag amüsiert auf mir. »Ich weiß. Aber so macht es mir mehr Freude.«

Mir wurde schlecht. Meine ganze Welt drehte sich zu schnell. Sein Geruch stach mir in die Nase. Ich sah über die Schulter nach hinten, wo ich Darrens Gesicht erkannte.

»Ich habe ihm versprochen, dass er mir zur Hand gehen darf. Soweit ich weiß, verbirgst du noch etwas vor ihm.«

Kalter Schweiß legte sich auf meine Stirn. Eine eisige Klaue drehte die Eingeweide in meinem Körper herum. Sie werden mich foltern. Der Gedanke bohrte sich wie eine Eisspitze in mein Innerstes. Er, um endlich herauszufinden, wo seine Gefährtin war. Sie, weil sie schlicht Spaß daran hatte, Lebewesen zu quälen.

»Hallo, Schätzchen. Hast du mich vermisst?«, fragte Darren.

Wie ein verfluchtes Kaninchen war ich zwischen den Raubtieren eingekesselt. Es gab kein Entkommen, weder vor- noch rückwärts. Ich saß in der Falle.

Darren kam näher. Seine Wärme legte sich auf meine Haut und ich sehnte mich danach zu fliehen. Wohin war mir egal, bloß weg von hier.

»Tivra, mach es uns nicht so schwer.« Ein fast bittender Ton klang in Vinaashs Stimme mit, der sich aus ihrem Mund absolut falsch anhörte.

Ich schluckte einen dicken Kloß hinunter. »Nein. Ich werde das nicht mitmachen!«

Ein gehässiges Kichern war neben mir zu hören. Darren grinste höhnisch, als er meinen Blick bemerkte. »Glaubst du wirklich, dass einer von uns auf deine Wünsche Rücksicht nehmen wird?«

Ich wusste, dass er recht hatte, und hasste es mit jeder Faser meines Körpers. Ich war den beiden grausamsten Lebewesen weltweit hilflos ausgesetzt und besaß keinen verfluchten Plan, wie ich von hier verschwinden konnte.

»Ich habe nicht die Geduld, um zu warten«, warnte Vinaash.

»Ich werde mich nicht ergeben, wenn ihr mich foltern solltet!«

Sie seufzte und mit einem Mal fuhr ein gleißender Schmerz durch meinen Körper. Meine Beine knickten weg, die Muskulatur gab unter mir nach, während sich die Organe zusammenzogen. Ein Schrei entrang sich meiner Kehle und Tränen schossen in meine Augen.

»Das war erst der Anfang, Tivra. Du kannst froh sein, dass ich dich lebendig brauche«, sagte Vinaash.

Ich spürte Darrens Griff um meine Oberarme. Er schleifte mich in den Raum, der einem Albtraum entsprungen war.

2

Alles brannte. Die feuchte Kälte hatte ihre Zähne in mein Fleisch geschlagen und sich festgebissen. Ich hockte an die Wand gelehnt in der Zelle und starrte an die gegenüberliegende Felsmauer. Stumme Tränen liefen mir über die Wangen. Ich wusste nicht, wie viel Zeit seitdem vergangen war. Das Kleid auf meiner Haut war klamm, mit Sicherheit hatten Vinaash und Darren mich mit Wasser überschüttet, damit das Blut vom Körper verschwinden konnte. Das würde zumindest die eisige Kälte erklären, die wie hauchfeine Nadelspitzen in meine Haut drang. Wobei es ihnen ganz gewiss egal war, ob jemand das Blut auf meiner Kleidung sah oder nicht.

Ich schloss die Augen und versuchte an etwas Schönes zu denken. Was aber nicht funktionierte. Die Sorge um Nima brachte mich schier um den Verstand. Ich betete, dass sie und ihr Kind gesund und munter und im Kreis der Familie angekommen waren.

Meine Gedanken wanderten zu Letizia. Ich vertraute ihr nicht mehr – wie könnte ich auch? Sie hatte das Vertrauen all jener, die unter ihrem Schutz gestanden hatten, missbraucht und weggeschmissen, als sei es nichts wert. Natürlich konnte ich ihre Angst nachvollziehen. Die Deva wurden weniger und wenn wir die Zauber miteinander verglichen, die Sarina imstande gewesen war zu vollziehen, und jene, die ich zustande brachte, gab es einen riesigen Unterschied. Aber zeigte uns das nicht, dass etwas falsch lief? Dass wir irgendetwas ändern mussten, um unser Überleben zu sichern? Wie hatte sich Letizia sich nur von Vinaash blenden lassen können? Sie war die Göttin der Zerstörung! Wie hatte die Anführerin nur so jemandem ihr Vertrauen schenken können?

Statt den Deva zu helfen, raubte diese Irre sogar deren Kraft. Die Bitterkeit traf mich unverhofft.

Ich hasste meine Hilflosigkeit, das Gefühl, komplett ausgeliefert zu sein. Eine Deva, die ihre Macht nicht mehr nutzen konnte. Ich war ein Schlüssel, der sich freiwillig gegeben hatte. Ich spürte, wie der Kloß in meinem Hals wieder schwerer wurde – während der ganzen Tortur, die Vinaash und Darren mich hatten durchleben lassen, war ich still gewesen. Kein einziger Ton war mir über die Lippen gekommen, obwohl sie in meine Haut geritzt und in mein Fleisch gestochen hatten.

Ich presste die Zähne aufeinander, versuchte nicht mehr daran zurückzudenken. Darren hatte seine Informationen nicht bekommen, das war die Hauptsache. Doch wie lange könnte ich dem Ganzen standhalten? Wie oft konnte ich schweigen, wenn der Schmerz an meinem Bewusstsein riss, aber Vinaash und Darren mich nicht losließen?

Bei den Erinnerungen an die Grausamkeiten begann mein Körper zu zittern. Ich hatte keine Kontrolle darüber. In meinem Inneren bildete sich ein Traum, dem ich mich kaum wagte hinzugeben. Aber ich hoffte, dass Nima zu Avan gelangte und dass er mich fand … irgendwie.

Ein Schluchzen kam aus meiner Kehle und ließ die ganzen Dämme brechen, die ich mir mühsam errichtet hatte. Die Tränen liefen haltlos über meine Wangen. Ich legte die Hände über den Mund und versuchte die Töne zu ersticken, während ich mich der Zerrissenheit hingab.

Es war richtig gewesen, mich für Nima zu opfern. Ich würde es jederzeit wieder tun. Alles in meiner Macht Stehende würde ich geben, um die Familie zu beschützen, aber ich litt. Ich litt unter Vinaash und Darren, unter ihren Methoden, mich zum Reden zu bringen, unter der Leere in mir und den Gefühlen, die mich heimsuchten.

Ich saß allein in der Falle, niemand konnte mir zur Hilfe eilen. Wie sollte Avan darauf kommen, dass sich Vinaash auf Varionta aufhielt? Mich konnte niemand retten. Eine Gänsehaut fuhr über meinen Körper. Der Gedanke machte mir mehr Angst, als ich mir eingestehen wollte. Es war hoffnungslos. Vinaash bekam mein Blut – die Linie von Sarina. Und Darrens als Nachfahre Viveks. Ich schloss die Augen, während eine neue Salve Schluchzer mich zum Beben brachten. Als ich Nima gerettet hatte, hatte ich gleichzeitig ihren Untergang unterschrieben.

Wie hatte ich nur so naiv sein können? Wir waren verloren. Die ganze Welt würde einem Schlachtfeld gleichen, wenn die Göttin der Zerstörung fertig mit uns war …

»Du bist doch selbst der Untergang dieser verfluchten Erde!«, schrie Vinaash mich an.

Langsam schüttelte ich den Kopf. »Nein, den Schuh darfst du dir allein anziehen, Schwester. Du bist schuld, dass das Gleichgewicht aus den Fugen geraten ist. Du bist diejenige, die auf einmal mehr wollte.«

»Mehr wollte? Ich verdiene mehr! Das ist etwas anderes. Du und Vater habt euch, aber wen habe ich? Für mich bleibt bloß die Zerstörung.«

»Du irrst dich. Vater und ich … wir lieben dich genauso. Das solltest du wissen, Vinaash!«

»Ihr liebt mich genauso wie einander?« Die Stimme meiner Schwester klang gehässig.

Sie verstand nicht, dass das, was Vater und mich verband, bedeutender war als bloß das Blut in unseren Adern. »Ich liebe dich. Du bist meine zweite Hälfte.«

»Na und? Du bist meine und ich habe keine Liebe für dich übrig! Ich bin nicht fähig Liebe zu fühlen!«

Ihre Worte trafen mich erstaunlich hart. »Ich glaube nicht, dass du unfähig bist zu lieben.«

»Was bringt dich dazu, das zu glauben?«

»Ich kenne dich. Wir zwei sind zusammen aufgewachsen. Wir sind aus demselben Herzen erschaffen.«

Vinaash wandte sich ab und drehte mir den Rücken zu. Ihre Arme verschränkte sie vor der Brust. »Nur weil wir aus demselben Herzen kommen, bedeutet es nicht, dass wir beide fähig sind zu lieben. Vielleicht habe ich diese Fähigkeit einfach nicht mitbekommen.«

In diesem Moment klang sie nicht mehr gehässig, sondern nur verletzt. Es tat mir in der Seele weh, sie so reden zu hören, weil ich nicht daran glaubte. Ich trat auf sie zu, legte meine Hände auf ihre Schultern und drückte meine Wange an ihre. »Du hast dieselben Fähigkeiten bekommen, die ich auch erhalten habe, Schwester. Du bist nicht weniger wert als ich. Niemals«, teilte ich ihr mit.

Ein Zittern überlief ihren Körper. Meine Worte kamen bei ihr an. Ich hoffte bloß, dass sie ihnen auch Glauben schenkte, so wie ich es tat. »Ich liebe dich so, wie du bist, Vinaash. Spalte dich nicht von uns ab. Bitte, tu uns das nicht an.«

Ihre Muskulatur verspannte sich, bereits bevor mein Satz zu Ende gesprochen war, zeigte mir, dass ich die falschen Worte benutzt hatte.

»Du willst, dass ich an meinen Platz zurückgehe? Dass ich mein Naturell abstreife? Dass ich einfach zusehe und innerlich eingehe?«

Sie stieß mich von sich und brachte mehr Abstand zwischen uns.

Ich legte die Hände auf mein Herz. »Du sollst dein Naturell nicht abstreifen!«

»Das verlangst du aber!« In ihren Augen glomm der Zorn. »Du verstehst mich nicht! Wie könntest du auch? Du bist das Leben. Das Licht. Während ich der finstere Tod bin. Die Leute beten euch an, weil ihr sie erschaffen habt. Aber was mache ich?«

»Du …« Ich verstummte und biss mir auf die Lippe.

Sie hatte recht, obwohl es mir selbst nicht so klar gewesen war, hatte ich genau das von ihr verlangt. Ich legte meine Hände aneinander. »Du magst in diesem Punkt recht haben, Schwester, doch ich liebe dich dennoch.« Ich holte tief Luft und sah ihr in die Augen. »Wenn du glaubst gehen zu müssen, werde ich dich nicht aufhalten. Sei dir aber bitte bewusst, dass du immer ein Zuhause bei uns haben wirst.«

Vinaash schnaufte und ging. Sie ließ Vater und mich zurück. Ich wusste, dass er die ganze Unterhaltung mitbekommen hatte, mein Körper reagierte auf seinen wie auf keinen anderen. Es war, als wären wir zwei Magnete, die voneinander angezogen wurden.

Seine Hand legte sich auf meinen Arm und er strich beruhigend über meine Haut. Seine Lippen berührten die empfindliche Stelle unter dem Ohr. »Sie muss zu sich selbst finden.«

Ich nickte und ließ mich von seinen Berührungen ablenken.

Keuchend kam ich wieder im Hier und Jetzt an. Die Eindrücke stürmten auf mich ein. Dass Pita mit seiner Tochter ein Verhältnis gehabt hatte, jagte mir noch immer einen Schauer über den Rücken. Vinaash hatte sich deswegen wahrscheinlich ausgeschlossen gefühlt, vor allem weil sie selbst nichts erschaffen konnte, was das Leben liebte. Stattdessen raubten ihre Schöpfungen Leben und zogen eine Schneise der Verwüstung hinter sich her.

Ich seufzte. Wäre Vinaash nicht solch eine Bedrohung, würde ich sie fast bemitleiden. Ihr Leben war mit Sicherheit nicht leicht, vor allem nicht mit einem Vater, der nur Blicke für die eigene Schwester gehabt hatte. Dass sich die Göttin der Zerstörung so zum Negativen gewandelt hatte, war keine Überraschung, wenn ich ihre Vergangenheit betrachtete.

Ein Knirschen war zu hören. Langsam richtete ich mich auf und fuhr mir über die Wangen, um die verräterischen Spuren zu verwischen.

Vinaash kam in mein Sichtfeld. Als sie bemerkte, dass ich sie ansah, blieb sie stehen und lehnte sich an die nächste Gittertür. Nachdenklich betrachtete sie mich.

»Was?«, verlangte ich zu wissen. Mit Mühe klang meine Stimme kräftig und nicht rau, was mich erleichterte.

»Bereust du es?«, erkundigte sie sich.

Überrascht erwiderte ich ihren Blick. »Was sollte ich bereuen?«

»Niemand kann dich hier finden. Absolut niemand. Du bist abgeschnitten von deiner Magie. Von anderen Lebewesen. Es gibt niemanden, der dir gerade Kraft schenken könnte. Bereust du jetzt den Platz deiner Schwester eingenommen zu haben?«

»Nein«, kam es über meine Lippen, ohne dass ich darüber nachdachte. »Ich werde niemals bereuen, dass ich mein Leben unter das meiner Schwester und ihres Kindes gestellt habe.«

Sie schürzte die Lippen. »Dir ist bewusst, dass das erst der Anfang war?«

»Vinaash, es ist mir egal, was du mir antun wirst. Ich weiß, dass Avan einen Weg finden wird, dich aufzuhalten. Er und sein Rudel sind stark.«

»Stark genug, um es mit ihrer vollständig erholten Göttin aufzunehmen? Sie sind meine Schöpfung, meine Kinder.«

»Du vergisst, dass Jeevan ebenfalls frei ist – und Pita auch. Sie werden nicht zulassen, dass du die Erde zerstörst.«

Ein Grinsen erschien auf Vinaashs Lippen. »Du unterschätzt mich gewaltig, Tivra. Du bist bloß eine Deva. Doch … Moment! Zum jetzigen Zeitpunkt bist du nicht einmal mehr das. Du überdauerst gerade mal einen Wimpernschlag, du bist Dreck unter meinen Fingernägeln.«

»Wieso raubst du mir dann nicht nur mein Blut und entledigst dich meiner dann? Wenn ich doch nur Dreck bin?«, verlangte ich zu erfahren.

»Zu deinem Glück brauche ich dich lebend, um die Türme zu stürzen«, teilte Vinaash mit und öffnete meine Zellentür mit einer Handbewegung. »Komm.«

»Wohin?«

Sie hatte sich umgedreht und marschierte den Gang zurück.

Für einen kurzen Moment überlegte ich erneut die brave Gefangene zu mimen. Doch nach dem, was es mir das letzte Mal eingebracht hatte, verzichtete ich auf dieses Gehabe und blieb sitzen. Die Kälte saß zwar längst in meinen Knochen und aus der Zelle rauszukommen, käme einem Traum gleich, aber ich würde nicht nachgeben. Nicht dieses Mal … Nie mehr!

»Tivra …« Vinaashs Stimme war in ein bedrohliches Grollen übergegangen.

»Ja?«, fragte ich zuckersüß. Dass sie mich lebend brauchte, um die Türme zu Fall zu bringen, spielte mir in die Karten und ließ mich mutiger sein, als ich es war. Sie konnte mich verletzten, mich in den Wahnsinn stürzen, aber sie würde mich nicht brechen. Niemals. Sie würde nicht mehr kampflos bekommen, was sie brauchte.

»Treib es nicht zu weit«, warnte sie mich.

»Das tue ich nicht. Ich treibe es nicht einmal ansatzweise weit genug«, erklärte ich.

Schmerz stach in meinen Körper. Keuchend sackte ich zu Boden, als sich meine Organe zusammenzogen. Die Wunden, über die eine leichte Kruste gewachsen war, brachen wieder auf. Mein warmes Blut lief über Arme und Bauch. Mit einem Grinsen sah ich zu ihr hoch.

Vinaash stürmte in die Zelle, ihre Magie packte meinen Hals und zwang mich in die Höhe. Sie schob meinen Rücken über die raue Steinwand empor, sodass ich zu der Göttin runterschauen musste, um ihren Blick wahrnehmen zu können.

»Es bringt dir absolut nichts, gegen mich zu kämpfen!«, zischte sie.

Mir wurde die Luft abgeschnitten. Meine Füße baumelten haltlos über der Erde. Ich wollte ihr sagen, dass es sich lohne, ihr Kontra zu geben, dass es jeden Schmerz wert sei, damit sie gegen mich ankämpfen müsse, aber sie hinderte mich daran. Schwarze Punkte flirrten vor meinen Augen.

Mit einem Ruck ließ sie von mir ab, wandte sich um und ich landete hart auf den Knien, aber mit einem Lächeln auf den Lippen. Meine Zukunft war hoffnungslos, doch ich würde nicht kampflos aufgeben. Das war nicht ich und würde niemals meiner Persönlichkeit entsprechen.

»Komm jetzt!«, zischte Vinaash.

»Ich werde … dir keinen einzigen … Zentimeter folgen«, klärte ich die Göttin keuchend auf. Mein Körper holte sich die zwingend erforderliche Luft zurück, die ihm verwehrt worden war.

Ich spürte erneut, wie der Schmerz in meine Glieder schoss. Ich presste die Lippen zusammen, um nicht laut zu schreien.

»Beweg! Dich!«

Ich zwang mich dazu aufzusehen. Schweiß lag auf meiner Haut, und mein Körper erzitterte unter dem Schmerz. »Nein.«

»Argh!« Vinaash schrie und machte eine Handbewegung, die mich gegen die Wand schleuderte.

Knirschend gaben die Knochen nach, als ich an die raue Steinwand krachte und daran hinunterrutschte. Die Haut riss auf. Die neuen Wunden brannten, aber ich hieß sie willkommen. Jeder Schmerz, den sie mir zufügte, war eine erfreuliche Empfindung. Im Gegensatz zu den anderen waren das Wunden des Kampfes. Ich würde mich nicht wiederholt aufgeben.

Sterne flirrten vor meinen Augen. Hustend richtete ich mich auf, dabei stützte ich mich an der Wand ab und begegnete Vinaash auf Augenhöhe.

»Hast du jetzt genug?«

»Bei Weitem noch nicht«, teilte ich ihr mit.

Ihre Augen sprühten vor Zorn. Dieses Mal hob sie ihre Hände und brachte damit meinen Körper zum Schweben. »Ich lasse nicht zu, dass du mich bloßstellst.«

»Weil ich bloß Dreck unter deinen Fingernägeln bin?«

Ein hämisches Grinsen lag auf ihren Lippen. »Genau deswegen.«

Ich erwiderte ihr Lächeln. »Glaube mir, Vinaash, ich werde sehr hartnäckiger Dreck bleiben.«

»Das werden wir sehen.«

Sie wandte sich von mir ab, ohne mein Zutun schwebte ich hinter ihr her. Die Zehenspitzen strichen hauchfein über den steinigen Boden und die kleinen Steinchen ritzten die Haut auf, doch es war mir egal, diese Schlacht hatte ich verloren, aber diesen Kampf, den hatte ich gewonnen. Weiterhin versuchte ich mich gegen die Umklammerung zu wehren, dennoch ließ sie keinen Millimeter nach.

Meine Gedanken wanderten zu Avan und Nima. Für sie würde ich kämpfen. Ich wusste nicht, wieso Vinaash mich lebend brauchte, aber ich würde alles daransetzen, ihnen mehr Zeit zu geben und die Göttin zu schwächen. Selbst wenn ich dafür mein eigenes Leben lassen würde.