High Society 11 - Sammelband - Sibylle Simon - E-Book

High Society 11 - Sammelband E-Book

Sibylle Simon

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Beschreibung

High Society - Liebe in Adelskreisen Sammelband

Leseglück für viele Stunden zum Sparpreis!

Es wird geliebt, gehasst, gewonnen und verloren. Werfen Sie einen Blick in die aufregende Welt der Reichen und Schönen und erleben Sie spannende Verwicklungen! Denn eins wird es in den feinen Kreisen garantiert nie: langweilig!

Was Frauen lieben und wovon sie heimlich träumen, davon erzählen die Romane in High Society - Liebe in Adelskreisen auf mitreißende Weise. Die perfekte Mischung aus Humor, Romantik, Drama und großen Gefühlen lässt den Alltag schon auf Seite 1 in weite Ferne rücken.

Dieser Sammelband enthält die folgenden Romane:

Silvia-Gold 11: Liebesbote auf vier Pfoten
In Adelskreisen 38: Hübsch - aber viel zu stolz
Fürsten-Roman 2438: Liebeskarussell im Fürstenhaus

Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 250 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 372

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2014/2016 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotiv von © 4 PM production/Shutterstock ISBN 978-3-7325-9240-1

Sibylle Simon, Ursula Freifrau Von Esch, Katja Von Seeberg

High Society 11 - Sammelband

Inhalt

Sibylle SimonSilvia-Gold - Folge 011"Was für ein Wetter!" Völlig durchnässt kommt Luna von Friedrichshain in die Küche. "Nanu! Wer ist das denn? Ein Verehrer von dir, Friedel? Na ja, du brichst ja laufend Männerherzen mit deiner Kochkunst." "Sehr witzig!", grollt die Köchin und lässt dem großen fremden Hund heimlich ein Stück Kuchen zukommen. "Dieser arme Bursche weiß nicht mehr, wo er hingehört. Er ist schon den ganzen Nachmittag hier." Sie wirft Luna einen raschen Blick zu. "Oder könnte es sein, dass er unserem reizenden Nachbarn gehört?" Die junge Gutsherrin runzelt die Stirn. "Könnte sein", meint sie gedehnt. "Aber warum sollte der sich einen Hund zulegen?" Friedel lacht. "Wieso fragst du mich? Geh ans Telefon und frag ihn!" Luna starrt den Hund an, der freundlich und unbefangen ihren Blick erwidert, und eine düstere Ahnung steigt in ihr auf ...Jetzt lesen
Ursula Freifrau von EschIn Adelskreisen - Folge 38Prinzessin Arabella ist empört. Sie, die als Modejournalistin in den letzten drei Jahren hofiert und gelobt wurde, soll unzuverlässig und völlig unbegabt sein? Das jedenfalls behauptet der neue Chef des Modemagazins "Mylady", Dr. Berenzow, und lehnt jede weitere Zusammenarbeit mit ihr ab. Wie schwer ihm die Trennung fällt, ahnt Arabella nicht. Denn Dr. Berenzow hat sich auf den ersten Blick in die schöne, aber viel zu stolze Prinzessin verliebt ...Jetzt lesen
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Inhalt

Cover

Impressum

Liebesbote auf vier Pfoten

Vorschau

Liebesbote auf vier Pfoten

Ein Mann, sein Hund und eine Liebe wider Willen

Von Sibylle Simon

»Was für ein Wetter!« Völlig durchnässt kommt Luna von Friedrichshain in die Küche. »Nanu! Wer ist das denn? Ein Verehrer von dir, Friedel? Na ja, du brichst ja laufend Männerherzen mit deiner Kochkunst.«

»Sehr witzig!«, grollt die Köchin und lässt dem großen fremden Hund heimlich ein Stück Kuchen zukommen. »Dieser arme Bursche weiß nicht mehr, wo er hingehört. Er ist schon den ganzen Nachmittag hier.« Sie wirft Luna einen raschen Blick zu. »Oder könnte es sein, dass er unserem reizenden Nachbarn gehört?«

Die junge Gutsherrin runzelt die Stirn. »Könnte sein«, meint sie gedehnt. »Aber warum sollte der sich einen Hund zulegen?«

Friedel lacht. »Wieso fragst du mich? Geh ans Telefon und frag ihn!«

Luna starrt den Hund an, der freundlich und unbefangen ihren Blick erwidert, und eine düstere Ahnung steigt in ihr auf …

Es schüttete wie aus Eimern, was jedoch den großen Hund auf der gegenüberliegenden Seite des kopfsteingepflasterten Hofes überhaupt nicht zu beeindrucken schien. Er saß ganz still da und blickte Friedel unverwandt ernst und ruhig an.

Friedel war allerlei gewöhnt. Schließlich war sie ein gestandenes Frauenzimmer von fast sechzig Jahren und in ihrer Eigenschaft als Haushälterin auf Gut Friedrichshain wahrhaftig kampferprobt, aber jetzt spürte sie allmählich Unsicherheit in sich aufsteigen. Sie wusste nicht, womit sie so viel Aufmerksamkeit erregte.

Wie jeden Tag trug sie ihre weiße, gestärkte Schürze über dem blaugrau gestreiften Kleid – zugegeben, das hatte etwas Altmodisches, längst Überholtes, aber ihr gefiel es immer noch. In dieser »Uniform« hatte sie vor mehr als dreißig Jahren ihren Dienst auf Gut Friedrichshain angetreten, und seitdem hielt sie daran fest.

Der Hund auf der anderen Seite des Hofes war Friedel vor etwa einer Stunde zum ersten Mal aufgefallen. Da war es später Nachmittag, also fünf Uhr gewesen, es hatte noch nicht geregnet, und der Hund hatte zuerst vorsichtig durch das Hoftor gespäht, dann war er vorsichtig nähergekommen.

Für eine kurze Zeit hatte Friedel ihn dann aus den Augen verloren, denn zwischen fünf und sechs nachmittags ging es im Gutshaus hoch her. Da galt es, Tee und Kaffee zu kochen und Streuselkuchen zu servieren, während gleichzeitig ein neuer Kuchen in der Backröhre stand. Das alles musste von Friedel umsichtig und geduldig in die rechten Bahnen gelenkt werden, und es erforderte ihre ganze Aufmerksamkeit.

Als sie dann wieder Gelegenheit bekam, durchzuatmen und sich etwas Ruhe zu gönnen, da regnete es plötzlich, und gegenüber saß der große Hund, von blühenden Heckenrosen eingerahmt, die aber jetzt in der Nässe die Blätter hängen ließen.

Der Hund hielt den Kopf zeitweise schräg, als müsste er angestrengt über etwas nachdenken. Das war der Moment, da Friedel anfing, sich Gedanken zu machen.

Hunde rannten auf Friedrichshain dauernd herum, die eigenen ebenso wie die aus der Nachbarschaft, obwohl dies nicht gern gesehen war. Aber Friedel hatte sich daran längst gewöhnt und fütterte sie alle mit Resten von den Mahlzeiten, was sie vielleicht lieber nicht hätte tun sollen, denn eben deshalb kamen die meisten immer wieder.

Friedel hatte allerdings auch die Erfahrung gemacht, dass die Hunde sich meistens sehr bald davontrollten, wenn sie einen leckeren Bissen bekommen hatten oder wenn sich niemand um sie scherte. Dieser eine tat es aber nicht, den hatte Friedel auch noch nie gesehen, und von so großer Geduld und Ausdauer war sonst keiner gewesen.

»Na, komm schon her!«

Plötzlich stieß Friedel das Küchenfenster auf und rief diese Worte quer über den Hof. Sofort sprang der Hund auf und trabte heran, ohne jede Eile, sehr anmutig, sehr elegant. Jetzt stand er unter dem Küchenfenster, das fast zu ebener Erde lag, denn die Küche befand sich im Souterrain. Er war klatschnass, sein goldblondes Fell musste längst rettungslos durchweicht sein. Fror er denn gar nicht?

Nein, er fror nicht, stellte Friedel sogleich fest. Den Blick fest und entschlossen auf sie gerichtet, setzte er sich wieder hin und wedelte freundlich.

»Na, so etwas«, fuhr Friedel ratlos fort. »Was fange ich denn nun mit dir an? Bist du von hier?«, fragte sie, als erwarte sie ernsthaft Antwort von dem Hund, aber der senkte vor ihrem strengen Blick nur die Augenlider (wenn auch nicht für allzu lange).

In diesem Moment klappte irgendwo im Haus eine Tür, wenig später kamen rasche Schritte die Treppe zur Küche herab.

»Hallo, Friedel. Haben wir noch von dem Grießflammeri?«

Das war Henriette, die junge Cousine von Luna von Friedrichshain. Henriette machte zurzeit auf Friedrichshain Ferien. Sie hatte im Mai ihr Abitur bestanden und behauptete, jetzt dringend der Erholung zu bedürfen.

»So ein Abitur ist schließlich kein Klacks«, fügte sie immer herausfordernd hinzu, und wehe demjenigen, der es wagte, ihr da zu widersprechen.

Henriette kam jeden Abend nach dem Essen noch in die Küche, stets auf der Suche und der Jagd nach etwas Essbarem.

Friedel hatte noch kein menschliches Wesen kennengelernt, das so ausdauernd und unverdrossen essen konnte. Henriette war das gar nicht anzumerken. Sie war groß und schlank und warf immer ihre schwarze Haarflut zurück, als müsste sie gleich vor einer Kamera posieren.

Friedel schob dem Mädchen stumm die Schüssel mit dem kleinen Rest Flammeri hin. Henriette aß und warf dabei einen Blick durch das offene Fenster. Sie entdeckte den Hund und wollte verwundert wissen: »Fütterst du neuerdings fremde Hunde, Friedel? Geht denn das? Glaubst du nicht, dass Luna etwas dagegen hat?«

»Ich kenne den Hund gar nicht«, erwiderte Friedel wahrheitsgemäß. »Er ist uns vorhin einfach so zugelaufen.«

Henriette stand auf und schüttelte missbilligend den Kopf.

»Er sollte sich besser auf den Heimweg machen. Es ist schon nach sechs Uhr. Und es gießt in Strömen.«

»Das sehe ich auch«, brummte Friedel, während hinter dem Mädchen die Küchentür bereits wieder zuklappte. Die kleine, rundliche und immer ein wenig unbeholfen wirkende Friedel beugte sich aus dem Fenster zu dem Hund herab. »Du gehst jetzt besser heim.«

Fast fröhlich sah der Hund sie daraufhin an und machte keinerlei Anstalten, sich zu verabschieden.

Das machte Friedel erst einmal stumm. Dann schnaufte sie.

»Soll das vielleicht heißen, du hast gar kein Zuhause?«

Der Hund schien versucht, unbesorgt zu nicken.

Friedel grollte: »Das kannst du mir nicht weismachen. So siehst du nämlich nicht aus. Ein Hund ohne Zuhause sieht anders aus.«

Daraufhin machte der Hund ein Gesicht, als grübelte er angestrengt. Vielleicht hätte diese Grübelei ja den Entschluss zur Folge gehabt, dass er sich auf den Nachhauseweg machte, aber in diesem Augenblick fuhr ein Wagen auf den Hof, hielt und ließ das Wasser beim Bremsen hoch aufspritzen. Jemand sprang heraus, hechtete mit einem Riesensatz fast direkt bis vor die Eingangstür, und dort konnte man dann diesen Jemand trotz des Regens und der empfindlichen Kühle fröhlich lachen hören.

»Was für ein Sauwetter! Und das mitten in der angeblich schönsten Jahreszeit! Hallo, Friedel, ist noch etwas vom Abendessen übriggeblieben, oder hat meine verfressene Cousine alles bis auf die letzten Krümel vertilgt?«

Das war Luna von Friedrichshain, Besitzerin des Gutes und doch kaum älter als siebenundzwanzig Jahre. Sie kam direkt von der Halle herüber in die Küche und fuhr hier fort, wo sie eben draußen aufgehört hatte: »Kriege ich noch was zu essen? Du machst kein allzu fröhliches Gesicht, Friedel, plagt dich wieder dein Rheumatismus?«

»Ich weiß nicht, wovon du sprichst«, behauptete Friedel zurechtweisend, die an ihr Gliederreißen nicht erinnert werden mochte.

»Na, hast du bei diesem Wetter nicht immer Rheuma? Hallo, hallo, wen haben wir denn da? Ein Verehrer von dir, Friedel? Würde mich nicht wundern, du brichst ja laufend die Herzen aller männlichen Wesen mit deiner Kochkunst.«

»Sehr witzig«, grollte Friedel und ließ wie zufällig dem Hund draußen vor dem offenen Küchenfenster ein Stück frischen Butterkuchen zukommen. »Dieser Hund weiß nicht, wo er wohnt und wie er hierhergekommen ist. Was fangen wir jetzt mit ihm an?«

»Ruf die Gendarmerie an«, gab die junge Luna von Friedrichshain zurück, die – noch im Trenchcoat, dessen Kragen hochgeklappt war – in der Küchentür stand. Ihr blondes Haar war feucht, sie hatte strahlende, dunkelblaue Augen und ein geradezu umwerfendes Lächeln, und sie sah genau so aus, wie man sich im Allgemeinen ein Mädchen aus dem hohen Norden vorstellte.

»Die Gendarmerie?« Es war Friedel anzusehen, dass ihr dieser Gedanke nicht behagte, nein, er gefiel ihr ganz und gar nicht.

Dieses freundliche, hilflose Geschöpf da draußen im Regen – in den Händen der Gesetzeshüter? Friedel hatte mit dem Arm des Gesetzes nicht allzu gute Erfahrungen gemacht in den sechzig Jahren, die ihr Leben nun währte, und es verlangte sie überhaupt nicht danach, diesen Erfahrungen eine weitere, unangenehme hinzuzufügen.

»Könnte es sein, dass der Hund von nebenan kommt?«, fragte sie dann gedehnt und betont arglos.

Luna runzelte die Stirn. »Allerdings könnte das sein. Nur habe ich da noch nie einen Hund gesehen. Er wird sich doch wohl nicht plötzlich einen Hund zugelegt haben?«

»Was fragst du mich? Geh ans Telefon und frag ihn.«

»Ich? Wieso immer ich?«

»Wer sonst? Du bist doch hier die Besitzerin, oder? Ich bin weiter nichts als die Haushälterin.«

»Nur nicht plötzlich so bescheiden«, meinte Luna ohne großen Enthusiasmus. »Das kenne ich doch sonst auch nicht von dir.«

Sie sah noch einmal den Hund an und spürte eine gewisse Gereiztheit in sich erwachen. Eine dunkle Ahnung sagte ihr, dass Komplikationen auf sie zukommen würden, und das gefiel ihr nicht. Bis vor einer Minute hatte dieser Abend klar und überschaubar vor ihr gelegen. Das drohte sich jetzt mit einem Schlag zu ändern.

Und es änderte sich gleich noch viel mehr, als sie dem Blick des Hundes begegnete …

***

»Du musst mir gar nichts sagen, Greta«, behauptete Luna eine Viertelstunde später, als sie die Telefonnummer ihrer Nachbarin, der alten Greta Dehlius, gewählt und ihr die Situation auseinandergesetzt hatte. »Ich bestehe nicht darauf, Details zu erfahren.«

»Das freut mich«, sagte die alte Greta trocken.

»Aber schön wäre es natürlich und auch nützlich, zu wissen, wem dieser Hund gehört«, fügte Luna listig hinzu. »Nur um sicherzugehen. Du verstehst, was ich meine. Es könnte ja sein, dass sich jemand irgendwo Sorgen macht um den Hund.«

»Ich habe keinen«, erwiderte Greta lakonisch.

»Das weiß ich. Aber du hast ja einen … Untermieter.«

»Nein. Untermieter nennt man das nicht. Er wohnt ja nicht bei mir im Haus.«

»Ich meine diesen … diesen Mann, der da auf deinem Grundstück lebt.«

»Ach?!«, machte Greta nicht sehr redselig.

»Ja. Wie heißt er noch gleich?«

»Solltest du das wirklich nicht wissen?«

»Ich weiß es nicht, und damit basta!«

»Er heißt Robert Winterstein, und ehe du wieder mit all den alten Fragen anfängst: Er wohnt in einem ausgedienten Eisenbahnwagen und arbeitet noch immer nichts.«

Das sorgte erst einmal für ein Schweigen von mindestens zehn Sekunden auf Lunas Seite.

»Nichts?«, vergewisserte sie sich dann ungläubig. »Überhaupt nichts?«

»Überhaupt nichts«, bestätigte Greta ihr, ohne auch nur den winzigsten Anflug von Verwunderung spüren zu lassen.

»Ja, hat er denn gar nichts, wofür er zahlen muss?«, regte Luna sich auf. »Ein Auto? Ein Handy? Haus und Garten?«

»Nein, hat er alles nicht. Braucht er auch nicht. Er wohnt in dem alten Eisenbahnwagen, und das reicht ihm.«

»Ich bin zutiefst beeindruckt«, bemerkte Luna spöttisch und schaute aus einem Fenster hinaus in den Regen, der immer noch unaufhörlich und mit deprimierender Regelmäßigkeit herabströmte. Der Hund war schon lange nicht mehr draußen in der Nässe. Friedel hatte sich seiner erbarmt und ihn in die Küche geholt. Durch die Hintertür. Das war sicherer so.

»Ist es möglich, dass er zumindest neuerdings einen Hund hat?«, fragte Luna nun bissig. »Bei uns hat sich nämlich einer eingefunden, der könnte eventuell deinem … Untermieter gehören.«

»Das weiß ich nicht«, unterbrach Greta sie. »Das geht mich auch nichts an. Ich mische mich nicht in die Angelegenheiten von Herrn Winterstein. Wenn du wissen willst, ob es sein Hund ist, dann frag ihn. Er ist bestimmt zu Hause.«

Damit legte sie auf, und das Gespräch war auf diese wenig freundliche Art beendet. Luna holte tief Luft. Robert Winterstein …

Sie hatte es nie glauben wollen. Dass ein erwachsener Mensch in einem alten Eisenbahnwagen lebte. Dass er dort schlief. Dass er dort kochte. Dass er dort eine Toilette und ein Bad hatte.

Und während ihr dies wieder einmal durch den Kopf schoss, dachte sie an den Hund und daran, dass sie sich wohl oder übel auf den Weg zu diesem Winterstein machen musste, wenn sie nicht wollte, dass der fremde Hund in ihrer Küche heimisch wurde …

***

Da war also Robert Wintersteins Eisenbahnwagen mitten im Grünen, wie auf einer Insel, umgeben von der Emsigkeit von Gut Friedrichshain und dem Lärm, den der Bauernhof der alten Greta Dehlius mit sich brachte, den sie seit Langem verpachtet und sich selbst lediglich ein Wohnrecht auf Lebenszeit ausbedungen hatte.

Diese Oase der Stille aus Grünen und Blühen, zu der ein einziger, kiesbestreuter Weg führte, von dem mehrere kleine Wege abzweigten, um irgendwo in den Feldern und Wiesen zu versanden, begann jetzt im Mai gewaltig zu sprießen, obwohl der Winter lang und kalt gewesen war und es schon wieder regnete.

Aber der Frühling ließ sich nicht mehr aufhalten.

Robert Wintersteins Eisenbahnwagen stand etwas abseits, mitten auf einer wilden Wiese, wo das Zittergras hochstand und der Frühling unzählige kleine weiße und gelbe Blumen verstreut hatte. Daneben hatte die bereits erwähnte Greta Dehlius ihren kleinen Garten, den sie trotz ihres Alters immer noch bearbeitete, und eine Laube.

Kein Mensch hätte Greta je dazu bewegen können, beides aufzugeben, den Garten und die Laube, oder – noch schlimmer – von hier wegzugehen, wenn sie auch in einem ständigen Kampf gegen das ständig wuchernde Unkraut lag und es im Herbst nie etwas wurde aus der großen Ernte von Kartoffeln und Kürbissen, Gurken und Birnen. Das bekam sie dann alles von ihrem Pächter frei Haus geliefert …

Als Luna von Friedrichshain und der große goldblonde Hund abends gegen sieben im strömenden Regen vor Gretas Tür standen und anklopften, da wurde ihnen selbstverständlich sofort aufgetan, denn Greta war nicht der Mensch, der jemanden draußen stehen gelassen hätte.

»Charly, du Wahnsinniger!«, entfuhr es ihr statt einer Begrüßung beim Anblick des Hundes. »Was hast du nun wieder angestellt?«

»Aha!«, keuchte Luna grimmig. »Du kennst ihn also doch? Er gehört also hierher?«

»Er gehört nach drüben«, korrigierte Greta sie sogleich.

»Dann ruf mal drüben an und sag Bescheid, dass der Hund bei uns auf Friedrichshain war«, fuhr Luna fort. »Das darf aber nicht zur Gewohnheit werden. Wir können uns nicht dauernd um anderer Leute Haustiere kümmern.«

»Ich kann drüben nicht anrufen, da gibt es kein Telefon«, sagte Greta und nieste heftig, denn die Luft, die zur offenen Tür hereinströmte, war kalt und feucht.

»Seit wann hat er denn nun diesen Hund?«, wollte Luna streng wissen.

Greta schmunzelte unwillkürlich und griff sich an den Kopf, um ihr weißes Haar im Nacken zu einem – zugegeben – etwas unordentlichen Knoten zusammenzufassen. Das gelang ihr nie so recht, deshalb würde sich ihre Frisur wenig später schon wieder ganz allmählich auflösen.

Greta Dehlius war klein und dünn, eine Frau von Mitte siebzig mit einem feinen, freundlichen Gesicht und mausgrauen, lebhaften Augen, denen kaum etwas entging. Sie gehörte zu den Menschen, die nur glücklich waren, wenn sie in ihrem Garten, unter Gottes freiem Himmel, arbeiten konnten.

Wovon sie eigentlich lebte, hatte Luna nie in Erfahrung bringen können, denn eins stand fest: Von den Erträgen ihres Gartens konnte Greta unmöglich ihren Lebensunterhalt bestreiten, und die Pacht, die sie für den Hof erhielt, trug sie seit Jahren treu und brav auf die Bank.

»Das weiß ich nicht«, antwortete sie jetzt. »Ich sagte ja schon, ich kümmere mich eigentlich nie um ihn. Wir sehen uns fast nie. Er lebt sein Leben, und ich lebe meines. Wir haben festgestellt, dass uns das am besten bekommt.«

Luna starrte sie sekundenlang wortlos an.

»Heißt das«, begann sie dann gedehnt, »heißt das, dass ich mir den Hund unter den Arm klemmen und zum Eisenbahnwagen rüberstiefeln soll?«

Greta sah sie fröhlich an. »Jawohl, das heißt es, Luna. Du warst eben schon immer ein kluges Kind.«

***

Luna von Friedrichshain war normalerweise eine von denen, die keine Zeit hatten und deshalb auch keinen Blick für die Details.

Sie arbeitete jeden Tag viele Stunden auf ihrem Gut, sie wirtschaftete und leitete, beaufsichtigte und prüfte, und sie tat all dies so erfolgreich, dass sie selbst die hartnäckigsten Schwarzseher und Skeptiker stumm gemacht hatte. Immer wieder hatte man ihr nämlich gesagt, sie würde es sowieso nicht schaffen. Unmöglich, dass ein so junges Mädchen allein ein so großes Gut bewirtschaften konnte. Das musste einfach schiefgehen!

Es war nicht schiefgegangen. Es ging auch jetzt nicht schief. Luna arbeitete erfolgreich und gleichzeitig unverdrossen. Sie ließ sich durch Kritik, die da und dort vielleicht noch einmal aufflammte, nicht mehr ins Bockshorn jagen. Die Zeiten waren ein für alle Mal vorbei.

Ins Bockshorn jagen ließ sie sich auch nicht von jemandem, der Robert Winterstein hieß und in einem alten Eisenbahnwagen lebte. Trotzdem hielt sie es für angebracht, dass Friedel sie dorthin begleitete. Sie wollte mit diesem Menschen nicht allein sein, und so geschah es, dass sie Friedel aus der Küche holte und sie sich gemeinsam auf den Weg zu Robert Wintersteins Oase machten.

Unterwegs fluchte Luna pausenlos.

»Der ist wohl von allen guten Geistern verlassen, seinen Hund einfach hier rumlaufen zu lassen?«, sagte sie beispielsweise. »Wenn er das öfters macht, wissen wir auf Friedrichshain ja, was uns bevorsteht.«

Friedel zog es vor, darauf nicht zu antworten. Sie wusste, es gab nichts, was Luna friedlicher und milder hätte stimmen können. Robert Winterstein war für sie eine Art rotes Tuch.

Der Abend war inzwischen dunkel und immer noch verregnet. Luna war stehen geblieben und sah sich um.

»Was ist das?«, fragte sie, und Friedel stand nur da und schwieg.

Luna war nahe daran, hysterisch zu werden.

»Vielleicht sagt mir mal jemand, was das hier sein soll!«, rief sie mit schriller Stimme. »Das« war die nasse, morastige Wiese und der geräumige, grün gestrichene Eisenbahnwagen darauf. Man sah ihm schon von Weitem an, dass es durch das Dach regnen musste. Die Fensterläden waren nachträglich angebracht worden, das war deutlich zu erkennen, und sie hingen etwas schief in den Angeln. Der Schornstein blies dichten Rauch in den Abendhimmel, und man brauchte wohl schon einigen Optimismus, um es hier gemütlich zu finden.

Luna fand es nicht gemütlich, das sah man ihr an. Friedel kannte allerdings auch niemanden, der an das Leben so hohe Ansprüche stellte wie Luna von Friedrichshain.

In früheren Zeiten hatten sich die Gutsherren mit Sauerkraut und Bier und am Sonntag mit Entenbraten zufriedengegeben, erinnerte Friedel sich, in Lunas Welt verschwendete man an so profane Dinge keinen Gedanken mehr.

Da ernährte man sich von Häppchen mit Lachs und Kaviar, man schien sich nie mehr richtig satt zu essen, und die Leute, die bei Luna ein und aus gingen, bekamen kaum mehr ein Bier, stattdessen aber fast immer Sekt, manchmal sogar Champagner serviert …

»Hier wohnt er«, stellte Friedel nun fest. »Es hat doch Atmosphäre, findest du nicht?«

»Atmosphäre?«, wiederholte Luna mit gerunzelter Stirn. »Vor allem hat es ein undichtes Dach, das ist alles, was ich sehe. Mein Gott, wie kann der Mann sich hier auch noch einen Hund halten?«

Friedel räusperte sich. »Manchen Leuten gefällt das. Es ist doch eine schöne Stelle, romantisch und direkt im Grünen, da macht ein Hund gewissermaßen das Maß voll, finde ich.«

»Das Maß des Unerträglichen. Allerdings«, ergänzte Luna angewidert. Ungeduldig sah sie sich um. »Führt denn kein direkter Weg dahin? Müssen wir durch das hohe Gras stapfen? Das ist doch schrecklich nass.«

Friedel verlor nicht eine Sekunde die Geduld. »Wenn du willst, dann geh ich vor.«

»Ja, geh nur, geh«, stieß Luna hervor. »Das wird ein Spaß werden«, fügte sie zynisch hinzu und meinte ihre schönen italienischen Wildlederschuhe, die nach diesem Marsch durch das hohe, nasse Gras restlos ruiniert sein würden.

Immerhin schien wenigstens der Hund glücklich. Er sprang wie eine Gazelle durch das Gras, bellte und jaulte begeistert, ohne dass jemand hätte sagen können, welchen Grund es für so viel Lebensfreude gab.

Friedel erreichte den Eisenbahnwagen als Erste, stieg etwas mühevoll die hohen eisernen Stufen hinauf und klopfte dann.

Luna war in einiger Entfernung stehen geblieben, nicht etwa, weil sie nicht neugierig genug gewesen wäre, sich das Chaos anzusehen, in dem dieser Robert Winterstein hauste, aber sie kam nicht vom Fleck, denn einer ihrer Schuhe steckte im Morast, und es war nicht damit zu rechnen, dass sie weiterkommen würde, ohne ihre Schuhe auszuziehen.

Im Eisenbahnwagen konnte man Türen klappen und Stühle rücken hören. Und dann, als Friedel bereits meinte, es würde gar niemand mehr öffnen, da ging die Tür auf, jemand lachte und sagte gut gelaunt: »Da bist du ja, Charly!«

»Eh … ich … ich habe ihn gefunden«, stammelte Friedel verwirrt und verlegen, denn nie zuvor war ihr ein so gut aussehender Mann begegnet, der sie obendrein auch noch anlachte, als wäre sie dreißig Jahre jünger und noch so attraktiv wie zur Zeit ihrer schönsten Blüte.

»Hallo!«, rief da Luna aus der Finsternis hinter Friedel. »Ich komm nicht weiter. Gibt es hier irgendwo Gummistiefel?«

»Wer ist das?«, fragte Robert Winterstein mit hochgezogenen Augenbrauen, während er seinen Hund liebevoll streichelte.

»Das«, erwiderte Friedel würdevoll, »ist Luna von Friedrichshain.«

Erstaunen auf der anderen Seite.

»Die Besitzerin von Friedrichshain? Ich habe sie noch nie gesehen.«

»Wenn nicht bald etwas geschieht, werden Sie sie möglicherweise überhaupt nicht mehr sehen«, orakelte Friedel düster, »weil sie nämlich gerade ganz allmählich im Matsch versinkt.«

***

Ach, das Leben schrieb doch die besten Geschichten …

Wenig später hockte Luna am Tisch, barfuß und in ihrem eleganten Reitkostüm aus Leinen und Leder, das durch den Regen und zahllose Dreckspritzer genauso verdorben war wie ihre Schuhe, die sie verzweifelt zu retten versucht hatte. Einer steckte noch draußen im Schlamm, der andere trocknete auf dem kleinen Kohleofen, der so mächtige graue Wolken ausstieß.

Luna hockte also am kleinen Tisch am Fenster des Eisenbahnwagens, trank einen heißen Salbeitee mit viel Honig und sah ihr Gegenüber immer wieder an.

Friedel erzählte indessen, wie sich der Hund auf Friedrichshain eingefunden hatte und gar nicht wieder gehen wollte.

»Er fühlt sich heimatlos«, sagte Luna schließlich, weil sie sonst keine Antwort auf das seltsame Gebaren des Hundes parat hatte.

»Nein, er fühlt sich nicht heimatlos«, widersprach Robert Winterstein freundlich. »Nur einsam. Er langweilt sich. Das Wetter ist schlecht, wir können keine langen Spaziergänge machen. Und hier im Wagen ist es ihm schnell zu eng.«

Luna hob zurechtweisend die Augenbrauen. »Auf so kleinem Raum sollte man sich nicht so einen großen Hund halten.«

»Das mag sein«, meinte Robert Winterstein schulterzuckend, »aber was soll ich machen? Man hat ihn mir eines Morgens vor die Tür gelegt, da war er noch ganz klein und ziemlich verstört. Ich habe ihn aufgezogen, und nun kann ich ihn doch nicht weggeben, nur, weil ich zufällig keine Fünfzimmervilla besitze.«

Friedel, eine grau gewordene Frau von sechzig Jahren, konnte nur dasitzen und ihn ansehen. Sie hörte kaum, was Luna sagte. Sie war wie blind und taub, denn Friedel hatte sich, Alter hin oder her, Hals über Kopf in diesen jungen Mann verliebt, wenn auch auf eine ganz andere Art, als sie es möglicherweise vor vierzig oder mehr Jahren getan hätte.

Friedel empfand vor allem Mütterlichkeit angesichts dieses Mannes. Sorge erwachte bei seinem Anblick in ihr. Sie, die nicht verheiratet gewesen war und selbst nie Kinder gehabt hatte, begann sich allen Ernstes zu fragen, ob er wohl warm genug angezogen war für diese unfreundlichen Maitemperaturen und ob er auch regelmäßig eine warme Mahlzeit zu sich nahm.

Indessen war Luna – völlig gegen ihren Willen – errötet. Sie fühlte sich plötzlich fehl am Platz mit ihrem schicken Reitkostüm und den eleganten Schuhen, das machte sie gereizt und unwillig.

»Man muss im Leben Prioritäten setzen«, behauptete sie verärgert und lehnte sich zurück, um Robert Wintersteins Blick herausfordernd zu erwidern.

»Ich vermute«, meinte er sehr sanft, »das haben sie längst getan. An erster Stelle in Ihrem Leben steht natürlich Ihr Gut.«

»Natürlich«, sagte sie scharf. »Sonst hätte ich mich gar nicht darauf eingelassen.«

Robert schwieg einen Moment. Er umfing sie mit einem nachdenklichen Blick.

»Sie nehmen sich nicht sehr viel Zeit für das Leben, was?«, wollte er dann wissen.

»Es steht Ihnen nicht zu, mir deswegen Schuldgefühle einzureden.« Luna wurde endgültig ungeduldig.

»Tue ich das denn?« Roberts Stimme war sehr dunkel, sehr gelassen; sie konnte den Pulsschlag einer Frau mühelos beschleunigen. Genau das war bei Friedel der Fall. Sie wusste nicht, wieso, aber es passierte einfach, und gleich fühlte sie sich noch viel mehr für ihn und seinen Hund verantwortlich.

»Ich bemühe mich, mein Leben gleichmäßig einzuteilen«, sagte Luna kühl und erhob sich. »Es ist mir aber durchaus klar, dass jemand wie Sie das nicht versteht. Jemand wie Sie versteht wahrscheinlich gar nichts.«

Der Hund war müde. Er lag nah beim Ofen, und die Augen fielen ihm zu. Der Tag hatte für ihn ein sehr friedliches Ende gefunden. Friedel beugte sich zu ihm herab und streichelte ihn.

Robert tat es ihr gleich und meinte noch: »Machen Sie sich das nächste Mal nicht die Mühe, ihn herzubringen. Schicken Sie ihn einfach nach Hause.«

»Zumal es draußen dunkel, matschig, nass und kalt ist«, fügte Luna schlecht gelaunt hinzu.

Wie eine Prozession legten sie dann den Weg zum Gut zurück. Voran ging Robert mit dem Hund, dann folgte Luna, schließlich Friedel.

Als Robert meinte, sie allein weitergehen lassen zu können, verabschiedete er sich und kehrte zu seinem Eisenbahnwagen zurück. In einiger Entfernung blieb er noch einmal stehen und winkte.

So blieb er Luna in Erinnerung – mit einem Lächeln auf dem Gesicht und einem kleinen Winken zum Abschied.

***

»Hoffentlich habe ich mir keine Erkältung geholt«, murmelte Luna wenig später, als sie angestrengt versuchte, wieder warm zu werden. Aber ihre Kleidung war klamm, es roch alles feucht, und dieser Geruch breitete sich in der gesamten Halle des großen Hauses aus, wo Luna ihre nassen Kleidungsstücke abgestreift hatte, um sofort im Bad zu verschwinden.

Draußen schlug immer noch der Regen gegen die Fenster, ein einschläferndes Geräusch, aber auch deshalb beruhigend, weil Luna in ihren eigenen vier Wänden gänzlich sicher sein konnte, dass es hier nirgendwo durchregnete.

Sie stand lange unter der heißen Dusche und schloss, von einer jähen großen Müdigkeit überwältigt, die Augen. Robert Winterstein – dachte sie immer wieder. Robert Winterstein …

Nicht, dass er sie ernsthaft interessiert hätte!

Nicht, dass sie ihn freiwillig jemals wiedersehen würde!

Hoch aufgeschossen war er, schlank und sehnig, von jener Sportlichkeit, der man die Kraft auf den ersten Blick gar nicht anmerkte …

Luna zwang ihre Gedanken in eine andere Richtung.

Natürlich hatte sie Friedel und dann auch gleich noch Henriette eine Standpauke gehalten, als sie wieder zu Hause waren. Alle mussten einfach begreifen, dass es nicht anging, wildfremde Hunde im Haus zu dulden, nicht einmal draußen im Hof. Sie hatten ja Glück gehabt, dass der Golden Retriever von Robert Winterstein friedfertiger Natur gewesen war; manchmal passierte Schlimmes mit fremden Hunden, wie man wusste.

Aber diese törichte Friedel hatte ihr gar nicht zugehört, sondern da gestanden und nur missbilligend den Kopf geschüttelt. Da war Luna klar geworden, dass Friedel jederzeit wieder den Hund von Robert Winterstein mit Butterkuchen und anderen köstlichen Dingen aus ihrer Küche füttern würde. Sie hielt also ganz umsonst ihre Strafpredigt.

Ach, immer wieder dieser Winterstein …

Luna wurde ärgerlich. Sie beschloss, diesen Namen sofort aus ihrem Gedächtnis zu streichen.

***

Auch die nächsten Tage ging das gesamte Ostholstein beinahe im strömenden Regen unter. Der Himmel erstickte geradezu unter der Wolkenlast, und die Menschen wurden allmählich trübsinnig und gereizt, denn sie sehnten sich nach Wärme und Sonne.

»In diesem Frühjahr krieg ich die Kartoffeln wohl erst im Juni in die Erde«, meinte die alte Greta Dehlius niedergeschlagen, während sie im Regen am Zaun lehnte, der ihren Garten von der Wiese trennte, auf der Robert Wintersteins Eisenbahnwagen stand.

Robert war, ungeachtet der Nässe, mit seinem Hund spazieren gegangen, von seiner Hutkrempe troff der Regen, aber seine Augen funkelten. Ihn konnte dieses Wetter nicht ärgern, das ließ er gar nicht zu.

Indessen war ihm der Hund irgendwo unterwegs abhandengekommen. Das merkte er aber erst viel zu spät. Luna jedenfalls fasste es nicht, dass sich plötzlich sacht die Tür zur Halle aufschob und ein helles Hundegesicht mit großen dunklen Augen um die Ecke spähte.

Sie begriff es einfach nicht. Sie ertappte sich dabei, dass sie darauf wartete, dass die Tür sich weiter öffnete und der Herr dieses Hundes hereinkam, denn es konnte doch wohl nicht wahr sein, dass der Hund es ganz allein geschafft hatte, die Tür aufzumachen.

Doch, er kam allein.

Er kam allein?

Warum, zum Teufel, kam dieser Hund allein?

»So!«, sagte sie nur zornig, als er gleich vorne auf dem ersten wertvollen Teppich sitzen blieb und sie groß ansah. Er wedelte leutselig, und gleichzeitig war sie völlig sicher, was er sich erhoffte.

»Aber nicht von mir, mein Lieber!«, ließ Luna ihn sogleich entschlossen wissen. »Ich bin nicht halb so gutmütig wie Friedel. Mag sein, dass Friedel alles füttert, was kreucht und fleucht, aber ich nicht. Ich niemals!«

»Mit wem redest du denn, Luna?«

Henriette kam die Treppe zur Halle herunter. Sie war gelangweilt.

Sie langweilte sich, seit sie vor drei Wochen auf Friedrichshain angekommen war. So viel Langeweile hatte sie nicht erwartet, als sie beschlossen hatte, sich nach dem Abitur draußen auf dem Lande zu erholen. Jetzt wusste sie kaum, wie sie die Zeit totschlagen sollte.

»Ich rede mit dem Hund«, erwiderte Luna überdeutlich und betont geduldig.

»Ach, wir haben einen Hund?« Henriette wunderte sich und hing sich über das Treppengeländer, um herunterzuschauen.

»Wir haben keinen Hund«, korrigierte Luna sie sogleich, um gar nicht erst Missverständnisse aufkommen zu lassen. »Und wenn dieser Herr Winterstein so weitermacht, wird er auch bald keinen mehr haben.«

»Wieso? Was hast du vor?«, fragte Henriette erschrocken.

Indessen sah der Hund die grollende Luna so unschuldsvoll, ja, geradezu strahlend an, dass ihr Groll zu schmelzen drohte wie Vanilleeis in der Sonne. Doch diese kurze Verbesserung ihrer Stimmung verflüchtigte sich gleich wieder, und sie glaubte, streng dreinblicken zu müssen.

»Wahrscheinlich hat er sich wieder heimlich davongemacht«, sagte sie mit finster gerunzelter Stirn.

Der Hund war weit, sehr weit davon entfernt, auf diesen Vorwurf zerknirscht zu reagieren.

»Selbstverständlich hat er das«, antwortete Henriette für ihn. »Oder erwartest du, dass er vorher um Erlaubnis fragt?«

Als Luna daraufhin nur schwieg, fuhr Henriette fort: »Du wirst den Hundebesitzer benachrichtigen müssen. Schließlich sollte er wissen, wo sein Hund sich herumtreibt, nicht wahr?«

Das klang einleuchtend. Trotzdem runzelte Luna die Stirn. Musste Robert Winterstein wirklich wissen, wo sich sein Hund aufhielt?

»Also, ich gehe nicht wieder rüber und sage es ihm«, verkündete sie nach einem gründlichen Nachdenken. »Ein Paar gute Schuhe habe ich mir schon ruiniert.«

»Lass sie dir doch vom Hundebesitzer ersetzen«, schlug Henriette vor.

Luna warf ihr daraufhin lediglich einen Blick zu, der besagte, dass sie – Luna von Friedrichshain – es nicht nötig hatte, sich von jemandem, der in einem alten Eisenbahnwagen lebte, ein Paar italienische Edelschuhe ersetzen zu lassen.

Der Hund machte ein Gesicht, als wollte er ausdrücken, dass es sinnlos sei, ihn zum Gehen zu bewegen.

»Na, das ist ja alles sehr heiter«, murmelte Luna unschlüssig.

Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Wenn sie losging und Robert Winterstein alarmierte, dann stand ihr der Weg durch die nasse, morastige Wiese wieder bevor. Wenn sie nicht losging und Robert Winterstein alarmierte, dann würde der Hund sich auf Friedrichshain wohnlich einrichten. Das konnte sie nicht zulassen!

Sie mochte Hunde im Grunde nicht. Jedenfalls waren sie ihr bislang ziemlich gleichgültig gewesen. Natürlich hatte es früher immer Hunde auf Friedrichshain gegeben, aber vor zwei Jahren war der letzte Jagdhund von Lunas Vater gestorben, im gesegneten Hundealter von sechzehn Jahren.

Damals hatte Luna beschlossen, dass vorläufig kein Hund mehr ins Haus kam. Wieso hatte nun ausgerechnet dieser Golden Retriever mit Namen Charly sich entschlossen, es auf Friedrichshain so über alle Maßen nett zu finden?

»Auf jeden Fall kommt er immer sehr ungelegen«, warf Henriette nun ein. Manchmal machte sie Bemerkungen, die ihrer älteren Cousine Luna ein verstohlenes Lächeln entlockten, nämlich immer dann, wenn sie sich anstrengte, ganz erwachsen und abgeklärt zu wirken. So auch jetzt.

»Du wirst ihn vor die Tür setzen müssen«, empfahl Henriette nun auch noch, als wäre es noch nicht genug.

»Genau!« Luna nickte energisch und machte die Haustür ganz weit auf. »Raus mit dir, Hund! Du gehörst nicht hierher! Du bist hier unerwünscht!«

Die Enttäuschung war deutlich aus den braunen Hundeaugen abzulesen. Luna besann sich seltsamerweise sofort. Sie begriff plötzlich nicht, wie sie so grausam hatte sein können. Wollte sie das Tier allen Ernstes in den Regen hinausschicken?

»Ein halbes Stündlein könnte er natürlich bleiben«, fügte sie rasch hinzu.

Sofort wurde das Hundegesicht hell. Charly kam näher und lehnte sich vertrauensvoll gegen Lunas Beine und bellte einmal kurz, aber begeistert auf, als hätte er jedes einzelne Wort verstanden.

»Also, ich habe den Verdacht, der weiß ganz genau, was er will«, meinte Henriette gedehnt.

Luna räusperte sich. »Friedel? Friedel, was ist mit dem Tee? Ich habe Hunger auf ein Stück Butterkuchen und eine Tasse Tee dazu.«

Friedel war entzückt, als sie den Hund entdeckte. Gewöhnlich war Luna keine sehr gastfreundliche Nachbarin, das wusste sie. Luna lud kaum mal jemanden zu sich ein. Das war ihr nicht wichtig. Respekt hatte sie sich immer verschaffen wollen, Freundschaften suchte sie erst in zweiter Linie, das hatte sie einmal gesagt.

Der Hund Charly schien jedoch auf freundschaftliche Kontakte zu seinen nächsten Nachbarn zu bestehen, und er konnte ja nicht ahnen, was er damit anrichtete.

***

Robert Winterstein wusste nicht, was hinter seinem Rücken vorging. Alle auf Friedrichshain schwiegen standhaft und bildeten in diesem Schweigen eine verschworene Gemeinschaft.

Luna sagte ihm nicht, dass sein Hund sich regelmäßig auf dem Gut einfand und sich sozusagen pudelwohl dort fühlte – allein schon aus dem Grund, weil es sie nicht sonderlich danach verlangte, noch einmal Robert Wintersteins Weg zu kreuzen. Ihre erste Begegnung mit ihm hatte sie als so unerfreulich empfunden, dass sie sich nicht nach einer Wiederholung sehnte.

Auch Greta Dehlius schwieg, obwohl sie natürlich sah, was sich vor ihrer Haustür abspielte. Greta wollte keinen Streit, sie liebte es harmonisch.

So geschah es also, dass jeden Nachmittag kurz nach fünf der Hund drüben auf Friedrichshain auftauchte und ungefähr eine Stunde später wieder nach Hause geschickt wurde.

Friedel fütterte das Tier, ohne mit der Wimper zu zucken, und so manches Mal schnitt sie eine große Brühwurst für ihn klein oder schlug ein rohes Ei auf eigens für ihn gekochten Brühreis. War es da ein Wunder, dass Charly die zärtlichsten Gefühle gerade Friedel gegenüber entwickelte?

Inzwischen wurde es auch wieder ein richtiger Frühling.

Die Wiese rings um Robert Wintersteins Eisenbahnwagen leuchtete weithin mit ihren wild wachsenden blauen, weißen und gelben Blümchen. Eines Tages war das hohe Gras mit einer Sense abgemäht, und es tat Robert darum leid. Aber er sah wohl ein, dass Greta in ihrem kleinen Garten sonst einen aussichtslosen Kampf gegen die ganzen Wildkräuter kämpfte, und die drüben auf Friedrichshain hatten auch nicht gerade gerne Vogelmiere in ihrem schönen, englischen Rasen …

Man durfte eben nicht alles so wuchern lassen, wie es wollte. Und da man miteinander lebte, hatte man einander zu tolerieren und zu akzeptieren.

»Sieh an«, sagte Greta eines Tages und bückte sich nach etwas, das unter dem trocken gewordenen Sand zum Vorschein kam. »Was haben wir denn da?«

Es war ein Schuh, der früher sicher einmal sehr schön ausgesehen hatte, nun aber verrottet und unbrauchbar war. Robert nahm ihr den Schuh aus der Hand und grinste leicht.

»Wir sollten ihn der jungen Gutsbesitzerin zurückgeben.«

»Ich halte jede Wette, dass sie darüber gar nicht lachen kann«, sagte Greta lakonisch.

»Wahrscheinlich haben Sie recht. Eine schrecklich humorlose Person ist sie«, erinnerte Robert sich.

Vom Dorf trieb der sanfte Frühlingswind die Klänge der Kirchturmuhr herüber. Es schlug halb sechs, und wie, um sich noch zu vergewissern, schaute Friedel drüben auf Friedrichshain auf ihre Armbanduhr.

»Der Hund kommt wohl heute nicht.«

»Och, das ist schade«, fand Henriette, die immer noch auf Friedrichshain weilte, da sie sich angeblich von ihrem Abiturstress nicht erholen konnte. »Wo doch die Schweinehaxen extra für ihn sind, die du gekocht hast.«

»Es ist vielleicht ganz gut so«, meinte Friedel zögernd. »Wir dürfen unser Herz nicht so an ihn hängen. Er gehört uns schließlich nicht.«

»Nein, das tut er nicht«, bekräftigte Henriette und schmunzelte dabei. »Stell dir mal das Gesicht von Robert Winterstein vor, wenn der erfährt, was sein Hund nachmittags immer so treibt.«

»Das«, so ahnte Friedel, »würde nur wieder für Zank und Streit sorgen. Deine Cousine kann Winterstein nicht ausstehen. Sie ärgert sich jeden Tag über ihn, aber sie kann nun mal nichts dagegen machen, dass er drüben im Eisenbahnwagen wohnt. Das ist sein gutes Recht.«

Das stimmte zweifellos.

Aber ob Robert Winterstein für die Ausflüge seines Hundes Verständnis haben würde, blieb vorerst offen. Er verstand ja so ziemlich alles, wenn sich jedoch seine Interessen mit denen der schönen Luna von Friedrichshain verquickten, dann durfte man annehmen, dass sich dieses Verständnis rasch erschöpfte …

***

In den oberen Räumen eilte Luna von Friedrichshain eben den langen Korridor entlang, blickte dabei auf ihre Uhr und registrierte mit einem kleinen Seufzer, dass sie schon wieder viel zu spät dran war.

Den ganzen Tag rannte sie heute der Zeit hinterher. Morgens war sie nur mit zehn Minuten Verspätung aufgestanden, doch diese zehn Minuten hatten sich inzwischen summiert, sie kam heute überall zu spät, ob es nun bei ihrer Bank war oder beim Zahnarzt. Und das ging den ganzen Tag so weiter. Nun war es gleich sechs, und sie hatte eigentlich schon weg sein wollen.

Als sie ihr Arbeitszimmer erreichte, das ein hochmoderner Traum aus Glas und Edelstahl, aus Mahagoni und edlem Velours war, da saß dort groß und schön auf dem Ledersofa – der Hund Charly. Und er saß da nun schon eine ganze Weile.

Vorhin war er direkt aus der Halle gleich die Treppe hinaufgekommen, hatte sich kurz umgesehen und war dann durch die erste offene Tür spaziert – es war ausgerechnet jene zu Lunas Arbeitszimmer.

Lunas Schreck war nur von kurzer Dauer. Dann lachte sie und machte sich daran, das goldblonde Fell des Hundes zu streicheln. Doch Charly durfte die Streicheleinheiten nur kurz genießen, denn da klingelte das Telefon auf dem Schreibtisch. Luna musste wohl oder übel hingehen und den Hörer abnehmen.

»Friedrichshain«, meldete sie sich, und dann hörte sie minutenlang erst einmal nur zu.

Der Hund gähnte. Er tat das hingebungsvoll, denn es war langweilig hier oben in den feinen Räumen. Alles, was Luna hier tat, war langweilig. Das Arbeitszimmer war auch langweilig.

Als Luna gar nicht zu telefonieren aufhörte, begann der Hund unruhig zu werden. Er sprang vom Sofa und strich um Lunas Stuhl. Sie sah ihn verweisend an.

»Setz dich wieder hin, Hund.« Dann legte sie den Hörer auf und sah den Retriever schmunzelnd an. »Ich wurde soeben zum Essen eingeladen«, teilte sie ihm mit. »Von Claas. Was, du kennst Claas nicht? Claas Michelsen? Den kennt doch hier jeder. Größter Bauer weit und breit, der begehrteste Junggeselle weit und breit, und außerdem der Mann mit dem praktischsten Menschenverstand, den ich jemals kennengelernt habe. Was ist? Möchtest du ein Bonbon?«

Der Hund wollte aber kein Bonbon. Er sah aus, als wäre er jetzt gern woanders gewesen, am Ende der Welt oder doch wenigstens drüben auf seiner grünen Wiese, wo er sich in der Sonne hätte wälzen können und wo die alte Greta die ersten reifen Radieschen erntete …

Das Telefon klingelte wieder. Dieses Mal war es Friedel aus der Küche, die sich über das Haustelefon meldete.

»Stell dir vor, Charly ist heute nicht gekommen!«

Luna lachte. »Doch ist er. Ich habe ihn hier oben bei mir.«

»Ach?!«, fragte Friedel pikiert. »Wieso denn das?«

Luna hatte keine Lust, das zu erläutern.

»Friedel, ich brauche mein kleines schwarzes Kleid. Ist es aus der Reinigung zurück? Und meine schwarzen Pumps. Henriette soll sie bitte blank wienern, wenn sie nicht ganz einwandfrei aussehen …«

»Hast du einen Termin?«

»Claas hat mich eben zum Essen eingeladen. Um halb neun im Selenter Fährhaus.«

»Oha! Und ich dachte, du bist um sechs drüben bei den Plathens zum Bridge?«

»Das sage ich ab. Ich sage überhaupt vorläufig alles ab. Claas ist zurück aus Italien, er wird mich in der nächsten Zeit öfters sehen wollen, vermute ich. Darauf muss ich mich einstellen.«

»Musst du wirklich?«, fragte Friedel lustlos. »Ich dachte immer, Claas wäre weiter nichts als ein Flirt.«

Luna lachte. »Abwarten.«

»Willst du plötzlich mehr von ihm?«

Lunas Lachen war schon wieder weg. »Ich weiß es nicht. Ich finde ihn jedenfalls sehr nett, und wir kennen uns seit einer Ewigkeit. Da kommt man sich irgendwann auch privat näher.«

»Privat? Wie privat?«

»Von Mensch zu Mensch eben«, erklärte Luna ungeduldig.

Das Telefon klingelte erneut. Nun war es noch einmal der bereits erwähnte Claas Michelsen, der fünf Kilometer entfernt im Arbeitszimmer seines riesigen Bauernhofes saß und wissen wollte, ob er sich fein anziehen müsste für das Selenter Fährhaus.

Der Hund gähnte wieder. Er kannte Claas Michelsen nicht. Es war nicht ganz sicher, ob man ihm dazu gratulieren oder es bedauern sollte.

***

Claas benutzt immer noch dasselbe Rasierwasser, stellte Luna als Erstes fest, als sie dem jungen Mann mit dem weißblonden kurzen Haar in der Halle entgegeneilte und ihn herzlich umarmte.

Natürlich hatte er einen wundervollen Urlaub in Italien verbracht. Alleine seine intensive Sonnenbräune ließ gar keinen anderen Schluss zu.

Claas Michelsen war ein agiler, ungeheuer attraktiver Mittdreißiger, der mühelos und jederzeit so wirkte, als käme er direkt von den Bahamas, nicht aber von den Getreidefeldern, die er besaß und wo er viele Wochen im Jahr ziemlich hart arbeitete.

Wo er auch immer erschien, erregte er Interesse und Aufmerksamkeit, natürlich vor allem bei den Damen, und trotzdem wurden ihm keinerlei Affären nachgesagt.

Dieser Mann konnte einen einwandfreien Lebenswandel nachweisen, und alle Welt fragte sich mittlerweile, wie er das schaffte. Hatte er denn gar keine einzige Schwäche, keinen Fehler? Es musste doch so etwas wie einen schwachen Punkt in seinem Leben geben – wenn es denn schon keinen dunklen Punkt gab.

Nun, möglicherweise war Luna von Friedrichshain dieser schwache Punkt. Sie war sich darüber selber nicht ganz im Klaren. In ihrem Bekanntenkreis galt Claas als hartnäckiger, ja, verbissener Verteidiger seiner Lebensanschauung: »Über Geld spricht man nicht! Entweder man hat es oder man hat es nicht!«